26. Juni: Internationaler Tag der Folteropfer

 

Unter Folter versteht man das absichtliche, gezielte Zufügen von physischen (oder psychischen) Schmerzen, von Qualen und Leiden, ohne den entsprechenden Menschen zu töten.

Ziel von Folterungen ist der Verrat von vermuteten Geheimnissen, das Brechen von Glaubensinhalten und ein Abschwören, die dauerhafte Zerstörung des Widerstands und des Willens oder auch die öffentliche Demütigung der entsprechenden Person.

Die 1987 in Kraft getretene UN-Antifolterkonvention („United Nations Convention against Torture and Other Cruel, Inhuman or Degrading Treatment or Punishment“, CAT) sieht jede Handlung als Folter, bei der Träger staatlicher Gewalt einer Person „… vorsätzlich starke körperliche oder geistig-seelische Schmerzen oder Leiden zufügen, zufügen lassen oder dulden, um beispielsweise eine Aussage zu erpressen, um einzuschüchtern oder zu bestrafen“ (vgl. Art. 1, zit. n. Simma, S. 226, a.a.O.).

Täter, Folterer waren und sind in der Regel staatliche Institutionen wie die Polizei, Geheimdienste, Militärs, oder auch quasistaatliche einst die Inquisition. So gilt nach der Konvention als Folter nur, „wenn diese Schmerzen oder Leiden von einem Angehörigen des öffentlichen Dienstes oder einer anderen in amtlicher Eigenschaft handelnden Person, auf deren Veranlassung oder mit deren ausdrücklichem oder stillschweigendem Einverständnis verursacht werden“ (zit. nach Simma, S. 227, a.a.O.).

 

Folterungen begleiten die gesamte Geschichte der Menschheit, jahrhundertelang wurden Folterungen („peinliche Befragungen“) als ein selbstverständliches Mittel in Strafprozessen angesehen. Ebenso war die öffentliche Folter (Straffolter) von zum Tode Verurteilten vor der Hinrichtung weit verbreitet. Sie sollte eine abschreckende Wirkung haben.

In allen Religionen sind Berichte von Folterungen von Märtyrern gang und gäbe.

Der Hl. Blasius von Sebaste (dem heutigen Sivas in der Türkei, damals Hauptstadt der römischen Provinz Armenia) soll während einer Christenverfolgung des Kaisers Licinius um 316 das Martyrium erlitten haben. Nach Folterungen – er wurde mit Stöcken geschlagen, ihm wurde mit eisernen Hecheln und Wollkämmen die Haut zerfetzt - sollte er ertränkt werden, aber er wandelte über das Wasser. Nun sollte er verbrannt werden, aber der dazu bestimmte Ofen erlosch. So musste er schließlich enthauptet werden.

Papst Gregor (d. Gr.) empfahl bei der Missionierung widerstrebender Juden oder „Heiden“ u.a. Prügel, Folter und Kerker, auch den Einsatz der Steuerschraube (vgl. Haller, Bd. 1, S. 283, a.a.O.).

 

Während der „Shaath ha’shmad“, der „Zeit der schweren Verfolgung“, der „Stunde der Gefahr“ unter Kaiser Hadrian (vgl. Werner Keller, 1966, S. 91, a.a.O.) erlitten viele gläubige Juden unter grausamen Foltern den Märtyrertod, so z.B. Rabbi Akiba. Der Gedenktag am 28. Tag des Mondmonats Adar erinnert an diese Zeit.   

 

Guru Arjan (1581 – 1606), der 5. Guru der Sikhs, wurde der Überlieferung nach auf Befehl des Moghulherrschers Jahangir unter vermutlich falschen Beschuldigungen verhaftet und zu Tode gefoltert. Das Martyrium des Guru wurde zu einem Wendepunkt der Geschichte der Sikhs, das Konzept des Märtyrertums ein neuer Bestandteil des traditionellen Bewusstseins der Sikhs.

 

Der Codex der babylonischen Königs Hammurabi (um 1750 v. Chr.) erwähnte die Folter an keiner Stelle, als Beweismittel kannte er die Zeugen, den Eid und das Gottesurteil (Wasserprobe).

