Abb.: Internationaler Sozialistenkongress in Kopenhagen 1910; Alexandra Kollontai und Clara Zetkin halten einander an den Händen, hinter ihnen steht Rosa Luxemburg. Der Kongress wie auch die zuvor stattfindende 2. Internationale Frauenkonferenz tagte im „Arbejdernes Forsamlingsbygnig“ in dem Kopenhagener Jagtvej 69. An der Stelle des damaligen Arbeiter-Versammlungsgebäudes befindet sich heute eine Aldi-Filiale (Abb aus: https://en.wikipedia.org/wiki/Alexandra_Kollontai)
Abb.: „Bildung – die Waffe der Frau“: Die NGO „Plan international“ setzt sich weltweit für die Bildung von Mädchen und Frauen ein und sieht in der Bildung „die Waffe der Frauen“. Bildung bedeute individuelle und gesellschaftliche Entwicklung. Insbesondere fördert die NGO Patenschaften von Frauen für Mädchen in armen Gesellschaften (vgl. Plan international, a.a.O.).
Abb.: Künstlerische Darstellung einer Großwildjägerin in den Anden mit Vicuñas im späten Pleistozän. Die Tiere wurden wegen des Fleisches und des Fells/Leders erlegt. Nach einem massiven Einbruch ihrer Population seit der Kolonialzeit sind die Vicuñas heute keine gefährdete Art mehr. Die Archäologen kleideten die Jägerin (nahezu modisch-sportlich, in 4000 m Höhe) in gegerbtem Leder, Ocker gefärbt, wie Spuren in ihrem Grab gefunden wurden, Die Jägerin benutzt eine Speerschleuder und hält Reservespeere in der anderen Hand. Speerschleudern dienen dem Abwurf von Speeren, wobei durch den verlängerten Wurfarm die Speere bis auf ca. 150 km/h beschleunigt werden können. Die wesentlich höhere Geschwindigkeit als von Hand geworfenen Speeren bewirkt eine Verdoppelung der Reichweite des Speers, aber immer noch meist unter 30 m. Durch die größere Eindringtiefe in den Körper der Jagdbeute dürfte der Erfolg der Jagd mit Speerschleudern deutlich steigen. Die Kombination aus Speer und Speerschleuder gilt derzeit als die älteste komplexe Jagdwaffe der Menschheit, wahrscheinlich einige tausend Jahre älter als der Jagdbogen. Die ältesten „altweltlichen“ Speerschleuder wurden im heutigen Frankreich aufgefunden und stammen aus einer Zeit ca. 18 000 – 16 000 v. Chr. In Mesoamerika wurden Speerschleudern noch zur Zeit der Conquista unter der Nahuatl-Bezeichnung Atlatl als Kriegs- und Jagdwaffe benutzt.
(Abb. aus „Science advances“, Haas, a.a.O.).
Abb. oben: Die Macht des Feuers - unter maßgeblicher Bereiligung von Frauen (Abb. aus Hariri, S. 40, a.a.O.).
Abb. "Venus von Hohle Fels"
Abbn.: "Busenwand" - Die z.T. noch erhaltenen Köpfe der Frauen sind umgeben von angedeuteten Sonnenstrahlen, die Hochachtung oder Ehrfurcht andeuten könnten. Der Unterwasserarchäologe Helmut Schlichtherle (*1950) fragte, ob die weibliche Symbolik auf Hauswänden und Keramikgefäßen Spuren damaliger frauenzentrierter Kulte darstellten (in: Brigitte Röder, 2014, S. 114– 135, a.a.O.)
....
Abb.: Keramikskulptur der minoischen „Schlangengöttin“, z.T. auch als Priesterin der Göttin interpretiert; Keramikfigur aus dem Schatzhaus des Tempels in Knossos, aus der Zeit um 1650-1550 v. Chr; heute aufbewahrt im Archäologischen Museum in Iraklion (Photo: Christian Meyer, Februar 2019).
Die schlanke Frauenfigur ohne überlieferten Namen, mit weit geöffneten Augen hat durch eine Art Brustband (gr. Strophion) angehobene, betonte volle Brüste, die auffällige Barbusigkeit wird das Symbolisierung der natürlichen/weiblichen Fruchtbarkeit interpretiert. In den erhobenen Händen hält die Figur zwei Schlangen, möglicherweise ein Beleg für den chthonischen Charakter des Kults um die Göttin. Das katzenähnliche Wesen auf dem Kopf der Figur wird als Zeichen ihrer Herrschaft über die Natur gedeutet. Schlangen galten im vorgriechischen Griechenland als heilig, alterslos und unsterblich. Die beobachtete Häutung der Schlangen galt den damaligen Menschen als Erneuerung.
Ein zweite sehr ähnliche Göttinnenfigur wird ebenfalls in Iraklion aufbewahrt. Eine weitere, vergleichbare Figur befindet sich in Boston, im Museum of Fine Arts, allerdings wird ihre Echtheit in Frage gestellt.
Abb.: „Eine ägyptische Frau schreitet erstmals in ihrem Leben zur Wahl“, 1957; Abb. aus Rathmann, Bd. 6, S. 352, a.a.O.). Alle abgebildeten Frauen tragen übrigens ein Hidjabartiges Tuch. Leider wurde in diesem DDR-Band außer diesem Photo über die Kämpfe um das ägyptische Frauenwahlrecht nichts, aber auch gar nichts berichtet. Sie passten wohl nicht zu dem vermittelten Bild von Nasser“
Titelseite der „NS-Frauenwarte“, 1. Maiheft 1941
Die Geschütze auf der Titelseitenabbildung zielten auf England (und Schottland, nicht aiúf Irland). Als die Abb. veröffentlicht wurde, war es bereits offensichtlich, „England“ würde nicht „niedergerungen“, wie es in dem Gedicht von A. Schmitt angekündigt wurde. Wenige Monate später lagen immer mehr deutsche Fabriken, in denen immer mehr Frauen arbeiteten, in Trümmern.
Zehn-Markschein der DDR aus dem Jahre 1971
Abb. einfügen: US-amerikanische Erstwählerinnen in New York; März 1918; der Staat New York hatte das Frauenwahlrecht 1917 eingeführt(Abb. aus „Die Zeit“, Nr. 51/2015, S. 13)
In der DDR waren Anthurien eine häufige "Aufmerksamkeit" zum 8. März: In Südamerika beheimatet, zu den Aronstabgewächsen gehörend, mit mehr als 1000 Arten und vielen Varietäten kann sie als als Zimmerpflanze oder lange haltbare Schnittblume verwendet werden.
8. März Internationaler Tag der Frau - Weltfrauentag, im Jahre 2019 zum ersten Mal in Berlin ein gesetzlicher
Feiertag!
Vgl. auch 25. November, Tag gegen Gewalt an Frauen; 6. Februar, Tag gegen Genitalverstümmelung; Equal pay Day; 1. Februar - KeinKopftuch-Tag ; 19. November: Internationaler Männertag; 10. Dezember, Tag der Menschenrechte, allesamt Tage, die inhaltlich schwierig von einander abzugrenzen sind.
Die Geschichte der Menschheit ist nicht nur eine Geschichte der sozialen Auseinandersetzungen, der Klassenkämpfe, sondern auch der Versuche der einen Hälfte der
Menschheit, der Männer, die andere Hälfte, die Frauen, in ihren sozialen Entfaltungsmöglichkeiten, ihrer Freiheit, ihrer Rollenvielfalt, ihren Rechten einzuschränken, zu reduzieren.
Verkompliziert wurden diese Auseinandersetzungen durch u.a. die sexuelle Attraktion in verschiedenen Orientierungen, die Beispiele in der Literaturgeschichte sind Legion.
In historisch relativ gesicherter Zeit gab es keine Phase, in der Frauen Männer in ihrer Freiheit zu beschneiden, einzuschränken versuchten.
Seit mehr als einem Jahrhundert ist der 8. März, der Weltfrauentag, zum Sinnbild der weltweiten weiblichen Befreiungsbewegung geworden. Die feministisch inspirierte Geschlechterforschung bemüht sich seit Jahrzehnten u.a. um einen Wandel der Deutungshoheit über stereotype historische Geschlechtsrollenbilder.
Ein Beispiel für diesen Wandel bietet die frühe Geschichte der Menschheit. Für die traditionelle Archäologie waren die Verhältnisse klar, die Männer jagten, waren die Werkzeugmacher und Künstler, die Frauen sammelten und führten die Hauswirtschaft, waren die „Nesthüterin“.
Auch der Philosoph Peter Sloterdijk „erklärte“ in einem Spiegelgespräch heutige Geschlechtsrollensterotypen mit dem steinzeitlichen Erbe: Die Frau sei „kapitalismuskompatibler“ als der Mann. „In der Konsumentin zeigt sich noch immer diese stille, triumphale Genugtuung der Sammlerin, die in ihrem Korb etwas heim bringt. Daraus ist dieses mysteriöse weibliche Universal der Handtasche entstanden. Eine Frau ohne Handtasche, das ist wider die Natur“ (vgl. „Spiegel“ Nr. 23/2006).
In dem Zeitraum von vor ca. 100 000 bis 75 000 Jahren gab es allerdings nur noch einige tausend Individuen des Homo sapiens, er drohte – wie alle anderen Hominiden – auszusterben; „Doch diese wenigen Menschen haben sich gegen die Unbilden der Erde behauptet und heute gibt es 7,5 Mrd. von ihnen auf unserem Planeten“ (Dieter B. Hermann, in ND, 17./18. Februar 2018, S. 25). Bei den damaligen Unbilden handelte es sich vermutlich um extreme Trockenperioden v.a. in Ostafrika, wahrscheinlich aber auch um die Folgen einer Klimakatastrophe - vulkanischer Winter - im Gefolge des Ausbruchs des Vulkanes Toba/Sumatra vor ca. 75 000 Jahren: „Die Explosion beförderte solche Mengen an vulkanischer Asche und an Aerosolen in die Stratosphäre, dass die Wolken dort mehrere Jahre verblieben …“ (Behringer, S. 50, a.a.O.). Die Folge war eine enorme Abkühlung auf der Erde, regional um bis zu 15° C, weltweit um ca. 5° C über eine längere Zeit hinweg; es waren weitaus dramatischere Folgen „… als alle jüngeren Vulkanausbrüche“ (Behringer, S. 50, a.a.O.).
Stellen wir uns vor, der Homo sapiens, unsere Spezies, wäre damals ausgestorben – es gäbe nicht nur keinen Weltfrauentag, nein, die ganze uns bekannte Welt würde nicht existieren, trüge ein ganz anderes Gesicht. Ob andere damals noch lebende Hominiden die gleiche rasche Umgestaltung des Planeten bewirkt hätten, das rasante Sich-Untertan-Machens der Erde mit der z.T. selbstmörderischen Dynamik des Anthropozän bleibt spekulativ.
Nach Schätzungen gab es auf dem Höhepunkt der Krise vermutlich nur noch ca. 2000 überlebende Homo sapiens. Ein Indiz dafür ist die – im Vergleich zu den anderen rezenten Primaten - extrem geringe genetische Vielfalt des Erbguts des modernen Menschen. War – wird gefragt – vielleicht die Vermischung des Homo sapiens mit anderen Hominiden wie dem Neandertaler eine Ursache für die rasante Dynamik der Entwicklung?
Um ca. 20 000 v. Chr. war die Zahl der Homo-sapiens–Individuen sehr niedrig: Im heutigen Frankreich lebten gerade ca. 2000 – 3000 Menschen, wobei die Region wohl die dichtestbesiedelte Europas war (vgl. Behringer, S. 56, a.a.O.).
Für diese in prähistorischer Zeit rasche Populationszunahme gab es einige ökonomische Ursachen, an deren Entwicklung Frauen vorrangig beteiligt waren – insbesondere das Aufkommen der Landwirtschaft.
In der Zeit der Jäger- und Sammler benötigte die entsprechende Menschengruppe für ihre Ernährung ein relativ (in Abhängigkeit zur Klimazone) großes Territorium. Auf dem Territorium der heutigen Stadt Berlin hätte - wurde geschätzt – gerade ein Homo-Sapiens-Clan leben können.
Jedoch spricht vieles dafür, dass Frauen in der Frühgeschichte der Menschheit einige besondere Rollen spielten, so als die Hüterinnen des lebensspendenden Feuers (vgl. Schlette, S. 33, a.a.O.; vgl. auch Vestalia).
Die Beherrschung und Nutzung des Feuers ist das Monopol des Menschen als des „homo faber“. Biologen betonen bis heute, dass die Benutzung und Erzeugung von Feuer ein wesentlicher Unterschied zwischen Mensch und Tieren ist. Es sei „… höchst beeindruckend …, dass es unter den Millionen von Tierarten keine einzige gibt, die imstande wäre, Feuer zu manipulieren und zu erzeugen. Hier besteht eine überaus scharfe Grenze, bei der es keine schrittweisen Übergänge gibt wie z.B. beim … aufrechten Gang oder beim Werkzeuggebrauch [0]… Entweder beherrscht man das Feuer, oder man beherrscht es nicht“ (in Wendt/Loacker, Bd. IV, S. 330, a.a.O.). Auch Norbert Elias sah die Zähmung des Feuers als einen frühen Schritt in dem Zivilisationsprozess an (vgl. Kuzmics, S. 19, a.a.O.).
Wann Menschen lernten, das Feuer zu bewahren, zu nutzen und zu entzünden, ist ungesichert. Jedoch gehen Historiker und Anthropologen davon aus, dass Menschen zuerst lernten, die Angst vor natürlich entzündetem Feuer zu überwinden und es mehr oder weniger zufällig zu nutzen lernten (vgl. Abb. oben).
Die älteste gesicherte Feuerstelle, die zweifellos Hominiden anlegten, wurde in der Wonderwerk-Höhle in Südafrika aufgefunden und ist ca. 1,7 Mio. Jahre alt. Tief im Inneren der Höhle fand man u.a. verbrannte Knochensplitter und Pflanzenreste.
Eine genauer erforschte kontrollierte, anthropogene Feuerstelle (vgl. Richter, 2007, S. 12, a.a.O.) liegt bei Gesher Benot Ya´aqov (i.e. „Brücke der Töchter Jakobs“) in Israel, im nördlichen Jordan-Tal, an der ehemaligen Küste des früheren Hula-Sees. Es handelt sich hier um die bislang früheste bekannte kontrollierte Verwendung des Feuers außerhalb Afrikas.
Die Feuerstelle ist ca. 790 000 Jahre alt, stammt aus der Altsteinzeit und wurde dem Homo erectus oder dem Homo ergaster zugeordnet. Da nur ungefähr 2% der im Bereich der Feuerstelle aufgefundenen Holz– und Feuersteinstücke verbrannt waren, kann - meinte Daniel Richter vom MPI für evolutionäre Anthropologie Leipzig - mit hoher Wahrscheinlichkeit ein natürliches Feuer als Folge z.B. eines Blitzschlages ausgeschlossen werden (vgl. Richter, 2007, S. 1 ff. a.a.O.).
Die bisher älteste bekannte Feuerstelle in Europa wurde 1966 entdeckt. Entzündet wurde sie noch von dem Homo erectus vor ca. 450 000 Jahren in der nordungarischen Höhle Véresszöllös. Verbrannt wurden über längere Zeit Tierknochen (vgl. Hotz, S. 93, a.a.O.).
Das Feuer verlieh Schutz und ermöglichte Abwehr von nächtlich jagenden Raubtieren.
Eine „erste große Erfindung“ des Menschen dürfte es gewesen sein, das Feuer transportabel zu machen. „Die Frauen der Lappen und der Andaman-Insulaner haben diese Kunst bis heute geübt: In einem kleinen Holzgefäß, das sie am Gürtel tragen, bewahren sie, in Asche verpackt, einen Glutrest bis zur nächsten nomadischen Lagerstätte und blasen dann die kleine Glutmenge zu neuem Feuer an“ (in Wendt/Loacker, Bd. II, S. 257, a.a.O.).
Transportabel machten frühe Menschen das Feuer auch als Lichtquelle, für lange Jahrtausende die einzig verfügbare künstliche Lichtquelle. Ohne eine Art von Fackeln wäre die künstlerische Tätigkeit im Inneren von Höhlen undenkbar.Bei ihren Wanderungen trugen auch die Frauen der australischen Aborigines (einst ?) „… ein glimmerndes Holzscheit mit sich, um überall gleich ein Feuer entzünden zu können“ (Petri, in Wendt, Bd. II., S. 416, a.a.O.). Die Frauen waren verantwortlich für die Erhaltung des Feuers und den Bau des Erdofens am Lagerplatz.
Vermutlich erst später erfolgte der Schritt zur Zündung eines neuen Feuers durch Reibetechniken. Welche Rolle Frauen dabei spielten, ist bis heute ungewiss.
Sicher aber ist es, dass Frauen bei der Nutzung des Feuers zur Aufbereitung der Nahrung – wahrscheinlich ein bedeutsamer Evolutionsschritt - zumindest beteiligt waren. Auch das Brot dürfte ursprünglich eine weibliche Erfindung gewesen sein.
Schließlich ist es ganz offensichtlich, dass erst durch die Beherrschung und Nutzung der Wärme des Feuers große Gebiete der Erde für die Besiedlung durch Menschen zugänglich gemacht wurden.
Eine geschlechtsspezifische Arbeitsteilung mit Frauen als Sammlern und Männern als Jägern ist bis heute eine vorherrschende Grundhypothese sowohl in der Ethnographie als auch in der prähistorischen Forschung. Eine jahrzehntealten Kontroverse um Steinzeit-Jägerinnen könnte zu einer Infragestellung von Rollenklischees führen.
Eine geschlechtsspezifische Arbeitsteilung mit Frauen als Sammlern und Männern als Jägern ist bis heute eine vorherrschende Grundhypothese sowohl in der Ethnographie als auch in der prähistorischen Forschung. Eine jahrzehntealten Kontroverse um Steinzeit-Jägerinnen könnte zu einer Infragestellung von Rollenklischees führen.
Viele Aussagen über prähistorische geschlechtsspezifische Tätigkeitsbereiche, ihren Umfang und ihre wirtschaftliche Bedeutung/Effizienz wurden nicht auf dem Hintergrund archäologischer Belege oder Indizien gemacht, sondern aufgrund von Analogieschlüssen zu ethnologischen Beobachtungen/Untersuchungen entsprechender Werte bei rezenten Jäger- und Sammlergesellschaften.
In diesen Gesellschaften spielt jedoch auch heute die Sammeltätigkeit v.a. der Frauen (und Kinder und Männer) eine entscheidende Rolle: „Ethnographen setzen den Anteil der durch Jagd gewonnenen Nahrung auch bei Jägervölkern nur mit 20- 45 Prozent an“ (Schlette, S. 32/33, a.a.O.).
Der kanadische Kulturanthropologe Richard B. Lee (*1937) beschäftigte sich jahrelang mit dem Wirtschaftsleben der Kung-Buschmänner im heutigen Botswana und stellte fest, dass die v.a. von Frauen und Kindern gesammelte pflanzliche Nahrung gewichtsmäßig 60 – 80 % der gesamten Ernährung umfasste, wofür allerdings auch nur ca. 2-3 Arbeitstage pro Woche benötigt wurden. Bei den Kung aber (und nicht nur dort) beteiligten sich auch Männer an den Sammelaktionen. An der Jagd aber nahmen Frauen praktisch nicht teil.
Es ist bei vielen rezenten Jäger- und Sammlergesellschaften auffällig, dass allerlei Tabuisierungen für eine weitgehende Trennung der Lebensbereiche sorgen: die auch nur zufällige Anwesenheit verhindert (angeblich) die Funktionsfähigkeit einer von Männern hergestellten Reuse, oder umgekehrt, bewirkt der Hinzutritt eines Mannes das Zerbrechen eines Tongefäßes. Ist es nicht aber so, dass solche Tabus erst am Ende jahrtausendealter Entwicklungen entstehen und beachtet werden - nicht etwa das „ursprüngliche“ Verhalten sind? Für paläolithische Gesellschaften muss deshalb die oft strikte Trennung der Arbeitsbereiche nicht zwingend gelten.
Das oben dargestellte Nahrungsquellenverhältnis gilt für alle bekannten Sammler- und Jägervölker außerhalb der Arktis, wo ja lange Monate aus klimatischen Gründen keine pflanzliche Nahrung zu finden sein kann (vgl. E. Morgan, S. 192, a.a.O.).
Auf dem nordisraelische Fundplatz Gesher Benot Ya´aqov sind vielfältige organische Substanzen (u.a. Früchte und Samen) hervorragend erhalten geblieben, die von den dort lebenden Homo erectus (oder Homo ergaster) gesammelt worden waren. Botaniker stellten knapp 21 000 solcher „Makroreste“ fest, von mindestens 55 Arten, die essbar waren. Aus diesen Funden wurde abgeleitet, dass bereits in dieser Epoche des Acheuléen [1] ein detailliertes Wissen über essbare Pflanzen bestand und diese als Nahrung auch genutzt wurden. Es ist mehr als wahrscheinlich, dass es v.a. Frauen waren, die dies Wissen akkumuliert und tradiert hatten.
Darüber hinaus wurden in Gesher Benot Ya´aqov sowohl Steinwerkzeuge gefunden, die als Hammer und Amboss benutzbar waren, als auch Überreste von verschiedenen essbaren Nüssen, deren harte Schale nur durch Werkzeugbenutzung zu öffnen wären: Ganz ähnliche Werkzeuge werden noch heute von einigen Jäger- und Sammler-Gesellschaften benutzt, - und auch jüngst von bestimmten Schimpansen-Populationen in Westafrika.
Die Archäologen schlossen aus den Funden, dass es v.a. Frauen (und Kinder) waren, die die Nüsse sammelten und knackten: Es waren sicher gemischtgeschlechtliche Gruppen, die einst am Hula-See lebten.
Nach Auffassung der Kölner Ethnologin und Archäologin Sibylle Kästner (a.a.O.) ist die Existenz von Jägerinnen im jungpaläolithischen Europa (ca. 40 000 - 10 000 v. Chr.) zu vermuten. Auf der Basis archäologischer Quellen lassen sich paläolithische Jägerinnen aber nicht beweisen, denn die bei Ausgrabungen gefundenen Steinwerkzeuge und Tierknochen belegen zwar die Jagd, wer aber jagte, ob Frauen, Männer oder Kinder, verraten die Funde nicht. Kästner führt dazu aus, dass Antworten auf die Jägerinnen-Frage folglich spekulativ sind.
Umgekehrt zeige allerdings ein genauerer Blick auf heutige Jäger- und Sammlergesellschaften die Existenz von „jagende Sammlerinnen und sammelnden Jägerinnen“. Kästner stellte fest: „Es liegen ethnografische Daten über Wildbeuterinnen aus nahezu allen Weltregionen vor, die direkt oder indirekt, mit anderen Frauen und/oder mit Männern an Jagden auf Klein- und Großwild teilnehmen. Manche begeben sich gelegentlich auf die Suche nach tierischer Beute, andere regelmäßig, die einen menstruierend oder schwanger, mit oder ohne Kinder, im Rahmen von Geschlechterrollenwechseln oder als selbstverständlicher Teil ihrer Frauenrolle“ (a.a.O.). Das könne z.B. auch durch ihre aktive Teilhabe an Zeremonien zur Beutevermehrung geschehen.
Insbesondere erforschte Sibylle Kästner australische Aborigines-Frauen beim Beutemachen. Sie beschreibt Jagdmethoden und Ausrüstung sowie das erbeutete Klein- bis Großwild. Sie verdeutlicht das Stereotyp. Das Erbeuten von Tieren sei fest in den Lebenszyklus und die religiöse Welt der Aborigines-Frauen eingebettet.
Ganz ähnliches gilt nach Kästner für zentralafrikanische Pygmäen wie die BaAka, Bofi, Mbote und Mbuti, die spezialisierte Jäger sind (waren??). Ihre Netzjagden dauern bis zu acht Stunden, es beteiligen sich bis zu 100 Personen, Frauen, Männer und auch Kinder ab 5 Jahren.
Bei den verschiedenen Tätigkeiten an der Netzjagd beschreibt Kästner die große Variabilität alters- und geschlechtsspezifischer Arbeitsteilung: Bei einigen Gruppen wird das Netz von Frauen und Männern geknüpft, bei anderen nur von Männern. Bei einigen treiben Frauen und Kinder die Beute (meist Kleinwild wie Antilopen) in die Netze, bei anderen ist Treiben Aufgabe beider Geschlechter oder nur Männer sind die Treiber. Das Töten des Wildes obliegt je nach Gruppe Frauen und/oder Männern.
Ju’/hoan-San-Frauen in Namibia und Botswana gelten z.B. als „exzellente Spurenleserinnen, die ihre Ehemänner regelmäßig auf der Pirsch begleiten“ (vgl. Kästner, a.a.O.).
Kästner betont, dass Geburten die Frauen dabei nicht beeinträchtigen, oft nähmen sie schon wenige Tage nach der Geburt wieder an der gemeinsamen Jagd teil. Die Mutterschaft schränke weibliche Jäger in ihrer Mobilität nicht ein. Dass die Frau durch zahllose Geburten an das heimische Lagerfeuer gebunden und so jagdunfähig sei, ist v.a. durch unser heutiges Rollenverständnis geprägt.
Kästner verdeutlichte die problematische Abgrenzung der Begriffe „Jagen“ und „Sammeln“. Manche Tätigkeiten wurden von den Anthropologen einmal als Jagen und ein anderes Mal als Sammeln bezeichnet. In einigen Fällen wurde dieselbe Tätigkeit, wenn sie von Männern ausgeführt wurde, als „Jagen“, wenn sie von Frauen ausgeführt wurde, als „Sammeln“ bezeichnet (Kästner, S. 28—29, a.a.O.).
Weitere Indizien für die Existenz steinzeitlicher Jägerinnen sind Grabfunde.
Unterdessen sollen einige Gräber von Frauen entdeckt worden sein, die wegen der beigelegten Waffen vermutlich Jägerinnen waren. In einem Grab in Stetten an der Donau fand man in einem jungsteinzeitlichen Grab das Skelett einer Frau, die mit Knochenspitzen, einem Schleifstein und einer Feuersteinklinge beerdigt wurde.
Im russischen Sunghir (bei Wladimir, nördlich von Moskau) fand man in den 60er Jahren des 20. Jhdts. das Grab eines neun- bis zehnjährigen Homo-sapiens-Mädchens, das vor ca. 30 000 Jahren gestorben war. Sie war mit sehr aufwendigem Schmuck und mehreren Lanzen aus Mammut-Elfenbein bestattet worden. Allerdings handelte es sich hier um eine Doppelbestattung, mit einem etwas älteren wohl verwandten Jungen. Zur Herstellung der ca. 13 000 aufgefundenen Elfenbeinperlen waren ca. 10 000 Arbeitsstunden nötig. Die Geschlechtsbestimmung des Mädchenskeletts ist nach neueren Forschungen allerdings umstritten (vgl. https://en.wikipedia.org/wiki/Sungir).
