Clavius-Briefmarke der vatikanischen Post
Clavius-Briefmarke der vatikanischen Post
Montenegrinische Briefmarke
Montenegrinische Briefmarke

Der Gregorianische Kalender

Das von Julius Caesar 45 v. Chr. in Kraft gesetzte Julianische Jahr ist etwas zu lang (11 Minuten und 14 Sekunden; in 128 Jahren summierten sie sich zu einem Tag), denn der Julianische Kalender legte für jedes 4. Jahr ein Schaltjahr fest. Damit betrug die durchschnittliche Jahreslänge des Julianischen Kalenders 365,25 Tage, ein Fehler, den Papst Gregor XIII. 1582 zu beseitigen trachtete.


Der Julianische Kalender wich durch seine Ungenauigkeit im Verlauf der Jahrhunderte immer stärker von den tatsächlichen Jahreszeiten und den Tagnachtgleichen ab. Insbesondere der Frühlingsbeginn hatte für die Festlegung des Osterfestes grundlegende Bedeutung. Im 16. Jhdt. hatte sich die Differenz zwischen dem kalendarischen Frühlingsbeginn (21. März) und dem astronomischen Frühlingsbeginn (Tag- und Nachtgleiche) auf bereits zehn Tage summiert. Deshalb war die Tag-und-Nacht-Gleiche 1582 auf den 11. März vorgerückt. Das wollte die katholische Kirche nicht länger hinnehmen. Tatsächlich war die Zusammenlegung des „liturgischen" mit dem „astronomischen" Frühlingsbeginn einer der Hauptgründe für die Reform des Kalenders.

Schon zur Zeit des Mathematikers, Astronomen und Astrologen Regiomontanus (eigentlich Johannes Müller, „der Königsberger“, nach seinem bayerischen Geburtsort; 1436  - 1471) gab es Versuche einer Kalenderreform. Im Jahre 1475 wurde Regiomontanus zu diesem Behufe von Papst Sixtus IV. nach Rom berufen, wo er allerdings wenige Jahre später eines plötzlichen Todes starb. Es wurde damals gemunkelt, er sei von eifersüchtigen römischen Kollegen vergiftet worden (vgl. Weismantel, Anhang, S. 405, a.a.O.).  


Zur Kalenderreform setzte Gregor XIII. Jahre zuvor eine Kommission ein, in der Astronomen, Mathematiker und Theologen zusammen arbeiteten. Ein wichtiges Kommissionsmitglied war bis zu seinem Tode 1576 Aloisius Lilius (Luigi Lilio), auf dessen astronomischen Berechnungen der neue Kalender beruhte. Bekannter aber wurde der deutsch-italienische Jesuit, Mathematiker und Astronom Christopher Clavius (ca. 1538 – 1612), der v. a. die abschließenden Arbeiten durchführte.

Clavius wurde 2012 von der vatikanischen Post mit einer Briefmarke geehrt, deren Darstellung sich eng an einen Kupferstich von Francesco Villamena aus dem Jahre 1606 anlehnt. Man sieht Clavius als Mönch mit allerlei Büchern, astronomischen Instrumenten und einem Zirkel in der Hand. Auf dem Tisch steht. Eine Armillarsphäre befindet sich auf dem Tisch, an der Wand hängen zwei Astrolabien und rechts oben das vatikanische Wappen (Abb. s.o.).
Schließlich wurde nach jahrelanger Arbeit 1582 durch die päpstliche Bulle „Inter gravissimas“ [1] der bis dahin in Europa gültige Julianische Kalender abgelöst. Insbesondere wurden die Regelungen für Schalttage verändert. Jedes ohne Rest durch 4 teilbare Jahr ist ein Schaltjahr, außer den Jahren, die genau durch 100 teilbar sind. Die vollen Jahrhunderte sind nur dann ein Schaltjahr, wenn sie sich genau durch 400 dividieren lassen. Deshalb waren die Jahre 1700 oder 1900 keine Schaltjahre, das Jahr 2000 hingegen wohl.


Die Post Montenegros gab im Jahre 2007 eine Briefmarke zum 425. Jahrestag des Gregorianischen Kalenders heraus. Es handelt sich um eine 50-Euro-Centbriefmarke, denn der Euro ist offizielle Währung Montenegros, das allerdings – als Nicht-EU-Mitglied- keine eigenen Euro-Münzen prägen darf (Abb. der Briefmarke Montenegros s.o.).