Das indische Gesetzbuch des Manu (um 600 v. Chr.) dagegen kannte die Folter: Zum Beispiel wurde ein Mord bei einem Unterkastigen als schwerwiegender angesehen und meist mit Folter bestraft, ein Hochkastiger bauchte in der Regel nur eine Geldstrafe zu zahlen.

 

In der griechischen Mythologie war die Folter auch göttlich sanktioniert, Zeus selbst sollte z.B. den Ixion seiner Verbrechen wegen auf ewig auf das Folterwerkzeug des feurigen „Rades des Ixion“ gespannt haben.

Im antiken Griechenland war die Folter beispielsweise bei tatverdächtigen Sklaven weit verbreitet. 

In Rom unterstanden Sklaven zwar der Gewalt (potestas) ihres Herrn, sie dürften aber nicht „… übermäßig und ohne Grund mißhandelt werden“ (vgl. Huchthausen, S. 20, a.a.O.). Auch die Römer sahen in der Folter ein Rechtsmittel gegenüber Sklaven: „Bei der Ermittlung von Verbrechen wird in der Regel die peinliche Befragung (quaestio) angewendet“ (zit. n. Huchthausen, S. 271, a.a.O.). Die Folter wurde allerdings nicht öffentlich, sondern am Tatort durch einen Gerichtsdiener vollzogen. Seit Kaiser Tiberius wurde die Folter auch gegenüber Freien angewandt, bei Verdacht auf Giftmord, Majestätsbeleidigung oder Ehebruch.

Durch Kaiser Antoninus Pius wurde zudem „… allzugroße Härte der Herren … (Sklaven gegenüber) unter Strafe gestellt“ (zit. n. Huchthausen, S. 20, a.a.O.). 

 

Die Anwendung von Folter hing oft mit dem sozialen Status der Verdächtigen zusammen. In China bewahrte zuweilen noch im Krieg mit Japan und im Bürgerkrieg Frauen mit dem traditionellen Titel „Tai Tai“ (, wörtich Frau, im Sinne von „gnädige Frau“ oder Lady“; eine privilegierte, wohlhabende Hauptehefrau, im Gegensatz zu einer Konkubine) vor „peinlichen Maßnahmen“ wie es der Schriftsteller Mao Dun anmerkte (vgl. Mao Dun, S. 157, a.a.O.). 

 

Schon seit Jahrhunderten wurden Folterungen von aufgeklärt Denkenden abgelehnt. Bereits in der Antike war zumindest die Zweckmäßigkeit der Folter unter Juristen umstritten (vgl. Irmscher, S. 176, a.a.O.), auch wurde die Aussage- und Beweiskraft von Foltergeständnissen bezweifelt (vgl.  Huchthausen, S. 272, a.a.O.). 

Der humanistische Philosoph und Theologe Juan Luis Vives (1492 – 1540, ein spanischer Marrane) verurteilte in einer Publikation von 1522 die Folter als unchristlich und sinnlos. Michel de Montaigne ( + 1592) setzte sich in seinen „Essais“ mit der Folter auseinander und meinte, es sei abscheulich und grausam, einen Menschen wegen eines vermuteten Verbrechens zu foltern. „Ich fühle mich nicht so abgestoßen von Wilden, die die Körper der Toten braten und verspeisen, als von Menschen, die Lebende foltern“ (Montaigne, S. 212, a.a.O.).

Auch zweifelte er daran, dass die unter Folter gewonnenen Aussagen verlässlich seien. „Alles was, auch beim Gerichtsverfahren, über den einfachen Tod hinausgeht, scheint mir bloße Grausamkeit …“ (Montaigne, S. 212, a.a.O.).

Die Folter wurde in Preußen erst durch Friedrich II. abgeschafft

Schon 1851 schrieb Victor Hugo – leider etwas zu voreilig, wie sich bis heute zeigt: „Die Folter ist bereits in dem Abgrund des Abschaums verschwunden … “ (zit. n. Frankenberg, S. 8, a.a.O.).

