Antonio Vivaldi einfügen (Abb. aus Siegmund-Schultze, S. 53, a.a.O.) .

 

28. Juli 1741Tod Antinio Vivaldis

 

Der venezianische Komponist, Geigenvirtuose und Musiklehrer Antonio Vivaldi [1] (1678 – 1741) war Sohn eines Barbiers und professionellen Cellisten und Geigers [2]. Geboren wurde Antonio von seiner Mutter Camilla Calicchio  (1653-1728) am 4. März 1678, wegen seiner schwächlichen Konstitution erhielt er eine Nottaufe. Zeitlebens litt er an Herzschwäche und einer Form von Asthma.  

Sein Vater Giovanni Battista Vivaldi (1655-1736) war als Violinist u.a. an der Pfarrkirche San Martino und später an San Marco tätig. In San Martino (nahe dem Arsenal) hatte eine Scuola ihren Sitz  

Die Scuole waren venezianische Laienbruderschaften, die religiöse und soziale Aufgaben wahrnahmen und  seit dem 16. Jh. begannen, Organisten und andere Musiker anzustellen.

Zudem hatte der 1690 gegründete „Sovegno di Santa Cecilia“ (ein Zusammenschluss von venezianischen Musikern; auch Geistliche wurden aufgenommen) in der Kirche San Martino in Castello seinen Sitz.

Eine bedeutsame Rolle bei der musikalischen Ausbildung Vivaldis spielten auch die Ospidali, eigentlich Wohltätigkeitsinstitutionen, die aber im 17. Jhdt. zu „Konservatorien“ [3] ausgebaut wurden: auch berühmte Musiker und Komponisten unterrichteten dort. Für Vivaldi wurde das Ospedale della Pietà [4] zur Ausbildungs- und dann zur Lehr- und Arbeitsstätte.   

Der junge Antonio wurde 1703 in der noch heute existierenden venezianischen Kirche San Giovanni Nuovo (nahe dem Markusplatz) zum Priester geweiht. Wegen seiner roten Haare wurde er auch „il prete rosso“, roter Priester genannt. Vivaldi soll in der relativ kurzen Zeit als praktizierender Priester – während er die Messe las – plötzlich „… alles … stehen und liegen (gelassen haben), wenn ihn eine Melodie übermannt hätte. Wegen dieser Unaufmerksamkeit Gott gegenüber bekam er öfter Schwierigkeiten mit Gottes Stellvertretern“ (vgl. Langewiesche, 1962, S. 182, a.a.O.).

Von 1703 – 40 war Vivaldi – unterbrochen von allerlei längeren Reisen – Hauskomponist und Violinlehrer am venezianischen Ospedale della Pietá, einer Art Mädchenkonservatorium, gelegen an der Riva degli Schiavoni (östlich von San Marco). Das Orchester und der Chor des Ospedale waren zeitweise berühmt für ihre hohe musikalische Qualität.

Zudem wirkte Vivaldi jahrelang am Teatro Sant’Angelo (nahe der Rialto - Brücke) als Musikdirektor, Impersario, Komponist und Violinvirtuose. Auch das Theater existiert heute nicht mehr.

Belegt sind u.a. ein längerer Aufenthalt als Kapellmeister beim österreichischen Gouverneur in Mantua (1718-20), in Rom, Florenz, Verrona, Ferrara, Vicenza  und  Reisen nach Amsterdam, Darmstadt und Wien (vgl. Rolland, S. 164, a.a.O.).

Antonio Vivaldi war ein hervorragender, europaweit berühmter Violinist.  Er beeinflusste durch seine zahlreichen Kompositionen viele seiner Zeitgenossen und Nachfahren. Vivaldi komponierte mindestens 49 Opern [5] , mehrere Oratorien, geistliche Werke und Violinsonaten, ca. 500 Solo-Konzerte (vgl. Talbot, S. 55, a.a.O.) für Violine, Viola d’amore, Cello, Mandoline, Flöte, Oboe, Fagott, Trompete und Horn (72 Konzerte wurden gedruckt, viele wurden handschriftlich verbreitet), u.a. die heute wieder sehr populären „Jahreszeiten“. Eine ganze Reihe seiner Kompositionen hatten eine deskriptiven, programmhaften Charakter, so z.B. auch das Flötenkonzert g-moll „La notte“ (RV439), in dem die Furcht vor Unheimlichen und Spuk musikalisch geschildert wird. Im letzten Satz aber gibt einen sanft-erlösender Schlaf wieder.