Neben den Jahreszahlen und einer Taschenuhr findet sich auf der Marke die Angabe von 26‘‘. Diese 26 sec beziehen sich auf die Differenz zwischen der kalendarischen und der tatsächlichen astronomische Länge des Sonnenjahres. Denn auch der Gregorianische Kalender ist etwas zu lang gegenüber den astronomisch gemessenen Sonnenjahr von 365,24219 Tagen. Die Differenz beträgt 365,2425 - 365,24219 Tage = 26,78 Sekunden, d.h. in ca. 3323 Jahren summiert sich die jährliche Differenz auf einen Tag.

Als der Gregorianische Kalender 1582 eingeführt wurde, ließ man zur Anpassung an das tatsächliche Sonnenjahr 10 Tage ausfallen. Die zehn Tage vom 5. - 14. Oktober 1582 wurden einmalig ausgelassen, der 15. Oktober markierte den Beginn des neuen Kalenders. Dabei wurde die Abfolge der Wochentage nicht verändert; auf Donnerstag, 4. Oktober folgte Freitag, 15. Oktober. Der Wochenrhythmus – ein uraltes Kulturgut - wurde vermutlich auch wegen seiner biblischen Verankerung nicht angetastet.
Die Hl. Theresa von Avila verstarb 1582 in der Nacht vom 4. auf den 15. Oktober. Die Einführung des neuen Kalenders hatte zum Ausfall der dazwischen liegenden Tage geführt (vgl. Klein, 1998, S. 238, a.a.O.).

Die Kalenderreform sollte sich sich über das gesamte christliche „Abendland“ erstrecken. In vielen protestantisch dominierten Territorien kam es in der Folge zu einem z.T. heftigen Kalenderstreit, da viele Protestanten, insbesondere zahlreiche Geistliche, dem neuen Kalender allein schon deshalb misstrauten, ihn ablehnten, weil er vom Papst kam, von dem Katholizismus.

Einer der frühen Gegner des neuen Kalenders war der – protestantische -Heidelberger Astronom und Mathematiker Michael Mästlin (1550–1631), ein Lehrer von Kepler. Er war zwar ein Wegbereiter des kopernikanischen Weltbildes, lehnte jedoch den neuen Gregorianischen Kalender grundsätzlich ab. Dies geschah allerdings mehr aus konfessionell-politischen Gründen als aus kalendarisch-astronomischen.

Auch die württembergische Universität Tübingen war ein Zentrum des Widerstandes gegen die Kalenderreform. Der Tübinger Theologe Lucas Osiander veröffentlichte schon 1583 seinen polemischen Traktat „Bedencken, ob der Newe Päpstische Calender ein Notturft by der Christenheit seye“. Er betonte zum einen die ökonomischen Interessen hinter der Reform; die katholische Kirche könne nun statt Ablassbriefen Kalender verkaufen, und wolle für die Kalender ein Monopol aufrichten. Zum anderen sei es schlicht gottlos, vom Papst - dem Antichrist, dem apokalyptischen Tier, der babylonischen Hure - einen Kalender anzunehmen.

Der Kalender galt so als eine unzulässige Einmischung des Papstes in das protestantische Alltagsleben. Mästlins Gutachten führte u.a. zu einer auch kalendarischen Spaltung Europas: Der neue Kalender wurde so in den protestantischen und orthodoxen Ländern erst ab 1700 übernommen.

In der Reichsstadt Augsburg z.B. wurde der Gregorianische Kalender am (julianischen) 14. Februar / dem gregorianischen) 24. Februar 1583 – eingeführt. Da der Rat der Stadt damals relativ stark von Katholiken besetzt war und er bei der Einführung des Gregorianischen Kalenders juristisch bedenklich vorging, wuchs das Misstrauen der mehrheitlich evangelischen Bürger Augsburgs gegen den Rat und den Kalender selbst.

Georg Mylius (1548–1607), Prediger in St. Annen und evangelischer Superintendent in Augsburg, schürte u.a. dieses Misstrauen in seiner Gemeinde, wie manche seiner Schriften belegen.
Der Augsburger Kalenderstreit eskalierte schließlich, als die Protestanten entgegen einem ausdrücklichen Verbots des Stadtrats das Himmelfahrtsfest zum Zeitpunkt des alten Kalenders feiern wollten. Daraufhin wies der (katholisch dominierte) Stadtrat am 3. Juni 1584 (nach dem neuen Kalender) den lutherischen Theologen Georg Mylius aus der Stadt aus, was zu heftigen, auch gewalttätigen Unruhen in Augsburg führte.

 

Heute ist es allerdings umstritten, ob es bei dem Kalenderstreit 1583/84 eher um religiöse, als um ökonomische und politische Fragen ging.  

 

Nur in katholischen Ländern wurde der Gregorianische Kalender sofort eingeführt, in den evangelischen mit jahrzehntelanger Verspätung, zum Teil erst im 18. Jahrhundert eingeführt.
So feierten die Konfessionen die christlichen Feste an unterschiedlichen Tagen, eine Reise durch Deutschland konnte damals eine Art von Zeitreise sein.

