4. Dezember: Gedenk- und Todestag von Hl Anno II. [0] (Hanno), Erzbischof von Köln (* um 1010 in Altsteußlingen bei Ehingen / Baden-Württemberg , † 4. Dezember 1075 in Siegburg / Nordrhein-Westfalen)

Anno (auch: Hanno, 1056 – 1075 Erzbischof von Köln, Reichsregent seit 1062) war der Sohn des schwäbischen Landadligen Walter von Steußlingen; nach Melchers war Anno der „Sohn eines armen Ritters“ (vgl. Melchers, S. 783, a.a.O.). 

Als junger Mann wechselte er vom Soldaten zum Geistlichen; er studierte an der damals renommierten Domschule zu Bamberg, wurde Propst in Goslar, Domschulmeister („Scholarum magister“) in Bamberg, Rat und Beichtvater von Kaiser Heinrich III. (+ 1056) und Erzbischof von Köln.

Schon unter der Vormundschaft von Kaiserin Agnes kam es zu einer deutlichen Stärkung der Partikulargewalten zulasten der zentralen Reichsgewalt, denn sie gab – um unter den Fürsten Anhänger zu gewinnen – mächtige Herzogtümer aus der Hand: u. a. erhielt Herzog Gottfried Lothringen zurück, dem Grafen Rudolf von Rheinfelden verlieh sie 1057 das Herzogtum Schwaben, das Herzogtum Bayern gab Agnes 1060 an Herzog Otto von Nordheim und dem Grafen Berthold von Zähringen verlieh sie 1061 Kärnten

 

Im April 1062 war Anno führend  an dem „Staatsstreich von Kaiserswerth“ beteiligt: gewaltsam wurde der erst 12jährige Heinrich IV. auf einem Rheinschiff bei der Pfalz Kaiserswerth entführt. Vergeblich versuchte der Prinz von dem Schiff zu fliehen, er wurde gegen seinen Willen nach Köln gebracht. Anno übernahm die Erziehung Heinrichs, seine Erziehung galt als hart und streng. Anno selbst wurde oft als ehrgeizig und  herrschsüchtig beschrieben. 

 

Eine recht ähnliche Darstellung der „Entführung Heinrichs IV. bei Kaiserswerth“ stammt von Anton von Werner.

Durch den Staatsstreich wurde der Kaiserin Agnes [1] die Vormundschaft für ihren Sohn und die Regentschaft im Reich genommen.

Die Vormundschaft ging nun auf Erzbischof Anno über, die Regentschaft übernahmen - neben Anno - Otto von Northeim, Herzog von Bayern, und Ekbert von Meißen. „Nun begann jene Zeit der vormundschaftlichen Regierung, erst unter der des Erzbischofs Anno von Köln, dann unter der des Erzbischofs Adalbert von Bremen, während der mit der unheilvollen Verschleuderung des Reichsguts an weltliche und geistliche Fürsten begonnen wurde, die eine ungeheure Schwächung der königlichen Gewalt bewirkte“ (vgl. Schillmann, S. 10, a. a. O.).

 

In der Salierzeit, auch während der Regentschaft für Heinrich IV. begann sich das Prinzip der Vererbbarkeit von Lehen immer mehr durchzusetzen, eine weitere Schwächung der zentralen Reichsgewalt.

Auch hinsichtlich des erstarkenden Papsttums wurden die Reichsinteressen durch Annos Politik vernachlässigt.

Originellerweise hatte vor allem Kaiser Heinrich III. durch die Einsetzung des (aus Deutschland stammenden) Reformpapstes Clemens II. (Pont. 1046 - 1047) einen Grundstein für die Erneuerung der Kirche und eine Stärkung des Papsttums gelegt.

 

Die cluniazensische  Kirchenreform hatte seit Papst Leo IX. (einem Vetter von Kaiser Heinrich III:) auch Rom erfasst. Die Reformer setzten sich u. a. für die Ehelosigkeit des Klerus (Zölibat [2]) ein, gegen die Simonie (den Kauf oder Verkauf geistlicher Ämter [3]) und für die Unabhängigkeit der Papstwahl [4] ein.