Bei Grabungen im Süden Perus, im der Region Wilamaya Patjxa im Aymara-Gebiet der Anden, wurde seit 2018 eine Fülle von Steinzeitobjekten aufgefunden, u.a. das Grab einer jungen Frau, die vor ca. 9000 Jahren, im späten Pleistozän (früher: Diluviun), verstarb. Im Grab, direkt neben ihr, fanden die US-Archäologen um Randall Haas (California-Universität/Davis) die Überreste einer kompletten Jagdausrüstung, mit Messern, Steinschabern und mehreren Feuersteinspitzen für Speere. In seinem Forschungsbericht in „Science Advances“ (a.a.O.) vermutete Haas, es sei das Grab eines Großwildjägerin, denn nahebei wurden auch zahlreiche Knochen von Vicuñas (der Wildform der Alpakas) aufgefunden. Auch könnte die damalige primäre Jagdtechnologie - der Atlatl, das Speerwerfen - eine breite Beteiligung von Frauen an der Großwildjagd gefördert haben.
Michael Petraglia (von dem Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte in Jena) hält den Schuss auf eine Jägerin nicht für zwingend. Er meinte: „So könnte vielleicht auch ein Angehöriger oder enger Freund der Verstorbenen die Jagd-Utensilien mit auf den letzten Weg gegeben haben“ (zit. n. Tagesspiegel, 5. November 2020, S. 26). Allerdings schloss Petraglia nicht aus, das Steinzeitfrauen erfolgreiche Großwildjägerinnen waren – nur beweisen ließe sich das schwer.
Dagegen argumentierten Haas et al., Bestatteten seien in der Regel Objekte ins Grab gelegt worden, die diese auch im Leben oft bei sich trugen.
Weitere Querschnittsuntersuchungen bestärkten m.E. diese Argumentation: Von allen 27 mit Jagdgeräten aufgefundenen Steinzeitgräbern in Nord- und Südamerika waren unter den Bestatteten nach Geschlechtsbestimmungen 11 Frauen – ein hoher Prozentanteil an möglichen Steinzeitjägerinnen (vgl. Tagesspiegel, 5. November 2020, S. 26). Haas resümierte, dass die frühe Großwildjagd wahrscheinlich geschlechtsneutral oder nahezu geschlechtsneutral war (Haas, S. 315, a.a.O.).
Sehr wahrscheinlich waren Frauen nicht nur Jägerinnen, sondern auch Werkzeugmacherinnen oder Bergarbeiterinnen.
Die britische Feministin und Publizistin Elaine Morgan (1920 – 2013) wies darauf hin, dass die Sammeltätigkeit früher Frauen notwendig zur Erfindung von Behältern, Tragekörben, Netzen (vgl. Abb. oben) und schließlich zur Töpferei führten (vgl. E. Morgan, S. 196, a.a.O.).
„Überreste eines knotenlosen Netzes“, ca. 8000 v. Chr.; diente als Tragenetz, hergestellt und benutzt u.U. von Frauen; ausgestellt in der Ausstellung „Archäomusica“ in Brandenburg im Frühjahr 2018 (Photo: Christian Meyer, 6. März 2018)
Die Entdeckung der Töpferei ist historisch vermutlich unabhängig voneinander in mehreren Regionen erfolgt, im alten Ägypten trat sie im Nildelta schon im 9. - 8. Jtsd. v. Chr. auf. Die Keramikgefäße verbesserten in den Kulturen der Jungsteinzeit grundsätzlich die Möglichkeiten zur Vorratshaltung im Gefolge der Entwicklung der Landwirtschaft. Getöpferte Keramikgefäße konnten sich umgekehrt aber erst bei gleichzeitiger Sesshaftwerdung durchsetzen, da sie zuvor als Transportbehälter ungeeignet waren.
Der französische Anthropologe Claude Lévi-Strauss (1908 - 2009) beschäftigte sich intensiv mit der Töpferei in indianischen Gesellschaften. So stellte er beispielsweise bei den Mohave in Arizona fest, dass in den dortigen Mythen die Töpferei eng mit einer weiblichen Gottheit verbunden war. Die Göttin hielt die aus den Gemüsegärten gewonnene Nahrung für unvollständig, solange es keine Gefäße gab. Deshalb bewirkte sie den Ursprung der Töpferei (Lévi-Strauss, S. 238, a.a.O.).
Nach einem Mythos der Jibaro in der Amazonas-Region ist die Göttin Nunkui die Schutzherrin des Feldbaus, generell der weiblichen Arbeiten und insbesondere der Töpferei, die sie die Frauen lehrte: „Um eines Ehemannes und guten Jägers würdig zu sein, muss eine Frau sich darauf verstehen, selbst gutes Geschirr herzustellen, in dem sie ihm sein Wild zubereiten und servieren kann. Frauen, die die Töpferei nicht beherrschen, sind strenggenommen verfemte Geschöpfe“ (Lévi-Strauss, S. 45, a.a.O.).
Die Ausübung der Töpferei ist (war?) von allerlei Riten und Tabus umgeben, die nicht verletzt werden dürften. Denn die Schutzherrinnen und –geister der Töpferei sind eifersüchtig auf die Einhaltung komplizierter Regeln bedacht. Sonst zerspringen die Gefäße oder anderes vielfältiges Unheil bricht herein (vgl. Lévi-Strauss, S. 49 ff., a.a.O.). Claude Lévi-Strauss betonte, dass nur in einzelnen seltenen Fällen unter südamerikanischen Indios Männer Töpferei betrieben (vgl. Lévi-Strauss, S. 46, a.a.O.).
Frauen spielten sicher auch bei der Entwicklung der „neolithischen Revolution“, der langsamen Ausbildung der Landwirtschaft und damit der Sesshaftigkeit im Vorderen Orient um 10 000 v. Chr. eine führende Rolle. „Die ökonomische Vorrangstellung der Frauen bei den frühen Bodenbauern muss offensichtlich weltweit verbreitet gewesen sein“ (Schlette, S. 67, a.a.O.). Das wirklich rasche Wachstum der Bevölkerungszahl setzte erst mit der Entwicklung der Landwirtschaft ein, si nur erlaubte eine größere Bevölkerungszahl pro Flächeneinheit zu ernähren.
Der US-amerikanische Anthropologe Marshall Sahlins (*1930) bezeichnete in seinem 1972 erschienenen Werk „Stone Age Economics“ wegen der kurzen benötigten Arbeitszeiten dies Stadium der menschlichen Entwicklung als die „ursprüngliche Wohlstandsgesellschaft“ (vgl. Sahlins, S. 3f., a.a.O.), in der die – grundlegenden, aber bescheidenen – Bedürfnisse aller leicht zu befriedigen waren (vgl. E. Morgan, S. 194, a.a.O.). So blieb den Menschen, den damaligen Frauen und Männern, genügend von der Nahrungssuche freie Zeit, auch für die Kunst.
Welche Rolle spielten dabei Künstlerinnen, welche Fruchtbarkeitskulte und die Verehrung weiblicher Ahnen und/oder Göttinnen ? Gibt es Indizien für die Existenz früher Matriarchate? In den letzten Jahrzehnten bemühte sich v.a. eine feministisch orientierte Geschlechterforschung um Antworten.
Auch bei der „eiszeitlichen“ Kunst wurde es lange als selbstverständlich angesehen, dass es Männer waren, die sie herstellten. Die paläolithischen Felsgravierungen und Höhlenzeichnungen wie Altamira (1868 entdeckt) oder Lascaux (1940 entdeckt) thematisieren v.a. die Jagd und Tiere, in der Sicht von Schlette sind es die Tätigkeitsbereiche der Männer (vgl. Schlette, S. 42, a.a.O.).
Unklar aber erschien das aber schon lange bei den sog. Venusfiguren. Berühmt wurde etwa die 1908 in der Wachau/Österreich gefundene „Venus von Willendorf" (heute im Naturhistorischen Museum/Wien; vgl. Abb. oben), die aber mit 28.000 Jahren keineswegs die älteste ist. Der Künstler (oder die Künstlerin) hat wohl mit scharf geschlagenen Steinklingen und spitzen Steinwerkzeugen gearbeitet, Wellen, Linien und Punkte auf den Figuren hervorgebracht, Frisuren, Schmuck und v. a. Körper-Rundungen veranschaulicht. Die nur ca. 11 cm große Darstellung aus Kalkstein modelliert, legte „… auf die Fruchtbarkeitsattribute der Frau größeren Wert … als auf die Darstellung des Kopfes“ kommentierte Wolfgang Behringer (S. 55, a.a.O.). Vermutlich gibt es keinen Penisneid der Frauen, vielmehr einen Gebärneid von Männern??
Abb. einfügen: „Venus von Willendorf“, eine ca. 11 cm hohe Kalksteinfigur aus dem Paläolithikum (Abb. aus Hotz, S. 75, a.a.O.). „Die Vernachlässigung der Füße war wohl funktionell bedingt, um die altsteinzeitliche Figur in den Boden oder einen erhöhten Lehmsockel stecken zu können“ (Hotz, S. 74, a.a.O.).
Die Venusfiguren sind die überhaupt ältesten Darstellungen von Frauen, als figürliche Skulpturen die wahrscheinlich ältesten des Menschen, aus einem Zeitraum von ca. 20 000 Jahren. Aufgefunden wurden sie in einem riesigen geographischen Bereich, von Frankreich und Spanien, über Italien (bis nach Sizilien), in ganz Mittel- und Osteuropa (u.a. Gagarino am Don, Kostenki im Oblast Woronesch), bis nach Sibirien (z.B. Malta bei Irkutsk).
Sie stammen zeitlich/kulturell vorwiegend aus dem Aurignacien [2] sind meist nackt, mit überbetonten Geschlechtsmerkmalen, großen Brüsten und z.T. vergrößertem Bauch, haben oft eine hervorgehobene Vulva.
Es gibt bei ihnen gewisse stilistische Unterschiede, aber männliche Figuren dieser Art kommen nur sehr selten vor (vgl. Tokarew, S. 30, a.a.O.).
Hinsichtlich ihrer Funktion sind die Venusstatuetten bis heute umstritten und werden uneinheitlich interpretiert:
Mit dem Ende des Paläolithikums verschwinden - für längere Zeit - die Darstellungen von Menschen und Tieren weitgehend (vgl. Tokarew, S. 31, a.a.O.).
Abb. einfügen: „Frau mit Bisonhorn“ (Abb. aus Hotz, S. 102, a.a.O.), 1911 entdeckt; ein 46 cm hohes Flachrelief im Kalkfelsen eines Abri bei Laussel in der Dordogne aus dem mittleren Jungpaläolithikum (ca. 23 000 v. Chr.). Das Relief befindet heute im Musée d’Aquitaine in Bordeaux.
Das Halbrelief war ursprünglich mit Ocker rot gefärbt. Das Bisonhorn könnte zu einem Trankopfer gehört haben. Da das Horn 13mal gekerbt worden war, könnte es - wie Archäologen von der Ausstellung „Archäomusica“ im Brandenburger St- Pauli-Kloster vermuten - als Schrapper-Musikinstrument gespielt worden sein. Auch wurde die 13 als die Zahl der jährlichen Menstruationen interpretiert. Das Relief zeigt große Ähnlichkeit mit den in großer Zahl aufgefundenen Venusfiguren, ist eine Art Umsetzung in die Reliefkunst (vgl. Hotz, S. 105, a.a.O.). Da sich unter dem Abri weitere vier paläolithische Reliefs befanden, wird der Ort auch als eine Art frühes Heiligtum angesehen. Eine Kopie von einem der Objekte („Venus von Berlin“) befindet sich im Berliner Museum für Vor- und Frühgeschichte.
Abb. einfügen: „Venus von Lespugue“ (Abb. aus Hotz, S. 109, a.a.O.), eine 14 cm hohe aus Mammutelfenbein geschnitzte Figur, die auf ca. 23 000 Jahre v. Chr. datiert wurde. Aufgefunden wurde die Figur 1922 in einer Höhle im Pyrenäenvorland. Heute befindet sich die Figur im Musée de l’homme, Paris.
Manche Kunsthistoriker*innen vermuten einen Zusammenhang zwischen dem Zyklus des Landbaus (Säen, Wachsen, Reifen, Ernten), dem menschlichen Lebensablauf (Geburt, Wachstum, Tod) und der Vielzahl von aufgefundenen „Venusfiguren“. Die wahrscheinlich dahinter bestehenden religiösen Vorstellungen zeigten sich „nicht nur in den üppigen Statuetten der ‚Großen Mutter’ ... sondern auch (in) zahlreichen Fruchtbarkeitssymbolen“ (Hotz, S. 123/24, a.a.O.).
So anerkannte z.B. der sowjetische Ethnologe und Religionsforscher Sergej Alexandrowitsch Tokarew (1899 - 1985) im Neolithikum die Verehrung einer weiblichen Gottheit, jedenfalls gibt es vielfach in Stein geritzte weibliche Figuren, auch verschiedene Stein- und Tonfiguren, die als Schutzherrin der Sippe oder Wächterinnen des Grabes interpretiert werden. „Wahrscheinlich aber besteht ... ein genetischer Zusammenhang zwischen diesen Darstellungen und den paläolithischen Frauenstatuetten“ (Tokarew, S. 34, a.a.O.).
Einige Forscher*innen sehen in der Existenz der Venusfiguren ein Indiz oder einen Beweis für mutterrechtliche Traditionen innerhalb der frühen Gesellschaften (vgl. Schlette, S. 58, a.a.O.).
Der rumänische Religionswissenschaftler und Philosoph Mircea Eliade (1907 - 1986) hingegen betonte die (in seiner Sicht) Evidenz, „ … dass die Symbolismen und Kulte der Mutter Erde, der menschlichen und agrarischen Fruchtbarkeit, der Heiligkeit der Frau usw. sich erst nach der Entdeckung des Ackerbaus entwickeln und ein reich gegliedertes religiöses System bilden konnten …“ (Eliade, S. 11/12, a.a.O.). Von daher seien auch matriarchale soziale Strukturen „… an die Entdeckung des Ackerbaus durch die Frau gebunden“ (Eliade 1957, S. 85, a.a.O.). Im „Handbuch der Religionen“ sah Eliade in der „… sogenannten ‚Kunst‘ des Altpaläolithikums“ mit den „… berühmten steatopygischen Venusstatuetten (‚mit Fettsteiß‘)“ keine besondere religiöse Bedeutung (Eliade 1991, S. 28, a.a.O.).
Eine Reihe von Ausstellungen der letzten Jahre thematisierte u.a. auch mit neuen Fundstücken die obigen Fragen.
Das Archäologische Museum in Stuttgart zeigte im Jahre 2009 die Landesausstellung „Eiszeit. Kunst und Kultur“. Präsentiert wurden damals erstmals die spektakulären Höhlenfunde der Schwäbischen Alb, darunter die Venusfigur vom Hohle Fels, die Knochenflöte und das Elfenbeinmammut aus der Vogelherdhöhle. Die jahrtausendealten Kunstwerke sind die (derzeit) ältesten Belege der Menschheit für figürliche Kunst.
Die „Venus vom Hohle Fels“ - eine 2008 aufgefundene Elfenbein-Figur mit großen Brüsten, ausgeprägtem Gesäß und hervorgehobenen Geschlechtsteilen - ist ca. 6 cm groß und wiegt 33 g (vgl. Abb. oben). Sie gilt (zurzeit) mit 35.000 Jahren als älteste Menschendarstellung der Welt und als eines der ältesten Beispiele für figürliche Kunst, jüngere Venusfiguren gibt es in ganz Eurasien sehr viele.
Die Flöte (aus Schwanen- oder Geierknochen) ist bislang das älteste bekannte Musikinstrument der Welt. Sie wurde ganz in der Nähe der dortigen „Venus“ gefunden. Einige Archäologen – u.a. von der „Archäomusica“ im Pauli-Kloster zu Brandenburg (im Frühjahr 2018) vermuten deshalb, dass die Flöte im Kontext eines Fruchtbarkeitskultes rituell benutzt worden sein könnte.
Ein Kapitel im Katalog der Stuttgarter Landesausstellung beschäftigte sich ausdrücklich mit Geschlechterrollen im Jungpaläolithikum (vgl. Archäologisches Landesmuseum, a.a.O.).
Auch bei der vieldiskutierten Ausstellung des British Museum in London im Jahr 2013 „Ice Age Art“, thematisierte die Kuratorin und Archäologin Jill Cook die Frage, inwieweit die „diluvialen“ Figuren aus den Händen von Künstlerinnen stammten. Jahrhundertelang beschäftigten sich überwiegend männliche Kunsthistoriker mit überwiegend männlichen Künstlern, es sei ein endlich auszuräumender Mythos, Künstlerinnen seien erst in der jüngeren Vergangenheit und Gegenwart hervorgetreten. Anzuerkennen sei – meinte Jill Cook -, dass schon vor 35 000 Jahren Kunst von Frauen für Frauen gemacht worden sein könnte. Die Rolle der Frau in der „tiefen Geschichte“ solle neu abgewogen werden.
Das Archäologische Museum Freiburg im Breisgau veranstaltete 2014 eine erfolgreiche Ausstellung mit dem Titel: „Ich Mann. Du Frau. Feste Rollen seit Urzeiten?“. Die Ausstellung widmete sich wohl als erste vorrangig dem Thema, wie Frauen und Männer in der Steinzeit lebten und welche Arbeitsteilung herrschte.
Die Ausstellungsmacher*innen verwarfen die Vorstellung, schon in prähistorischen Gesellschaften von Jägern und Sammlern (Wildbeutern) sei die Rollenverteilung eindeutig – eben naturgemäß [3] - gewesen, er war der Beutejäger, sie die Nesthüterin. Der Begleitband der Ausstellung (hrsg. von Brigitte Röder, Professorin für Ur- und Frühgeschichte, mit einem Schwerpunkt der prähistorischen Geschlechterforschung an der Universität Basel, a.a.O.) gibt eine klare Antwort auf die Frage nach der Rollenverteilung: „Nein - Männer und Frauen haben keine festen Rollen seit Urzeiten“, heißt es dort, „die Idee vom steinzeitlichen Jäger alias ,Ernährer‘ und der Sammlerin alias ,Hausfrau und Mutter‘ ist eine Fiktion“ (Röder, Vorwort, a.a.O.). Für diese Auffassung werden einige Indizien angeführt:
In Stetten an der Donau (Kr.Tuttlingen) wurde 1987-90 ein jungsteinzeitliches Grab einer ca. 30jährigen Frau und eines Säuglings aufgefunden. Datiert wurde das Grab auf ca. 2700 – 2200 v. Chr. Zu den Grabbeigaben gehörten zwei geschliffene Knochenspitzen, eine Feuersteinklinge und ein Schleifstein. Die Fundstücke waren Werkzeuge und dienten selbst wieder zur Werkzeugproduktion. Elle und Speiche der Begrabenen zeigten Deformationen, die als Folge schwerer körperlicher Arbeit entstanden sein können: Wenn man z.B. hockend mit Steinen Werkzeuge aus Tierknochen schnitzt. Möglicherweise wurde also in Stetten an der Donau eine Werkzeugmacherin begraben.
In der Freiburger Ausstellung wurden in einer Vitrine die Ergebnisse einer Forschergruppe um den US- Amerikaner Dean Snow (von der Pennsylvania State University) dargelegt. Es ging dabei um die roten oder schwarzen „Handschablonen“, die sich in mehr als 40 paläolithischen Höhlen in Südwesteuropa finden lassen. Festgestellt wurde, dass ca. 75 % der Handabdrücke mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit von Frauen stammten.
Das bedeutet allerdings nicht zwingend, dass die Frauen auch die Höhlenwandmalereien erstellten, vermutet wurde aber auch, die Handabdrücke seien eine Signatur der Maler. „Were the first artists mostly women?“ fragte Virginia Hughes in der “National Geographic” (Oktober 2013) in der Folge.
Abb. einfügen: Handabdrücke aus der kantabrischen Höhle El Castillo: Links die Hand eines Mannes, rechts die einer Frau (Abb. aus “National Geographic“, Oktober 2013)
Seit 1981 wurden Funde von Pfahlbaustätten im Bodensee untersucht. Die ältesten dortigen Fundstücke sind ca. 7.000 Jahre alt – sie stammen aus der Jungsteinzeit. Zur genaueren Erforschung der Pfahlbauten unternahmen Archäologen bis 1994 Tauchgänge im Überlinger See und fanden bei Bodman-Ludwigshafen Wandteile einer Art Ritualbau – mit den aus unzähligen Fragmenten rekonstruierten ältesten figuralen Wandmalereien Europas nördlich der Alpen (ca. 4000 v. Chr.). Dargestellt sind große, dominant wirkende Frauen mit z.T. aufgesetzten plastisch geformten Brüsten, die „Bodmaner Busenwand“ vgl. Abb. oben). Vermutet wurde, es handele sich um Ahninnen der jeweiligen Familien (vgl. http://docplayer.org/18621365-Aelteste-wandmalereien-noerdlich-der-alpen-zur-rekonstruktion-der-bilder-fuer-die-praesentation-auf-der-grossen-landesausstellung-2016.html).
Abb. einfügen: „Rassel in Form einer weiblichen Brust“, bronzezeitlich, ca. 1200 – 700 v. Chr.; gefunden in Tornow/Brandenburg; ausgestellt in der Ausstellung „Archäomusica“ in Brandenburg (Photo: Christian Meyer, 6. März 2018)
Erst im Jahre 2017 erfolgte eine weitere steinzeitliche Entdeckung: Auf dem Fundplatz Breitenbach (bei Zeitz im Burgenlandkreis/Sachsen-Anhalt) – einem rund 34.000 Jahre alten Freisiedlungsplatz - konnte aus mammutelfenbeinernen Bruchstücken eine Venusfigur zusammengesetzt werden. Diese „Venus von Breitenbach“ ist von daher die älteste dieser Figuren außerhalb Süddeutschlands. Es wurden dort eindeutige Überreste einer regelrechten Elfenbeinwerkstatt mit vielen tausend Fundpartikeln festgestellt, anscheinend ein frühes künstlerisches Zentrum. Die Venus von Breitenbach zeigt große Ähnlichkeit zu der vom Hohlen Fels. Breitenbach [4] dürfte im ausgehenden Aurignacien wegen der eiszeitlichen Vergletscherung am nördlichsten Rand der bewohnten Welt gelegen haben (vgl. www.lda-lsa.de/aktuelles/meldung/datum/2017/11/21/aelteste_elfenbeinplastik...).
Der Ausgrabungsleiter Olaf Jöris (Archäologe am Römisch-Germanischen Zentralmuseum Mainz) vermutete ein Fruchtbarkeitssymbol oder Darstellung von einer Clan-Mutter. Der „Spiegel“ vermutete ein „steinzeitliches Sexsymbol“ (vgl. www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/elfenbein-puzzle-aus-breitenbach-forscher-entraetseln-steinzeit-erotik-a-1179824.html)
Abb. einfügen: Venus von Breitenbach….????
Feministisch orientierte Forscher*innen hielten die Figur wie auch die übrigen Venusfiguren für Darstellungen einer Göttin, für eine „Rückkehr der Großen Mutter“, eine Bestätigung der Thesen von z.B. Doris Wolf (a.a.O.).
Die Schweizer Psychologin und Publizistin, ist der Überzeugung, dass während 98 % der Geschichte des Homo sapiens eine matriarchale, friedliche Welt ohne Kriege existierte. Sie führt auch allerhand Indizien dafür an, dass die Kunst der Steinzeit überwiegend von Frauen geschaffen wurde (vgl. Wolf, a.a.O. , S. 298 ff.). Erst eine vor ca. 6000 bis 5000 Jahren sich vollziehende „Patriarchalisierung“ habe zu Kriegen geführt. Möglicherweise haben die Künstler*Innen von Breitenbach oder der Schwäbischen Alb auch andere inspiriert und bilden die Wurzel der Venus-Kunstgattung.
Abb. einfügen Busenwand: Die z.T. noch erhaltenen Köpfe der Frauen sind umgeben von angedeuteten Sonnenstrahlen, die Hochachtung oder Ehrfurcht andeuten könnten.
Abb. Postkarte einfügen: „Sitzende Göttin auf einem Leopardenthron“ (z.T. auch als „Gebärende Göttin“ interpretiert); diese deutlich jüngere Figur steht auf menschlichen Schädeln, was als Indiz zur Verbindung mit den Ahnen gesehen wird. Gefunden wurde die Figur in einem Getreidesilo: vielleicht sollte sie auch der Fruchtbarkeit der Felder dienen (vgl. Schlette, S. 76, a.a.O.). Tonfigur aus Çatal Hüyük/Türkei um das 6. Jtds. v. Chr.. Die Figur befindet sich heute im Museum für Anatolische Zivilisationen in Ankara.
Auch das niederländisch-deutsche Autorenteam von dem Historiker und Kulturwissenschaftler Kai Michel (*1967) und dem Züricher Evolutionsbiologen Carel van Schaik (*1953) beschäftigte sich in „Die Wahrheit über Eva“ explizit mit der „Erfindung der Ungleichheit von Frauen und Männern“ (vgl. Schaik, a.a.O.). Die Autoren zeigten, dass während der längsten Zeit der Menschheitsgeschichte Frauen und Männer egalitär lebten, weitestgehend friedlich und geschlechtergerecht. Ungleichheit zwischen Mann und Frau entspricht dann nicht der Natur der Menschen.
Erst mit der Sesshaftigkeit, der neolithischen Revolution, änderte sich dieses friedlich-egalitäre Verhältnis: Es entstand der Privatbesitz, Begehrlichkeiten an an produktivem Land, an Vorräten, Häusern etc. Statt dem Teilen der Jagdbeute ist nun Verteidigung angesagt und bis auf wenige Ausnahmen war Verteidigung immer Männersache. So kommt es zu Gewalt und sozialer Ungleichheit: Einige Männer werden Besitzer viel und Chefs, andere haben nichts (vgl. Schaik, a.a.O.).
Mit der Landwirtschaft begann die männliche Dominanz, was beiden Geschlechtern (bis heute) nicht gut tut. Das Patriarchat kann daher als eine Verirrung, eine gefährliche Sackgasse angesehen werden.