 

Milovan Djilas (1911 - 1995), der selbst aus Montenegro stammte, schrieb den Roman „Verlorene Schlacht“ 1963/64 im Gefängnis von Sremska Mitrovitsa. Der Roman handelt von den Kämpfen zwischen den Osmanen und den aufständischen Serben in montenegrinischen Plav (im Tal des Lim, eines Nebenflusses der Drina) und dem heutigen Kosovo.

Unter Sultan Abdul Medschid I. (auch: Abdülmecid, reg. 1839  - 1861) wurde im Osmanischen Reich 1856 durch das Reformedikt „Hatt-i humayun“ (osman. „Kaiserliches Handschreiben“) die Folter verboten. In der Verfassung des Reichs von 1876 hieß es im Artikel 26: „Die Folter und alle übrigen Arten der Tortur sind sämtlich unbedingt verboten“.

Die Folge dieser Regelungen war jedoch vielfach, dass die Folterer nun darauf achten mussten, „... dass der Schuldige gesund und unversehrt vor den Richter kommt“ (Djilas, 1974, S. 64, a.a.O.). Die Folter aber wurde (und wird immer noch) in großem Umfang praktiziert.

Milovan Djilas thematisiert in seinem um 1878 spielenden Roman „Verlorene Schlacht“ die Folterarten, die ein gefangener serbischer Dorfvorsteher von den Osmanen erdulden musste: So .....

  • die Bastonade, bei der die Fußsohlen des Opfers mit einem Ochsenziemer geschlagen werden (vgl. Djilas, S. 62, a.a.O.)
  • das „Abschlagen der Nieren“, bei dem mit länglichen Sandsäckchen die Nieren des Opfers geschlagen werden (vgl. Djilas, 1974, S. 74, a.a.O.)
  • das Herausreißen der Zähne  (vgl. Djilas, 1974, S. 79, a.a.O.)
  • Holzsplitter unter die Nägel treiben (vgl. Djilas, 1974, S. 79, a.a.O.)
  • die Streckfolter und das Auskugeln sowie Wiedereinrenken der Arme (vgl. Djilas, 1974, S. 89, a.a.O.)
  • das „Vierteln“, ein langsames Ansägen der Schienbeine (vgl. Djilas, 1974, S. 93, a.a.O.)  
  • der „Stiefel“, das Umwickeln des Kopfes des Opfers mit Stricken, die festgezurrt werden (vgl. Djilas, 1974, S. 93, a.a.O.)
  • das „Verschneiden“, bei dem eine Schnur um die Hoden des Opfers geführt wird, an deren Ende immer schwerer Gewichte gehängt werden; es führt zur „Entmannung“ des Opfers (vgl. Djilas, 1974, S. 100, a.a.O.)
  • das „stille Feuer“, bei dem aus kochendem Wasser genommene Eier unter die Achseln des Opfers geführt und dann die Arme an den Körper gepresst werden (vgl. Djilas, 1974, S. 105, a.a.O.)

 

 

 

 

 

Heute ist Folter zwar international geächtet, aber leider praktizieren viele Staaten, die die Konvention unterschrieben haben, dennoch Folterungen.

 

Der Internationale Tag der Folteropfer ist der Jahrestag des Inkrafttretens der Anti-Folter-Konvention [1] am 26. Juni 1987. Der Gedenktag wurde 1997 von den Vereinten Nationen auf Initiative des Internationalen Rates für Rehabilitation von Folteropfern (IRCT, in Kopenhagen) proklamiert. 1998 wurde der Gedenktag zum ersten Mal öffentlich begangen. Kofi Annan, der damalige Generalsekretär der Vereinten Nationen, würdigte den Tag in seiner Rede so: „An diesem Tag zeigen wir denen, die das Unvorstellbare erlitten haben, unseren Respekt. Dies ist die Gelegenheit für die Welt, gegen das Unaussprechliche das Wort zu erheben. Es ist lange überfällig, dass ein Tag der Erinnerung und der Unterstützung den vielen Opfern und Überlebenden von Folter in der ganzen Welt gewidmet wird."