Bis zum Jahre 1700 war der Datumsunterschied auf 11 Tage angewachsen, was im Alltagsleben zu vielerlei Problemen führte.

 

Deshalb beschlossen die protestantischen deutschen Fürsten auf dem Reichstag 1699 in Regensburg eine Kalenderreform, wobei sie allerdings nicht einfach den päpstlichen Kalender übernehmen wollten. Vielmahr sollte „… der Unterschied … durch eigenständige, sozusagen evangelische astronomische Beobachtungen aufgehoben werden“ (vgl. BBAdW, S. 14, a.a.O.).

 

Dazu aber benötigte man ein Observatorium. Aus Prestigegründen erklärte sich Brandenburg – das größte protestantische Reichsterritorium -  bereit, ein Observatorium zu errichten, zusammen einer „Sozietät der Wissenschaften“, nach bereits vorliegenden Plänen von Gottfried Wilhelm Leibniz (1672 – 1716). Am 19. März 1700 wurden Sternwarte und Akademie von dem Kurfürsten Friedrich III. bewilligt.  Sitz der Akademie sollte der Marstall an der Straße Unter den Linden sein, im Torhaus sollte das Observatorium eingerichtet werden.

Finanziert wurde die Berliner Akademie durch ein „Kalenderprivileg“.

 

 

Beschlossen wurde die Einführung eines „verbesserten“ Julianischen Kalenders (der aber faktisch der nicht genannte Gregorianische war) schon am 23. September 1699.  Im Jahre 1700 wurde dann auch in den meisten protestantischen deutschen Ländern dieser Kalender eingeführt: Auf den 18. Februar 1700 folgte direkt der 1. März, die dazwischen liegenden elf Tage entfielen). 

Auch der Königlich Dänische Hofastronom Ole Rømer (1644–1710), der bereits die Endlichkeit der Lichtgeschwindigkeit nachgewiesen hatte, beabsichtigte die ärgerlichen „Veteris Styli Errore“, die Fehler des alten Stils zu beseitigen. Auf seine Anregung hin wurde auch in Dänemark - gegen theologische Widerstände - der Gregorianische Kalender am 1. März 1700 eingeführt. Im Februar 1700 wurden die letzten 11 Tage gestrichen, so dass dieser Monat nur 18 Tage hatte. 

In dem Roman „Der Jüngste Tag“ des norwegischen Autors Kurt Aust (*1955) ist die Kalenderumstellung in Dänemark und die damit verbundenen apokalyptischen Ängste ein Teil des historischen Hintergrundes (vgl. Aust, a.a.O.).    

 

England folgte den Beispielen 1752, in Schweden 1753.

In Japan wurde der Gregorianische Kalender 1873 eingeführt, in Rumänien 1917, in Russland 1918 und in der Türkei 1927. So wurde der Gregorianische Kalender „… eines der erfolgreichsten kulturellen Exportprodukte des neuzeitlichen Europa“ (Osterhammel, S. 91, a.a.O.).


Da nach dem Gregorianischen Kalender die vollen Jahrhunderte (außer denen, die durch 400 teilbar sind) keine Schaltjahre sind, wuchs die Differenz zum Julianischen Kalender („alter Stil“) durch die Jahre 1700, 1800 und 1900 auf 13 Tage an. Die bolschewistische Regierung ließ bei ihrer Kalenderumstellung auf den 31. Januar 1918 sogleich den 14. Februar 1918 folgen (vgl. Bechtolsheim, S. 523, a.a.O.).