Als Beispiel für diese Entwicklung wird u.a. die mit ihren ältesten Teilen aus dem 10. Jtsd. v. Chr. stammende Siedlung Göbekli Tepe in der Türkei herangezogen, die heute Weltkulturerbe ist (vgl. auch Collins, a.a.O.). In den dortigen Ruinen eines „Prototempels" mit Bildern wilder Tiere entsteht ein „düster-bedrohliches Gemisch aus Potenz, Aggression und Tod" (vgl. Schaik, a.a.O.). Die Jagd wird überhöht, der Kontakt zu übernatürlichen Mächten zum Privileg eines männlichen innereren Zirkels. Die weiblich geprägte Alltagsfrömmigkeit werde dann erst eingehegt, später diffamiert. Die spätere Staatenbildung im Vorderen Orient setzte die Entwicklung fort, Frauen werden zur Kriegsbeute. Mit der schließlichen Einführung von Gesetzestexten wird die männliche Dominanz festgeschrieben.
Aufgrund ethnologischer Forschungen zu rezenten Jäger- und Sammlergesellschaften kann davon ausgegangen werden, dass es auch in Urgesellschaften beides, matrilineare und patrilineare Ordnungen gab. Zudem ist es unklar, wann die frühen Menschen den Zusammenhang von der Zeugung durch den Geschlechtsverkehr und der Geburt der Kinder erkannten (vgl. Schlette, S. 37/38, a.a.O.).
Die (nicht-griechische) minoische Kultur auf Kreta (ca. 3500 – ca. 1350 v. Chr.) gilt traditionell als eher matriarchalisch, Will Durant z.B. sprach von einem „fast matriarchalischen Leben des alten Kreta“ (Durant, Bd. II., S. 26, a.a.O.).
Dabei wurden v.a. folgende Faktoren als ausschlaggebend angesehen: Die Abwesenheit von kriegerischen Darstellungen in der überlieferten Kunst, das Fehlen von Befestigungen bei allen minoischen Tempeln, die große Zahl von Frauendarstellungen und die vermutete hohe Verehrung einer Mutter-, Erdgöttin.
Der Schweizer Kulturhistoriker Beat Schneider (und nicht nur er) sprach sogar von einer „Pax minoica“. Die minoische Seemacht sei – wird angenommen – ausschließlich auf den Handel mit Ägypten, Syrien, Kleinasien und dem griechischen Festland gerichtet gewesen.
Vergleichsuntersuchungen zeigen einen Zusammenhang zwischen der Gleichberechtigung der Geschlechter und der Friedfertigkeit einer Gesellschaft. Je gleichberechtigter Frauen in einem Staat sind, desto friedlicher agiert der Staat (vgl. Tagesspiegel, 7. März 2019, S. 6). Das aber heißt (sehr wahrscheinlich) nicht, dass Frauen etwa per se friedfertiger sind als Männer, jedoch schult die Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern friedliche, konsensuelle Konfliktlösungen in allen Bereichen.
Auffällig ist in der bislang bekannten minoischen Kunst zudem das Schönheitsstreben, eine Verfeinerung, Eleganz und heitere, spielerische Anmut der dargestellten Personen – Männer und – in der Mehrzahl - Frauen. Die Figuren mit ihren überschlanken Taillen wirken selbst bei ihrer halsbrecherischen Artistik locker und verspielt.
Gefunden wurden derart kunstvoll-realistische Schmuckstücke, dass Arthur Evans eine Emailkrabbe irrtümlich für ein Fossil hielt (vgl. Durant, Bd. II, S. 32, a.a.O.).
Der minoischen Kunst fehlt die feierliche Steifheit, die zyklopischen Mauern mit ihren Symmetrieachsen, auch die großen Skulpturen. In den minoischen Palästen finden sich die vermutlich ältesten Theaterbauten überhaupt.
Allerdings wird auch immer wieder betont, dass das Alltagsleben im minoischen Kreta stark von religiösen Bindungen geprägt war (vgl. Krause-Zimmer, S. 9, a.a.O.).
Arthur Evans – der britische Erstausgräber von Knossos (1851 – 1941) – nannte seine Funde treffend ein „Bildatlas ohne Text“ (zit. n. Tokarew, S. 509, a.a.O.).
Im Jahre 1952/56 gelang es u.a. dem englischen Sprachwissenschaftler Michael Ventris (1922 - 1956) die seit 1878 bekannte, spätminoische, auch in Mykene aufgefundene Linear – B – Schrift zu entziffern, eine ganze Reihe von Inschriften wurden so lesbar. Es handelt sich um eine Silbenschrift, die Sprache war ein altertümlicher, achäisch-griechischer Dialekt, die älteste bekannte Form des Griechischen. Die Inhalte waren jedoch eine gewisse Enttäuschung, es waren keine literarischen Texte, sondern meist Angaben zu Handelsgeschäften, statistische Angaben zu Magazinen etc.
Der kanadische Archäologe Alexander MacGillivray fand 1987-90 in Palaikastro im Osten Kretas eine stark beschädigte spätminoische, eindeutig männliche Statuette, der „Chryselephantine Kouros von Palaikastro“ [5] (vgl. MacGillivray, a.a.O.). Die ca. 54 cm hohe Kouros-Figur besteht aus Holz, Goldblech, Elfenbein, Serpentin und Bleikristall. Wegen der wertvollen Materialien, ihrer Verarbeitung und auch der Körperhaltung gehen viele Archäologen davon aus., dass es sich bei dem Kouros um eine Götter-Statuette handelt.
Dieser Fund bestärkte den Zweifel an dem matriarchalen Charakter der minoischen Kultur. In einigen Medien wurde in der Folge gefragt, ob die Göttin in Kreta vom Thron gestoßen worden sei. Allerdings könnte der Fund auch mit der in dieser Zeit stärker werdenden Einwanderung von patriarchalisch gestimmten Griechen vom Festland nach Kreta in Zusammenhang stehen.
Der Kouros befindet sich heute im archäologischen Museum von Sitia/Ostkreta.
Solange nicht genauere Aussagen über das Geistesleben der Minoer gemacht werden können, die Linear-A-Schrift entziffert oder andere neue Funde gemacht wurden, scheint dieses aber zumindest partiell auf Vermutungen und Projektionen zu beruhen.
(Heinrich von Treitschke, 1897; S. 252, a.a.O.)
Mit Auffassungen wie der obigen wurden Frauen für Jahrtausende weitgehend von politischen Entscheidungen ausgeschlossen. Nahezu alle bekannten historischen Gesellschaften waren patriarchalisch aufgebaut, sie galten als die selbstverständliche, „natürliche“ Ordnung. Vor allem in Mythen, wie denen von den Amazonen, tauchten Gegenbilder auf.
Berichte aus vielen traditionellen Gesellschaften, v.a. Jäger- und Sammler-Gesellschaften mit geringer Rollendifferenzierung scheinen zu belegen, wie häufig Frauenraub, Raubheirat und erzwungenes Konkubinat waren. Nach Kriegszügen gegen benachbarte Gruppen wurden oft die dortigen Männer getötet, die Frauen aber häufig geraubt, z.T. aus sexuellen Gründen, aber auch als Arbeitskraft: Umherstreifende Jäger haben „... ohne Frauen, die Brennmaterial sammelten und Tierhäute präparierten, kaum eine Überlebenschance. Und Frauen mit ihren Kindern konnten ebenso wenig ohne einen Jäger überleben, der ihnen Fleisch von seiner Beute abgab“ (Ewe, S. 66, a.a.O.).
Zu dem Gründungsmythos der Stadt Rom gehört der „Raub der Sabinerinnen“, dabei lud Romulus die benachbarten Sabiner zum Fest der Consualia (vgl. 21. August und 15. Dezember) zu Wettspielen etc. ein. Unter verbrecherischem Bruch des Gastrechts raubten auf dem Fest die Römer die unverheirateten Sabinerinnen. Der Frauenraub führte zum Krieg der Sabiner gegen die Römer.
In der Überlieferung der tradierenden römischen Männer waren die geraubten Frauen rasch zufrieden: In der Schlacht gingen die geraubten Frauen zwischen die Kämpfenden, ihre Brüder und Väter einerseits, ihre Ehemänner andererseits. Diese Intervention führte der Legende nach nicht nur zu einem Friedensschluss, sondern sogar zu einem Bündnis zwischen den Römern und den Sabinern (vgl. Livius, S. 11 ff. a.a.O.).
Nach der Vorstellung Platos in dem „Gastmahl“ (189 ff., a.a.O.) waren die ersten Menschen zwiegeschlechtlich, Hermaphroditen, gleichzeitig Mann und Frau. Die Aufspaltung in die beiden Geschlechter sei erst ein späteres Geschehen, eine Intervention von Zeus und Apollon, die „… die Menschen in zwei Hälften“ zerschnitten (Platon, 1986, „Gastmahl“ 189, S. 287, a.a.O.). Seither irrten die Hälften in der Welt umher und suchten einander. Die ursprüngliche Einheit sei der Grund für das andauernde Streben nach Vereinigung, die Liebe sei die Sehnsucht nach der verlorenen Hälfte von uns selbst: „Von so langem her also ist die Liebe zu einander den Menschen angeboren, um die ursprüngliche Natur wiederherzustellen, und versucht aus zweien eins zu machen und die menschliche Natur zu heilen“ [6] (Platon, 1986, „Gastmahl“ 189, S. 287/288, a.a.O.).
Eher seltener spielt in den verschiedenen Schöpfungsmythen die Frage einer vorrangigen Schöpfung von Männern oder Frauen eine Rolle.
Viele Schöpfungsmythen weltweit kennen die Erschaffung der Welt und auch der Menschen durch die freiwillige oder gewaltsame Opferung eines Urwesens, durch die Zerstückelung einer Gottheit. Aus deren Körper wird dann die ganze Welt geformt.
Auch der Kampf einer neueren gegen eine ältere Göttergeneration kann dabei eine Rolle spielen, so z.B. in Babylon der Sieg Marduks über Tiamat.
Für die Babylonier waren die Menschen nicht die Krone der Schöpfung, sie wurden geschaffen, um den Opferkult für die Götter vorzunehmen (vgl. Eliade, 2002, S. 129, a.a.O.).
In dem vermutlich im 12. Jhdt. v. Chr. entstandenen das babylonische Weltschöpfungsepos „Enuma Elisch“ (≙ babylon. „Als droben…“, , die Anfangsworte der Erzählung) heißt es dann von Marduk:
„Ein Gewebe von Blut will ich machen, Gebein will ich bilden,
um ein Wesen entstehen zu lassen: Mensch sei sein Name ….
Ihm auferlegt sei der Dienst der Götter zu ihrer Erleichterung“ (zit. n. Eliade, 2002, S. 145, a.a.O.).
In Indonesien werden Mythen überliefert, nach denen eine Frau (oder ein Mädchen, Hainuwelel) geopfert wird, aus deren Körper dann die verschiedenen Nahrungsmittel hervorgebracht werden (vgl. Eliade, 2002, S. 29, a.a.O.). Auf Neuguinea, in Polynesien und Melanesien erfüllt ein männliches mythisches Urwesen die gleiche Funktion.
Einige Papua-Völker in Neuguinea gehen davon aus, dass ihre weiblichen wie männlichen Vorfahren einst aus Kasuar-Eiern geschlüpft seien. Die straußenartigen Kasuare sind die größten einheimischen Landtiere in Neuguinea.
Nach dem Schöpfungsmythos der Haida-Indianer im pazifischen Kanada hatten die ersten Menschen nur ein Geschlecht. Erst später wurde durch eine göttlichen klugen Raben ein zweites Menschengeschlecht geschaffen, in zweierlei Form, männlich und weiblich. Auch wurde ihnen die Neugier eingepflanzt, die die beiden Geschlechter füreinander entwickeln.
Nach einem japanischen Mythos schufen die Himmelsgötter zwei göttliche Geschwister, den männlichen Izanami und die weibliche Izanagi um die Erschaffung des Festlandes zu vollenden. Nach sie eine erste Insel geschaffen hatten stiegen beide auf sie herab, um dort zu leben. Sie verliebten sich in einander und zeugten Kinder, die ersten Menschen. Da aber Izanagi zuerst gesprochen hatte, bekamen die Kinder allerlei Gebrechen , - weil die Frau zuerst gesprochen hatte.
In einem ägyptischen Hymnus auf Gott Amun-Re hieß es:
„Du bist der Eine, der alles schuf, was ist, der eine Einzige, der alle Wesen erschuf, aus dessen Auge die Menschen hervorgingen …“ (zit. n. Eliade, 2002, S. 90, a.a.O.) , - also beide, Frauen und Männer.
In einer frühägyptischen Kosmogonie aus Heliopolis entstehen „… die Menschen aus den Tränen des Sonnengottes“ (zit. n. Eliade, 2002, S. 96, a.a.O.), - also beide Geschlechter zugleich.
In vielen der Mythen werden beide Geschlechter zugleich geschaffen.
Bei den Maya allerdings erscheinen bei der Schöpfung die Frauen erst bei der vierten Schöpfung, nach den Männern (vgl. http://www.galerie-elender.de/Mythen.htm)
Die Grüne Tara (sanskrit: Shyamatara; tib.: Drölma; wörtlich: „grüne Befreierin“) ist eine von 21 Taras, Bodhisattwas, die in Tibet vielfach verehrt werden. Sie wird als eine Ausstrahlung des Bodhisattva Avalokiteshvara betrachtet und soll aus einer seiner Tränen entstanden sein, die er aus Mitgefühl mit allen Wesen vergoss. So gilt die Grüne Tara Gläubigen bis heute als die Essenz des Mitgefühls.
Nach einer interessanten Legende hatte die Grüne Tara einst inkarniert als Prinzessin Jnanachandra bereits viele Verdienste erlangt. Mönche drängten die Prinzessin nun dazu, um eine Wiedergeburt als Mann zu bitten, damit sie so die volle Erleuchtung erlangen könne. Der Weg zur Erleuchtung sei in dem Körper einer Frau doch eher hinderlich. Die Prinzessin aber lehnte dies ab. Sie bezeichnete die Unterschiede zwischen den Geschlechtern als Trugbild und legte das Gelübde ab, bis zur Befreiung aller Wesen fortan in einem weiblichen Körper zu wirken.
Der aristokrtatische Philosoph Platon (427 – 347) war – zumindest in einigen seiner Schriften – ein Frauenverächter; sie seien nicht nur das schwächere Geschlecht, sondern auch oberflächlich, abergläubischer, hinterhältiger und verschlagener als Männer.Frau zu sein – me3inte er im „Timaios“ – müsse ein Fluch der Götter sein: Männer, die feige und ungerecht waren, würden als Strafe nach dem Tode als Frauen Wiedergeboren (vgl. Platon 1960, 90e, 91ab; S. 211, a.a.O.).
In der biblischen Tradition war die Rolle der Frau schwankend und uneindeutig. Schon in der Genesis existieren zwei hinsichtlich des Menschenbildes, der Stellung der Frau divergierende Schöpfungsgeschichten, aus verschiedenen Überlieferungsschichten.
Die sehr wahrscheinlich ältere Erzählung, in der Überlieferung des Jahwisten, entstand vermutlich im Nordreich Israel: „Und Gott schuf den Menschen ihm zum Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn; und er schuf sie einen Mann und ein Weib“ (1 Mose 1, 27). Hier sind Mann und Frau zugleich nach dem Ebenbilde Gottes geschaffen, den Menschen gibt es nur als Frau und Mann (vgl. Klaus Koch, S. 151, a.a.O.).
Die sehr wahrscheinlich jüngere Erzählung wird der Überlieferung der Priesterschaft zugeordnet, ihre Quelle entstand vermutlich erst im babylonischen Exil im 6. Jhdt. v. Chr.: „Und Gott der Herr machte den Menschen aus einem Erdenkloß, und er blies ihm ein den lebendigen Odem in seine Nase. Und also ward der Mensch eine lebendige Seele“ (1 Mose 2,7). Dann aber bemerkte Gott: „Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei; ich will ihm eine Gehilfin machen, die um ihn sei“ (1. Mose 2, 18), - es geht dabei um den Mann, heißt aber in der Luther-Übersetzung „der Mensch“. Anschließend „… baute Gott der Herr“ aus der Rippe Adams „… ein Weib … und brachte sie zu ihm“ (1 Mose 2, 22).
Nach dem Sündenfall dann beschied Gott Eva, dass er, Adam, „soll dein Herr sein“ (1 Mose 3, 16). Hier ist die Frau die sekundär Geschaffene, dem Manne untergeordnet und in der gesellschaftlichen Praxis sozial, rechtlich und kultisch nicht gleichberechtigt.
Die Herausgeber des „Bibellexikons“ gehen – heute – davon aus, dass die biblische „… Intention … die Aufhebung jeder Benachteiligung der Frau auch in unserer Gesellschaft (sei), nicht etwa die Beibehaltung patriarchalischer Strukturen“ (Klaus Koch, S. 151, a.a.O.).
Nach einer weitverbreiteten, alten Vorstellung sei die Frau während ihrer Menstruation und nach einer Geburt „unrein“. Im Judentum erinnern die Mikwe [7] daran, im Christentum z.B. das Fest Mariä Reinigung am 2. Februar. Auch bei z.B. dem Volk der Fon (in Benin und Togo) leben deshalb menstruierende Frauen und Mädchen traditionell in gesonderten Häusern (vgl. Haberland, S. 45, a.a.O.).
Auch in islamischer Tradition gelten menstruierende Mädchen und Frauen als rituell unrein.
In dem Film „Das Mädchen Wadjda“ (SAR, D, USA, VAE, NL, JOR 2012 [7a]), den ARTE am 1.April 2020 um 20.15 Uhr zeigte, gibt es eine Szene, in dem die Koranlehrerin die Mädchen, die gerade ihre Periode haben, auffordert, den Koran nicht direkt zu berühren. M.E. ist es unter den muslimischen Gelehrten umstritten, ob Frauen während der Menstruation den Koran berühren dürfen.
Weitgehend unumstritten ist hingegen die koranische Aussage in der 2. Sure, 222: „ Und sie werden dich über die Reinigung befragen. Sprich: ‚Sie ist ein Schaden‘. Enthaltet euch daher eurer Weiber während der Reinigung und nahet ihnen nicht als bis sie rein sind. Sind sie jedoch rein, so suchet sie heim, wie Allah es euch geboten hat. Siehe, Allah liebt die sich Bekehrenden und liebt die sich Reinigenden“ (Koran, S. 54, a.a.O.).
Vorherrschend aber war jahrhundertelang das Bild der Frau als das „Gefäß der Sünde“, als die den Männern gefährliche Verführerin. Eine Reihe von Narrativen waren dafür weit verbreitet, so die Geschichte von Samson und Dalilah oder die von Salome.
Paulus betonte allerdings auch – in einem in seiner Echtheit unbestrittenen Brief (vgl. Klaus Koch, S. 388, a.a.O.) – die Gleichheit aller Menschen vor Gott: „Hier ist kein Jude noch Grieche, hier ist kein Knecht oder Freier, hier ist kein Mann oder Weib; denn ihr seid allzumal einer in Christo Jesu“ (Galater 3, 28).
Generell aber erscheinen die Schriften des Paulus misogyn, wie z.B. Aussage belegt: „Das Weib schweige in der Kirche“ (Mulier tacet in ecclesia, 1.Korinther 14,34).
Eines der dunkelsten Kapitel der Kirchen- und Weltgeschichte begann im hohen Mittelalter mit den Verfolgungen angeblicher Hexen, die ja in ihrer überwiegenden Mehrzahl Frauen waren. Wie Barbara Tuchman betonte, nähren „… Zeiten der Angst … den Glauben an das Wirken böser Mächte, … daher das sich nun erhebende Gespenst der Hexe“ (Tuchman, S. 465, a.a.O.). Und Zeiten kollektiver Not und epidemischer Angst waren es, nicht nur andauernde Kriege, auch die Pest, Naturgewalten und darauf folgende Hungersnöte trugen dazu bei, Sündenböcke zu suchen: „die Juden“ aber auch „die Hexen“, Frauen.
Ende des 14. Jhdts stellte die kirchliche Inquisition offiziell die „Hexerei“ gleichrangig neben die „Ketzerei“. „Wie der kleine Mann fühlte auch sie (die Kirche, C.M.) sich von bösartigen Mächten umzingelt, deren Agenten Zauberer und Hexen waren“ (Tuchman, S. 465, a.a.O.).
Zwar ist kollektive Angst seit Jahrhunderten in Europa alltäglich und dringt bis heute tief in die Verhaltensweisen von einzelnen und Gruppen ein. Zwischen 1450 und 1650 aber – stellte der französische Historiker und Angstforscher Jean Delumeau (*1923) fest – war die „frauenfeindliche Propaganda“ vieler Prediger und Dämonologen „am intensivsten“; sie führte bei vielen Männern zu Angst vor der Frau, Hexen (wie auch „die Juden“) wurden zu allgegenwärtigen „Agenten des Satans“ (Delumeau, Bd. II, S. 456, a.a.O.).
Auf die Spitze getrieben und juristisch „legitimiert“ wurde die Hexenjagd durch die Bulle „Summis desiderantis affectibus“ („In unserem sehnlichsten Wunsche…“) von dem hexengläubigen Papst Innozenz VIII. (Pont. 1484 – 1492), der „Hexenbulle“, die von Kramer/Institoris selbst verfasst worden war. In der Bulle wurden die Inquisitoren aufgefordert in „allen Fällen und mit allen Mitteln“ gegen Ketzer und Hexen vorzugehen. Alle staatlichen Instanzen wurden verpflichtet, die Inquisitoren zu unterstützen.
Im Jahre 1487 dann erschien auf Latein der „Malleus maleficarum“, der „Hexenhammer“ , eine Hexenprozessordnung, die zu den systematischen, blutigsten Hexenverfolgungen der Geschichte beitrug und den Angeklagten nur eine minimale Überlebenschance ließ. Von diesem „… verruchtesten und zugleich läppischsten, verrücktesten und dennoch unheilvollsten Buch der Weltliteratur“ (vgl. Kühner 1980, a.a.O.) erschienen eine ganze Reihe von Nachdrucken. Schon der Autor des „Hexenhammers“ (a.a.O.), der deutsche Dominikaner Heinrich Kramer Institoris (+1505) sah „… allein die Frau als Einfallstor des Teufels“ (Beier-de Haan, S. 36, a.a.O.). Hexen könnten – wurde in dem Hexenhammer behauptet – „… die Erektion des Gliedes verhindern, indem sie gleichsam die Samenwege versperren“ (zit. n. Delumeau, Bd. I, S. 81, a.a.O.). Schon durch diese Behauptungen wurden sicher männliche Ängste verstärkt. Den angeblichen Hexen wurden des weiteren allerlei Eigenschaften zugeschrieben:
Als eine weitere verdächtige Eigenschaft der vermeintlichen Hexen galt die Fähigkeit, Lesen und Schreiben zu können, was im Mittelalter, besonders unter Frauen, selten war.
In der Sicht der katholischen Theologin Uta Ranke-Heinemann wurde „… der Glaube an ... Hexenwahn als Massenwahn ... maßgeblich von oben gesteuert" (Ranke-Heinemann. S. 237, a.a.O.). Für sie war der Hexenwahn vor allem, nicht aber ausschließlich eine Folge der Frauenfeindlichkeit vornehmlich des hohen Klerus. Denn der Hexenwahn richtete sich auch gegen Männer, generell aber gegen Sexualität und Körperlichkeit,. beide aber wurden v.a. mit Weiblichkeit assoziiert.
Martin Luther (1483 - 1546) und die Reformation veränderten die gesellschaftliche Stellung vieler Frauen, zumindest in Teilen Europas. Zum einen betonte Luther, dass vor Gott alle Menschen, auch Männer und Frauen gleich seien. Auch sah er im Prinzip alle Christen (d.h. für ihn alle Getauften) als mögliche Priester an, allerdings dauerte es noch einige Jahrhunderte bis es protestantische weibliche Geistliche, Pfarrerinnen gab [8].
Vor allem wurden nun im Protestantismus nicht mehr Frauen gezwungen, aus ökonomischen Gründen als Nonnen in Klöstern zu leben.
Desgleichen forderte Luther, auch Frauen den Besuch von Schulen zu ermöglichen, damit auch sie in der Bibel lesen könnten. In der „Predigt Martin Luthers, dass man Kinder zur Schule halten solle“ von 1530, gerichtet an den Rat der Stadt Nürnberg (vgl. Luther, 1982, Bd. V, S. 90 ff., a.a.O.) allerdings, ist im Titel zwar allgemein von Kindern die Rede, in der Predigt selbst jedoch anschließend nur von Söhnen und Knaben – Töchter kommen nicht vor. Er argumentiert für „Schulmeister und Knabenlehrer“ (vgl. Luther, 1982, Bd. V, S. 134., a.a.O.), besorgt wegen des „geistlichen“ und „weltlichen“ Bedarfs an Pfarrern, Lehrern, Predigern, Ärzten, Juristen, Gelehrten, Schreibern etc.. Frauenbildung hatte hier für Luther keinen Platz.
Schließlich veränderte sich – auch durch die Ehe (seit 1526) mit der früheren Nonne Katharina von Bora (1499 - 1552) – regional die Einstellung zur Sexualität. Nicht mehr Paulus Auffassung, besser sei es keusch, nicht verheiratet, im Kloster zu leben, galt als protestantische Norm. Die Sexualität in der Ehe galt nun als eine Art Gottesgabe, die protestantischen Pfarrhäuser mit reicher Kinderzahl wurden zu einer Keimzelle protestantischen Bürgertums.
Auch Jean Delumeau führte aus, dass „… die protestantische Theologie zu einer gewissen Aufwertung der Frau zu führen schien“ (Delumeau, Bd. II., S. 456, a.a.O.).
Die wissenschaftliche Luther-Ausgabe (die Weimarer Ausgabe, WA, a.a.O.) wurde zum damaligen Luther-Jubiläum 1883 begonnen, erst 2009 beendet und umfasst (unüberschaubare) 127 Bände. Allein die „Tischreden“, die zwischen 1531 und 1546 aufgezeichnet wurden, umfassen in der WA sechs Bände (erschienen zwischen 1912 und 1921).
Luther war darüber hinaus ein „unermüdlicher Briefschreiber“ (vgl. Einleitung zu Luther, Werke 1982, Bd. VI, S. 3, a.a.O.), mehr als 2500 Briefe sind erhalten geblieben. Darunter sind 21 Brief an seine Frau. Katharina von Bora, die eine Fülle von unterschiedlichen Themen betreffen, von haushälterisch-familiären (z.B. über das Entwöhnen einer Tochter, vgl. Luther, 1982, Bd. VI., S. 116, a.a.O.) bis zu politisch-theologischen Fragestellungen (z.B. zu den Verhandlungen zum Augsburger Bekenntnis, vgl. Luther, 1982, Bd. VI., S. 128 und 131, a.a.O.). Das kann als Indiz gewertet werden, dass Martin Luther zumindest seine Ehefrau auch als inhaltliche Partnerin ernst nahm.