Das Programm des Flötenkonzerts F-Dur „La tempesta di mare” (RV433) [6] schildert – wie der Name sagt - ein Unwetter auf dem Meer. Auch ohne nähere Erläuterung hört man, wie Vivaldi die verschiedenen Stadien des Sturms abbildet. Beide Flötenkonzerte wurden 1728 veröffentlicht, vermutlich aber früher komponiert. Seine Solokonzerte entstanden v.a. im ersten Jahrzehnt des 18. Jhdts. Seine Solokonzerte entstanden v.a. im ersten Jahrzehnt des 18. Jhdts. Sie waren durch durch die häufigen Gegenüberstellungen von kontrastierenden Solo- und Tutti-Partien besonders abwechselungsreich.

Vivaldi war einer der ersten Komponisten, die von einer viersätzigen zur dreisätzigen Abfolge Allegro –Andante – Allegro übergingen. Vivaldis „… Konzertsatz (kann) als die Leitform der hochbarocken Instrumentalmusik bezeichnet werden“ (Adler, Bd. 2, S. 558. a.a.O.). Eine Fuge bildet z.B. den Schluss des 1. Satzes des Konzertes d-moll (RV 565) aus dem L’estro armonico, das Bach für Orgel bearbeitete (BWV 596).

Auch hat Vivaldi vermutlich die Solo-Kadenzen in die Konzerte eingeführt.

Eines der einflussreichsten Werke Vivaldis ist sein „L’Estro Armonico“ (ca. „Die harmonische Eingebung“), ein Zyklus von zwölf Konzerten für Violinen und Streichorchester. Veröffentlicht wurde das Werk 1711 (als op. 3), jedoch sehr bald in London und Paris nachgedruckt.

Die meisten von Vivaldis Kompositionen sind in einem homophonen Stil geschrieben, „fugale Tutti sind selten“ (vgl. Adler, Bd. 2, S. 556, a.a.O.).

 

Bach lernte - als Weimarer Hoforganist - Abschriften von Solokonzerten Vivaldis  [7] kennen, „… dieser damals ganz neuen Kunst und war davon sofort sehr beeindruckt“ (Siegmund-Schultze, S. 53, a.a.O.). Nicht nur Johann Sebastian Bach studierte Vivaldis Kompositionen, er schätzte sie derart, dass er einige für Cembalo oder Orgel bearbeitete. Er fertigte sich dabei nicht etwa nur eine Art Klavierauszug an, sondern Bach ergänzte Mittelstimmen, belebte Basslinien und fügte imitierende Stimmen ein. J.S. Bach blieb zeitlebens „ein enthusiastisch Lernender” (vgl. Cheung,  S.3, a.a.O.).

Unter anderen beruhen auf Vivaldi-Kompositionen J.S. Bachs 

  • Orgel-Konzert in d-moll, BWV 596  (nach Vivaldis Konzert für 2 Violinen und Cello in d-moll, RV 565)
  • · Orgel-Konzert in a-moll,  BWV 593 (nach Vivaldis Konzert für 2 Violinen in a-moll, RV 522 [8])

  • ·         Orgel-Konzert in C-Dur, BWV 594 (nach Vivaldis Violin-Konzert in D-Dur, RV 208)

1713-1714, in Weimar, bearbeitete Bach mindestens 9 Konzerte Vivaldis, neben den drei Orgelkonzerten  auch sechs Cembalo-Konzerte (BWV 972-3, 975-6, 978, 980).

Der Einfluss Vivaldis (insbesondere des L‘ Estro Armonico) ist bei Bachs frühen Konzerten deutlich. Das gilt auch für die Brandenburgischen Konzerte oder das erst Jahrzehnte später in Leipzig veröffentlichte Italienische Konzert.

Auch eine ganze Reihe anderer zeitgenössischer Komponisten studierten und transkribierten Kompositionen von Vivaldi, so z.B. im Jahre 1717 Johann Gottfried Walther, ein Organist in Weimar, Freund und entfernter Vetter J.S. Bachs. 

 

Vielfach wurde Vivaldi eine Art von „Besessenheit“ bei Komponieren zugeschrieben. So soll er geäußert haben, er „… könne ein Konzert mit allen seinen Stimmen rascher komponieren, als ein Kopist es abschreiben könne“ (zit. n. Rolland, S. 148, a.a.O.).

 

Um 1730 setzte ein Wandel des venezianischen Musikgeschmacks ein, seine Konzerte verloren an Publikum, seine Partituren an Käufern. Aus deisen Gründen vermutlich zog Vivaldi 1740 nach Wien, wor er hoffte ein Anstellung bei Kaiser Karl VI. zu erhalten. Der Kaiser aber verstarb schon im Oktober 1740. Der einstmals bekannteste Musiker und Komponist Europas blieb in Wien unbeachtet von der Musikwelt. Vivaldi starb zehn Monate nach seiner Ankunft in Wien, vearmt und vergessen: Er hatte viel Geld verdient, aber auch viel Geld ausgegeben.