In dem sich damals anbahnenden politisch zentralen Investiturstreit [5] betrieb Anno eine schillernde, unbeständig – unklare Politik zwischen seinem Status als Reichsfürst und der kirchlichen Reformbewegung, die sich v. a. gegen die Laieninvestitur, die Simonie und für die Unabhängigkeit der Kirche, insbesondere der Wahl des Papstes vom Kaiser einsetzte.

Allerdings gelang es Anno seine persönliche Machtbasis im Reich durch die Vergabe von Lehen und Bischofsstellen an Verwandte und Freunde zu verstärken: „Mit der Entwicklung eines differenzierten Gebäudes lehnsrechtlicher Abhängigkeiten erfasste Anno die weltlichen Großen seines Sprengels“ (zit. n. „Reich der Salier“, S. 224, a. a. O.).

Im Jahre 1070 wurden die drei mächtigsten Kirchenfürsten des Reichs, Anno von Köln, Siegfried von Mainz und Hermann von Bamberg wegen Simonie nach Rom geladen, ein damals sensationeller Vorgang [6]. Sie erschienen dort auch und leisteten den Reinigungseid (vgl Schillmann, S. 13, a. a. O,).

Seit Ende der 60er Jahre des 11. Jhdts. übernahm Heinrich IV. die Regierungsgeschäfte immer mehr in die eigenen Hände. Der König gewährte Anno im Jahre 1072 schließlich die Entlassung aus dem Königsdienst. „Aus dem großen Staatsmann wurde Anno von Köln zum Heiligen“ (vgl. Melchers, S. 783, a.a.O.).

Seine letzten Lebensjahre überschattete der Konflikt mit dem aufstrebenden Bürgertum der Stadt Köln, dessen Autonomiestreben Anno gewaltsam zu brechen versuchte.

 

Fraglich bleibt, ob in Köln „.. Gemeinde und Klerus … ihn für dieses hohe Amt nicht für hochgeboren genug“ hielten, und er sich deshalb „… bald von vielen Gegnern umringt (sah), die sein herrschaftliches Regiment nur ungern ertrugen“ (vgl. Melchers, S. 783, a.a.O.).

 

Nach einigen Berichten wurde der Erzbischof 1074 sogar aus Köln vertrieben. Wahrscheinlich kam es am 23. April 1074 zu Tumulten, einem Aufstand in Köln, die erzbischöfliche Residenz wurde erstürmt und verwüstet. Jedoch wurde der Aufstand gewaltsam niedergeschlagen, führende Kölner Bürgerfamilien wurden streng bestraft.

Dennoch heißt es zum Beispiel bei Melchers: Anno habe „viel großes für seine Stadt wie für das ganze Reich getan“ (vgl. Melchers, S. 783, a.a.O.). Betont wird allerdings auch - neben seinem „..stark ausgebildeten Rechtsempfinden“ (bezogen auf die Rechtsvorstellungen seiner Zeit) – sein „jähzorniges Temperament“ (vgl. Melchers, S. 783, a.a.O.).

 

Inwieweit sich Anno nach der Niederlegung der Regierungsgeschäfte tatsächlich „… ganz der Kirchenreform in seiner großen Diözese“ (vgl. Melchers, S. 783, a.a.O.) widmete, bleibt fraglich.

 

Im Jahre 1058 ließ Anno auf dem Siegberg (in Siegburg, an der Stelle einer älteren Burganlage) die Benediktiner – Abtei St. Michael gründen, die „Lieblingsgründung“ des Bischofs (vgl. Henze, S. 652, a. a. O.). Nach dem Kölner Aufstand soll Anno sich in Siegburg Bußübungen unterzogen haben.

Von der ersten, 1066 geweihten Kirche der Abtei sind durch Umbauten und Zerstörungen nur wenige Reste erhalten geblieben.

 

Der Legende nach widerfuhr Anno in Köln eines Nachts ein wundersames Erlebnis. Aus dem Schlafe auffahrend fand er „ sein Zimmer von einem seltsamen Licht erfüllt. Er erblickte dicht um sein Bett geschart viele römische Krieger in goldglänzenden Rüstungen und erkannte in ihnen die heiligen Blutzeugen jener maurischen Kohorte, die einst zusammen mit dem ð hl. Gereon zu Köln ihr Leben für Christus geopfert hatten.