 

Dennoch gibt es eine nahezu ungebrochene „Foltertradition“, die von den Folterungen durch die deutschen Nationalsozialisten, über Folterungen durch die sowjetische Geheimpolizei und die verschiedenen Kolonialkriege, die südamerikanischen Militärdiktaturen bis zum Irak- und Afghanistankrieg reicht. Auffällig  ist, dass die meisten Folterungen in Kriegen geschahen und geschehen.  

Der Journalist Lutz Herden sah hier die Tradition „… einer Art Folterkultur…, die auf viele Anregungen zurückgriff, ob es sich um Verhörpraktiken des NS-Staates, der französischen Kolonialmacht in Algerien oder stalinistische Straflager handelte“ (Herden, in Freitag, 51/2014).  

Die Stanley Milgram-Experimente, die in vielen Staaten weltweit ganz ähnliche Ergebnisse erbrachten, belegen eine weitverbreitete  Bereitschaft, andere zu quälen, wenn eine Autorität es fordert.

 

Schon im Korea-Krieg wurden Musik und Licht als Folter im Rahmen der „Gehirnwäsche“ an gefangenen US-Soldaten eingesetzt.

Musik als Folter [2] einzusetzen hat von daher Tradition, auch weil diese Art von Folter keine körperlichen Spuren hinterlässt. In Guantanamo wurden Gefangene mit riesigen Lautsprecher (wie in einer Disco) sehr laut mit u.a. US-Rockmusik, aber auch mit Musik der „Sesamstraße“ stundenlang. tagelang beschallt. Der CIA erlaubt offiziell bis zu 72 Stunden Dauerbeschallung.

Die „Kubark-Handbücher [3] wurden 1953 und dann 1962 von der CIA für den internen Gebrauch zusammengestellt, zurückgehend auch auf Experimente an deutschen und sowjetischen Gefangenen in Frankfurt am Main, sowie auf gemeinsame Untersuchungen von US-amerikanischen Ärzten und deutschen ehemaligen Ärzten u.a. des Konzentrationslagers Dachau. Die Folterungen von Verdächtigen wurden vom CIA beschönigend „Zwangstechniken“ genannt (vgl. McCoy, a.a.O.). .

Vorrangig ging es um „sensorische Deprivation durch Einzelhaft oder ähnliche Methoden, Drohungen und Angst, Schwächezustand, Schmerz und induzierte Regression“ (zit. n. „Freitag“, Nr. 51, 18. Dezember 2014, S. 3). Wichtig ist dabei auch die psychische Folter zur Zerstörung der Persönlichkeit wie Erniedrigung, Drogen (Mescalin) und Elektroschocks, sowie Stehfolter, Fixierung in Stresspositionen oder Unterkühlung nach Abspritzen mit Wasser (vgl. McCoy, a.a.O.).

Verwendet wurden die Handbücher außer beim CIA auch bei „befreundeten“ Diktaturen in Südamerika, so in Chile (vgl. www.cubafreundschaft.de/Hintergruende/USA,%20Kubark.pdf). Die grundlegenden „Techniken“ wurden im Vietnamkrieg „verfeinert“ und bei Folterungen in Abu Ghraib und Guantanamo angewendet.

 

Im Vietnam-Krieg (1965 – 1975) wurde Folter exzessiv eingesetzt, wurde als Werkzeug der Kroegsführung betrachtet. Im August 1968 begann die CIA in Vietnam mit ihrem Programm „Phoenix“. Es wurden in Südvietnam unter dem Schutz der US-Armee mehrere Verhörzentren errichtet, in denen „Vietcong-Verdächtige“ systematisch „abgeschöpft“ werden sollten. Viele der Verdächtigten wuren dort zu Tode gequält.

 

Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 mit 2992 Toten erlangten Folterungen zu einer neuen Aktualität, denn in den USA wurde während der Administration von G.W. Bush ein neues Kapitel der Foltergeschichte aufgeschlagen. Auf dem Hintergrund der aufwallenden Sicherheitsparanoia (nicht nur in den USA) wurden durch hohe Regierungsinstanzen (z.B. das US-Justizministerium) angeblich neue, „härtere“ Verhörmethoden autorisiert, Folterungen unter der Bezeichnung „enhanced interrogation techniques“ (erweiterte Verhörmethoden) beschönigt und kaschiert. Behauptet wurde offiziell, man müsse so weitere Anschläge verhindern und die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen. Folter wurde zur Waffe im Anti-Terror-Krieg, wie Drohnen oder Tomahawk-Raketen“ (Herden, in „Freitag“ Nr. 51, 18. Dezember 2014, S. 3).

