(Abb aus Scholz, a.a.O.). 

 

 

21. März 1685: * Johann Sebastian Bach in Eisenach

 

Johann Sebastian Bach hat unter allen europäischen Konponisten sicher eine Sonderstellung, bei der es allerdings nicht einfach ist, die Gründe für sie anzugeben.

Ein Grund kann darin bestehen, dass Bach, wie vielleicht kein anderer Komponist, viele europäische Musiktraditionen seiner Zeit zu einer Synthese zusammenführte.

Ein weiterer Grund könnte darin liegen, dass Bach keine „Nebenwerke“ geschaffen hat, dass alle seine Kompositionen gleichermaßen sorgfältig „durchkomponiert“ sind. 

 

Der junge Johann Sebastian Bach hatte in von seiner Stelle in Arnstadt einen Monat Urlaub erhalten, aber er reiste – mit seiner Gambe auf dem Rücken – zu Fuß. Er benötigte für die ca. 450 km bis nach Lübeck allein schon 12 Tage im Oktober 1705. Bach reiste zu Studienzwecken, wie es im Nekrolog von 1754 [1] hieß, um „… den dasigen berühmten Organisten an der Marienkirche Diedrich Buxtehuden zu behorchen" (vgl. Abb. unten). 

Sehr wahrscheinlich konnte Bach auch auf der – im 2. Weltkrieg verbrannten – alten Totentanz-Orgel spielen.

Vermutlich war Bach auch an einer denkbaren Übernahme der gut besoldeten Lübecker Stelle interessiert, Buxtehude war bereits 70 Jahre alt. Allerdings war mit der Stelle auch die Heirat mit Buxtehudes Tochter Anna Margaretha verbunden, mit der sich Bach aber der Überlieferung nach immer besser verstand.

Jedoch bewarb sich Bach nicht um die Stelle. Erst im Januar 1706 kehrte Bach nach Arnstadt zurück.  

 

Buxtekudes Orgelspiel beeindruckte und beeinflusste Bachs eigenes Spiel und seine Kompositionen nachhaltig, der Studienaufenthalt blieb „…nicht ohne Nutzen“, wie  im Nekrolog ausgeführt wurde.

Die 1935 verfasste Novelle des (allerdings NS-nahen) Schriftstellers Hans Franck (1879-1964) „Pilgerfahrt nach Lübeck“ (a.a.O.) erzählt von dem Aufenthalt Bachs bei Buxtehude in Lübeck. 

Die Nazis versuchten Bach für ihren Rassenwahn zu vereinnahmen und behaupteten allen Ernstes, die Bachsche Fuge sei „Glaubens- und Blutserbe deutscher Musik, das in dem Thomaskantor sich erfüllen sollte.“

 

 

Viele Werke Bachs sind von anderen Musikern bearbeitet worden. So z.B. die Chaconne d-moll für Violine solo (BWV 1004), die Bach 1720 kurz nach dem Tod seiner ersten Frau Maria Barbara schrieb. 1997 stellte die Musikwissenschaftlerin Helga Thoene fest, dass in der Chaconne Choräle versteckt sind, die um das Thema Tod und Auferstehung kreisen. Johannes Brahms liebte sie sehr und bearbeitete die Chaconne 1877 für Klavier, das nur mit der linken Hand gespielt wird.  

 

 

 

Bis heute wird J. S. Bach von vielen Musikern und Musikliebhabern hoch verehrt, ja z.T. quasi vergöttlicht. „Nicht alle Musiker glauben an Gott, alle aber glauben an Johann Sebastian Bach“ meinte z.B. Mauricio Kagel [2] (1931 – 2008). Claude Debussy sagte: „In der Musik gibt es einen Gott, der ist Bach“.

 

Dmitri Schostakowitsch formulierte in seiner Festansprache bei den Feierlichkeiten zum 200. Todestag J.S. Bachs in Leipzig im Juli 1950: „Es fällt schwer, einen wahren Musiker zu nennen, welcher Bach nicht liebte, nicht bei ihm gelernt hat. Alle, die sich an das Erbe Bachs gemacht haben, fanden in ihm eine unerschöpfliche Quelle gestalterischer Kraft, begeisternden Musikertums“ (Schostakowitsch, zit. n. Scholz, a.a.O.).