Im Jahre 1982 gab die Deutsche Bundespost eine 60-Pfg.-Briefmarke zum 400. Jahrestag der Einführung des Gregorianischen Kalenders heraus. Die Abb. (s.u.) auf der Marke basiert auf einer (ursprünglich nicht-farbigen) zeitgenössische Darstellung des Publizisten und Mathematikers Johann Rasch (1540–1612). Rasch hatte die Abb. in zwei Schriften („Ein new alljähriger Calender“) von 1586 und 1590 zur Erläuterung des 1582 eingeführten neuen Kalenders verwendet. Insbesondere durch den Wegfall von 10 Tagen und die neuen Schalttagregelungen gab es einen merklichen Bedarf an allgemeinverständlichen Schriften zum neuen Kalender. Ein Exemplar der Schrift befindet sich heute in der Sächsischen Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden.
Der Mathematiker Manfred Börgens (*1953, Hochschullehrer an der Technische Hochschule Mittelhessen Gießen-Friedberg und Spezialist für Mathematik auf Briefmarken) interpretierte die kreisförmige Darstellung, bei der sich innerhalb von zwei äußeren Ringen vier Kreis-Sektoren befinden. Außerhalb der Außenringe steht in den 4 Ecken: Tempus (lat.), Zeit, Coelum, (lat.) Himmel, Pascha, Ostern und Aequinoct(ium),  Äquinoktium, Frühlings- und Herbst-Tag-und–Nachtgleiche.
In den beiden Kreisringen sind die zwölf Tierkreiszeichen in bildlicher und symbolischer Darstellung ausgeführt. In den oberen der Kreis-Sektoren stehen sich – vermutete Börgens – die Theologie und die Wissenschaft gegenüber, vielleicht ein Hinweis auf die Wissenschaftler, die an der Kalenderreform beteiligt waren. Der Wissenschaftler, wohl ein Astronom, ist umgeben von der Sonne sowie drei Sternen, in der Hand hält er eine Armillarsphäre, das bis zur Einführung des Teleskops modernste astronomische Gerät. Die Sonne könnte eine Anspielung darauf sein, dass es sich um einen Sonnenkalender handelt.
Der Theologe ist umgeben von drei Kreuzen und dem Mond, der eine Anspielung auf die Osterberechnung sein könnte. Auf dem Arm trägt er ein Lamm mit der Kreuzesfahne.
Die Bedeutung der Darstellungen in den unteren Kreis-Sektoren ist dunkel und ungewiss. An der senkrechten Trennlinie zwischen beiden Sektoren begegnen sich – wie Börgens anführte - zweimal die Tierkreiszeichen Fische und Widder, die den Frühlingsanfang zwischen sich einschließen.
Im linken Sektor steht „Signor", im Italienischen „Herr", was eine Anspielung auf den österlichen Herrn Jesus sein könnte. Im rechten unteren Kreis-Sektor steht „Aequinoc(tium)", wieder für „Tag-und-Nacht-Gleiche". Die Zahlen in den unteren Kreis-Sektoren blieben – auch für den mathematischen Philatelisten Manfred Börgens - rätselhaft. Das linke Tier wirkt ein Lamm (ein möglicher Bezug zum österlichen Opferlamm), das rechte wie ein Widder (dieses Sternzeichen umfasst auch das Frühlingsäquinoktium).
Über dem Kreismittelpunkt steht „PAR“, was Börgens als Signatur des ansonsten unbekannten Graphikers deutet (vgl. dazu: http://homepages-fb.thm.de/boergens/marken/briefmarke085entwurf.htm).

 

Eine Abb. der Titelseite der Schrift von Johann Rasch (Abb. aus http://digital.slub-dresden.de/

werkansicht/dlf/12180/3/cache.off ) befindet sich am Ende dieses Textes.

Das längste Jahr im bislang praktizierten Gregorianischen Kalender war das Jahr 1972. Es war nicht nur als Schaltjahr um einen Tag sondern zudem noch um zwei Schaltsekunden länger als üblich. Die kürzesten Jahre waren 1582, als durch die Einführung des neuen Kalenders die 10 Tage übersprungen wurden, sowie das Jahr 1918 als durch die Einführung des Gregorianischen Kalenders in Rußland 13 Tage ausgelassen wurden.

 

Der französische Soziologe Auguste Comte entwarf 1849 einen Reformkalender ("Positivisten-Kalender") mit 13 Monaten zu je 29 Tagen und „... eine Art von Bonustag außerhalb des Systems“ (vgl. Osterhammel. S. 91, a.a.O.). Die Monate benannte er nach berühmten Persönlichkeiten, so Moses, Homer, Aristoteles, Archimedes, Julius Caesar, Paulus, Karl der Große, Dante, Gutenberg, Shakespeare, Descartes, Friedrich II. von Preußen und Xavier Bichat (ein seinerzeit berühmten französischen Mediziner) – eine sehr eurozentrische Auswahl ohne eine Frau. Es gab für diesen Reformversuch keine Realisierungschance.


© Christian Meyer

 

[1] Mit der (natürlich lateinischen)  Bulle Inter gravissimas vom 24. Februar 1582 wurde durch Papst Gregor XIII. der nach ihm benannten Gregorianischen Kalender eingeführt. Alle päpstlichen Bullen werden bis heute nach ihren Anfangsworten („Incipit“ „es beginnt“) benannt: „Inter gravissimas bedeutet: „Zu den wichtigsten… (Aufgaben unseres Hirtenamtes …)“. Denn schon das Konzil von Trient hatte u.a. die Festlegung des Ostertermins und der mit Ostern verknüpften Feiertage gefordert, wobei das Osterberechnung auf korrekter astronomischer Grundlage erfolgen solle.

 

 

Titelseite der Schrift von JohannRasch
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Briefmarke der deutschen Bundespost
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