 

Der Anführer der Märtyrer erhob nun mit lauter Stimme Klage wider den Bischof, weil seine Kirche ‚Zu den goldenen Heiligen’ seit ihrer Verwüstung durch Hunnen und Normannen nicht wiederhergestellt worden sei. Auch er, Anno, habe die Heiligen missachtet, als er den Auftrag zum Bau neuer Kirchen erteilte, anstatt zunächst ihre Grabeskirche wieder instandzusetzen.

Zur Sühne für eine solche Vernachlässigung rissen die Märtyrer - Legionäre nun den Bischof aus dem Bett und strichen ihn so lange mit Ruten, bis er ächzend gelobte, das Versäumte raschestens nachzuholen. Andern Tags … aus tiefem Schlaf erwachend, glaubte er geträumt zu haben, doch fand er seinen leib voll blutiger Striemen und erinnerte sich seines Versprechens“ (zit. n. Melchers, S. 784, a.a.O.).

 

Umgehend soll Anno nun die Anweisung zum Wiedruafbau von St. Gereon gegeben haben: dabei fand man unter dem Mosaikfußboden die (angeblichen) Gebeine des Heiligen Gereon und anderer Märtyrer. 

Inwieweit sich Anno tatsächlich für die Wiederherstellung der Kölner ð St. Gereonskirche eingesetzt hat, ist umstritten. 

Anno wurde im Kloster St. Michael in Siegburg begraben. Im Jahre 1948 entdeckte man im Mittelschiff die Grablege Annos: „… zuunterst einen römischen Sarkophag, darüber aufgeführtes Tuffmauerwerk mit inneren Blendarkaden“ (vgl. Henze, S. 652, a. a. O.). 

 

In der Kirche – in der NW – Kapelle, neben dem Turm – wird auch der Annoschrein aufbewahrt, ein kostbares Werk der Goldschmiedekunst von Nikolaus von Verdun und seinem Kreis, entstanden um 1183. Die ca. 1,5 m lange Holzlade mit Satteldach ist nur noch fragmentarisch erhalten geblieben; ein großer Teil des goldenen Figurenschmucks ist verloren gegangen, so auch eine Darstellung Annos und Szenen aus der Vita Annonis (vgl. Henze, S. 653, a. a. O. ).

Im Kirchenschatz der Siegburger Katholischen Pfarrkirche St. Servatius werden zudem noch der so genannte Annostab und der so genannte Konsekrationskamm des Hl. Anno (Elfenbein, 12. Jhdt.) aufbewahrt.

 

Die lateinische Inschrift gemahnt dem Bischof, das Böse zu bezwingen und die ihm anvertrauten Seelen (Vogel) zu beschützen.

Der Stab soll aus dem Sarkophag Annos stammen, könnte aber auch noch von dessen Nachfolger benutzt worden sein (vgl. „Reich der Salier“, S. 332, a. a. O.).  

Anno wurde unter Papst Lucius III. (Pont. 1181 - 85) kanonisiert.

 

Berühmt wurde das „Annolied“, eine auf Mittelhochdeutsch (mit fränkischen und niederdeutschen Mundartelementen) geschriebene Dichtung eines anonymen Mönchs des Klosters Siegburg (im Bergischen Land). Vermutlich beruhte der Text auf einer lateinischen Biographie Annos, die um 1105, vor seiner Heiligsprechung, verfasst worden sein dürfte.

Leider ist das Annolied in keiner Handschrift erhalten geblieben. Martin Opitz (1597 – 1639) verfügte über ein Manuskript der Dichtung [7] und übertrug sie 1639 ins Neuhochdeutsche. In der Einleitung der Übertragung heißt es u.a.:

                               „Wir hörten oft von weltlichen Dingen singen;

                               wie schnelle Degen fochten,

                               wie sie starke Burgen brachen,

                               wie sich liebe Freunde schieden,

                               wie mächtige Könige untergingen –

                               jetzt ist’s Zeit, dass wir bedenken, wie wir selber sollen enden“

                                                                       (Annolied, zit. n. Salzer, Bd.I, S. 90, a.a.O.)

