14. April: Guru Nanaks Geburtstag; Feiertag der Sikhs (von Sanskrit: « shishya » „Schüler“) in Indien und weltweit.

 

Der Stifter der Sikhs, Guru („Lehrer, Meister“) Nanak, wurde 1469 in eine hinduistische Bauernfamilie der Kaste der Khatris in Talwandi (im heutigen Pakistan, 60 km westlich von Lahore) geboren.

Nanaks Vorstellungen zielten daraufhin, den zeitgenössischen Hinduismus und den Islam zu einer neuen Synthese, einem bildlosen Monotheismus zu vereinen.

Beeinflusst wurde Nanak dabei von den Gedichten Kâbirs. 

 

Das Leben Guru Nanaks ist von einer Fülle frommer Legenden umrankt (vgl. Mansukhani, a.a.O.). Schon bei seiner Geburt soll ein anwesender Priester aus dem Horoskop des Kindes erkannt haben, dass es ein berühmter Prophet und Seher werden würde.

Als Kind bereits soll der zukünftige Guru durch seine Hilfsbereitschaft, seine Mildtätigkeit und seine verblüffend schnelle Auffassungsgabe aufgefallen sein. Sehr rasch konnten ihm seine Lehrer nichts mehr beibringen. Neben den Regionalsprachen lernte Nanak auch Persisch und Arabisch.

Bezaubernd für jedermann waren die Lieder, die er zum Lobpreis Gottes erfand, und die er – auf der Rebek (Rabab) von seinem Freund und Spielmann Mandara (einem Muslim aus der niedrigen Kaste Mirasi) begleitet – oft vortrug. Bis heute sind die Hindi – Hymnen Guru Nanaks unter den Sikhs sehr angesehen und populär.

 

Als Nanak ca. 10 Jahre alt war, sollte – der Überlieferung nach – die Zeremonie des Umgürtens mit dem Opferband an ihm vollzogen werden. Alle Verwandten und Freunde der Familie wurden eingeladen, aber als ihm das Band umgelegt werden sollte, wehrte er ab und fragte den Priester, ob ihn das Band gut und mildtätig machen würde. Als der Priester unsicher zögerte, weigerte er sich, das Opferband anzulegen. Er, Nanak, würde nur ein Band des Mitleids und der Genügsamkeit tragen.

 

In den Wunderlegenden um Guru Nanak wird auch erzählt, dass er als Junge die Rinder seines Vaters hütete. Während er betete weideten die Kühe im Feld des Nachbarn. Aber die Pflanzen wuchsen sofort wundersam nach, zur Verblüffung des empörten Nachbarn.

 

Auch soll – zum Entsetzen von Anwesenden – während Nanak in tiefer Meditation verharrte und ihm die Mittagssonne intensiv ins Gesicht schien, eine Kobra aus ihrem benachbarten Unterschlupf gekommen sein und mit ihrem Kopf das Haupt des Kindes beschattet haben.

 

Im Jahre 1487 heiratete Nanak, hatte zwei Söhne und arbeitete 12 Jahre lang in dem Getreidemagazin des Regionalfürsten in Sultanpur.  

Dann aber, 1496, hatte er eine Erleuchtung, eine Offenbarung: eine göttliche Stimme befahl ihm, seine Familie und Heimat zu verlassen, in die Welt zu ziehen, zu predigen und Liebe und Toleranz zu lehren. Er sah sich selbst weder als Hindu, noch als Muslim, sondern als Mensch Gottes. 

 

In seiner Lehre und Praxis wandte sich Nanak gegen sinnentleerte Rituale und versuchte bestimmte Elemente des Hinduismus und des Islams zu verbinden: Strenger Monotheismus und Bilderfeindlichkeit mit Vorstellungen von Karma und Seelenwanderung, aber Ablehnung des Kastenwesens.