Es entstand rasch ein weitverzweigtes System von geheimen Gefängnissen in verschiedenen Staaten, juristisch „schwarze Löcher“, in denen die CIA weitgehend unkontrolliert agieren konnte (vgl. „Le monde“, 12. Dezember 2014, S. 23). Auch einige europäische Staaten (z.B. Polen) beteiligten sich an dem Gefängnissystem, in dem vermutlich hunderte von angeblich Verdächtigen ohne Rechtsbeistand nicht nur gefangen gehalten, gedemütigt und misshandelt wurden. Nachgewiesen sind ...

  • Formen von Lärmfolter,
  • tagelanger Schlafentzug,
  • Fixierung in Stresspositionen (z.B. tagelanges Stehen, das zu Fußödemen führt)
  • sexuelle Misshandlungen.

Der Gefangene Gul Rahman wurde halbnackt angekettet und lag auf dem Zementfußboden bis er erfror (vgl. „Freitag“, Nr. 51, 18. Dezember 2014, S. 3).

Berüchtigt wurden die Photos von gedemütigten, entkleideten, misshandelten Gefangenen im US-Militärgefängnis von Abu Ghraib bei Bagdad. Die Bilder wurden im Frühjahr 2004 im „New Yorker“ veröffentlicht und gingen begleitet von entsetzten Protesten um die Welt. Sogar die US-Militärermittler sprachen von „sadistischen und kriminellen Misshandlungen“ (vgl. „Freitag“, Nr. 51, 18. Dezember 2014, S. 3). Diese Photos  führten sogar zu Strafprozessen und Verurteilungen, allerdings nur von niedrigen Chargen. Keiner der wirklich Verantwortlichen wurden belangt.

Abu Ghraib war auch kein einmaliger „Sündenfall“, in Kriegen wurde vermutlich schon immer gefoltert. Auffällig ist dabei ein Phänomen: Der eigene Tabubruch schürt den Tabubruch der gegnerischen Seite!

Berüchtigt wurden auch die Photos von entkleideten Gefangenen im Irak und das „waterboarding“ – eine brutale traumatisierende Art von Folter, bei der das Opfer physiologisch kurz vor dem Ertrinken ist, zudem eine sog. weiße Folter, die keine erkennbaren körperlichen Folgeschäden zurücklässt und schwer nachweisbar ist.

Und das alles durch offizielle Stellen der USA, des Staates, der sich in seinem Selbstbild als Modell der Demokratie und Muster von Freiheit und Menschenrechten sieht!

Dabei hatte der Art. 2,2 der Anti-Folterkonvention – als ob sie die Ereignisse des 11. September berücksichtigen wollten - ausdrücklich erklärt: „Außergewöhnliche Umstände gleich welcher Art, sei es Krieg oder Kriegsgefahr, innenpolitische Instabilität oder ein sonstiger öffentlicher Notstand, dürfen nicht als Rechtfertigung für Folter geltend gemacht werden“ (zit. n. Huchthausen, S. 227, a.a.O.).

Insgesamt 156 Staaten, darunter alle amerikanischen und europäischen Staaten einschließlich der Türkei haben bis 2014 die Anti-Folterkonvention unterzeichnet und ratifiziert …

 

Der ehemalige US-Vizepräsident Dick Cheney äußerte im Dezember 2014 über G.W.Bush: „Der Mann wusste, was wir getan haben. Er hat es autorisiert. Er hat es bewilligt“ (zit. n. „Freitag“, Nr. 51, 18. Dezember 2014). Auch war es dem ehemaligen Präsidenten bewusst, dass die CIA-Praktiken nicht mit der Anti-Folter-Konvention übereinstimmten, denn noch 2008 wies Bush ein Gesetzesvorhaben zurück, dass von der CIA forderte, sich bei Verhören an denen des US-Armee zu orientieren: Diese standen in Einklang mit der Konvention „Freitag“, Nr. 51/2014).