Der protestantische Theologe und Luther-Kenner Karl Gerhard Steck (1908 – 1983) betonte, dass Luthers Gestalt „rätselhaft“ bleibe, „… nicht weil wir so wenig, sondern weil wir so viel von ihm wissen“ (Steck, in der Einleitung zu Luther, 1959, S. 6, a.a.O.).
Insgesamt aber bleibt Luthers Haltung Frauen gegenüber und ihre historischen Auswirkung mehr als widersprüchlich, höchst problematisch und fatal.
In der „Disputation über den Menschen“ aus dem Jahre 1536 wurden Frauen überhaupt nicht erwähnt (vgl. Luther, 1982, Bd. II, S. 293 ff., a.a.O.).
Luthers Schrift „Vom ehelichen Leben“ (vgl. Luther, 1982, Bd. III, S. 165 ff., a.a.O.) wurde im Jahre 1522 vor seiner Eheschließung geschrieben. Um dem vorzubeugen, dass ihm „… nicht jemand das Maul stopfe und spreche, ich rede von dem, was ich nicht erfahren habe“, betonte Luther, er „rede nach der Schrift“, was „… gewisser ist als alle Erfahrung“ (vgl. Luther, 1982, Bd. III, S. 193., a.a.O.). Bezüge auf die „heidnischen Bücher“ (vgl. Luther, 1982, Bd. III, S. 187., a.a.O.) und Philosophen lehnte er ab, hielt sie für überflüssig oder schädlich – sola scriptura: In vielen seiner Publikationen erwies sich Luther als christlicher Fundamentalist und eine Nähe zum „Denken der Renaissance“, wie sie Karl Gerhard Steck anführt (vgl. Einleitung zu Luther, 1959, S. 18, a.a.O.), ist nicht erkennbar.
Luther meinte in dem „Ehelichen Leben“, dass Frauen geschaffen wurden, dem Mann zu einer geselligen Helferin in allen Dingen, - besonders, Kinder zu gebären: „Die größte Ehre, die das Weib hat, ist allzumal, dass die Männer durch sie geboren werden" (zit. n. Schumann 2005, S. 33, a.a.O.).
Luther ging dabei von dem göttlichen Gebot aus: „Seid fruchtbar und mehret euch“ (1. Mose 1, 28). „… den Geschlechtsverkehr zu haben und … zu samen und zu mehren, ist Gottes Schöpferwille und steht nicht in deiner Macht“ ( Luther, 1982, Bd. III, S. 168, a.a.O.).Deshalb sei es „… ein nötiges und natürliches Ding, dass alles, was ein Mann ist, muss ein Weib haben, und was ein Weib ist, muss einen Mann haben“ ( Luther, 1982, Bd. III, S. 167, a.a.O.). Wenn man diesem Gebote wehre, drohten in Luthers Sicht „… Hurerei, Ehebruch und Selbstbefriedigung“, seiner Meinung nach eine „Selbstbesudelung“ ( Luther, 1982, Bd. III, S. 167-169, a.a.O.).
Viele überlieferte Aussagen Luthers müssten heute allerdings als sexistisch gekennzeichnet werden, so z.B. …
· „Eine Frau hat häuslich zu sein, das zeigt ihre Beschaffenheit an; Frauen haben nämlich einen breiten Podex und weite Hüften, dass sie sollen stille sitzen" (zit. nach Arnulf Zitelmann, 1997, S. 111, a.a.O.).
· „… das Weib (sei) geschaffen … zur Haushaltung, der Mann aber zur Policey, zu weltlichem Regiment, zu Kriegen und Gerichtshändeln, die zu verwalten und zu führen" (Luther, Tischreden, WA, Bd. I, S. 532 ; Nr. 1054)
· „Weiber muss man haben… Wohlan, wenn man dies Geschlecht, das Weibervolk, nicht hätte, so fiele die Haushaltung und Alles, was dazu gehöret, zusammen, läge gar darnieder; darnach das weltliche Regiment, Städte und die Polizey. Summa, die Welt kann das Weibervolk nicht entbehren, da gleich die Männer selber könnten Kinder austragen“ (Luther, Tischreden, WA, Bd. II, S. 166 ; Nr. 1658; oder Luther, 1959, S. 52, a.a.O.).
· „Darum hat die Maid ihr Punzlein, dass es dem Mann ein Heilmittel bringe." (zit. n. Schumann 2005, S. 33, a.a.O.).
· „Denn wiewol sie (die Weiber) gemeiniglich alle die Kunst können, daß sie mit Weinen, Lügen, Einreden einen Mann gefangen nehmen, können fein verdrehen und die letzten Worte geben ...“ (Luther, 1959, S. 112, a.a.O.).
· Hinsichtlich der „ehelichen Pflichten“ [9] meinte Luther: Wenn ein „halsstarrig Weib“ aber „… die ehelichen Pflichten nicht leisten will … ist’s Zeit, daß der Mann sage: Willst du nicht, so will eine andere; will die Frau nicht, so komme das Mädchen“ (i.e. die Magd; Luther, 1982, Bd. III, S. 183, a.a.O.).
· Luther forderte, die „Weiber“ in „Kindsnöten“ zu „… trösten und stärken“, wollte dies in folgender Art tun: „Gedenke, liebe Greta, dass du ein Weib bist und dieses Werk Gottes an dir gefällt. … Gib das Kind her und tu dazu mit aller Macht! Stirbst du drüber, so fahr hin! Wohl dir, denn du stirbst bestimmt … im Gehorsam gegen ihn, (der).. dich so geschaffen und diese Not in dich gepflanzt hat“ [10] ( Luther, 1982, Bd. III, S. 190, a.a.O.).
· „Der Tod im Kindbett ist nichts weiter als ein Sterben im edlen Werk und Gehorsam Gottes. Ob die Frauen sich aber auch müde und zuletzt tot tragen, das schadet nichts. Lass sie nur tot tragen, sie sind darum da“ (vgl. Luther, 1982, Bd. III, S. 196., a.a.O.). „Unkraut wächst schnell, darum wachsen Mädchen schneller als Jungen." (zit. n. Arnulf Zitelmann, 1997, S. 111, a.a.O.).
· ihr (angeblicher) Mangel an Verstand bewirke, dass „… der Weiber Regiment von Anfang der Welt nie nichts Guts ausgerichtet hat, wie man pflegt zu sagen: Weiber Regiment nimmt selten ein gut End! Da Gott Adam zum Herrn über alle Kreaturen gesetzt hatte, da stund es Alles noch wohl und recht, und Alles ward auf das Beste regieret; aber da das Weib kam und wollte die Hand auch mit im Sode haben und klug sein, da fiel es Alles dahin und ward eine wüste Unordnung (Luther, Tischreden, WA, Bd. I, S. 528 ; Nr. 1046)
· „...Wenn Weiber beredt sind, ist das an ihnen nicht zu loben, es paßt besser zu ihnen, daß sie stammeln... Das ziert sie viel besser“ (Luther, Tischreden, WA, Bd. IV, S. 122 ; Nr. 4081)
· „Denn Gott sagt zum Weibe: ,Du sollst dem Mann untertan sein“ [1. Mose 3,16]. Der Mann hat im Hause das Regiment, er sei denn ein Verbum anomalum, das ist ein Narr oder daß er dem Weib aus Liebe zu Gefallen sei und lasse sie regieren, wie bisweilen der Herr des Knechtes Rat befolgt. Sonst und ohne das soll das Weib den Schleier aufsetzen; wie denn ein frommes Weib schuldig ist, ihres Mannes Unfall, Krankheit und Unglück helfen zu tragen von wegen des bösen Fleisches. Das Gesetz nimmt den Weibern Weisheit und Regierung. Dahin hat Sankt Paulus gesehen, da er spricht 1. Kor. 7,10: ,Ich gebiete, ja nicht ich, sondern der Herr`. Und 1. Tim. 2,12: ,Ich gestatte einem Weibe nicht, da sie lehre`“ (Luther, Tischreden, WA, Bd. VI, S. 46 ; Nr. 6567).
· „… Ihr Schmuck ist, dass sie reinlich und fleißig ist " (zit. n. Mynarek 2012, S. 45f, a.a.O.).
· für den Ehebruch einer Frau forderte Luther entsprechend biblischen Aussagen die Todesstrafe: „Daher soll auch heute noch das weltliche Schwert, die Obrigkeit, die Ehebrecher töten … Wenn die Obrigkeit säumig und lässig ist und nicht tötet, kann sich der Ehebrecher in ein anderes, fernes Land davonmachen und dort freien… Es ist der Obrigkeit Schuld. Warum erwürgt man die Ehebrecher nicht?“ ( Luther, 1982, Bd. III, S. 182, a.a.O.). Oder: „Darumb muß die weltliche ubirkeyt das weyb zwingen oder umb bringen" (zit. in Mynarek 2012, S. 56, a.a.O.).
Fatal war auch die Haltung Luthers zu der Frage der „Hexerei“, die für ihn ein reales Faktum war: „Die Zauberer oder Hexen, das sind die bösen Teufelshuren, die da Milch stehlen, Wetter machen, auf Böcken und Besen reiten, auf Mänteln fahren, die Leute schießen, lähmen, verdorren, die Kinder in der Wiege martern, die ehelichen Gliedmaßen bezaubern … die da können den Dingen eine andere Gestalt geben, dass eine Kuh oder Ochs scheinet, das in Wahrheit ein Mensch ist, und die Leute zur Liebe und Buhlschaft zwingen, und des Teufels Dinge viel." (Martin Luther, zit. n. Türcke 2016, S.70, a.a.O.). In seiner Erklärung der Zehn Gebote von 1518 forderte er die Exkommunikation von als Hexen verdächtigten Frauen.
In seinen „Tischreden“ äußerte Luther :„… weil Zauberei ein schändlicher, gräulicher Abfall ist, da sich einer von Gott, dem er gelobt und geschworen ist, zum Teufel, der Gottes Feind ist, begibr, so wird sie billig an Leib und Leben gestraft“ (Luther, WA, Tischreden VI. Bd., S. 222, a.a.O.). Er sah also in der Zauberei/Hexerei einen willkürlichen Bruch des Taufgelübdes, eine Art Verrat an Gott.
Luther war ein Kind seiner Zeit, vor allem aber war der bibelgläubig, er betrachtete den Text nicht als symbolisch, sondern fundamentalistisch, wortwörtlich – sola scriptura: eine biblische Aussage war ihm ein Beweis. Und im Buch Exodus (2 Mose) gab es die „fatale Bibelstelle“ (Beier-de Haan, S. 36, a.a.O.): „Die Zauberinnen (Hexen) sollst du nicht leben lassen" (2 Mose 22, 17/18 [11] (und ganz ähnlich in 3 Mose 20, 27). Hier ist die Übersetzung uneinheitlich. Die katholische Vulgata benutzte seit dem Tridentinum das männliche Genus („… die Zauberer sollst du nicht leben lassen“). Luther hingegen benutzte die aus dem hebräischen Original stammende und grammatikalisch (wohl) richtige weibliche Form: „Die Zauberinnen…“. Für protestantisch-bibeltreue Exegeten ging von daher die Hexerei „grundsätzlich von Frauen aus“ (Beier-de Haan, S. 36, a.a.O.). Die grauenhafte Geschichte der Hexenverfolgungen könnte darüber hinaus mit einem Übersetzungsfehler zusammenhängen: Das an dieser Stelle verwendete hebräische Wort, soll treffender mit „Giftmischerinnen" wiederzugeben sein.
In einer Predigtreihe über das 2. Buch Mose predigte Luther zwischen März und Mai 1526 auch über 2 Mose 22,17/18 : „Die Zauberinnen sollen getötet werden, weil sie Diebe sind, Ehebrecher, Räuber, Mörder... Sie schaden mannigfaltig. Also sollen sie getötet werden, nicht allein weil sie schaden, sondern auch, weil sie Umgang mit dem Satan haben.“ Damit forderte er wie seine Zeitgenossen die Todesstrafe für vermeintliche Schadenszauberei.
Luther begrüßte in den „Tischreden“ und mehreren Predigten die Hexenverfolgungen. Im Jahre 1539 z.B. schrieb er: „Eine Hexe muß, wo man sie kriegt,
mit Feuer verbrannt werden“. Hexerei führe u.a. zu Unwettern, Hexen seien deshalb „der Folter (zu) empfehlen“ (zit. n. ND, 25. Januar 2017, S. 12).
Obwohl Luther selbst nicht als Hexenjäger tätigt war, wurden 1540 die ersten als Hexen betrachteten Personen in Wittenberg verbrannt. Den Beginn der großen Hexenjagd sollte Luther allerdings nicht mehr erleben.
Ganz ähnlich forderte auch Johann Calvin die Hinrichtung, die „Ausrottung“ scheinabr überführter Hexen (und Hexer). Von daher beendete die Reformation keineswegs die Hexenprozesse, die Folterungen und Hinrichtungen von angeblichen Hexen auf dem Scheiterhaufen.
Massenverfolgungen und -ausrottungen Unschuldiger im Auftrag der Herrschenden sind in der Geschichte leider nichts wirklich Ungewöhnliches. Die Folterungen und Hinrichtung von Frauen (aber auch Männern) wegen Hexerei v.a. in Europa zwischen dem 15. und 18. Jhdt. waren zwar nicht der früheste Massenmord Unschuldiger, sie gehörten zu den spektakulärsten.
Der evangelische Theologe Christoph Türcke (*1948) schrieb in „Heilige Hure Vernunft. Luthers nachhaltiger Zauber" über die langfristigen historischen Auswirkungen: „Die Ströme von Hexenblut, die der Zusammenbruch des christlichen Weltgebäudes fließen lässt. sind zugleich das Morgenrot jener neuen Gesellschaft, die sich auf den Trümmern der alten langsam herauszubilden beginnt: der bürgerlichen. Wozu die einmal fähig sein wird, wenn sie sich allseitig entwickelt und alle Lebensbereiche rational organisiert hat, ohne in ihrer Gesamtheit noch einen objektiven Sinn erkennen zu lassen, - davon geben die Hexenverfolgungen eine erste Vorahnung" (Türcke, 1986, S. 45 f., a.a.O.).
Der Höhepunkt des Hexenwahns fiel in das späte 16. und das 17. Jahrhundert. Europaweit erfolgten ca. 60 000 Hinrichtungen wegen Hexerei, dazu kamen allerdings auch viele Lynchmorde (vgl. Beier-de Haan, S. 34, a.a.O.), ganz überwiegend waren die Opfer Frauen, sowohl in katholischen als auch in protestantischen Territorien. Als sicher gilt, dass „… das Zentrum der Hexenverfolgung im Deutschen Reich“ lag, mit den damals dazu gehörigen Territorien im Westen und Süden. Die Hexenverfolgungen gelten mit Recht als eine der schlimmsten von Menschenhand angerichteten Katastrophen der europäischen Geschichte (vgl. Beier-de Haan, S. 30, a.a.O.)
In Preußen wurden Hexenprozesse im Jahre 1714 verboten.
In Kempten wurde 1775 das letzte Todesurteil gegen eine „Hexe“ in Deutschland ausgesprochen, die Hinrichtung soll
aber nicht vollzogen worden sein.
In Bernau bei Berlin wurden zwischen 1536 und 1658 insgesamt 25 Frauen und 3 Männer wegen angeblicher Zauberei verfolgt, gefoltert und hingerichtet. Heute erinnern die Namen der Opfer auf einem Denkmal neben dem Bernauer Henkershaus an diese Justizmorde.
Erst in den letzten Jahren wurden die frühneuzeitlichen Frauenmorde „aufgearbeitet“, die angeblichen Hexen rehabilitiert, so z.B. im mecklenburgischen Gadebusch, wo eine „Hexenstele“ an die 37 allein dort verbrannten Frauen erinnert, oder in Wernigerode, wo zwischen 1521 und 1708 mehr als 60 Hexenprozesse geführt wurden (vgl. ND, 25. Januar 2017, S. 12).
Vorbei aber ist der Hexenwahn bis heute nicht: In den Jahren 1998/99 wurden in Indonesien 120 Menschen als Hexen ermordet. Der Anthropologe Irenäus Eibl-Eibesfeldt (wie später auch amnesty international) berichtete von dem Volk der z.T. steinzeitlich lebenden Eipo in West-Neuguinea, die angeblich Unheil stiftende „Hexen“ (meist Frauen) ausfindig machen, töten oder in den Selbstmord treiben. (vgl. https://epub.ub.uni-muenchen.de/25303/1/19_Heeschen_Eipo.pdf).
In Indien wurden zwischen 2001 und 2006 ca. 400 Menschen unter Hexereivorwürfen gelyncht und im Januar 2007 wurden drei Frauen (im überwiegend katholischen) Osttimor als Hexen beschuldigt und ermordet.
Papst Franziskus hat in einer Morgenmesse am 11. April 2016 im Vatikan die kirchliche Mitwirkung an Hexen und Ketzerverfolgungen als Unrecht verurteilt. Oft seien in der Geschichte Menschen getötet und verurteilt worden, „… obwohl sie unschuldig waren: verurteilt mit dem Wort Gottes gegen das Wort Gottes".
In der Geschichte gab es frühe Bestrebungen von Frauen, ihre soziale, rechtliche und politische Situation zu verbessern.
Lysistrata war allerdings „nur“ eine literarische Figur, die titelgebende Hauptfigur einer zutiefst politischen, pazifistischen Komödie des attischen Dichters Aristophanes (ca. 446- ca. 386 v. Chr.). Die Komödie ist gänzlich erhalten geblieben (vgl. in Jürgen Werner, übersetzt von Ludwig Seeger, S. 201 ff., a.a.O.). Der Name „Lysistrata“ ist ein programmatischer, sprechender Name mit der Bedeutung „die Heeresauflöserin“ (vom altgr. Λυσιστράτη – Lysistrátē -, aus λύσις – lysis- „Auflösung“ und στρατός - stratós „Heer“).
Das Stück wurde von Aristophanes im Frühjahr 411 v. Chr. – im zwanzigsten Jahr des Peloponnesischen Krieges – bei den Lenäen (vgl. Lenäen) aufgeführt gebracht und spielt 411 v. Chr. in Athen, in der Nähe und auf der Akropolis. Es thematisiert den Kampf der vereinigten hellenischen Frauen unter Anleitung der Athenerin Lysistrata gegen die Männer als Verursacher von Krieg, Leiden und Not. Die Frauen – auch aus Sparta und Athen – verschwören sich zu einem „Sexstreik“, bis die Männer endlich Frieden machen.
Lysistrata und die Spartanerin Lampito beschließen, Frauen aus allen griechischen Polies zusammenzurufen; sie sehen in der kollektiven Liebesverweigerung die einzig effektive ihnen zur Verfügung stehende Maßnahme, um den Krieg zu beenden. Tatsächlich: „Dank der Solidarität der übrigen Griechinnen, die denselben Kummer haben, findet der Bettstreik interfrontal statt“ (Jürgen Werner, Nachwort zu Lysistrata, S. 644, a.a.O.).
Lysistrata schlägt den versammelten Frauen vor:
„Der Männer müssen wir uns streng enthalten! ....
… Wir sitzen hübsch geputzt daheim, wir gehen
Im Florkleid von Amorgos [12], halbentblößt,
Mit glattgezupftem Schuss vorbei an ihnen:
Wir aber kommen nicht – sind abgeschlagen! –
Sie machen Frieden, sag ich euch, und bald“
(vgl. Lysistrata, in Jürgen Werner, S. 208/9, a.a.O.).
Einige Frauen machen sich sogar ein Vergnügen daraus, die Männer erotisch zu provozieren, sie dann aber abzuweisen, sie genauso wenig an sich heranzulassen wie den athenischen Ratsherrn an die von den Frauen beschlagnahmte Kriegskasse in der Akropolis.
In der Komödie kommt so rasch zum Frieden. Leider dauerte in der Realität der Krieg noch weitere sieben Jahre, bis zum Jahr 404 und endete mit einem Sieg der Spartaner, der keinen längerfristigen Frieden brachte.
M. E. gibt es keine reale historische Vorlage zu der Komödie des Aristophanes.
Die Philosophen der Stoa vertraten (wohl als erste) eine prinzipielle Gleichberechtigung von Männern und Frauen.
Eher Ausnahmeerscheinungen waren in der Antike Frauen wie ….
Gleichzeitig lebte auch ein antiker Frauenfeind (der allerdings Hypatia verehrte ...), der spätantike wahrscheinlich „heidnische“ Epigrammatiker Palladas von Alexandria (ca. 4. Jhdt.): Von ihm ist die misogyne Aussage überliefert: „Πᾶσα γυνὴ χόλος ἐστίν· ἔχει δ᾿ ἀγαθὰς δύο ὥρας· τὴν μίαν ἐν θαλάμῳ, τὴν μίαν ἐν θανάτῳ“.(Pāsa gynē cholos estin; echei d' agathas dyo hōras; tēn mian en thalamō, tēn mian en thanatō ≙„Jede Frau ist wie Galle; sie hat nur zwei gute Seiten: Die eine im Bett, die andere im Tod“). [13]
Elizabeth Montagu (1718-1800), die englische Schriftstellerin und Mäzenin, galt als „Queen of the Blues". In ihrem Salon trafen sich viele gebildete, unangepasste Frauen, aber auch viele Männer wie Samuel Johnson, Edmund Burke oder Horace Walpole. Zu den Blaustrümpfen gehörte auch Margaret Cavendish-Bentinck, Duchess of Portland (1715-1785), britische Botanikerin und Naturkundlerin. Sie war mit Elizabeth Montagu befreundet und damals die reichste Frau Großbritanniens. U.a. führte sie die damals größte Naturaliensammlung Europas zusammen.
Seit dem 19. Jhdt. war „Blaustrumpf“ dann ein abwertender Name für zwar gebildete Frauen, in der Regel höherer sozialer Herkunft, die aber als „unweiblich“ galten.
Abigail Adams (1744 - 1818), die Ehefrau des späteren 2. US-Präsidenten John Adams (seit 1797) wirkte brieflich am 31 März 1776 auf ihren Mann ein, er solle bei der in Philadelphia entstehenden US-Verfassung „… die Frauen nicht vergessen“. Wörtlich schrieb sie: "…. in the new code of laws which I suppose it will be necessary for you to make, I desire you would remember the ladies and be more generous and favorable to them than your ancestors. Do not put such unlimited power into the hands of the husbands. Remember, all men would be tyrants if they could. If particular care and attention is not paid to the ladies, we are determined to foment a rebellion, and will not hold ourselves bound by any laws in which we have no voice or representation”. Auf Deutsch: „… für das neue Gesetzbuch, das Ihr verfassen müsst, wie ich vermute, würde ich mir wünschen, dass ihr die Frauen nicht vergesst und ihnen gegenüber großzügiger und wohlwollender seid als eure Vorfahren. Gebt den Ehemännern nicht so uneingeschränkte Macht. Vergesst nicht, alle Männer wären Tyrannen, wenn sie es könnten. Wenn den Frauen nicht besondere Sorge und Aufmerksamkeit zuteil wird, sind wir gezwungen, eine Rebellion anzufachen, und wir werden uns nicht an irgendwelche Gesetze gebunden fühlen, bei denen wir kein Mitspracherecht haben und nicht vertreten sind“.
Abigails Rat war vergeblich, im Gegenteil. John antwortete, er könne über ihre Mahnung nur lachen Die Abschaffung des „maskulinen Systems“ würde zu einem vollständigen „ Despotismus des Petticoats“ führen (vgl. Adams, a.a.O.).
Für das Frauenwahlrecht [14] aber setzte sich Abigail nicht ein, wohl aber für die Erziehung und die rechtlich-ökonomische Besserstellung der Frauen. Es dauerte nach dem Brief von Abigail noch 144 Jahre bis den US-Frauen 1920 durch den 19. Verfassungszusatz das Wahlrecht zugesprochen wurde.
Als erste „moderne“ Feministin (avant le mot) und Kämpferin für das Frauenwahlrecht kann Olympe de Gouges (1748 – 1793) angesehen werden. Sie veröffentlichte während der Französischen Revolution im September 1791 eine „Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin“, in der sie gleiche Rechte für alle Menschen, für Frauen und Männer forderte. Diese Forderungen, auch die nach Abschaffung der Todesstrafe und nach Meinungsfreiheit, stießen allerdings bei den französischen Revolutionären mehrheitlich auf wenig Resonanz. Olympe de Gouges wurde ihrer Publikationen wegen im Sommer 1793 verhaftet und im November des Jahres hingerichtet.
Desgleichen forderten Französinnen auch in den Revolutionen von 1830/31 und 1848 das Wahlrecht, ohne Erfolg.
Die deutsche Paulskirchenverfassung [15] vom März 1849 – die erste Verfassung für einen deutschen Gesamtstaat - postulierte zwar Menschen- und Bürgerrechte, diese aber galten nur für Männer. Im § 132 der Verfassung hieß es u.a.: „Jeder Deutsche hat das deutsche Reichsbürgerrecht“ (zit. n. Schuster, S. 47, a.a.O.), - die Sprache war verräterisch: es waren nur Männer gemeint. Dazu bedurfte es keiner ausdrücklichen Worte (vgl. Beuys, S. 14, a.a.O.).
Wenige Wochen nach der Verabschiedung der Verfassung erschien die erste Ausgabe der „Frauen-Zeitung“, herausgegeben von der damals dreißigjährigen Schriftstellerin Louise Otto aus Meißen. Die Unterzeile der Zeitung [16] lautete: „Dem Reich der Freiheit werb‘ ich Bürgerinnen“ (zit. n. Beuys, S. 11, a.a.O.). In dem Editorial hieß es u.a.: „Wir wollen unser Teil fordern: das Recht, das Rein-Menschliche in uns in freier Entwicklung aller unserer Kräfte auszubilden, und das Recht der Mündigkeit und Selbständigkeit im Staat“ (zit. n. Beuys, S. 12, a.a.O.).
Die Berliner, aus einer deutsch-jüdischen Familie stammende Schriftstellerin Hedwig Dohm (1831 – 1919) war eine (groß-)bürgerliche, sich weiter radikalisierende Frauenrechtlerin, die für eine volle Gleichberechtigung und das Wahlrecht für Frauen kämpfte. Sie war zumindest eine der Ersten, die geschlechtsspezifische Verhaltensformen nicht als biologisch determiniert ansahen, sondern auf Lernprozesse zurückführte. Schon 1876 formulierte Hedwig Dohm apodiktisch: „Menschenrechte haben kein Geschlecht“ (vgl. Heike Brandt, a.a.O.).