In der Folge zog Nanak mit wenigen Getreuen, anfangs nur mit Mardana predigend und singend durch große Teile der damals bekannten Welt, u.a. soll er im heutigen Pakistan und Bangla Desh, in Ceylon und Assam, in Afghanistan und Tibet, in Persien, der Türkei und in Arabien gewesen sein. Auf seinen mehr als zwei Jahrzehnte dauernden Wanderungen (= „udasis“, Lange Reise) zog Guru Nanak stets die Gastfreundschaft der Armen der der Reichen vor. Nach den Gründen befragt soll Guru Nanak die harte Brotrinde eines Armen und den süßen Kuchen eines Reichen erhoben und zusammengepresst haben: Aus dem Brot tropfte wunderbarerweise süße Milch, aus dem Kuchen hingegen Blut: In dem Kuchen der Reichen verberge sich - führte Nanak aus - immer das Blut, der Schweiß und die Plackerei der Armen.

 

In Mekka angekommen ruhten Nanak und Mardana im Schatten aus. Guru Nanaks Beine wiesen dabei zur Kaaba hin, was ihm als Missachtung des Heiligtums ausgelegt wurde. Nanak entgegnete, für ihn sei Gott überall, man solle ihm für seine Beine die Richtung zeigen, wo Gott nicht wäre.

 

Als Guru Nanak und die Seinen im Herbst 1521 nach Indien zurückkehrten, hatte dort unterdessen die Mogul - Eroberung begonnen. Die Gruppe wurde gefangen genommen und vor Kaiser Babur (+1530) gebracht, der aber von den Lehren und Gesängen Nanaks derart eingenommen war, dass die Gruppe frei gelassen wurde.

Nun gründete der 52jährige Guru (Mardana war 62 Jahre alt) in Kartarpur (= „Gottestadt“) im Pandschab eine landwirtschaftliche Siedlung für seine Gemeinde und seine Familie (seine Eltern, seine Frau und seine Kinder). Die Anhänger Nanaks lebten dort, arbeiteten, beteten und priesen Gott gemeinsam. In der dortigen Gemeinschaftsküche („Langar“) war jeder willkommen: Auch mit „Unberührbaren“ wurde die Tischgemeinschaft gehalten.  

Seinen Nachfolger erwählte der Guru, indem er eines Tages wie zufällig seine Schale in einen Abwasserkanal fallen ließ. Einer seiner Getreuen stieg ohne zu zögern in den Abwasserkanal und barg die Schale – er wurde als Guru Angad Nanaks Nachfolger.

 

Am 22. September 1539 (oder 1538) starb Guru Nanak in Kartarpur. Unter seinen Anhängern brach alsbald ein Streit aus, ob der Guru auf hinduistische Weise verbrannt oder auf muslimische Weise beerdigt werden solle. Wunderbarerweise aber verwandelte sich der Leichnam Nanaks währenddessen in einen Hügel duftender Blüten.

Heute verbrennen die Sikhs ihre Toten wie die Hindus.  

 

Die Sikh - Gemeinden heute beginnen die Feierlichkeiten zu Guru Nanaks Geburtstag zwei Tage zuvor mit einer permanenten Lesung aus dem „Guru Granth Sahib“, dem Heiligen Buch der Sikhs, die bis zum Geburtstagsmorgen andauert. Die Gläubigen versammeln sich im Tempel (Gurdwara), singen gemeinsam Hymnen über Leben und Werk des Religionsstifters und nehmen das gemeinsame Mahl der freien Küche ein.    

 

Der Ort Kartarpur liegt heute im pakistanischen Teil des Punjab, auf der rechten Seite des Flusses Ravi (30.92° N 72.78° O). Der Ort ist nur ca. 3 km von der Grenze entfernt, von der Grenze aus sichtbar.  

Der ehemalige Wohnsitz des Gurus ist schon vor langer Zeit von den Fluten des Flusses davon gespült worden.

 

Vor einigen Jahren stimmte die pakistanische Regierung auf Bitten gläubiger Sikhs der Schaffung eines internationalen Korridors nach Kartarpur zu, so dass Gläubige den als heilig betrachteten Ort besuchen können, an dem der Sikhismus entstand. Es befinden sich dort u.a. drei Mausoleen für Guru Nanak aber auch ein Brunnen, aus dem er Wasser zu Bewässerung der Felder geschöpft haben soll.

 

  © Christian Meyer

 

(traditionell variabel, am 15. Tag im 9. Monat Katik; immer bei Vollmond, bei Katik Poornamashi; nach dem neuen Nanakshahi Kalender der Sikhs liegt der Geburtstag Nanaks unveränderlich am 1. Tag des 2. Monats Vaisakh , nach dem Gregorianischen Kalender am 14. April)