Die obige Seite eines tunesischen Kalenders des Gregorianischen Jahres 1999 zeigt die drei im Maghreb verwendeten Kalender-Typen, den gregorianischen, den muslimischen und den Berber-Kalender.

 

12./13./14. Januar Neujahr der Berber, „Yennayer [1], ein dreitägiges Fest;

 

Unter den nordafrikanischen Berbern, den Ureinwohnern der Region, v.a. in Marokko, Algerien und Tunesien, sind bis heute drei verschiedene Kalender in Gebrauch: der staatlich verwendete Gregorianische Kalender, der muslimische lunare Ritualkalender und ein alter, agrarischer Sonnenkalender, der „fellahi“ „bäuerlich“ genannt wird. In diesem Berber-Kalender fällt Neujahr auf den 12., 13. oder 14. Januar gregorianisch. Der Kalender ist ein später Abkömmling des von Julius Cäsar eingeführten Julianischen Kalenders, was auch bereits die Datendifferenz von 12 bis 14 Tagen vermuten lässt. Dieser Kalender wurde während der Römischen Herrschaft auch in der Provinz Africa eingeführt und blieb nach der muslimischen Eroberung wegen seiner Orientierung an der Jahreszeiten insbesonderer für die Landwirtschaft bedeutsam. Die Anzahl der Tage in den Monaten, 30 oder 31, entspricht dem der Gregorianischen Monate und der 29. Februar ist alle vier Jahre Schalttag. Aber die Reformen des Gregorianischen Kalenders - mit seinen Schaltjahrsausnahmen - machte der nordafrikanische Bauernkalender nicht mit – daher rührt die oben angesprocheneDifferenz.

Auch die Monatsnamen beweisen die lateinische Abkunft. Diese Monatsnamen werden übrigens sowohl in den Berbersprachen als auch im maghrebinischen Arabisch benutzt. Die Berber der Kabylei in Algerien benutzen folgende Monatsnamen, in anderen Regionen weichen sie geringfügig ab:

 

         

Berber der Kabylei

Deutsch

 

(ye)nnayer

Januar

 

furar

Februar

 

meγres

März

 

(ye)brir

April

 

maggu

Mai

 

yunyu

Juni

 

yulyu(z)

Juli

 

γuct

August

 

ctember

September

 

(k)tuber

Oktober

 

nu(ne)mber

November

 

bu- (du-)jember

Dezember

 

 

 

Die Jahreszählung der Berber geht (angeblich) zurück auf die Thronbesteigung des „libyschen“ (berberischen)  Pharao Scheschonq I. in Ägypten (22. Dynastie) im Jahre 950 v. Chr.

Tatsächlich aber scheint diese Jahreszählung eine Art „erfundener Tradition“ zu sein, die erst in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts auf Initiative der Académie Berbère in Paris aufkam (vgl. http://en.wikipedia.org/wiki/Berber_calendar#Computation_of_the_years).

Jedoch gibt es auch eine mythologische Erzählung der Berber als Hintergrund des Yennayerfestes. Dieser Erzählung nach gab es einst eine alte Frau, die vor der Kraft des Winters keine Demut mehr zeigte, weshalb die Natur sie bestrafen wollte. Der besonders kalte Monat Januar erhielt deshalb einen Tag vom Februar, so dass der Januar einen Tag länger dauerte. Eine Kuh der alten Frau erfror, - sie erkannte wieder die große Macht der Natur. Aus Angst davor, dass sich dies Ereignis wiederholen könnte, feierten die Berber (die Imazighen in ihrer Eigenbezeichnung) seither das Neujahrsfest am Beginn des (julianischen) Januars. 

 

Traditionell werden zum Neujahrsfest jährlich die alten Kochkessel weggeworfen und durch neue ersetzt. Die Frauen und Mädchen färben iihre Hände und Füße mit Henna und tragen alten Familienschmuck und –trachten.

In der Neujahrsnacht kochen auch heute noch viele Berber „Tagulla“, eine Art Mehlbrei, dessen Verzehr mit einem Ritual der agrarischen Zukunftsschau verbunden ist. In dem Mehlbrei wird vor dem Kochen ein Getreidekorn, ein Stück Schilf und ein kleiner Stein verborgen. Angerührt wird der Brei zudem mit Honig, Arganöl (aus den Samen der gelben Beerenfrucht des in Nordwestafrika heimischen Arganbaums – Argan spinosa) und Butter. Beim Essen werden die drei symbolischen Objekte gesucht und gefunden: Wer das Getreidekorn findet, wird im kommenden Jahr ein tüchtiger Bauer sein. Wer den Stein findet, soll die beste Weizenernte erzielen. Wer das Schilfblatt findet, wird bei der Bienenzucht Erfolg haben.

Man trifft sich mit Freunden und Verwandten, isst den Brei, trinkt Tee und ist gemeinsam guter Dinge.

Am zweiten Tag des Festes wird traditionell ein Hahn zum Abendessen gekocht.

Am dritten Festtag wird ein Tajin-Gericht aus Fleisch zubereitet, sowie „Bsis“, ein Brei mit Arganöl und Honig, auch isst man Trockenfrüchte und Granatäpfel.

 

„Assguass Amggaz!“ „Frohes Neues Jahr!“ lautet ein  Neujahrswunsch auf Tamazight, einer der wichtigsten Berbersprachen.

Das Fest verbreitet sich in den letzten Jahren in immer mehr Regionen Algeriens und auch Marokkos, wird regelrecht Mode. In Algerien wurde das Fest 2015 offizieller Feiertag.

Gefeiert wurde das berberische Neujahrfest 2015 u.a. in der Stadt Tizi Ouzou, dem algerischen Berber-Zentrum von der „Bewegung für die Autonomie der Kabylei“ wie auch der „Bewegung für die Autonomie des M’zab“ (vgl. Kebir. 2015, a.a.O.). 

 

(unveränderlich nach dem Julianischen Kalender, nach dem Gregorianischen Kalender am 14. Januar, in Algerien oft am 13. oder 12. Januar begangen)

 


[1] Yennayer“ wird volksetymologisch (in Unkenntsnis der lateinischen Wurzel) auf Amazigh gedeutet als  „yan“ (in vielen Berberdialekten die Zahl „eins“) + (a) yur, („Mond/Monat“), also „erster Monat“ oder auch als „Tor des Jahres”.

 

 

© Christian Meyer