Im Jahre 1891 veröffentlichte die deutsche Schriftstellerin Franziska Freifrau von Reitzenstein (1834 - 1896) unter dem Pseudonym Franz von Nemmersdorf die theoretische Schrift „Der Kampf der Geschlechter – Eine Studie aus dem Leben und für das Leben“ und forderte eine weitgehende Gleichstellung der Geschlechter. Sie widmete die Publikation dem damals sehr bekannten italienischen Arzt, Bewusstseinsforscher und Sexualwissenschaftspionier Paolo Mantegazza (1831-1910).
Der Internationale Frauentag blickt auf eine nun über hundertjährige Tradition mit verschiedenen,kontrovers diskutierten, z.T. mythischen Wurzeln zurück.
Im Mittelpunkt eines Ursprungsmythos steht ein spontaner Streik von US-amerikanischen Textilarbeiterinnen, der sich am 8. März 1857 in New York ereignet haben soll. Die Polizei habe diese Demonstration gegen niedrige Löhne und unzumutbare Arbeitsverhältnisse blutig niedergeschlagen. Viele Frauen seien bei dem Polizeieinsatz umgekommen. Genau fünfzig Jahre nach diesem Vorfall wurde am 8. März 1907 [17] an diese Vorfälle erstmals erinnert.
Verschiedene Historikerinnen haben jedoch seit den 80er Jahren des 20. Jhdts. festgestellt, dass es sich bei den (angeblichen) Ereignissen von 1857 um eine antikommunistische „Legende“ handele, die 1955 – im Kalten Krieg - mit dem Ziel konstruiert worden sei, den Internationalen Frauentag von einer kommunistischen Ursprungsgeschichte zu trennen und mit einer älteren, nichtkommunistischen Tradition zu verbinden (vgl. Liliane Kandel, Françoise Picq und Temma Kaplan, a.a.O.).
1909 streikten 20.000 Näherinnen New York City. Viele wurden verhaftet, doch die Firmen mussten nach einem 2-monatigen Streik den Forderungen der Frauen nachgeben. US - amerikanische Sozialistinnen führten so 1909 das erste Mal auf nationaler Ebene einen speziellen Frauenkampftag durch: „...Am letzten Februarsonntag sollen große Veranstaltungen zur Propagierung des Frauenwahlrechts und der sozialistischen Ideen organisiert werden“ (vgl. http://www.frauennews.de).
Tatsächlich aber war auf der britischen pazifischen Inselkolonie Pitcairn bereits 1838 das erste Frauenwahlrecht überhaupt eingeführt worden, in Neuseeland 1893 [18] und in Australien 1902.
Im Jahre 1912 forderten 20 000 streikende Textilarbeiterinnen in Massachusetts „Brot und Rosen“ [19] das meinte, genug für das Leben und ein schönes Leben zu verdienen.
Initiiert durch die Sozialistin und Frauenrechtlerin Clara Zetkin [20] (1857-1933; Abb. s.o.) beschlossen etwa 100 Frauen aus 17 Nationen im Jahre 1910 in Kopenhagen die Einführung eines Internationalen Frauentags, der aber am 19. März 1911 begangen wurde. Millionen von Frauen in Dänemark, Deutschland, Österreich, der Schweiz und den USA beteiligten sich, um auf die politischen Zielen der Gleichberechtigung und des Wahlrechts für Frauen aufmerksam zu machen. Die Wahl des Datums sollte an die revolutionäre Tradition erinnern, denn der 18. März war der Gedenktag für die während der Revolution 1848 in Berlin und während der Pariser Commune 1871 Gefallenen.
Eine dritte Wurzel des Frauentages liegt in der russischen Arbeiterbewegung. Der Tag sollte an den Textilarbeiterinnen-Streik in St. Petersburg am 8. März 1917 erinnern (nach dem alten russischen Julianischen Kalender am 23. Februar). Der Streik griff rasch auch auf andere Fabriken über und löste große Arbeiterdemonstrationen und die russische Februarrevolution 1917 mit aus.
Die Festlegung des Internationalen Frauentages auf den 8. März erfolgte schließlich 1921 durch Beschluss der 2. Kommunistischen Frauenkonferenz.
Natürlich gab es lange zuvor Bestrebungen von Frauen, ihre rechtliche und politische Situation zu verbessern.
Zu den frühen Frauengruppen dieser Art gehörten die „Blaustrümpfe“ (Bluestocky) in England. Die Blaustrümpfe waren keine organisierte Gruppe, sondern eher lose Vereinigungen im Umkreis von Salons, Frauen aus der Aristokratie und dem Bürgertum, die dem zeitgenössischen Frauenbild weitgehend widersprachen. Sie setzten sich u.a. für den Zugang von Frauen zu Hochschulen und auch für das Frauenwahlrecht ein.
Elizabeth Montagu (1718-1800), die englische Schriftstellerin und Mäzenin, galt als „Queen of the Blues". In ihrem Salon trafen sich viele gebildete, unangepasste Frauen, aber auch viele Männer wie Samuel Johnson, Edmund Burke oder Horace Walpole. Zu den Blaustrümpfen gehörte auch Margaret Cavendish-Bentinck, Duchess of Portland (1715-1785), britische Botanikerin und Naturkundlerin. Sie war mit Elizabeth Montagu befreundet und damals die reichste Frau Großbritanniens. U.a. führte sie die damals größte Naturaliensammlung Europas zusammen.
Seit dem 19. Jhdt. war „Blaustrumpf“ dann ein abwertender Name für zwar gebildete Frauen, in der Regel höherer sozialer Herkunft, die aber als „unweiblich“ galten.
Als erste „moderne“ Feministin und Kämpferin für das Frauenwahlrecht kann Olympe de Gouges (1748 – 1793) angesehen werden. Sie veröffentlichte während der Französischen Revolution im September 1791 eine „Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin“, in der sie gleiche Rechte für alle Menschen, für Frauen und Männer forderte.
Diese Forderungen, auch die nach Abschaffung der Todesstrafe und nach Meinungsfreiheit, stießen allerdings bei den französischen Revolutionären mehrheitlich auf wenig Resonanz. Olympe de Gouges wurde ihrer Publikationen wegen im Sommer 1793 verhaftet und im November des Jahres hingerichtet.
Desgleichen forderten Französinnen auch in den Revolutionen von 1830/31 und 1848 das Wahlrecht, ohne Erfolg.
Die erste Petition für das Frauenwahlrecht wurde 1832 ins britische Parlament eingebracht. Die vornehmlich von großbürgerlichen Frauen getragene englische und US-amerikanische Suffragettenbewegung gehört nicht in die eigentliche Ursprungsgeschichte des 8. März, ist jedoch ein wichtiger Teil der Bürgerrechtsbewegungen des 20. Jahrhunderts. Die Geschichte der Frauenwahlrechtsbewegungen in Großbritannien, Frankreich, den USA und Deutschland wird in dem Suffragetten-Band von Antonia Meiners (a.a.O.) thematisiert.
Das vorrangige Ziel der Bewegung war die Erkämpfung des Wahlrechts (engl. „suffrage“, vom lat. „suffragium“ ≙ „Stimme, Stimmrecht“) für Frauen. „Suffragette“ war die Eigenbezeichnung der damaligen Aktivistinnen,der Begriff wurde aber bald zum
Schimpfwort..
Im Jahre 1903 gründeten Aktivistinnen um Emmeline Pankhurst (1858 – 1928) die „Women’s Social an Political Union“ (WSPU), die mit vielfältigen direkten, aber gewaltlosen Aktionen die Öffentlichkeit für das Frauenwahlrecht einzunehmen versuchte.
Emmeline Pankhurst stammte aus einer liberalen Mittelstandfamilie in Manchester und gelangte durch ihre Tätigkeit als Armenpflegerin und schlechtbezahlte Standesbeamtin in einem Arbeiterviertel zu der Überzeugung, das Wahlrecht für Frauen sei notwendig, um Armut und Elend zu bekämpfen. In ihrer 1914 veröffentlichten Autobiographie (a.a.O.) hieß es: „Ich bin überzeugt, dass die wahlberechtigten Frauen viele Wege finden werden, um den Fluch der Armut wenigstens zu verringern. Frauen haben viel pragmatischere Vorstellungen darüber, wie Armut gemildert, vor allem aber vermieden werden kann“ (Pankhurst, zit. n. „Die Zeit“, Nr. 6/2016, S. 46).
Am 18. November 1910 kam es zu dem „Black Friday“: Die Polizei löste eine Demonstration der WSPU vor dem Londoner Parlamentsgebäude derart demütigend und gewaltsam auf, dass drei Teilnehmerinnen den Folgen der erlittenen Verletzungen erlegen sein sollen, - die ersten Toten der Suffragetten-Bewegung. Eine der Toten war eine Schwester von Emmeline Pankhurst.
Im Jahre 1912 kam es zu internen Auseinandersetzungen in der WSPU, jedoch gelang es Emmeline Pankhurst die Rivalinnen in der Organisation auszuschalten, die WSPU rabiat zu „säubern“ (vgl. FAZ, 3. Februar 2016, S. 9).
Jahrelang wurde das Ziel mit Aufklärungsaktionen und friedlichen Demonstrationen und Aktionen angestrebt, z.B. durch demonstratives Rauchen auf der Straße, ohne Erfolg. Dann aber wandten sich Teile der britischen Suffragetten zivilem Ungehorsam und militanteren Aktionen zu, „Taten statt Worte“: Sie warfen Schaufensterscheiben ein, zündeten Briefkästen, kappten Telegrafenleitungen, ketteten sich an öffentliche Gebäude, versuchten das Parlament zu stürmen oder verübten Anschläge (so z.B. auf den Landsitz des britischen Schatzkanzlers David Lloyd George). Durch diese schlagzeilenträchtigen Aktionen herausgefordert griff der Staat zu brutalen Repressionsmassnahmen: Geheimdienstliche Überwachung von Frauen, Verhaftungen, Misshandlungen, z.B. wurden hungerstreikende Frauen im Gefängnis brutal zwangsernährt (schon 1909 eingeführt). Viele der verhafteten Suffragetten bezeichneten sich als „politische Gefangene“.
Der britische Film von 2015 „Suffragette – Taten statt Worte“ von Sarah Gavron zeigt atmosphärisch intensiv und anrührend die Abkehr von dem Weg friedlicher Aktionen. Im Zentrum des Films steht die junge (fiktive) ausgebeutete Wäscherin Maud Watts, die 1912 schockiert von der staatlichen Brutalität langsam zur Kämpferin für Frauenrechte wird, dabei aber ihren Mann und ihren kleinen Sohn verliert.
Emmeline Pankhurst (gespielt von Meryl Streep) hat in dem Film einen kurzen Auftritt als charismatische Rednerin.
Höhepunkt des Films ist der Tod der WSPU-Suffragette Emily Davison, die am 4. Juni 1913 bei einer Protestaktion während des Pferderennens von Epsom von dem Pferd König George V. tödlich verletzt wird. Sie hatte versucht in einer misslungenen Aktion vor dem König (und den damals neuen Filmkameras) die Fahne der WSPU zu entrollen.
Am 14. Juni 1913 wurde der Sarg Emilys durch die Straßen von London getragen- ihm folgten hunderte in Weiß gekleidete Anhängerinnen der Frauenbewegung. Auf dem Grabstein von Emily Davison stehen die Worte: „Deeds, not words“. Sie wurde zu einer Märtyrerin der britischen Frauenbewegung.
Kritisch sah Gabriele Dietze, dass viele der aus den oberen sozialen Schichten stammenden britischen Suffragetten die Frauenbewegungen in den damaligen Kolonien (z.B. in Ägypten oder Indien) nicht als gleichberechtigt behandelten. „Nach einer Suffrage-Parade in London, in der auch Vertreterinnen der indischen Frauenbewegung mitliefen, wurde von folgenden Reaktionen aus dem Publikum berichtet: ‚Hier laufen sogar ‚Brownies‘ mit!‘ Die charmantesten ‚Brownies‘ seien die ‚in den indischen Kostümen gewesen‘“ (zit, n. Dietze, S. 17, a.a.O.).
Die englische Komponistin, Dirigentin, Schriftstellerin und Frauenrechtlerin Ethel Mary
Smyth (1858 – 1944) hatte an dem Leipziger Konservatorium studiert. Da sie annahm, dass ihre künstlerische Kreativität unter einem politischen Engagement leiden würde, stieß sie erst
spät zu den Frauenrechtlerinnen. Erst 1910 wurde sie Mitglied der „The Women’s Social and Political Union“ und komponierte in demselben Jahr noch den „March of the women“ (das
dritte ihrer „Sonnenaufgangslieder“), der im Januar 1911 uraufgeführt wurde. Der Marsch wurde zu Kampflied und Hymne der militanten englischen „Suffragetten“.
Im März 1912 beteiligte sich Ethel Smyth an einer provokativen Aktion von ca. 200 Feministinnen, die als Zeichen ihrer Kampfbereitschaft für das Frauenwahlrecht
hunderte von Fensterscheiben im Bereich der Londoner Oxford Street einwarfen. Smyth zerstörte die Scheiben des britischen Kolonialsekretariats, auch sie wurde verhaftet und bekam eine
Gefängnisstrafe von zwei Monaten. Viele der verhafteten Frauenrechtlerinnen wurden im Gefängnis von den Wärtern misshandelt und erlitten gesundheitliche Schäden (vgl.
http://de.wikipedia.org/wiki/Ethel_Smyth#Ethel_Smyth_und_die_englische_Frauenbewegung). Das Archiv des Leipziger
Konservatoriums erwarb jüngst (2014) 57 Briefe von Smyth an ihre Mutter aus ihrer Studienzeit in Leipzig.
Evelyn Baring, Earl of Cromer (1841-1917), zuvor viele Jahre britischer Generalkonsul Ägypten, gründete 1910 zusammen mit Gesinnungsgenossen die „National League für Opposing the Suffrage of Women“ (die Nationale Liga gegen das Frauenwahlrecht). Mitgründer waren u.a. weitere hohe Kolonialbeamte, wie George Lord Curzon (1859-1925), zuvor Vizekönig von Indien, oder der Schriftsteller Rudyard Kipling (1865-1936; der Verfasser des kolonialapologetischen, 1899 veröffentlichten Gedichts „White man’s Burden“ und Literaturnobelpreisträger von 1907, vgl. Dietze. S. 17, a.a.O.). Kipling veröffentlichte 1911 sein Gedicht “The Female Of The Species“, in dem es u.a. heißt:
„Das Weibchen jeder Gattung
Trifft der Himalayawandrer einen wilden Bären an,
brüllt er, um das Biest zu schrecken, öfters trollt das Vieh sich dann.
Treibt er Gleiches mit der Bärin, frisst sie ihn mit Haut und Haar,
denn vom Weibchen jeder Gattung, droht mehr als vom Mann Gefahr.
Hört beim Sonnenbaden Schritte Nag, der Königskobramann,
schlängelt er sich manchmal seitwärts, weicht oft aus, so gut er kann.
Doch das Königskobraweibchen denkt nicht so, auch hier wird klar,
von dem Weibchen jeder Gattung droht stets größere Gefahr.
……….
Männer wissens, wissen weiter, dass die Frau, von Gott geschenkt,
nur bezaubern darf, nicht hexen, nur befiehlt, doch niemals lenkt.
Und Sie weiß das, weiß im Warnen, was sie weiß ist nur zu wahr:
Von dem Weibchen jeder Spezies droht mehr als vom Mann Gefahr“.
(vgl. http://www.sonett-archiv.com/forum/archive/index.php/thread-2049.html)
Die britischen Gegner des Frauenwahlrechts (die «Antis») zogen publizistisch verschiedenste « Argumente » für ihre Position heran, so …
Der Hauptgrund für die Abwertung von Frauen durch Männer liegt in der Sicht der Psychoanalyse in der Furcht der Männer vor ihren eigenen weiblichen Aspekten.
In Maxim Gorkis 1904 uraufgeführten „Sommergästen“ findet sich gegen Ende ein „Männergespräch über Frauen“, in dem viele der partiell bis heute verbreiteten misogynen „Urteile“ angesprochen werden:
Suslow (ein Ingenieur):“Die Frauen – die spielen sich auf! Das hat es früher nicht gegeben, dieses Affentheater. Sie brauchen sich wirklich nicht zu wundern, wenn einem mal der Kragen platzt!“
Basow (ein Rechtsanwalt): „Ja, es ist leider nicht einfach, in Frieden mit einer Frau zusammenzuleben“
Schalimow (ein Schriftsteller): „Eine Frau ist ein unschuldiges und wildes Geschöpf. Man muss sie sorgfältig erziehen. Man muss ihr allmählich beibringen, wie sie reden soll, wie sie sich benehmen soll ...“
Basow: „Ja, da hast du recht. Die Frau steht im Grunde dem Tier näher als der Mann. Und wenn eine Frau zu einer richtigen Frau werden soll, dann muss der Mann einen sanften, aber auch kräftigen und in seiner Kraft schönen, unwiderstehlich schönen Despotismus walten lassen“.
Suslow: „Man muss sie einfach öfter schwanger machen. Dann hat man sie fest in der Hand“ (zit. n. Gorkis „Sommergästen“, in der Fassung der Schaubühne, Programmheft, S. 37/38, a.a.O.).
In James Joyces „Ulysses“ (geschrieben von 1904 – 1922) findet sich eine Fülle von frauenfeindlichen Vorstellungen, so z.B. in der Nestor-Episode im 2. Kapitel. Dort führt Garrett Deasy, ein Schuldirektor in Dublin (und die mit Nestor der Odyssee korrespondierende Figur) u.a. aus: Ein Weib brachte die Sünde in die Welt. Eines Weibes wegen, das nicht besser war als ihr Ruf, Helenas, des entlaufenen Weibes des Menelaus wegen, führten die Griechen zehn Jahre lang Krieg mit Troja. Ein treuloses Weib brachte zuerst die Fremden an unsere Küsten, MacMurroughs Weib und ihr Liebster O’Rourke [23a], der Fürst von Breffni. Ein Weib war es auch, die Parnell [23b] zu Fall brachte“ (Joyce, S. 43, a.a.O.).
Der 1. Weltkrieg führte auch in England zu einer Art Burgfrieden der
Frauenbewegung. Die durchaus patriotische Emmeline Pankhurst entschied 1914, für die Zeit des Krieges alle Aktionen gegen den Staat einzustellen, denn
es galt nun, auf den Schlachtfeldern zu siegen – Unruhe in der Heimat könne da nur schädlich sein.
Das Archiv des Leipziger Konservatoriums erwarb jüngst (2014) 57 Briefe von Smyth an ihre Mutter aus ihrer Studienzeit in Leipzig.
Dennoch gelang es den britischen Suffragetten, ihr „Anliegen in die Mitte der Gesellschaft“ zu bringen (vgl. Dietze, S. 17, a.a.O.). 1918 erhielten britische Frauen ab 30 Jahren, die Grundeigentum besaßen, das Wahlrecht. Im Jahre 1928 wurde das allgemeine Wahlrecht für Frauen in Großbritannien eingeführt, drei Wochen nach dem Tod von Emmeline Pankhurst (die unterdessen allerdings bei den Tories eingetreten war).
Auch eine Reihe von prominenten Männern trat für die politische Gleichberechtigung und das Frauenwahlrecht ein. So der englische Philosoph John Stuart Mill (1806 - 1873), der als liberaler Abgeordneter im Unterhaus für die Einführung des politischen Wahlrechts für Frauen plädierte.
Nach Mills Auffassung seien die Unterschiede zwischen Mann und Frau in Wesen und Verhalten nicht von der Natur gegeben, sondern Produkte von Erziehung und Gesellschaftsstrukturen. So setzte er sich für das Frauenwahl- und Scheidungsrecht ein. Diese Forderungen drückte er in seinem bekanntesten Werk zum Frauenbild, "The Subjection of Women" (1869 erschienen), er war ein Feminist – encore avant le mot …
Jahre 1879 veröffentliche der deutsche Sozialdemokrat August Bebel (1840 - 1913) seine Schrift „Die Frau und der Sozialismus“, die große Resonanz fand: Allein bis 1895 erlebte das Buch 25 Auflagen und wurde in viele Sprachen übersetzt. In der Einleitung schon formulierte er: „Es gibt keine Befreiung der Menschheit ohne die soziale Unabhängigkeit und Gleichstellung der Geschlechter“ (Bebel, S. 30, a.a.O.).
Hinsichtlich der politischen Gleichberechtigung schrieb Bebel: „Was für die Arbeiterklasse recht ist, kann für die Frauen nicht unrecht sein. Unterdrückt, rechtlos, vielfach hintangesetzt, haben sie nicht bloß das Recht, sondern die Pflicht, sich zu wehren und jedes ihnen gut scheinende Mittel zu ergreifen, um sich eine unabhängige Stellung zu erobern“ ((Bebel, S. 318, a.a.O.). Deshalb müssen Frauen in den Produktionsprozess integriert werden, zu ihrer eigenen Unabhängigkeit, wie auch zum gesamtgesellschaftlichen Nutzen. Die Reproduktions- und Hausarbeit soll „vergesellschaftet“, damit den Frauen weitgehend abgenommen, durch industriellen Fortschritt überflüssig werden.
Die Emanzipation der Frau ist nach Bebel „eine Seite der sozialen Frage“ und kann erst im Sozialismus voll verwirklicht werden.
Bebel sah eine Zwangsläufigkeit in der Entwicklung: „Die volle Emanzipation der Frau und ihre Gleichstellung mit dem Mann ist eines der Ziele unserer Kulturentwicklung, dessen Verwirklichung keine Macht der Erde zu verhindern vermag“ (Bebel, S. 522, a.a.O.), - leider vermutlich eine zu optimistische Auffassung!
Überraschend ist die Vorstellung Bebels, eine Einbeziehung der Frauen in die Produktion könne allein schon ausreichen, um die psycho-sozialen Folgen von Jahrtausenden Patriarchat überwinden.
Bei Bebel finden sich erstmals eine Art sozialistischer Emanzipationstheorie sowie auch die Forderungen, die später – zeitweise - in der Politik der Sowjetunion wieder erscheinen.
Im Jahre 1916 wurde die „Mens League for Woman Suffrage“ in England gegründet.
Auch der britische Philosoph, Mathematiker und Pazifist Bertrand Russell (1872 - 1970 ) trat schon im frühen 20. Jhdt für das Frauenwahlrecht ein.
Um 1872 kam in Frankreich der Begriff „féminisme“, Feminismus auf. Der Neologismus wurde von dem misogynen Alexandre Dumas fils (1824 - 1895) in seinem Pamphlet „L‘homme – femme“ allerdings in einem medizinischen Sinne benutzt, um vor (angeblich) unmännlichen, „feminisierten“ Männern zu warnen. Lange Jahre blieb diese medizinische Bedeutung erhalten.
Sehr rasch – um 1880 – benutzten französische, später internationale Frauenrechtler*innen den Begriff, um ihren Kampf für Gerechtigkeit und Gleichheit zu bezeichnen (vgl. Karsch, S. 12, a.a.O.).
Die in den verschiedenen Duden-Auflagen angegebenen Begriffsbestimmungen für „Feminismus“ sind ein Spiegel der Zeit, sie lassen deutliche Rückschlüsse auf die jeweiligen frauenpolitischen Verhältnisse zu.
Im Duden von 1929 (10. Auflage) waren die Begriffe „Feminist“ und „Feminismus“ erstmalig aufgenommen: „Richtung der Frauenbewegung, die, von den Bedürfnissen der Frau ausgehend, eine grundlegende Veränderung der gesellschaftlichen Normen (z. B. der traditionellen Rollenverteilung) und der patriarchalischen Kultur anstrebt“.Gleichzeitig wurde ein biologisch-medizinischer Aspekt aufgeführt: „Betonung des Weiblichen“ (Dudenredaktion, 1929, .a.a.O.).
Im NS-Duden des Jahres 1934 gab es den Begriff „Feminist“ nicht mehr, „Feminismus“ wurde charakterisiert als „Überstarke Betonung des Weiblichen; Vorherrschaft unmännlicher Anschauungen“ (Dudenredaktion, 1934, S. 160, a.a.O.).
Ganz ähnlich noch definierte der DDR-Duden von 1959: „Feminismus: Überbetonung des Weiblichen; weibische Art; Verweiblichung der Männer“ (Dudenredaktion 1959, S. 187, a.a.O.).
Tatsächlich gelten Feministen bis heute oft als „Weichei“, nicht „richtige Männer“, solche die „…es mit der Geschlechtergrenze nicht so ernst“ nehmen (vgl. Quast, S. 13, a.a.O.).
Umgekehrt gelten die Feministinnen immer noch oft als „Männerhasser und unattrktive Blaustrümpfe“, Dabei sollte klar sein: „Feminismus ist kein Kampf gegen den Mann, sondern gegen die Verhältnisse und Verhaltensweisen“ (vgl. Quast, S. 13, a.a.O.).
In dem (gesamtdeutschen) Duden aus dem Jahr 2000 heißt es unter dem Stichwort „Feminismus“:“Richtung der Frauenbewegung, die ein neues Selbstverständnis der Frau und die Aufhebung der traditionellen Rollenverteilung anstrebt“ (Dudenredaktion, 2000, S. 371, a.a.O.).
Hinreichend ist diese Definition nicht. Hiltrud Quast sah in dem Feminismus ein „Sammelbecken für verschiedene Theorien und und politische Bewegungen, die Geschlechtergerechtigkeit fordern … Eine geschlechtergerechte Gesellschaft ist von Vielfalt geprägt, in der alle Menschen den gleichen Zugang zu gemeinsamen Ressourcen wie Geld, Zeit, Raum und Bildung haben. Es handelt sich um eine Gesellschaft, in der Menschen Beruf und Lebensform frei wählen können – unabhängig von ihrem Geschlecht…. Feminismus ist demnach nicht nur als Bewegung zu sehen, sondern … als politische Theorie und humanistische Grundhaltung. Die Ebenbürtigkeit aller Menschen und die Ablehnung jedweder Diskriminierung sind angestrebte Ziele“ (Quast, S. 13, a.a.O.).
Von daher sei es kein Zufall, dass Feminist*innen sehr oft auch z.B. im Kampf gegen Sklaverei und Rassismus aktiv waren.
Margret Karsch ergänzte dazu: Feminist*innen wollen die „Gleichstellung und Gerechtigkeit auch in der Praxis umgesetzt sehen … Voraussetzung dafür wäre es, alle gesellschaftlichen Strukturen zu beseitigen, die an bestimmte, je nach Geschlechtszugehörigkeit unterschiedliches Verhalten fördern oder entsprechende Hierarchien schaffen“ (Karsch, S. 13, a.a.O.).
Die international anwachsende Frauen-Emanizipationsbewegung scheint bei vielen Männern Abwehr und Ängste erzeugt zu haben. .