Am 28. Juli 1741 wurde Vivaldi in einem einfachen Grab auf dem Spitaller Gottsacker vor dem Kärntnertor in Wien beigesetzt.  An dieser Stelle befindet sich heute das Hauptgebäude der TU Wien. Unterdessen wurde dort eine Gedenktafel für Vivaldi angebracht. 1972 wurde ihm zu Ehren die Vivaldigasse in Wien-Favoriten benannt.

2001 wurde in Wien im Votivpark ein Vivaldi-Denkmal errichtet. Es zeigt den Künstler zusammen mit drei Musikerinnen.

Bald nach seinem Tode geriet Vivaldi in Vergessenheit und wurde erst im 20. Jhdt. wieder-, viele seiner Kompositionen wurden neu entdeckt.  

 

(unveränderlich, nach dem Gregorianischen Kalender)

 

 © Christian Meyer



[1] Der Name „Vivaldi“ soll aus dem Langobardischen herrühren, von „wigwald“; „wig“  „Krieg“ „wald“ „Kraft, Stärke“ (vgl. Talbot, S. 197, a.a.O.).

[2] Die gleichzeitige Tätigkeit als Barbier und Musiker war im damaligen Venedig nichts ungewöhnliches (vgl. Talbot, S. 30, a.a.O.).

[3] Der Begriff „Konservatorium“ (ital. „conservatorio, vom lat. „conservare  bewahren‘) stand ursprünglich für die Waisenhäuser (Kinderbewahranstalten) in Neapel, die verschiedenen Kirchen zugeordnet waren. Seit dem beginnenden 16. Jhdt. - und später ganz Italien -  bekamen dort Waisenkinder (nicht nur Knaben, sondern auch Mädchen, obwohl es Frauen in jener Zeit verboten war, in Kirchen zu singen) Gesangs- und Musikunterricht, oft von den besten Musikern und Komponisten. So ging der Name Konservatorium  mit der Zeit international auf den Ort musikalischer Ausbildung über.

[4] Mit dem Ende der Unabhängigkeit Venedigs verschwanden die „Ospedali“ als Musik-Institutionen. Nur das Ospedale della Pietà konnte als eigenständige Stiftung  - in einem Neubau aus dem 18. Jhdt. - bis heute mit eingeschränktem Musikprogramm weiter aktiv bleiben.

[5] Vivaldis Oper „Incoronazione di Dario“ (RV 719) wurde 1717 im venezianischen Teatro Sant‘Angelo uraufgeführt und beschloß die damalige Karneval-Saison. Das nahe der Rialto-Brücke am Canale Grande gelegene Theater schloss seine Pforten im Jahre 1804, während der französischen Okkupation der Stadt. An der Stelle des Theaters befindet sich heute ein Hotel. 

[6] Das Ryom-Verzeichnis (RV) ist ein Verzeichnis der Werke Antonio Vivaldis. Es wurde 1973 von dem dänischen Musikwissenschaftler Peter Ryom (* 1937) veröffentlicht und konnte sich langsam in der Fachwelt gegenüber konkurrierenden Verzeichnissen durchsetzen. Ryom ordente die Werke Vivaldis nicht chronologisch, nach ihrer Entstehungszet,  sondern nach Gattung, Besetzung und Tonart.

[7] Prinz Johann Ernst von Sachsen-Weimar (1696-1715) war sehr musikalisch interessiert, erhielt u.a. von Bach Musikunterricht und komponierte selbst. Von einer Kavalierstour brachte der Prinz aus Amsterdam viele Noten des neuesten italienischen Stils mit, u.a. den L’Estro armonico Vivaldis. Der Prinz war von Vivaldis Musik derart begeistert, dass er sie überall hören wollte. Vermutlich beauftragte der Prinz sowohl Bach als auch Walther mit den Vivaldi-Transkriptionen. Der Prinz wurde in der Gruft der Schlo0kirche in Bad Homburg bestattet. Nach seinem Tode veröffentlichte Georg Philipp Teelemann die Konzerte des jung verstorbenen Prinzen.  

 

 

[8] Das a-moll und das d-moll Orgel-Konzert basieren auf zwei Konzerten aus dem „L’estro armonico” (Nr. 8, RV 522, und Nr. 11, RV 565).