 

Nach der „Le monde“ haben die USA durch ihre jahrelange Praxis zur „Banalisierung“, zur „Normalisierung“ der Folter beigetragen, das Tabu Folter ins Wanken gebracht (vgl. „Le monde“, 12. Dezember 2014, S. 23). Diese US-Praxis habe den Menschenrechten massiv geschadet und dazu beigetragen, dass Folterungen weltweit nicht zurückgehen [4], wie Menschenrechtsorganisationen beklagen.

Jedoch erarbeitete der Geheimdienstausschuss des US-Senats in fünfjähriger Recherche einen 6300seitigen Bericht über die Folterpraktiken des CIA in den Jahren nach 2001, in dem ca. 6 Mio. Dokumente zusammengestellt wurden, mit allein ungefähr 35 000 Fußnoten.
Dabei waren allerdings viele Details der Folterungen schon seit einem Jahrzehnt bekannt. Zudem wurde der Senatsausschuss während seiner Arbeit von der CIA bespitzelt, nachgewiesen ist auch, dass CIA-Videos von Verhören vernichtet wurden. 

Am 9. Dezember 2014 wurde - nach monatelangen Verzögerungen - eine Zusammenfassung des US-Senatsberichts über die CIA-Aktivitäten veröffentlicht, der die schlimmsten Befürchtungen bestätigte. Er zeichnet ein System, -  das beherrscht von Panik und Paranoia – bereit war, seine freiheitlichen Werte im Namen der „nationalen Sicherheit“ zu verraten.

Ferner bestätigt der Bericht, dass die Folter an mindestens ca. 100 „Tatverdächtigen“ in keinem Fall zu bedeutenden Informationen führte, keine weiteren Anschläge verhinderte. Auch halfen die Folterverhöre nicht dazu, die Verantwortlichen des 11. Septembers aufzufinden.

Dianne Feinstein, die (demokratische) Vorsitzende des Geheimdienstausschusses des US-Senats und eine treibende Kraft für die Publikation der Ausschussergebnisse, nannte den resümierenden Bericht „gruselig“. Dabei ist sie – im europäischen Sinne – keine Liberale, sie verteidigt die NSA-Datensammlung und den US-Drohnenkrieg. Barack Obama hingegen stellte zu dem Senatsbericht relativ distanziert fest: „Wir haben einige Leute gefoltert. Wir haben einige Dinge getan, die unseren Werten widersprochen haben“ (vgl. ND, 10. Dezember 2014, S. 1).

Deutlich wurde zudem, dass die Folterpraxis mit der Präsidentschaft Obamas sofort beendet wurde die Erstellung und Veröffentlichung des Berichts das Ansehen der USA weltweit wieder aufhellen könnten , - allerdings existiert Guantanamo auch 2014 immer noch.

Zudem wurden durch Obamas Amtsantritt die Folterungen zwar gestoppt, ohne jedoch – wie es die Anti-Folterkonvention vorschreibt – die Verantwortlichen strafrechtlich verfolgen zu lassen. Der ehemalige Präsident G.W. Bush nannte die Täter noch im Dezember 2014 „Patrioten“ (vgl. ND, 10. Dezember 2014, S. 1).

Leider hat der „Freitag“ wohl recht, wenn er davon ausgeht, dss keiner der Verantwortlichen mit einer Strafe rechnen muss: Die US-Justiz blieb bisher tatenlos (vgl. „Freitag“, Nr. 51, 18. Dezember 2014, S. 3)

Die „Le monde“ wies darauf hin, dass eine vergleichbare parlamentarische Untersuchung über die Folterpraxis französischer Dienststellen im Algerienkrieg bis heute ausstehe (vgl. „Le monde“, 12. Dezember 2014, S. 23).

 

Zum Tag der Menschenrechte am 10. Dezember 2014 – genau 30 Jahre nach der Verabschiedung der Anti-Folterkonvention – berechnete Amnesty International, dass in den fünf Jahren seit 2010 in insgesamt 141 Staaten weltweit Fälle von Folter und Misshandlungen dokumentiert seien (vgl. ND, 10. Dezember 2014, S. 1). 