Schon 1851 begründete der Philosoph Arthur Schopenhauer (1788 - 1860) in seinem Essay „Über die Weiber“, eine angebliche Unterlegenheit der Frauen den Männern gegenüber biologisch. Er sah als natürliche Lebensaufgabe der Frau, die Unterordnung unter den Mann an, dessen „… geduldige und aufopfernde Gefährtin“ sie sein solle (Schopenhauer, § 363, S. 589, a.a.O.). Frauen seien „kindisch, läppisch und kurzsichtig, mit Einem Worte, Zeit Lebens große Kinder ..: eine Art Mittelstufe, zwischen dem Kinde und dem Manne, … welcher der eigentliche Mensch ist“ (Schopenhauer, § 363, S. 590, a.a.O.). „Als ihren allein ernstlichen Beruf betrachteten sie die Liebe, die Eroberungen und was damit in Verbindung steht, wie Toilette, Tanz u.s.w.“ (Schopenhauer, § 365, S. 590, a.a.O.). „Weiber“ seien „intuitiv“, unfähig zu Abstraktion und Systematisierung, „listig“, ungerecht, mit „instinktartiger Verschlagenheit und unvertilglichem Hang zum Lügen“, voller „Falschheit, Treulosigkeit, Verrath, Undank“, konkurrenzorientiert gegenüber anderen Frauen, zu eigenen kulturellen Schöpfungen und Leistungen unfähig und so „ganz allein zur Propagation (i.e. Fortpflanzung, C. M. ) des Geschlechts da“ (Schopenhauer, S. 591 ff., a.a.O.).
Mit besonderem Hass verfolgte Schopenhauer die „europäische Dame“, ein „Wesen, welches gar nicht existieren sollte: sondern Hausfrauen sollte es geben und Mädchen, die es zu werden hoffen, und daher nicht zur Arroganz, sondern zur Häuslichkeit und Unterwürfigkeit erzogen werden“ sollten (Schopenhauer, § 396, S. 597, a.a.O.).
„Seiner Natur nach“ sei „das Weib“ nach Schopenhauer „… zum Gehorsam bestimmt …, weil sie eines Herrn bedarf. Ist sie jung, so ist es ein Liebhaber; ist sie alt, ein Beichtvater“ (Schopenhauer, § 371, S. 601, a.a.O.).
Schopenhauers überbordende Frauenfeindlichkeit ist überraschend kurzsichtig, er unterlag einem typischen naturalistischen Fehlschluss, verabsolutierte, naturalisierte einzelne Erscheinungen und Beobachtungen seiner Zeit.
Charles Baudelaire (1821 - 1867) zeichnete 1857 in den „Blumen des Bösen“ verschiedene Typen von Frauen, allerdings keine als gleichberechtigte Partnerin, sondern u.a. die Frau als beherrschtes Objekt der Lust und die Frau als ambivalente „femme fatale“. Sie erscheint als Überlegene, übt unüberwindliche Macht aus, wirkt unheilbringend, schicksalhaft, vampirhaft. Ihre Attraktivität schwankt zwischen Faszination und Angsterregung.
In dem Gedicht „Das Gift“ heißt es u.a.:
„…Dies alles reicht nicht an des grünen Giftes Schäume
Aus deiner Augen Ungewiß …
O See, wo zitternd sich verkehrt der Seele Riß,
In Scharen kommen meine Träume
Und letzen sich an deines Abgrunds Bitternis!
Dies alles reicht nicht an das Wunder frevler Säfte,
Die deines Mundes Speichel löst,
Der brennt und meine Seele in Vergessen stößt,
Sie schwindeln macht und ohne Kräfte
Die Stürzende zum Ufersand des Todes flößt“
(Baudelaire, S. 49, a.a.O.).
Die Frau erscheint hier als die übermächtige femme fatale [21], sie quält das lyrische Ich, von ihr gehen Gift und Qual aus. Die Titelfigur von Georges Bizets 1875 uraufgeführten Opéra comique „Carmen“ [22] ist sicher der „… Inbegriff der femme fatale, eine der wohl einflussreichsten kulturellen Erfindungen des 19. Jahrhunderts“ (vgl. Sebastian Baumgarten, in Komische Oper, S. 11, a.a.O.).
Die Handlung ist durch ein ambivalentes Frauenbild [23] gekennzeichnet:
Die schöne „Zigeunerin“, die zerstörerische Schöne, verzaubert José mit einem Blick, reißt ihn Schritt für Schritt aus seinem Leben, hin zum Untergang. Zwei Liebeskonzepte stoßen unvereinbar aufeinander, mit tödlichen Folgen.
José tötet schließlich die aktiv-männliche, auf ihre Unabhängigkeit und Freiheit bedachte, ihm intellektuell (und sexuell) überlegene Carmen. José kann ihrer lebend nicht Herr werden, will sie aber besitzen. Da ihm das nicht gelingt, Carmen sich ihm entzieht, soll sie auch kein anderer Mann haben – er tötet sie. In Mérimées Novelle sind Carmens letzte Worte, dass sie immer frei bleiben werde (Mérimée, 2008, a.a.O.).
Die US-amerikanischen Suffragetten (sie wurden als „suffragists“ bezeichnet) erreichten ihr Ziel früher: 1918/19 wurde durch den 19. Zusatzartikel der US-Verfassung das Frauenwahlrecht in den USA eingeführt.
In den USA begann der Kampf für die gesellschaftliche Gleichstellung der Frauen schon früh. Schon Abigail Adams (1744-1818), die Frau von John, dem Mitautor der Unabhängigkeitserklärung und 2. US- Präsidenten, ermahnte ihren Mann brieflich während des Kontinentalkongresses, an die Frauen und ihre Vertretung zu denken (vgl. Davis, S. 259, a.a.O.), - vergeblich (vgl. oben).
U.a. Elizabeth Cady Stanton (1815-1902) und Lucretia Mott (1793–1880) organisierten die erste US-amerikanische Frauenrechtskonferenz, die im Juli 1848 in Seneca Falls/New York zusammentrat. In einem Beschluss wurde die Unabhängigkeitserklärung imitiert, wobei für König Georg III. der Begriff „Männer“ eingesetzt wurde (vgl. Lösche, S. 54, a.a.O.). Diese „Declaration of Sentiments“ wurde von Teilnehmern unterzeichnet (68 Frauen und 32 Männern). Ausdrücklich forderte die Konferenz das Wahlrecht für Frauen.
Bis zum Beginn des Bürgerkriegs 1861 folgten weitere jährliche „Conventions“, bei denen das Frauenwahlrecht zur zentralen Forderung wurde, aber lange Jahre von der Frage der Sklaverei überlagert wurde.
Auch unter den ca. 10 000 streikenden ArbeiterInnen der Schuhfabriken von Lynn/Massachusetts im Jahre 1860, war ein großer Teil Frauen, die an dem Protestmarsch teilnahmen: Nach Lohnsenkungen verdienten Frauen damals dort wöchentlich einen Dollar, Männer für die gleiche Tätigkeit 3,- $ (vgl. Davis, S. 259, a.a.O.).
Auch organisierten streikende Frauen eine besondere „Ladies‘ Procession“, bei der Transparente mit Forderungen wie „Amerikanische Frauen sind keine Sklavinnen“, „Wir wagen die Schlacht für das Recht“ oder „Schulter an Schulter mit unseren Vätern,Männern und Brüdern“ getragen wurden.
Die Fabrikherren boten den Streikenden schließlich höhere Löhne an, um sie weiderr in deie Fabriken zu bringen, erkannten aber die Gewerkschaften nicht an!
Schon 1878 wurde erstmals ein 19. Verfassungszusatz zum Frauenwahlrecht in den Kongress eingebracht – ohne Erfolg. Auch in der US-Frauenbewegung gab es neben Demonstrationen und Aufklärungsarbeit auch zivilen Ungehorsam und direkte Aktionen, - allerdings m.E. weniger radikal als ihre britischen Schwestern. Neben dem Wahlrecht aber war der Versuch, die Herstellung und den Verkauf von alkoholischen Getränken zu verbieten, ein wichtiges Agitationsfeld der US-Frauenbewegung.
1890 wurde die „National American Woman Suffrage Association“ (NAWSA) gegründet, die v.a. das Frauenwahlrecht forderte (vgl. Adams, S. 256, a.a.O.). E.C. Stanton wurde die erste Präsidentin der Vereinigung. Nun wurde die Strategie verfolgt, zuerst in einzelnen Bundesstaaten das Frauenwahlrecht zu verwirklichen (so in Idaho oder Colorado), eine vorerst erfolgreiche Strategie.
Die aus New Jersey stammende Quäkertochter Alice Paul (1885-1977) hatte in England studiert und war dort in der Suffragtten-Bewegung aktiv geworden. Nach eigener Aussage zerschlug sie 48 Fensterscheiben. Sie wurde in England verhaftet, schloss sich dem Hungerstreik der Inhaftierten an und wurde zwangsernährt.
Zurückgekehrt in die USA schloss sie sich der NAWSA an, die ihr allerdings nicht aktiv und radikal genug war. Mit politischen Freundinnen spaltete sie sich sich von ihr ab und gründete 1913 die National Woman’s Party (NWP; die Nationale Frauenpartei), die sich allerdings nicht an Wahlen beteiligte sondern eine Vielzahl von öffentlichkeitswirksamen Aktionen startete, z.B. Protestmahnwachen vor dem Weißen Haus.
1913, zur Inauguration des – demokratischen - Präsidenten Wilson, damals noch ein Gegner des Frauenwahlrechts, wurde eine Protestdemonstration mit ca. 10 000 v.a. Teilnehmerinnen veranstaltet.
Gleichzeitig konnten allerdings auch schon in verschiedenen Bundesstaaten (in Monatna z.B. seit 1914) Millionen Frauen wählen, und sie wählten vornehmlich die Republikaner, die immer mehr für das Frauenwahlrecht eintraten. Das zeigte sich bei der Wiederwahl von Wilson 1916, als eine große Mehrheit der schon wahlberechtigten Frauen gegen ihn stimmte (vgl. Davis, S. 261, a.a.O.). Alice Paul u.a. organisierten seit 1917 Protest-Picket-Lines z.B. um die Uhr vor dem Weißen Haus. An den jahrelangen Protesten vor dem Weißen Haus nahmen ca. 2000 Frauen, ca, 500 Frauen wurden verhaftet, viele traten in den Hungerstreik und wurden zwangsernährt.
Erst als 1917 auch der Staat New York das Frauenwahlrecht einführte, änderte Präsident Wilson seine Haltung und begann das Frauenwahlrecht – „als Kriegsmaßnahme“ - zu unterstützen.
Im Jahre 1917 wurde die aus Montana stammende Republikanerin Jeannette Rankin (1880-1973) als erste Frau in den Kongress gewählt. Als Pazifistin stimmte sie gegen den Kriegseintritt der USA. Rankin brachte zudem den Antrag zum Verfassungszusatz über das allgemeine Wahlrecht ein, das mit einer Mehrheit von einer Stimme angenommen wurde. Es dauerte dann allerdings noch 18 Monate bis die Vorlage den Senat passiert hatte und im Juni 1919 als 19. Verfassungszusatz den Bundesstaaten zur Ratifikation überwiesen wurde. Ein Jahr später, im August 1920, brachte Tennessee die letzte benötigte Stimme ein und der Zusatz wurde der Verfassung hinzugefügt (Davis, S. 262, a.a.O.). Nach 130 Jahren war nun erst der Verfassungsanspruch von „We, the people...“ nicht mehr nur zur Hälfte erfüllt!
Die US-amerikanische Juristin Ruth Bader Ginsburg (* 1933) ist eine wichtige Vorkämpferin für die juristische Gleichstellung der Frauen in den USA. Sie erreichte in einer Reihe von Prozessen, dass zahlreiche US-Gesetze, die der Forderung nach Gleichberechtigung der Geschlechter widerpsrachen, Schritt für Schritt geändert wurden. Sie setzte sich z.B. auch für das Recht der US-Frauen auf einen Schwangerschaftsabbruch ein.
Seit 1993 ist Ruth Bader Ginsburg durch Präsident Bill Clinton Beisitzende Richterin am Supreme Court, wo sie dem liberalen, eher „linken“ Flügel zugerechnet wird und eine wichtige Gegnerin von Trump ist. Sie ist das zweite jüdisch-stämmige Mitglied dieses Gerichts überhaupt und gilt als eine Ikone des US-Feminismus.
Der Film von Mimi Leder „Die Berufung - Ihr Kampf für Gerechtigkeit“ (im Original: On the Basis of Sex) zeigt wichtige Stationen des Lebens vom Ruth Bader Ginsburg.
Auch in den skandinavischen Staaten forderten Frauen relativ früh, in den 80er Jahren des 19. Jhdts. politische Rechte – mit Erfolg. In Finnland 1906, in Norwegen 1907, in Island 1913 und in Dänemark durch Verfassungsänderung 1915 wurde das allgemeine Frauenwahlrecht eingeführt.
In Russland hatte bis ins 19. Jhdt. noch der „Domostroi“ (auch: Domostroj; Домострой ≙ „Hausordnung“, a.a.O.), ein aus dem 16. Jhdt. stammender Kodex, das familiäre Leben v.a. auf dem Lande mit geprägt. Verfasst wurde er nicht in Kirchenslawisch, sondern in der russischen Umgangssprache. Autor war vermutlich Sil’vestr, ein Priester an der Verkündigungskathedrale im Moskauer Kreml. Geschrieben wurde der Domostroi ca. in der Mitte der Regierungszeit von Zar Iwan IV. („dem Schrecklichen“, Iwan Grosny, reg. 1533 – 1584). Angesprochen wurden anfangs wohl v.a. die Frauen der Bojaren und städtischen Kaufleute.
In der Schrift wurde ein niedriger Status der Frau postuliert, die Frau war der totalen Gewalt des Vaters, des Ehemannes unterworfen.
In dem Werk finden sich „Spruchweisheiten“ wie: Eine gute, arbeitsame, gehorsame und schweigsame Frau sei die Krone des Ehemanns. Oder: Man solle kein Mitleid mit den Heranwachsenden haben, wenn man sie schlägt; durch die Bestrafung mit der Rute werden sie nicht sterben, sondern gesünder werden.
Nach dem angestrebten Ideal des Domostroi sollte die Frau fleißig sein, gelehrig, ehrlich und keusch - Keuschheit sei ihre höchste Tugend. Frauen sollten den Haushalt sorgfältig und selbstdiszipliniert führen, den Kindern eine gute Mutter und Erzieherin sein, Hexerei und alle Übel verabscheuen. Gäste sollten sie unterhalten können und die Töchter auf den rechten, tugendhaften Weg führen.
Ehemänner konnten sich nach dem Domostroi leichter von der Ehefrau trennen, als umgekehrt. Sie konnte sich trennen, wenn der Ehemann versucht hatte sie zu ermorden oder wenn er den Zaren verraten hatte. Die Frau konnte sich nach einem Ehebruch des Mannes nicht von ihm trennen, wenn die Untreue beendet war.
Für Verfehlungen jeder Art sah das Domostroi für die Frau Bestrafungen durch den Ehemann vor. Jedoch wurden die Ehemänner ermahnt, die Frauen nicht mit eisernen oder hölzernen Stecken zu schlagen, da sie sonst blind, taub oder gehbehindert werden könnten. Umgekehrt dürften die Frauen die Ehemänner bei den gleiche Verfehlungen nicht bestrafen. Die orthodoxe Kirche lehnte brutale Züchtigungen ab und erlaubte Misshandelten, im Falle ihrer Unschuld, die Trennung von dem Ehemann.
Im Falle, dass sich Jugendliche ungerecht und grausam behandelt fühlten, dürften sie die Eltern nicht verklagen, sonst drohte ihnen nach dem Domostroi eine öffentliche Prügelstrafe.
Bei familiärem Ungehorsam forderte das Domostroi nur maßvoll zu schlagen. Dennoch ist es wahrscheinlich, dass allein schon das permanente Hervorheben der Züchtigung als „Erziehungsmittel“ Gewaltformen beförderte, die die Gesundheit und das Leben von Frauen und Kindern gefährdete.
Die heranwachsenden Frauen der moskowitischen Oberschicht wurden bis ins späte 17. Jhdt. in abgeschlossenen Bereichen des Hauses, den Terem [25], mehr oder weniger isoliert gehalten. Auch in der moskowitischen Tradition hatte die Jungfräulichkeit der jungen Frauen einen hohen Stellenwert, der Terem war ein Weg die „Ehre“ der unverheirateten Frauen zu schützen. Aber für alle Frauen, nicht nur für die Unverheirateten, des jeweiligen Haushaltes war der Terem der eigentliche Lebensbereich. So sollten die Frauen aus der Sicht der Männer ferngehalten werden und jede Beziehungsaufnahme erschwert werden. Schließlich wurden so auch die als „unrein“ geltenden Frauen, die menstruierenden Frauen und die, die gerade entbunden hatten, abgesondert.
Die Praxis der Einschließung der Frauen wurde als Privileg betrachtet, und wurde natürlich v.a. von der wohlhabenden „Elite“ durchgeführt. Die Masse der Bevölkerung konnte die Frauen und Töchter schon aus Gründen der Arbeitstätigkeit und der Enge der Häuser nicht abschließen – der Terem wurde aber auch im „Domostroi“ generell empfohlen
Begriff und Institution des Terem sind im russischen Kontext schon seit der Kiewer Zeit im Gebrauch, vielleicht auch aus Byzanz übernommen.
Vermutet wurde auch eine Übernahme dieser Praxis von den Tataren. Vielleicht sollten auch die Frauen ursprünglich nur vor Überfällen räuberischer Nomaden geschützt werden.
U.U. war der Terem aber auch ein Ausfluss einer damaligen frauenfeindlichen Haltung der orthodoxen Kirche.
Sicher aber ist - das Terem missachtete die Rechte und Möglichkeiten der damaligen russischen Frauen und betonte einzig ihre (angeblichen) Verantwortungen und Verpflichtungen.
Im modernen Russisch hat der Begriff „Domostroi“ eine pejorative, abwertende Konnotation.
Die aus einer adligen Familie stammende russischen Revolutionärin, feministische Politikerin und Diplomatin Alexandra Michailowna Kollontai (1872 – 1952) strebte einen grundlegenden Wandel patriarchaler Strukturen an, forderte nicht nur Selbstbestimmung und Gleichberechtigung der Frauen, sondern auch sexuelle Freiheit.
Schon im Jahre 1905 forderte sie autonome Frauenabteilungen innerhalb der russischen Sozialdemokratischen Partei. Im Sinne August Bebels vertrat sie die Auffassung, alleine im Sozialismus könne eine Gleichberechtigung von Frau und Mann verwirklicht werden, und grenzte sich deutlich von bürgerlichen Frauenbewegungen ab. 1907 gründete sie gemeinsam mit Genossinnen den ersten russischen Arbeiterinnenclub; sie strebte dabei eine sozialistische, eng mit der Sozialdemokratischen Partei verbundene Frauenbewegung an.
Im August 1907 nahm sie an der 1. Konferenz der Sozialistischen Fraueninternationale in Stuttgart teil. Kollontai befreundete sich hier mit Clara Zetkin, gefordert wurde u.a. das Frauenwahlrecht. In Deutschland war zu dieser Zeit (bis 1908) Frauen noch jede politische Betätigung verboten.
Der 2. Internationale Frauenkongress fand vom 23. August bis zum 3. September 1910 in Kopenhagen statt (vgl. Abb. oben). Alexandra Kollontai war die Berichterstatterin über die „Arbeiterinnenbewegung in Rußland“ (vgl. Zetkin, S. 73 ff., a.a.O.). Beschlossen wurde ein von u.a. Clara Zetkin und Käte Duncker eingebrachter Antrag zur Agitation für das Frauenwahlrecht: Die sozialistischen Frauen aller Länder sollten jährlich einen gesonderten internationalen Frauentag zur Agitation für das Frauenwahlrecht veranstalten (der 8. März wurde dabei noch nicht genannt). Anschließend tagte am gleichen Ort der 8. Internationale Sozialistenkongress der 2. Internationale, an dem Alexandra Kollontai ebenfalls teilnahm.
Nach der Russischen Februarrevolution von 1917 erhielten die Frauen das aktive wie auch passive Wahlrecht und sie nahmen an den Wahlen zu den Sowjets wie auch zu den Stadtdumas teil.
Während des Juliaufstands 1917 lebte Kollontai auf einem Kreuzer in Kronstadt und lernte dort einen Matrosen, Pawel Dybenko, kennen und lieben. Beide verließen Kronstadt und heirateten auf der Krim.
Kurz nach dem Sieg der Bolschewiki am 7. November 1917 wurde Kollontai im neuen Rat der Volkskommissare, der Regierung, Volkskommissarin für Soziale Fürsorge. Sie war die erste Frau in dem Revolutionskabinett und damit gleichzeitig die erste Ministerin der Welt.
Kollontai, unterdessen alleinerziehende Mutter, erreichte in der entstehenden Sowjetunion eine Lockerung des Eherechts, eine Verbesserung des Mutterschutzes sowie das Recht auf Schwangerschaftsabbruch. Auch schlug Kollontai (im Sinne Bebels) zur Vergesellschaftung der Hausarbeit Volksküchen, Kommunehäuser und darüber hinaus freie Liebe (und Sexualität) sowie kollektive Kindererziehung vor.
Bei der Vergesellschaftung der Hausarbeit wurden anfangs große Fortschritte erreicht. In den Jahren 1919/20 aßen ca. 90 % der Bewohner Petrograds und 60% der Moskaus in Volkskantinen. Jedoch war dies sicher vor allem kriegsbedingt. Bereits Mitte der 20er Jahre spielten die Großküchen nur noch eine untergeordnete Rolle.
Die Integration der Frauen in den Produktionsprozess gelang in den ersten Jahren v.a. in Zeiten großen Arbeitskräftebedarfs, zudem blieben sie diejenigen, die zuerst entlassen wurden und in schlechter bezahlten und weniger angesehenen Positionen.
Nach der Oktoberrevolution werden in wenigen Jahren die rechtlichen Grundlagen zur Gleichstellung der Frau gelegt: Bis 1919 im Familienrecht, bis 1922 in Form von Arbeitsschutzbestimmungen (so dem Verbot der Nachtarbeit für Frauen). .Am 10. Juli 1918 wurde das Frauenwahlrecht in der Verfassung der Russischen Sozialistischen Föderativen Sowjetrepublik (RSFSR) festgeschrieben. Formal wurden die Frauen gleichberechtigt, sie dürften sich nun z.B. scheiden lassen und konnten Berufe erlernen.
Alexandra Kollontai lehnte den Friedensvertrag von Brest-Litowsk ab. Ihrer Auffassung nach machte er zu große Zugeständnisse an Deutschland. Sie trat deshalb schon im März 1918 von ihrer Funktion als Volkskommissarin für Soziale Angelegenheiten zurück.
Nicht nur mit ihren sexualpolitischen Vorstellungen fand sie bei ihren männlichen Genossen, auch bei Lenin und Trotzki, kaum Gehör. Es blieb bis heute unklar, ob Kollontai in die Diplomatie weggelobt oder von Lenin dazu gezwungen wurde.
1923 wurde sie Gesandte der Sowjetunion zuerst in Norwegen und später (bis 1945) in verschiedenen weiteren Positionen, in denen sie wichtige außenpolitische Erfolge für die Sowjetunion erreichte. Kollontai war die erste akkreditierte Diplomatin weltweit.
Alexandra Kollontai kritisierte Anfang der 20er Jahre mehrfach Lenin und Stalin, sie blieb das einzige Mitglied des ZK der KPdSU des Jahres 1927, das die Stalinsche große Säuberung überlebte (Leonhard, S. 44, a.a.O.).
In ihren „Autobiographischen Aufzeichnungen“ hatte sie selbst angeführt, sie habe „… viele Leben gelebt“ (Kollontai, 1980, S. 502, a.a.O.). Kollontais Grab befindet sich auf dem Moskauer Prominenten-Friedhof des Neujungfrauen-Klosters (Новодевичий Монастырь) - für ihre politischen Ziele ein unpassender Friedhofsname.
Vor allem im Kaukasus und in Mittelasien wurden große staatliche Kampagnen gegen den Schleier durchgeführt. Viele dortige Frauen legten den Schleier ab oder verbrannten ihn öffentlich.
Vor allem in den 20er Jahren gab es breite staatliche Kampagnen zur Frauenemanzipation in der Sowjetunion. In diesem Rahmen entstand 1928 der 7-minütige Zeichentrickfilm „Grosny Wawila i tjotka Arina“ (Der schreckliche Wawila und Tante Arina) unter der Regie von Nikolai Chodotajew (1892-1979) nach dem Buch seiner Schwester Olga Chodotajewa.
Der Film zeigt wie rückständige Männer sich weiter bedienen lassen wollen, aber die Frauen gehen lieber zur 8. März-Versammlung. Die Männer versuchen nun die Frauen mit Gewalt wieder zurückzuholen, werden aber – wie im Märchen – von ihren eigenen Knüppeln verprügelt. Die Frauen jedoch ziehen schließlich einer besonnten Zukunft entgegen. Der Film wurde u.a in Berlin auf der Oktoberrevolutionsausstellung des Deutschen Historischen Museums (DHM) gezeigt.
In der Realität jedoch bestimmten auch in der Sowjetunion Männer die Politik, sowohl auf der Ebene der Republiken als auf der der Union. Frauen wie Alexandra Kollontai (1872-1952), die „sexuell emanzipierte Kommunistin“ (so der Titel ihrer Autobiographie) blieben in den diplomatischen Dienst abgeschobene Ausnahmeerscheinungen.
Unter Stalin wurde die Rolle der Frauen zurückgedreht, das Frauenbild konservativ gewendet. Die staatlich-sanktionierte Ehe wurde wieder eingeführt. 1936 wurden Ehescheidungen erschwert, Homosexualität und Schwangerschaftsabbrüche verboten. Viele Vertreter der stalinschen neuen bürokratischen Klasse lebten in deutlich traditionellen Familienrollen. .
Dennoch urteilte Elaine Morgan im Jahre 1972: „In Sowjetrußland haben die Frauen nun schon seit langem die wirtschaftliche Gleichberechtigung. Fünfundsiebzig Prozent der russischen Ärzte und Lehrer, 58 Prozent der Techniker, ein Drittel der Ingenieure, 63 Prozent der Volkswirte und fast die Hälfte der Naturwissenschaftler und Juristen sind Frauen – und alle erhalten in allen Berufen gleichen Lohn“ (E. Morgan, S. 290, a.a.O.).
Allerdings hat sich in Rußland seither viel verändert, sehr vieles in negativer Rechtung, auch für die russischen Frauen.