Schostakowitsch selbst komponierte – inspiriert von Bach und der damals jungen Pianistin Tatjana Nikolajewa (die er in Leipzig erlebt hatte) – seine 24 Präludien und Fugen für Klavier op. 87, geschrieben zwischen dem Oktober 1950 und dem Februar 1951  

 

Der US-amerikanische, z. Zt. in Berlin lebende Organist und Komponist Cameron Carpenter (*1981) führte zu J. S. Bach aus: „Bachs Orgelwerke sind Schulstunden für jeden Organisten. Seine Musik enthält alles herrliche und alles negative, was die Welt zu bieten hat. So muss es sein, denn Bach besaß kein harmonistisches, sondern ein christliches Weltbild, in dem alles Leid des Menschen mitgedacht ist. ... Ich würde mich nicht wundern, wenn Bach Schwierigkeiten mit der Art hätte, wie ich seine Werke spiele. Mein Bach klingt mehr nach Technicolor – und auch halluzinierender als bei anderen. Ich tue das aber nicht aus Respektlosigkeit. Mein Gott heißt Bach, auch wenn Bach selbst das wohl kaum akzeptiert hätte“ (Carpenter, zit. nach. KonzertNews, 1/ 2023, S. 4).

 

Seit 2013 wird Bachs Geburtstag als Europäischer Tag der Alten Musik begangen.  

 

Ein Sohn von J. S. Bach war der sogenannte Berliner Bach (oder auch „Hamburger Bach) Carl Philipp Emanuel Bach, er starb 1788 in  Hamburg wo er auch begraben wurde.

 

Noch in Berlin wurde ihm sein Sohn Johann Sebastian Bach („der Jüngere“) geboren, er war Bachs „letzter lebzeitiger Enkel“. J. S. Bach der Jüngere (1748 – 1778) wurde nicht Musiker, sondern ein zu seiner Zeit durchaus anerkannter Kunstmaler und starb auf einer Studienreise in Rom, wo er auch auf dem Protestantischen Friedhof begraben wurde, Er entzog sich bereits als junger Mann dem Erwartungsdruck, indem er den Vornamen seines Großvaters ablegte und sich fortan Johann Samuel Bach nannte.

 

 

(unveränderlich, nach dem Julianischen Kalender, der damals in Eisenach noch verwendet wurde; nach dem Gregorianischen Kalender wäre J. S. Bach am 31. März 1685 geboren worden; mit der Regierungsübernahme des Herzogs Johann Wilhelm wurde der Gregorianische Kalender eingeführt: auf den 18. Februar 1700 folgte direkt der 1. März, die dazwischen liegenden elf Tage entfielen)

 
© Christian Meyer

 



[1] Vgl. „Muskalische Bibliothek, oder Gründliche Nachricht…“, 4. Bd. 1. Teil, S. 162; Im Mizlerischen Bücherverlag, Leipzig 1754.

[2] Mauricio  Kagel schrieb eine „Sankt-Bach-Passion für Soli, Chor und großes Orchester“  (uraufgeführt 1985).

 

 

 

 

Thema der Chaconne d-moll; (Abb. aus Siegmund-Schultze, S. 80, a.a.O.).

 

Der Musikforscher Walther Siegmund-Schultze urteilte über die Chaconne, diese habe „.. in ihren 257 Takten als ununterbrochene Variationsfolge über ein in seiner melodisch-harmonischen Spannkraft unvergessliches Chaconne-Thema kein Gegenstück, was logische Konstruktion, technische Brillanz und geistig-emotionale Durchdringung an ihrem dialektischen Kontext betrifft“ (Siegmund-Schultze, S. 79/80, a.a.O.).

1997 stellte die Musikwissenschaftlerin Helga Thoene fest, dass in der Chaconne Choräle versteckt sind, die um das Thema Tod und Auferstehung kreisen. Johannes Brahms liebte sie sehr und bearbeitete die Chaconne 1877 für Klavier, das nur mit der linken Hand gespielt wird. 

Erinnerungstafel in St. Marien an den Besuch J.S. Bachs in Lübeck 1705 von Walter Jahn (1903-1965) aus dem Jahre 1926 (Photo: Werner Beyschwang, 2008)