 

Die Dichtung besteht aus 49 Strophen ungleicher Länge mit 876 Versen und vermischt von Schöpfung und Sündenfall bis zum 12.Jhdt. mit großer Gelehrsamkeit Elemente der weltlichen Geschichte (z.B. die Kämpfe zwischen Cäsar und Pompejus) mit religiösen Erzählungen und Sagen. Schließlich werden das Leben und Wirken Annos sowie seine (angeblichen) Wundertaten dargestellt:

 

                               „Christus, der unser Herr gut,

                               Wie manche Zeichen er vor uns thut,

                               Als er auf dem Siegeberg hat gethan

                               Durch den theuren Mann,

                               Den heiligen Bischof Anno

                               Nach seinem Willen“

                               (Annolied, zit. n. Lehmann, Theil I, S. 18, a. a. O.).

 

Anno sei – heißt es im Annolied – „… ein Löwe vor den Fürsten, lammfromm unter kleinen Leuten“ gewesen.

Herder nannte das Annolied „pindarisch“ (vgl. Lehmann, Theil I, S. 1, a. a. O.).

 

Im 13. Jhdt. erschien eine „Vita S. Annonis“ von Levoldus von Northof.

In Köln wird Anno bis heute verehrt: „Seine Fürbitte erweist sich hilfreich bei Gicht“ (vgl. Melchers, S. 783, a.a.O.).

 

(unveränderlich nach dem Gregorianischen Kalender)

 

 © Christian Meyer


[0]  Auch Anno I. war Bischof in Köln, im 8. Jhdt.; u.U. war er der Bauherr der Kölner Stiftskirche St. Severin.

 

[1] Kaiserin Agnes ging daraufhin ins Kloster („sie nahm den Schleier“), - wie es hieß auf ihren eigenen lang gehegten Wunsch hin. Sie starb 1077 in Rom.

[2] Das Zölibat für den Klerus wurde 1074, unter Papst Gregor VII. vorgeschrieben.

[3] Die Lateran – Synode 1059 verbot den Kauf oder Verkauf geistlicher Ämter.

[4] Unter Papst Nikolaus II. (Pont. 1058 - 1061) wurde ein Papstwahldekret erlassen, das die Wahl des Kirchenoberhauptes unabhängig von dem römischen Adel und dem Kaiser machte.

[5] Der Investiturstreit erfuhr erst mit dem Konkordat von Worms im Jahre 1122 unter Heinrich V., dem letzten Salier, einen gewissen kompromissartigen Abschluss. Die Wahl der Bischöfe und Äbte fand nun in Anwesenheit des Königs statt, der aber verzichtete auf die Investitur mit den (geistlichen) Symbolen Ring und Stab. Noch vor der Weihe belehnte der König die Gewählten durch das Symbol des Zepters mit dem Reichskirchengut: die hohen Geistlichen wurden zu Lehensträgern wie die weltlichen Fürsten

[6] 1073 sprach Papst Alexander II. über fünf der wichtigsten Räte des Königs den Bann aus (vgl. Schillmann, S. 15, a. a. O:). Papst Gregor VII. löste im Herbst des Jahres die Räte vom Bann und erteilte dem König Heinrich IV. – vorübergehend – Verzeihung für seinen Umgang mit den Gebannten (vgl. Schillmann, S. 19, a. a. O. ).

[7] Es ist unbekannt, woher die Handschrift kam und wohin sie nach Opitz’ Tod 1639 gekommen ist.

 

Abb.: Gedenktafel für den Hl. Anno an der Dorfkirche in Altsteußlingen (Photo: Christian Meyer, ca. 2008)

 

Abb. aus „Reich des Salier“, S. 331, a. a. O.) , Annostab, 12. Jhdt., 2m  hoher Hirtenstab aus Holz, Elfenbein und vergoldetem Silber. Den Abschluss am Ende der Stabkrümmung bildet eine Schlange, ein Drache, in dessen offenem Maul ein kleiner Vogel sitzt.

Abb.: „Die Entführung Heinrichs IV. bei Kaiserswerth“, Historienbild aus dem 19. Jhdt., aus: „Die Salier – Illustrierte“,  Zeitung zur Salier – Ausstellung in Speyer 1992, S. 4