In Deutschland wurde 1865 durch u.a. Louise Otto-Peters (1819 – 1895) der (bürgerliche) „Allgemeine Deutsche Frauenverein“ gegründet, dessen publizistisches Sprachrohr die Frauenzeitung „Neue Bahnen“ war. Louise Otto-Peters war die Herausgeberin der Zeitung.
Im Jahre 1908 wurde im Deutschen Reich durch das ansonsten nicht liberale Reichsvereinsgesetz die Bestimmungen, die Frauen an politischer Betätigung hinderten, aufgehoben.
In Deutschland wurde im Gefolge der Novemberrevolution das aktive und passive Wahlrecht für Frauen erkämpft und vom Rat der Volksbeauftragten dekretiert.
Bis dahin durften zu den Reichstagswahlen nur Männer ab dem 25. Lebensjahr wählen. Wahlberechtigt waren nun alle Deutschen ab dem 20. Lebensjahr, erst später wurde das Wahlalter auf 21 Jahre heraufgesetzt.
Die Wahl zur (verfassungsgebenden) Nationalversammlung am 19. Januar 1919 war die erste Wahl, an der Frauen stimmberechtigt teilnahmen. Von den ca. 35 Mio. Wahlberechtigten im damaligen Deutschen Reich wählten ca. 83%. Da es keine Nach-Wahlumfragen gab, ist unklar, wie die Männer und Frauen abstimmten. Da jedoch in einigen Wahlkreisen nach Geschlechtern getrennt abgestimmt wurde, sprechen Indizien dafür, dass ein beträchtlicher Teil der weiblichen Wähler zur Wahl von christlichen oder eher konservativen Parteien tendierte, obwohl v.a. die Sozialdemokraten sich für das Frauenwahlrecht eingesetzt hatten. Sie MSPD wurde zwar mit Abstand die stärkste Partei, hätte aber auch gemeinsam mit der USPD keine absolute Mehrheit der Mandate.
In der Weimarer Reichsverfassung hieß es: „Männer und Frauen haben grundsätzlich dieselben staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten“ (WRVerf 109,2, S. 27, a.a.O.). Damit war die Gleichberechtigung auf die staatsbürgerlichen Rechte, v.a. das Wahlrecht beschränkt. So „…. ermöglichte die Formulierung Ausnahmen aller Art. Folglich interpretierte die Weimarer Staatsrechtslehre Art 109 …. als bloßen Programmsatz, als freundlichen, letztlich aber unverbindlichen Fingerzeig der Verfassung“ (vgl. Steinbeis, S. 108, a.a.O.).
Seit 1871 stellte im Deutschen Reich der § 218 StGB jeden Schwangerschaftsabbruch grundsätzlich unter Strafe, zwischen sechs Monaten Gefängnis und fünf Jahren Zuchthaus. Seit 1927 nahm die Justiz der Weimarer Republik zumindest Abtreibungen aus medizinischen Gründen von der Strafe aus.
In der Zwischenkriegszeit waren die zentralen Themen am 8. März die Freiheit der Empfängnisverhütung, die Legalisierung des Schwangerschaftsabbruchs und der Schwangeren- und Mutterschutz. Die Wirtschaftskrise zwang jährlich über eine Million Frauen abzutreiben. Allein in Deutschland starben 1931 an den Folgen dieser illegalen Abtreibungen ca. 44.000 Frauen (vgl. http://www.frauennews.de).
Hinsichtlich der Empfängnisverhütung waren die christlichen Kirchen die wichtigsten Gegner, in den ersten Jahrzehnten sowohl die katholische als auch die protestantischen Kirchen.
Schon im Jahre 1908 verurteilte die anglikanische Bischofskonferenz die Empfängnisverhütung “mit Abscheu” (vgl. “Spiegel”, Nr. 9/1964, S. 75).
Im Jahre 1930 verurteilte Papst Pius XI. in der Enzyklika “Casti connubii” (lat. i.e. “Der reinen Ehe”) die Haltung katholischer Ehepaare, die “…. durch Verkehrung des natürlichen Aktes …. aus Widerwillen gegen den Kindersegen die Last vermeiden, aber trotzdem die Lust genießen wollen” (zit. n. “Spiegel”, Nr. 9/1964, S. 75). Hauptzweck der Ehe sei die Zeugung von Kindern, sowohl der Coitus interruptus als auch alle technischen Mittel zur Empfängnisverhütung galten als verboten, als “Todsünde” (vgl. “Spiegel”, Nr. 9/1964, S. 76).
Im gleichen Jahr 1930 revidierten die anglikanischen Bischöfe ihre bisherige Haltung: sie befürworteten nun eine Geburtenkontrolle, erlaubten die Empfängnisverhütung und protestierten nur noch gegen die Abtreibung und die Sterilisation. Dieser Haltung schlossen sich in der Folge die allermeisten protestantischen Theologen an.
Im Jahre 1961 bekannte sich der Düsseldorfer Theologe und Präses Joachim Beckmann eindeutig und klar “… zur Empfängnisverhütung aus ethischen Gründen …. Wesentlich sei nicht die Methode, sondern allein das Motiv…” (vgl. “Spiegel”, Nr. 9/1964, S. 76). Papst Pius XII. warnte später vor der Anti–Baby–Pille, noch bevor sie auf den Markt kam.
In Deutschland wurde der Weltfrauentag von die Nationalsozialisten durch den Muttertag ersetzt und ein zutiefst reaktionäres Frauenbild propagiert, das die Frau auf die Rolle als Gebärerin und Mutter reduzierte.Seit 1932 erschien die „NS-Frauenwarte – Die einzige parteiamtliche Frauenzeitschrift“, herausgegeben von der NS-Frauenschaft bei der NSDAP-Reichsleitung in München. Verantwortliche „Schriftleiterin“ war Ellen Semmelroth. 1938 hatte die zweiwöchig erscheinende Zeitschrift eine Auflage von ca. einer Million Exemplare. Themenschwerpunkte waren die Tätigkeit von Frauen im sozialen und kulturellen Bereich und in der Familie. Als maßgebliches Kriterium des Frauseins wurde – entsprechend der NS-Ideologie - das Dasein als Hausfrau und Mutter dargestellt. So lagen oft Schnittbögen der Zeitschrift bei, zum eigenständigen Schneidern von Kleidungsstücken. Gegen die (angeblich) „verjudete“ internationale Mode wurde agitiert.
In dem Heft 21 machten eine Vielzahl renommierter deutscher Firmen Werbung, u.a Nivea, Chlorodont, das Deutsche Rote Kreuz, Gütermanns Nähseide oder die Sodener Mineral-Pastillen.
Charakteristisch für die NS-Frauenpolitik u.a. ihre Flexibilität. Während des 2. Weltkrieges mussten immer mehr Frauen in der Industrie arbeiten, um die zur Wehrmacht eingezogenen Männer zu ersetzen. Von daher änderten, erweiterten sich auch die Themenbereiche der Zeitschrift. Im Heft 21 fanden sich u.a. folgende Artikelüberschriften:
Auch angesichts der sich immer mehr zuspitzenden militärischen Lage versuchte die NSDAP die Frauen durch z.B. große Propagandaveranstaltungen und Vergabe von Ehrenzeichen weiter zu indoktrinieren. So schrieb zum Beispiel 1943 der „Völkische Beobachter“ unter der Überschrift „Treuebekenntnis der deutschen Frauen“: „Die deutschen Frauen bekennen sich in einer Großkundgebung in Weimar zum Führer und bedingungslos zu jedem Weg, den der Führer das deutsche Volk führen wird. … Unter den Teilnehmern befanden sich hunderte von Arbeiterinnen und Bäuerinnen aus allen Gauen des Reiches, die sich durch ihren Einsatz in Fabriken, auf den Bauernhöfen, bei der Betreuung verwundeter oder versehrter Soldaten und bei der Hilfe in bombengeschädigten Gebieten hervorragend bewährt haben“ (VB, Berliner Ausgabe, 16. September 1943, S. 2).
Christina Thürmer-Rohr [26] untersuchte in ihrem Essay „Liebe und Lüge: ‚Meine geliebten Kinderchen‘“ (a.a.O., 1987b) die Mittäterschaft von Frauen an der Herrschaft und den Verbrechen der Nationalsozialisten in Deutschland.
Insbesondere beschäftigte sie sich mit den Feldpostbriefen ihres Vaters (eines Offiziers, überzeugten Nationalsozialisten und protestantischen Pfarrers, der schließlich den „Heldentod“ starb) und stellte eine „…Untrennbarkeit von Liebe und Lüge“ fest (Thürmer-Rohr, 1987b, S. 75, a.a.O.). „Wir (die Kinder) erfuhren (in den väterlichen Briefen): Deutsche Soldaten erobern ein Land, um wieder bei ihren Kindern zu sein. Statt: Deutsche Soldaten erobern ein Land aus Eroberungs- und Unterwerfungswillen, ein Verbrechen, nicht um Kindern etwas Gutes zu tun“ (Thürmer-Rohr, 1987 b, S. 74, a.a.O.).
Vermittelt wurde – nicht nur in den väterlichen Briefen - …
· „… die Einübung in eine soldatische Moral für Mädchen“ (Thürmer-Rohr, 1987 b, S. 59, a.a.O.)
· „Frauen und Mädchen sollen ihre Gefühle, Gedanken und Interessen auf diese Männer ausrichten“ (Thürmer-Rohr, 1987 b, S. 59, a.a.O.)
· ein „gnadenlos-normales Zusammenspiel von Sorge und emotionaler Rückmeldung der Versorgten“ (Thürmer-Rohr, 1987 b, S. 69, a.a.O.)
· , dass Empathie nur für die Eigenen zu empfinden sei.
Insgesamt waren Frauen und Mädchen nicht „… ausgeschlossen aus dem nationalsozialistischen Erobern, Vernichten und Morden“ (Hark, S. 2, a.a.O.).
Eine in Deutschland weitgehend unbekannte dystopische Schilderung, was hätte geschehen können, wenn NS-Deutschland den 2. Weltkrieg gewonnen hätte, ist der Roman „Nacht der braunen Schatten“ der britischen Schriftstellerin Katharine Burdekin [27] (1896 - 1963), die selbst lange Jahre in einer lesbischen Beziehung lebte.
In ihren Schriften beschäftigte sie sich meist mit utopisch-feministischen Fragestellungen, insbesondere mit dem Rassismus, dem Faschismus und männlicher Gewalt. Ihr bekanntester Roman „Swastika Night“ (bereits 1937 bei Victor Gollancz/London erschienen; 1940 erhielt der Roman ein neues Vorwort [28]; erst 1995 in deutscher Sprache unter dem Titel „Nacht der braunen Schatten“ erschienen, a.a.O.) schilderte sie die erschreckenden möglichen Folgen eines siegreichen, jahrhundertelang herrschenden NS für Europa.
Katherine Burdekin entwirft ein faschistisches Rassenimperium, zu dem seit schon 700 Jahren ganz Europa (einschließlich Großbritannien) und Afrika gehören. Die Juden wurden vernichtet, Christen scharf diskriminiert und eine hierarchisierte Männergesellschaft errichtet, in der Adolf Hitler als aus dem „Äther“ hervorgegangener Gott verehrt wird. Als Grundsatz gilt: „Blut ist ein Mysterium, etwas, was kein Nicht-Deutscher verstehen kann“ (vgl. S. ).
Neben dem NS-Reich existiert nur noch das Japanische Reich als Supermacht in Asien, Amerika und Australien, zwischen beiden kommt immer wieder zu heftigen Konflikten.
Die Menschen sind in hierarchisierte Gruppen aufgegliedert, so die „Ritter“, die „Nazis“, die „Engländer“ oder die „Christen“, die auch in jeweils verschiedenen Vierteln der Orte wohnen.
Am schärfsten unterdrückt sind in dieser Zukunftsgesellschaft die Frauen, die eigentlich zu subhumanen Wesen, zu Brutkästen degradiert wurden. Sie mussten in umzäunten, bewachten Frauenvierteln leben: „Das Frauenviertel war ein großer Käfig mit einer Grundfläche von etwa einer Quadratmeile im nördlichen Teil der Stadt. Den Frauen war untersagt, es ohne besondere Erlaubnis, die selten erteilt wurde, zu verlassen. Sie hatten ihr eigenes Krankenhaus innerhalb des Viertels und eine Besserungsanstalt, in die sie gesteckt wurden, wenn sie sich gegenseitig verletzten, oder wenn es ihnen an absoluter Unterwürfigkeit fehlte. Man brachte ihnen täglich ihre Essensrationen, und einmal am Tag mussten alle Frauen und Mädchen, die nicht hochschwanger oder krank waren, unter Anleitung von gelangweilten, männlichen Ausbildern ein leichtes Frauengymnastikprogramm absolvieren. Ansonsten konnten sie tun, was sie wollten, doch es gab für sie nicht zu tun, außer ihre Säuglinge zu pflegen, ihre kleinen Rationen zu kochen und zu streiten. Einmal im Monat wurden sie aus ihrem Gehege heraus zur Kirche hochgetrieben, das war der einzige Anlass, bei dem sie wie die Männer durch die Straßen der Stadt gehen durften. Sie fanden jedoch überhaupt keinen Gefallen an diesem Privileg, da sie beim Gottesdienst immer weinen mussten. Sie lebten lieber ihr langweiliges Leben in kleinen Gruppen von zwei oder drei Frauen mit ihren Töchtern und kleinen Söhnen, wobei jede Gruppe für sich in einem der kleinen, hölzernen Häuser lebte. … Männern war der Zutritt zu jeder Zeit erlaubt, sofern sie das 16. Lebensjahr vollendet hatten. Um Inzest zu vermeiden, der als rasseschwächend galt, wies der Vater den Sohn an, ein bestimmtes Haus (oder bestimmter Häuser) zu meiden. Die Frauen in diesen Häusern waren nicht für ihn bestimmt. Das Tabubewusstsein war bei den Söhnen so stark ausgeprägt, dass sie für gewöhnlich jenen Teil des Käfiges gänzlich vermieden. Keine der Frauen hielt ihre Lebensweise dafür ungewöhnlich, sie waren sich ihrer Langeweile oder ihres Eingesperrtseins oder ihrer Erniedrigung genauso wenig bewusst, wie Kühe auf der Weide sich irgendeiner Sache bewusst sind. Sie waren zu dumm, um sich eines Leides wirklich bewusst zu sein, mit Ausnahme von körperlichen Schmerzen, dem Verlust ihrer Kinder, der Schande, ein Mädchen geboren zu haben, und dem seltsamen Massenkummer, der sie jedes Mal wieder einholte, wenn sie in der Kirche waren“ (Burdekin, S. 77/78, a.a.O.).
Frauen hatten nur die Aufgabe, die männlichen sexuellen Wünsche zu befriedigen und Söhne zu gebären. Wenn eine Frau eine Tochter bekam, sah sie das als individuelles Versagen, als Schande an. Töchter blieben zeitlebens im Frauenviertel, Söhne dagegen wurden den Müttern einige Jahre nach der Geburt weggenommen und in dem jeweiligen Männerviertel aufgezogen. Alfred, die Hauptfigur des Romans, ein Engländer, führte dazu aus: „Ich weiß, wie die Mädchen herumgestoßen und vernachlässigt werden, sobald ein Junge auf der Bildfläche erscheint“ (Burdekin. S. 84, a.a.O.).
Frauen waren solange im Besitz eines einzigen Mannes, bis dieser ihr die markierende weiße Armbinde abnahm. Eine Frau ohne Armbinde war dann für jeweils alle Männer verfügbar, bis einer ihr wieder eine Armbinde gab. Frauen hatten demütig zu sein, zu gehorchen, sprachen nur, wenn sie angesprochen wurden. Gegenseitig hatten die Frauen sich regelmäßig den Kopf zu rasieren.
Die Frauen waren – auch für ihre männlichen „Besitzer“ – keine emotionalen Partnerinnen, gefühlsintime Beziehungen der Männer waren homosexueller Art.
Dass es einst Frauen gegeben hatte, die ganz anders lebten, wussten weder die Männer, noch die Frauen selbst, da die deutschen Sieger bald nach den Eroberungen alle alten Bücher, Bilder, Filme etc. vernichtet, verbrannt hatten. Das Wissen um die Vergangenheit war völlig ausgelöscht. Die offizielle Geschichte wurde im Sinne der NS-Rassenideologie umgeschrieben, nur kleine elitäre Gruppen (unter den „Rittern“) besaßen noch einiges Wissen über das Leben vor der Herrschaft der Nationalsozialisten.
In der Sicht von Daphne Patai hatte Katherine Burdekin in ihrem Roman erkannt, dass es nur ein kleiner Schritt von männlicher Apotheose weiblicher Mütterlichkeit zur Degradierung zu Brutmaschinen ist. In beiden Fällen werden Frauen auf ihre biologische Kapazität reduziert, von der aus ihre gesamte soziale Identität konstruiert wird (vgl. Patai, S. 258, a.a.O.).
Das Buch von Katherine Burdekin „… ist nicht nur im historischen Kontext bedeutsam, da viele seiner Erkenntnisse bis heute nicht klarer formuliert wurden, es ist auch als feministisches Manifest anzusehen, in dem die durchgängig männliche Sichtweise der literarischen Anti-Utopien originell gegen den Strich gebürstet wird.“ (Regnier Le Dyckt, Literaturzirkel Belletristik, Science Fiction & Fantasy 07/2003)
Burdekins Roman hat einige dystopische Parallelen zu „1984“ von George Orwell, das 12 Jahre später ebenfalls bei Victor Gollancz erschien.
Die gesellschaftliche Situation nach dem 2. Weltkrieg war hinsichtlich der Erfahrungen der Frauen in Deutschland stark verändert, schon die „… letzten Kriegsjahre hatten … Deutschland in weiten Bereichen in eine matriarchale Gesellschaft verwandelt. In den Familien waren die Mütter zu Familienoberhäuptern geworden, die plötzlich eigenständig über Kindererziehung und Haushaltsführung entschieden“ (vgl. Steinbeis, S. 108, a.a.O.).
Jedoch war der (west-deutsche) Parlamentarische Rat - mit nur 4 Frauen [29] unter 65 Mitgliedern zuerst willens, nur eine ähnlich unverbindliche Formulierung zur Gleichberechtigung wie in der WRVerf ins geplante Grundgesetz aufzunehmen. Die konservative Mehrheit im Rat (auch Theodor Heuss oder Konrad Adenauer) lehnte anfangs alle weitergehenden Vorstellungen strikt ab.
Vor allem Elisabeth Selbert aber plädierte für eine Gleichberechtigung „als imperativen Auftrag an den Gesetzgeber …“ (vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Elisabeth_Selbert). Die Gleichberechtigung sollte ein Verfassungsgrundsatz werden, infolge dessen viele der aus dem Jahr 1896 stammenden familienrechtlichen Bestimmungen im BGB als verfassungswidrig novelliert werden müssten.
Dazu gelang es Elisabeth Selbert, „… zehntausende Frauen im ganzen Land“ zu mobilisieren. „Systematisch organisierte sie in der zweiten Hälfte des Jahres 1948 eine Massenbewegung zugunsten des Gleichberechtigungssatzes…. Tag für Tag stapelten sich Briefe, Eingaben und Resolutionen von Einzelpersonen und Frauenverbänden auf den Tischen von Selberts Kollegen im Parlamentarischen Rat. Eines der Unterstützungsschreiben trug die Unterschriften von nicht weniger als 60 000 Arbeiterinnen der Metallindustrie…. So war Artikel 3 Absatz 2 GG am Ende die einzige Bestimmung des Grundgesetzes, deren Formulierung auf unmittelbaren Druck der Bevölkerung hin zustande kam“ (vgl. Steinbeis, S. 109, a.a.O.).
Erst nach heftigen Diskussionen (vgl. „Parlament“ Nr. 9/2011, S.3) wurde schließlich die Gleichberechtigung in der von Elisabeth Selbert gewünschten deutlicheren Formulierung der Art. 3, 2 ins Grundgesetz aufgenommen.
Erst nach heftigen Diskussionen (vgl. „Parlament“ Nr. 9/2011, S.3) wurde schließlich die Gleichberechtigung in der von Elisabeth Selbert gewünschten deutlicheren Formulierung der Art. 3, 2 ins Grundgesetz aufgenommen. Der Art 117, 1 räumte dem Gesetzgeber einen Zeitraum von vier Jahren ein, die bisherigen Vorschriften, die den GG-Normen widersprachen, zu ändern. Und das war eine große Zahl, z.B.:
Allerdings erst am 1. Juli 1958 trat das Gleichberechtigungsgesetz in Kraft, „… das die Beziehungen zwischen Mann und Frau auf dem Gebiet des bürgerlichen Rechts unter dem Gesichtspunkt der Gleichberechtigung neu geregelt hat“ (vgl. Steinbeis, S. 79, a.a.O.).
Im Jahre 1969 gab die Deutsche Bundespost anlässlich des Jubiläums 50 Jahre Frauenwahlrecht in Deutschland einen Briefmarkenblock heraus, abgebildet waren Helene Weber (vgl. Abb. unten), Marie Juchacz [30] und Marie Elisabeth Lüders [31].
Die Einführung des Frauenwahlrechts in der Schweiz war eine komplizierte Geschichte.
Im Jahre 1959 lehnten bei einer Volksabstimmung zwei Drittel aller Schweizer Männer die Einführung des Frauenstimmrechts im Bund ab.
Die Widerstände waren groß, v.a. in der ländlichen, konservativen deutschsprachigen Schweiz (vgl. Abb. unten). Viele Männer argumentierten auch, wer von der Wehrpflicht ausgenommen sei, dem müsse auch das Stimmrecht vorenthalten werden.
Am 1. März 1969 wurde eine große Protestdemonstration organisiert, u.a. mit der schwyzerdütschen Parole: „Mänscherächt für beidi Geschlächt“ (vgl. Kippenberger, a.a.O.).
Erst am 7. Februar 1971 stimmte die Mehrheit der Schweizer Männer in einer weiteren Volksabstimmung für die Einführung des Frauenwahlrechts auf Bundesebene. Dabei spielte jedoch sicher der drohende internationale Ansehensverlust der Schweiz eine Rolle, denn die Schweiz war dabei eines der letzten europäischen Länder[31a].
Im Herbst 1971 durften die Schweizerinnen erstmals bei Nationalratswahlen mit stimmen, 11 der 200 Abgeordneten wurden Frauen.
1991 erst wurde – durch richterliche Anweisung – auch im letzten Kanton, der ost-schweizerischen Appenzeller Innerrhoder Landsgemeinde, das Frauenstimmrecht eingeführt.
Seit der ersten Phase der modernen arabischen Frauenbewegung ab ca. 1900 verließen einige Frauen in Ägypten, Marokko, Tunesien oder Algerien den „… abgeschlossenen Bereich des Harems, legten ihr Kopftuch beziehungsweise ihren Gesichtsschleier ab und nahmen an Demonstrationen gegen den Kolonialismus teil“ (Salah, S. 45, a.a.O.).
Eine dieser Frauen war Huda Shaarawi (1879 - 1947), eine der Gründerinnen der Ägyptischen Feministischen Union (EFU) von 1923. Huda Shaarawi stand der Vereinigung bis 1947 als Präsidentin vor. Nach der Rückkehr von einem Frauenkongress in Europa warf Hoda Shaarawi bei der Ankunft in Alexandria in einem spektakulären Akt ihren Schleier demonstrativ ins Meer. Sie plädierte für die Abschaffung des Schleierzwanges, für das Frauenwahlrecht und die Gleichberechtigung in Ägypten.
1926/1927 fanden Aufsehen erregende Demonstrationen in den Straßen Kairos gegen den Schleier [31b] statt. Während der 12. Internationalen Frauenkonferenz, die am 18. April 1935 in Istanbul stattfand, traf sie auch Mustafa Kemal Atatürk, den sie in einer Rede als Ataşark („Vater des Ostens“) bezeichnete.
Im Jahre 1928 wurden zum ersten Male junge Frauen zum Studium an der Kairoer Universität zugelassen.
Das Frauenwahlrecht wurde in Ägypten erst spät und nach heftigen Auseinandersetzungen erkämpft.
Die Frauenrechtlerin Doria Shafik (auch: Durriya Schafiq, 1908 - 1975) spielte dabei eine bedeutende Rolle. Sie erhielt eine europäisch orientierte Erziehung, besuchte eine französische Missionsschule in Alexandria und gewann eine Stipendium zum Studium der Philosophie in Paris. An der Sorbonne wurde sie als erste Ägypterin promoviert, mit einer Arbeit zum Thema „Die Frau und das religiöse Recht in Ägypten“.
Noch in Paris heiratete Doria einen Cousin. 1940, nach Ägypten zurückgekehrt arbeitete sie mehrere Jahre als Philosophie-Dozentin an der Universität Kairo: Eine Professur blieb ihr jedoch verwehrt, obwohl sie anscheinend zeitlebens gläubige Muslima blieb.
Schafīq gab nun ab 1945 verschiedene Frauenzeitschriften heraus, v.a. die bei Studentinnen erfolgreiche „Bint-el-Nil“ („Die Töchter des Nils“). Aus der Zeitschrift entstand eine politische Organisation: „ Stimmrecht für die Frau und Verbesserung der häuslichen Lebenshaltung sind die zwei wichtigsten Ziele der neuen Bint-el-Nil … Partei, der ersten Frauenrechtlerinnenpartei in Ägypten und im Nahen Osten. Unter der Leitung von Doria Shafik, der zweiunddreißigjährigen Herausgeberin verschiedener ägyptischer Frauenzeitschriften …., die nicht wenig Energie ihr eigen nennt, will die neue Partei mit allen verfassungsrechtlichen Mitteln die politische Gleichberechtigung der Frau, die Abschaffung der Mehrehe und eine Änderung des Ehescheidungsverfahrens erkämpfen“ (vgl. „Die Zeit“, Nr. 3/1950).
Sie organisierte mit 1500 Frauen eine große Protestdemonstration, das Parlament wurde in eienr geheim vorbereiteten Aktion am 19. Februar 1951 besetzt. Die Frauen verließen das Gebäude erst, nachdem ihnen vom Parlamentspräsidenten zugesichert wurde, das Frauenwahlrecht auf die Tagesordnung zu setzen.
Auch nach der Revolte der „Freien Offiziere“ 1952 änderte sich anfangs wenig. Noch unter Präsident Gamal Abdel Nasser (1918 - 1970) weigerte sich der ägyptische Staat das Frauenwahlrecht einzuführen. In die Kommission zur Erarbeitung einer neuen Verfassung wurde anfangs durch Nasser kein weibliches Mitglied berufen.