Dafür sei sicher auch die Politik der USA mitverantwortlich, die mit ihrem „Krieg gegen den Terror“ die Folter wieder „salonfähig“ gemacht habe, wie der österreichische Jurist und (bis 1910) UNO-Sonderberichterstatter über Folter Manfred Nowak (*1950) feststellte (vgl. ND, 10. Dezember 2014, S. 1). 

 

Die vielleicht schauerlichste Folterart, die schon seit Jahrhunderten belegt ist, wurde in jüngerer Zeit in Chile wie auch in Syrien angewendet.  

In der Zeit der Pinochet-Diktatur vom September 1973 bis zum März 1990 wurde unter den mindestens 36 000 dortigen Folteropfern diese perverse, sadistisch-sexuell konnotierte Folter mehrfach angewendet.  

Dabei wurde auf dem fixierten Körper des Opfers ein Halbkäfig mit einer Ratte nahe dem After oder der Vagina befestigt und langsam erhitzt. Das verzweifelte Tier versuchte der Hitze zu entkommen, indem es sich mit seinen scharfen Klauen und Zähnen durch das einzige weiche Material grub, durch das Fleisch des Opfers. Zum Teil wurde dabei die Ratte durch eine teleskopartige Röhre zum After oder zur Vagina des Opfers geleitet. Dem Opfer verursachte die Ratte unermessliche Schmerzen und Pein. „Die armen Tiere suchen immer einen Ausgang“ sagte ein weibliches Opfer aus Chile später wörtlich in dem 1992 veröffentlichten Roman „Im diplomatischen Dienst“ von dem deutschen Kunsthistoriker und Schriftsteller Joseph von Westphalen (*1945). Die Hauptfigur in diesem satirischen Schelmenroman, ein anarchisch-provozierender, hedonistisch stilbewusster Diplomat (an der westdeutschen Botschaft in Ekuador) gerät in Wut, als er zufällig einen Artikel der Washington Post über Menschenrechtsverletzungen in Lateinamerika in die Finger bekommt. Er bekam die Zeitung von dem dortigen US-Botschafter, der lachend zu ihm sagte: „‘You are an amnesty-freak, aren’t you?‘ und auf eine Artikel … hinwies, den er gelesen habe, aber überzogen fände“ (Westphalen, S. 159, a.a.O.).

Nachdem der deutsche Diplomat zu Hause abends den Artikel, in dem u.a. die Ratten-Folter beschrieben wurde, gelesen hatte, fühlt er sich bis ins Mark getroffen: „Die Folter war so pervers, dass man selbst ganz pervers wurde“ und ihn überkamen „… kindische Rachegelüste“, die er hasste. „Die Folter … war nur zum Verzweifeln. Sie ließ keine Hoffnung. Man musste daran denken, aber man durfte nicht oft daran denken. Nicht zu detailliert. Sonst mündete der Hass auf die Welt in nicht enden wollende Gewaltphantasien, in die Sehnsucht, im rechten Augenblick zur Stelle zu sein“ (Westphalen, S. 164/65, a.a.O.).

Ähnliche Berichte gibt es aus jüngerer Zeit von ai und Human Right Watch  aus dem Syrien Assads… 

 

(unveränderlich, nach dem Gregorianischen Kalender)

 

© Christian Meyer

 

[1] Der Tag der Verabschiedung der Anti-Folterkonvention – der 10. Dezember 1984 – war der Tag der Menschenrechte.

[2] Vergleiche dazu auch die Dokumentation „Musik als Waffe“ , gesendet am 22. Janurs 2015 in 3Sat.

[3] Das Kunstwort „Kubark“ ist ein CIA-Kryptonym für das Hauptquartier des CIA.


[4] Auch der IS („Islamischer Staat“) hat im Sommer 2014 den – später enthaupteten – US-Amerikaner James Foley und andere „westliche“ Geiseln gefoltert, u.a. durch das simulierte Ertränken Waterboarding (vgl. FAZ, 30. August 2014, S. 6).