Die Frauenorganisation führte Proteste durch und ein Hungerstreik begann. Erst unter diesem Druck wurde schließlich 1956 den ägyptischen Frauen das aktive und passive Wahlrecht erteilt (vgl. Salah, S. 46, a.a.O.), allerdings nur den Frauen, die Lesen und Schreiben konnten. Diese Einschränkung gab es bei Männern nicht!
Die freiheitlich-demokratisch orientierte Organisation und die Zeitschrift „Die Töchter des Nils“ wurden 1957 verboten und Durrīya Schafīq selbst 18 Jahre lang unter Hausarrest gestellt, wohl auch wegen ihrer Kritik am Nasserschen „Staatsfeminismus“. Ihren Namen ließ schon Nasser aus den Geschichtsbüchern tilgen. 1975 stürzte sie (sich??) – vereinsamt und deprimiert (??) - aus dem 6. Stock ihrer Kairoer Wohnung in den Tod.
2013 ließ das (damals von den Muslimbrüdern dominierte) Kultussministerium Durrīya Schafīq erneut aus den Schulbüchern für 2013/14 entfernen: Als Grund nannte Mohamed Sherif, ein Sprecher des Ministeriums, Durrīya Schafīq habe „keinen Hidjab“ getragen (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Durr%C4%ABya_Schaf%C4%ABq).
Seit den 60er Jahren wurde erneut das Abtreibungsverbot im § 218 StGB heftig angegriffen. Immer mehr Frauen forderten mit Losungen wie „Ob Kinder oder keine, bestimmen wir alleine“; „Mein Bauch gehört mir“ die Freigabe des Schwangerschaftsabbruchs. 1971 bekannten sich – nach dem Vorbild einer französischen Aktion – 374 mehr oder weniger prominente Frauen (u.a. auch Senta Berger und Romy Schneider) im „Stern“ unter dem Titel „Wir haben abgetrieben!“ öffentlich zu ihrer Abtreibung.
Durch den öffentlichen Druck – und auch aus eigenem Streben - führte 1974 die damalige sozialliberale Bundesregierung eine Fristenlösung ein. Danach sollte der Schwangerschaftsabbruch vorgenommen durch einen Arzt in den ersten 12 Wochen seit der Empfängnis straffrei sein, wenn sie sich vorher zu gesundheitlichen und sozialen Fragen hatten beraten lassen.
Die CDU/CSU-Fraktion im Bundestag und einige konservative Landesregierungen klagen vor dem Bundesverfassungsgericht (BVG) gegen das Gesetz.
Tatsächlich erklärte das am 25. Februar 1975 das BVG die Fristenregelung für nichtig. Das Gericht interpretierte die Grundgesetzaussagen „Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit" (Art 2 II 1 GG) und „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt" (Art 1 I GG) in dem Sinne eines „Lebensschutzes des Leibesfrucht“. Nach Auffassung des BVG sei der Embryo nicht nur Teil des mütterlichen Organismus, sondern ein selbständiges menschliches Wesen, dessen körperliche Unversehrtheit und Menschenwürde zu gewährleisten sei. Diese Faktoren dominierten – urteilte das BVG - über das Recht der Schwangeren auf freie Persönlichkeitsentfaltung.
Im Jahre 1976 wurde – schließlich – in der Bundesrepublik der § 218 StGB reformiert und eine Indikationsregelung bei der Abtreibung eingeführt. Ein Schwangerschaftsabbruch war nun nicht mehr strafbar (nach herrschender Meinung auch nicht rechtswidrig), wenn eine medizinische, eine eugenische, eine ethische oder soziale Indikation von einem Arzt bei der Schwangeren schriftlich festgestellt wurde. Zudem musste sich die schwangere Frau von einer anerkannten Beratungsstelle über mögliche private oder öffentliche Hilfen etc. informieren lassen, mit dem Ziel, die Frau zur Fortsetzung der Schwangerschaft zu ermutigen (§ 219 StGB).
In der DDR existierte bereits seit 1972 eine Fristenregelung im engeren Sinne.
Nach dem Einigungsvertrag zwischen beiden deutschen Staaten vom 31. 8. 1990 sollte eine Neuregelung des Schwangerschaftsabbruches erfolgen.
Das „Schwangeren- und Familienhilfegesetz“ vom 27. Juli 1992 enthielt eine Fristenregelung (bis zur 12. Schwangerschaftswoche) mit einer obligatorischen Beratung durch eine anerkannte Beratungsstelle. Für diese Fälle bestand auch Anspruch auf Leistungen aus der Krankenversicherung.
Jedoch wurde auch diese Regelung durch die Rechtsprechung des BVG zum Teil für nichtig erklärt; der rechtliche Schutz gebühre auch dem ungeborenen Embryo, auch gegenüber der Mutter. Der Schwangerschaftsabbruch bleibe grundsätzlich strafbar, nur in bestimmten Ausnahmefällen zulässig.
In dem Schwangerschaftskonfilktgesetz (SchKG) von 1995 wurde zwar die Fristenregelung beibehalten, jedoch die entfiel die Leistungspflicht der Krankenkassen.
Durch den § 219a vom 16. Juni 1993 wurde eine „Werbung für den Abbruch der Schwangerschaft“ mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe sanktioniert. Unter Werbung dieser Art verstand das StGB:
„Wer öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften … seines Vermögensvorteils wegen oder in grob anstößiger Weise
· 1. eigene oder fremde Dienste zur Vornahme oder Förderung eines Schwangerschaftsabbruchs oder
· 2. Mittel, Gegenstände oder Verfahren, die zum Abbruch der Schwangerschaft geeignet sind, unter Hinweis auf diese Eignung anbietet, ankündigt, anpreist oder Erklärungen solchen Inhalts bekanntgibt“
Am 24. November 2017 wurde die Gießener Allgemeinärztin Kristina Hänel (*1962), die auf ihrer Internetseite über Möglichkeiten und Bedingungen eines Schwangerschaftsabbruchs informierte und zugleich deutlich machte, dass sie in ihrer Praxis solche Eingriffe vornimmt, zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen verurteilt. Hänel habe mit diesen Informationen nach § 219a verbotene Werbung betrieben.
Es folgte eine breite öffentliche Empörung, aber in der Revision blieb es bei dem Urteil. Allerdings erklärte der Richter, Johannes Nink, er sähe sich außerstande, eine andere Entscheidung zu treffen: "Sie müssen das Urteil tragen wie einen Ehrentitel im Kampf um ein besseres Gesetz", riet der Richter der Ärztin.
In der Folge erhielt Kristina Hänel mehrere Auszeichnungen, so …
· 2018 den Clara-Zetkin-Frauenpreis der Partei Die Linke
· 2019 den Anne-Klein-Frauenpreis der Heinrich-Böll-Stiftung und
· 2019 die Auszeichnung als „Frauenringsfrau 2019“ des Deutschen Frauenrings
Die Große Koalition einigte sich darauf, den § 219a zu ergänzen, nicht zu streichen, wie es die SPD wollte. Frau Hänel aber ist erneut in die Revision gegangen: Sie hält den § 219a StGB für verfassungswidrig, da er die Berufsfreiheit von Ärzten und das Informationsrecht der schwangeren Frauen verletze.
Im US-Bundesstaat Virginia darf gegenwärtig nach dem 6. Schwangerschaftsmonat dann abgetrieben werden, wenn drei Ärzte „schwere“ Gesundheitsgefahren und „irreversible“ Folgen für die Mutter bestätigen.
Nach einem dortigen Gesetzesentwurf der Demokratin Kathy Tran soll in Zukunft das Urteil eines Arztes genügen, alle Gesundheitsgefahren, auch „mentale“, sollen als Kriterium hinreichen. Gefragt wurde dazu, ob es hinreichend wäre, wenn sich bei der Gebärenden Ängste einstellten oder die Möglichkeit einer postnatalen Depression drohe (vgl. Martenstein, 2019, a.a.O.).
Mehrfach plädieren gegenwärtig einige US-Demokrat*innen und Feminist*innen dafür, dass Kinder auch noch während oder nach der Geburt abgetrieben werden können, wenn das Wohlleben (the well being) der Eltern durch das Kind bedroht sei. Von Kritikern wird befürchtet, auch die Wirtschaft, die Forschung, die Pharmaindustrie etc könnte ein großes Interesse an dem „Gewebe“ der Abgetriebenen haben - dafür könnte es einen interesseanten Markt geben.
Meines Erachtens könnte eine solche Regelung der erste – fatale – Schritt zu einer neuen Eugenikpolitik sein: Denn wird nicht das Wohlergehen von Angehörigen auch durch Komapatienten, Demenzkranke oder psychisch Erkrankte beeinträchtigt ?
Für eine erhoffte Revision/Abschaffung der §§ 218/19 könnte eine Fristenregelung bis zur 22. Schwangerschaftswoche Maßstab sein – wie sie einige Jusos vorschlugen. Ab diesem Zeitpunkt ist der Fötus außerhalb des Mutterleibs lebensfähig. Die 22. Schwangerschaftswoche liegt im sechsten Monat.
Die unendliche Geschichte um die deutschen §§ 218 und 219 StGB schränken bis heute das Selbstbestimmungsrecht von Frauen ein, - das endlich geändert werden muss. Ist eine solche Bevormundung nicht ein Ausdruck patriarchalen Machtmißbrauchs?
Am 8. März 2015 gab es einen Farbbeutelanschlag auf die Bibliothek des Konservatismus in der Berliner Fasanenstraße 4. In der Bibliothek befindet sich eine Sondersammlung zum Thema „Schwangerschaftsabbruch“, finanziert von der Stiftung „Ja zum Leben“ (vgl. „Junge Welt“, 20. Februar 2015). Die Täter*innen des Anschlags werden in feministischen und Antifa-Kreisen Berlins vermutet.
Mehrfach wurde in den letzten Jahren bereits in vielen Ländern von Abtreibungsgegnern ein „Marsch für das Leben“ veranstaltet, so erneut wieder am 19. September 2015 zum Berliner Kanzleramt.
Gefordert wird das völlige Verbot und die Bestrafung aller Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland und Europa. Von den oft fundamentalistisch-christlichen Teilnehmern der Märsche wird der Schwangerschaftsabbruch als eine „vorgeburtliche“ Tötung des Kindes dargestellt. Der von ihnen propagierte „Lebensschutz“ impliziert die Negation der sexuellen Selbstbestimmung von Frauen und Mädchen, eine völlige Kontrolle ihrer reproduktiven Rechte: die „alte Ordnung“ der Familienstruktur soll wieder in Kraft gesetzt werden.
Auch Papst Franziskus hat an einem Marsch in Rom teilgenommen.
Gegen diese Märsche „für das Leben“ wendet sich in Berlin eine breite Koalition von Terre des Femmes, den Jusos, Falken und pro Familia bis zum Landesverband der Linken und Vielfalt statt Einfalt.
Im Jahre 2017 gab es weltweit noch 6 Staaten, die Abtreibungen unter allen Umständen (auch nach Vergewaltigungen oder bei gesundheitsgefährdenden Schwangerschaften) verbieten und unter Strafe stellen. Dazu gehören u.a. Nigeria, Chile, Nicaragua und El Salvador. Trotz vielfältiger Protestaktionen in El Salvador selbst und weltweit z.B. durch ai, sind dort gegenwärtige noch einige Frauen mit langjährigen Haftstrafen wegen Abtreibungen im Gefängnis.
Nach einem Bericht von ai (im Netz: "On the brink of death: Violence against women and the abortion ban") aus dem Jahre 2014 führte das absolute Abtreibungsverbot in El Salvador zum Tod hunderter Frauen und Mädchen, besonders unter den Ärmsten der Gesellschaft. Sie müssen sich heimlichen, unsicheren Abtreibungen unterziehen oder sind gezwungen, gesundheitsgefährdende Schwangerschaften auszutragen.
In dem Bericht werden Fälle dokumentiert, in denen sogar Frauen, die Fehlgeburten erlitten haben, wegen Abtreibung angeklagt und verurteilt wurden. „María Teresa Rivera (Pseudonym) ist ein solcher Fall. Sie wurde nach einer Fehlgeburt wegen Mordes angeklagt und zu 40 Jahren Haft verurteilt“ (vgl. https://www.amnesty.de/2014/9/25/abtreibungsverbot-el-salvador-fuehrt-zum-tod-hunderter-frauen-und-maedchen).
In Polen wird zur Zeit durch die konservative Regierung eine Erschwerung von Schwangerschaftsabbrüchen geplant.
Erst mit der Entstehung der neuen, zweiten Frauenbewegung in den 60er Jahre des 20. Jhdts. rückte der 8. März in den westlichen Staaten langsam wieder deutlicher ins Bewusstsein. Im Jahre 1975 feierte erstmals die UNO den 8. März. Im Dezember 1977 beschloss die Generalversammlung der Vereinten Nationen, das Datum als Internationalen Frauentag anzuerkennen.
Seither gibt es an diesem Tag weltweit eine Fülle verschiedenster Protestveranstaltungen, Demonstrationen etc. für die Gleichberechtigung und die Verbesserung der Lebensbedingungen von Frauen.
Ein Indiz für die in sich widersprüchliche Entwicklung der Frauenrechte im
islamischen Bereich ist Fatma Aliye Topuz (1862 – 1936). Sie stammte aus einer angesehenen osmanischen Beamtenfamilie, ihr Vater war Vali in verschiedenen Wilayets des Reiches. Sie erhielt Hausunterricht und erwarb sehr gute Kenntnisse im Arabischen und Französischen. Sie
wurde zu einer der ersten Schriftstellerinnen, Publizistinnen und Übersetzerinnen (aus dem Französischen ins osmanische Türkisch) nicht nur des Osmanischen Reiches, sondern der ganzen islamischen
Welt [32].
Mit siebzehn wurde Fatma Aliye mit einem hohen osmanischen Beamten verheiratet, der ihr in den ersten Jahren der Ehe verbot, fremdsprachige Bücher zu
lesen.
1889, zehn Jahre nach der Eheschließung veröffentlichte sie – mit Erlaubnis ihres Ehemanns – eine Übersetzung aus dem Französischen und ab 1892 Erzählungen, z.T.
unter dem Pseudonym „Bir hanım“ (Eine Dame) zum Teil unter ihrem eigenen Namen.
1892 erschien ihre Erzählung „Muhazarat“ („Nützliche Nachricht“), in der sie sich gegen die Vorstellung wandte, eine Frau könne ihre erste Liebe niemals
vergessen/überwinden.
Sich selbst sah sie wohl als eine Art konservative Frauenrechtlerin, die Frauenrechte im Rahmen der Scharia verwirklichen wollte. Fatma Aliye verteidigte allerdings
den Individualismus und wandte sich gegen arrangierte Ehen.
Zwischen 1895 und 1908 veröffentlichte sie regelmäßig alle zwei Wochen Kolumnen in der Frauenzeitschrift „Hanımlara Mahsus gazete“ (Das eigene Magazin für Frauen),
es zeigte sich die Diskrepanz zwischen den mo-derneren weiblichen Charakteren in ihren Erzählungen und ihren eigenen traditionelleren Vorstellungen zur Frauenrolle.
Fatma Aliye war das erste weibliche Mitglied des Osmanischen Roten Halbmonds. Auch lehnte Fatma Aliye die laizistischen Reformen unter Mustafa Kemal Atatürk ab. 1934
nahm sie den Familiennamen „Topuz“ an. 1936 starb sie arm und weitgehend vergessen in Istanbul.
Fatma Aliye Topuz ist – als erste Frau überhaupt – auf einem türkischen Geldschein abgebildet, und zwar auf dem seit 2009 umlaufenden 50-Lira-Schein (vgl. Abb.
unten). Laizistische Kritiker meinten, diese Ehre hätte viel eher z.B. Halide Edip gebührt (vgl. tr.wikipedia/wiki/Fatma_Aliye_Topuz).
Es gibt jedoch auch heute eine Reihe von „… muslimischen Feministinnen“, wie etwa die Rechtsprofessorin und Theologin Farida Bennani von der Universität Marrakesch/Marokko oder die aus dem Libanon stammende Philosphieprofessorin Azizah al-Hibri (sie lehrt in Richmond/USA), „… die sich der Reform des islamischen Rechts verschrieben haben und eine zeitgemäße Neuinterpretation der islamischen Rechtsquellen einfordern“ (Tabbara, S. 6, a.a.O.). Die islamischen Rechtsquellen seien nahezu vollständig von männlichen Rechtsgelehrten interpretiert worden, zudem kulturelle Produkte der Geschichte, aus ihrem Zusammenhang erklärbar. Azizah al-Hibri führt aus, dass muslimische Frauen „… ihre eigene Bresche durch den patriarchalen Dschungel schlagen“ müssen (Tabbara, S. 6, a.a.O.).
Auch hier findet sich die Vorstellung von einer notwendigen „Indigenisierung“ politischer Werte und Ziele. Erst dann könnten diese als „eigene“, nicht kolonial importierte, „fremde“ akzeptiert werden.
Seit dem Jahr 2014 hat sich die Lage der Frauen im Nahen Osten auch durch die Expansion des des Islamischen Staates (IS) verschärft, wobei z.B. Heiko Flottau in den „Blättern für deutsche und internationale Politik“ m.E. mit Recht auf auf die ideologische Nähe zwischen Saudi-Arabien und dem IS hinwies So sind in beiden Staaten Frauen minderen Rechts, Bürger zweiter Klasse, Ehebrecher werden z.B. in beiden Staaten mit 100 Peitschenhieben bestraft (vgl. Flottau, S. 14, a.a.O.). Auch dürfen Frauen im IS nicht ohne männliche Begleiter reisen, sie müssen sich in der Öffentlichkeit verhüllen und dürfen keine Hosen tragen (vgl. Napoleoni, S. 45, a.a.O.).
Geschickt fördert der IS auch traditionelle Stammesbräuche, so z.B. „…. arrangierte Ehen zwischen den Frauen der sunnitischen Stämme und den Dschihadisten“ (Napoleoni, S. 53, a.a.O.).
Als ein Element in dem Versuch der Staatenbildung ermutigt, bestärkt der IS auch die „uralten Werte von Haus und Herd“, sowie die Verheiratung seiner Soldaten (Napoleoni, S. 54, a.a.O.).
Sehr interessant aber ist in jeder Hinsicht die Entwicklung, die seit dem „arabischen Frühling“ 2011 der Nordosten Syriens (auch: „Rojava“, kurd. ≙ „Westen“; zwischen der Türkei im Norden und dem Irak im Osten) gemacht hat. Es leben in der Region ca. 70 % Kurden, aber auch viele Araber, Yeziden, Aramäer, Turkmenen/Türken und Armenier.
Dort entstand ein multiethnisches, multikulturell-mehrsprachiges Autonomiegebiet, dessen Verwaltung nach föderativen, räteartigen Strukturen aufgebaut ist und weitgehende Partizipation von Frauen praktiziert (vgl. Flach, a.a.O.). Auf allen Ebenen, bis in die Gemeinden und Dörfer sind die Verwaltungen mit gleichberechtigten Doppelspitzen, je einem Mann und einer Frau besetzt (vgl. Graphik unten).
„Volksversammlungen werden als entscheidungsfähige Körperschaften installiert und ethnisch sorgsam austarierte Räte ins Leben gerufen – in jeder Stadtverwaltung die drei höchsten Posten mit jeweils einem Kurden, einem Araber und einem assyrischen oder armenischen Christen besetzt, darunter musste mindestens eine Frau sein“ (Graeber, S. 3, a.a.O.). Für alle politischen Gremien ist eine Frauenquote von 40 % verpflichtend vorgesehen (vgl. Böhm, a.a.O.).
Das nordostsyrische Autonomiegebiet praktiziert eine Art von positiver Diskriminierung von Minderheiten und Frauen: In Cizire war zum Beispiel der Parlamentspräsident eine assyrische Christin, Gouverneur ein Araber, und von 22 Ministern sind vier Frauen (FAZ, 15. September 2014, S. 5).
Gefördert wird die Jineolojî, die Wissenschaft der Frau und Gesellschaft. Sie wird z.B. an der Frauenakademie in Dêrik gelehrt (vgl. Abb. unten). „Alle Frauen haben das Recht, unabhängig von ihren Familien, mehrere Wochen an diesen Akademien zu verbringen. In der Gemeinschaft und im Austausch mit anderen Frauen haben sie so den Freiraum, sich aus gewohnten Denkmustern zu befreien und ihre neuen Erkenntnisse in ihre Familien und in die Gesellschaft zu tragen“ (Städtepartnerschaft, S. 12, a.a.O.). Einer der Kerngedanken der Jineolojî ist es, Unterschiede aus sozial-hierarchisierten Verhältnissen herauszulösen, sie nicht als trennende oder sich ausschließende Gegensätze („weiblich“ – „männlich“), sondern als einander ergänzende Elemente wahrzunehmen.
Nahe bei Dêrik wird ein Frauendorf aufgebaut.
Hervorzuheben ist, dass der bewundernswerte Aufbau inmitten eines traditionell rigiden Patriarchats verlief, mitten in einem mörderischen Bürgerkrieg. Zudem trug das – international nicht anerkannte – Autonomiegebiet die Hauptlast des militärischen Sieges über den IS in Syrien. Zu beklagen sind dort ca. 11 000 „Märtyrer“, Gefallene im Kampf gegen den Islamischen Staat, viele Tausende Verletzte und Hunderttausende von zu versorgenden Binnenflüchtlingen.
Allein in der Stadt Dêrik sind auf dem dortigen „Friedhof der Gefallenen“ mehr als 700 Menschen beerdigt, die ihr Leben im Kampf gegen den IS verloren haben (vgl. Städtepartnerschaft, S. 4, a.a.O.).
Die Verantwortlichen des Autonomiegebietes streben keine Unabhängigkeit, keinen neuen Staat an, sondern einen föderativen und demokratischen Aufbau für ganz Syrien.
Seit den völkerrechtswidrigen Invasionen der türkischen Armee und ihrer islamistischen verbündeten Milizen (darunter nachweislich auch ehemalige IS-Kämpfer) im Oktober 2019 (wie zuvor schon in Afrin) kam es in den besetzten Gebieten Nordsyriens zu massiven Vertreibungen der angestammten Bevölkerung, zu einer Art von „ethnischen Säuberung“. Die restliche Bevölkerung leidet immer wieder unter Gewalttaten, Vergewaltigungen, Entführungen etc. Mindestens 300 000 neue Flüchtlinge – auch aus Idlib - sind das Resultat, eine neue „humanitäre Katastrophe“. Da auch der Kurdische Rote Halbmond international nicht anerkannt wird, kommt nur minimale internationale Hilfe in das Autonomiegebiet Syriens.
Was von den autonomen Verwaltungsstrukturen übrig geblieben ist, ist schwer abzuschätzen.
Zudem wurde der Grenzübergang zum Irak geschlossen und im März 2020 äußerte Assad, der irakische Präsidenten-Diktator, es gäbe in Syrien keine kurdische Frage. Zu befürchten ist, dass die syrische Armee nach der „Lösung“ des Idlib-Problems, sich mit dem Nordosten beschäftigen wird.
Andrea Böhm sah "Rojava" „… inmitten des syrischen Albtraums“ als „… derzeit wohl eine der wenigen positiven Entwicklungen“ (Böhm, a.a.O.). In der Einschätzung des US-amerikanischen Ethnologen, Anarchisten und Mit-Gründers von Occupy David Graeber (*1961), droht „… eines der weitreichendsten demokratischen Experimente, das je im Nahen Osten zustande kam, brachial“ zerstört zu werden (vgl. Graeber, S. 3, a.a.O.).
Hoffentlich erweist sich hier nicht der Text von "Schroeders Roadshow" (1979) erneut als wahr: „Wir sind die Brüder (und Schwestern !!) der romantischen Verlierer…“.
Auch heute in Deutschland ist die Diskriminierung von Frauen noch lange nicht vorbei, zum Beispiel ist der alte gewerkschaftliche Grundsatz, gleicher Lohn für gleiche Arbeit immer noch nicht durchgesetzt. Frauen verdienen – nach älteren Angaben - in der Bundesrepublik bei gleicher Arbeit ca. 75 % dessen, was Männer dafür bekommen.
Das Statistische Bundesamt Wiesbaden errechnete auf der Grundlage der Verdienststrukturerhebung des Jahres 2006 die durchschnittlichen Unterschiede zwischen den Bruttostundenlöhnen zwischen Männern und Frauen in Deutschland. Bei Berufseinsteigern unter 25 Jahren lagen die Einkommen der Frauen ca. 2 % unter denen der Männer. Im Verlaufe des weiteren Berufslebens aber wuchs die Lohnschere zwischen Männern und Frauen an:
Das Statistische Bundesamt betonte dabei, dass die Daten nichts darüber aussagten, ob Frauen in gleichen Berufen prinzipiell schlechter bezahlt würden. Das Wiesbadener Institut sah den zentralen Grund für den Lohnunterschied darin, „…. dass viele Frauen nach der Geburt ihrer Kinder aus dem Beruf aussteigen oder ihre Arbeitszeit verringern, was zu einem geringeren Verdienst führt und häufig den weiteren Aufstieg in der Firmenhierarchie schwierig macht“ (vgl. „Schul – Bank“, Heft 10 /2010, S. 2).
Zudem ist das Lohngefälle zwischen Männern und Frauen in Deutschland größer als in vielen anderen europäischen Ländern: Vollzeitbeschäftigte Frauen verdienten 2011 in Deutschland 21,6% weniger als ihre Kollegen, stellte die OECD fest (vgl. „Tagesspiegel“, 6. März 2012, S. 1; vgl. dazu auch den „Equal Pay Day“, am 21. März 1914).
Die massive Benachteiligung von Frauen und Mädchen zeigt sich weiterhin z.B. an:
· In den afrikanischen Ländern südlich der Sahara sind über die Hälfte der an AIDS erkrankten Menschen Frauen. Bei den HIV-Infizierten unter 24 Jahre stellten junge Frauen mit einem Anteil von fast zwei Dritteln die größte Gruppe (vgl. Kofi Annan, a.a.O.)
Am 16. Dezember 2012 wurde in einem fahrenden Bus in Delhi die 23jährige indische Medizinstudentin Iyati Singh Panday – nachdem ihr Verlobter niedergeschlagen worden war - von den sechs Insassen mehrfach brutal vergewaltigt, sadistisch mit einer Eisenstange misshandelt und tödlich verletzt aus dem Bus geworfen. Die bestialischen Quälereien offenbaren einen abgrundtiefen Hass oder zumindest ein völliges Fehlen von Empathie der Frau gegenüber bei den männlichen Tätern. Nachdem die Studentin im Krankenhaus 14 Tage später ihren Verletzungen erlag, kam es nach der „Schandtat von Delhi“ (Indian Times) wochenlang in vielen indischen Städten zu Massendemonstrationen gegen eine Vertuschung von Vergewaltigungen und Diskriminierung von Frauen.