Babylonischer Kalender

 

Im alten Mesopotamien war die hochentwickelte Astronomie u.a. Folge eines zyklischen Zeitverständnisses. Man ging davon aus, dass das irdische Weltgeschehen aus den himmlischen Zeichen vorherzusagen sei.  Da die Sternkonstellationen sich wiederholten, glaubte man dies auch von den realen irdischen Geschehnissen, seien es Kriege, Teuerungen, Seuchen u.ä..

 

Die babylonische Sternkunde war eng verknüpft mit astrologischen Überlegungen und verschiedene Sterne –Planeten waren bestimmten Ereignistypen zugeordnet.

 

Der Planet Mars z.B. war (vielleicht) wegen seiner rötlichen Färbung dem Krieg, Sommerhitze, Unheil, Seuchen etc. zugeordnet, und Nergal war der dafür zuständige Gott.

 

Nergals Verehrung ist bereits seit ca. 2600 v. Chr. belegt, seine Tempel waren in ganz Mesopotamien zu finden (vgl. Pedde, Teil 3, S. 6, a.a.O.). Ein Hauptheiligtum Nergals befand sich in Katu nordöstlich von Babylon.

 

Nergal wurde über einen langen Zeitraum an vielen Orten verehrt, ein deutliches Indiz dafür, dass er nicht nur gefürchtet wurde, sondern dass er auch versöhnlich gestimmt werden sollte. Friedfertig klingt daher ein Gebet an Nergal: „Zusammen mit Sin [dem Mondgott] erschaust du am Himmel das All“ (vgl. Pedde, Teil 3, S. 7, a.a.O.).  

 

Zum Beispiel waren Stadttore von den assyrischen Städten Assur und Ninive nach Nergal benannt, standen unter seinem besonderen Schutz.

 

Dargestellt wurde der Kriegsgott Nergal in der Regel bewaffnet, zum Beispiel mit einem Krummschwert oder einer löwenköpfigen Doppelkeule. (vgl. Abbildung aus Pedde, Teil 3, Seite 6, a.,a.O.).

 

 

 

Abbildung einfügen Nergal

 

 

 

Das Begleittier Nergals war ursprünglich der Stier, später ein Löwe und bei den Parthern sogar der mehrköpfige Höllenhund Zerberus (vgl. Pedde, Teil 3,  S. 6, a.a.O.).

 

Die Helligkeit des Planeten Mars schwankt erheblich, was auch schon den babylonischen Astronomen aufgefallen sein muss, sie haben es auf ihre – astrologische - Weise gedeutet. So heißt in einer babylonischen Überlieferung: „Wenn (das Licht des) Mars schwach wird, ist das gut. Wenn es hell wird: Unglück.“ (Pedde, Teil 3, S.7, a.a.O.).

 

 

 

 

Prof. Dr. Walther Sallaberger (Ludwig-Maximilians-Universität München)  referierte am 10. November 2021 über die Anfänge des Kalenderwesens in Mesopotamien. Schon in der Frühen Bronzezeit (im 3. Jtd. v. Chr.) wurde in den Städten Mesopotamiens Keilschrifturkunden verwendet, um z.B. eine gerechte Verteilung von Gütern (Wasser) und Steuerlasten zu erreichen. Hier wurden erstmalig in der Geschichte Daten mit Tagen, Monaten und Jahren schriftlich erfasst. Frühzeitig entstand hier ein Kalendersystem mit zwölf Monaten und einer Zählung von Jahren.

 

Im alten Mesopotamien wurden einige Varianten von Mondkalendern benutzt. Der babylonische Kalender war ein gebundener Mondkalender, vielleicht der früheste Kalender dieser Art. Das Jahr umfaßte 12 Mondmonate zu abwechselnd 30 und 29 Tagen. Ein gewöhnliches babylonisches Mondjahr umfaßte von daher 354d. Aber das Mondjahr wurde den Jahreszeiten des scheinbaren Sonnenlaufes angeglichen: erst wurde empirisch ein 13. Schaltmonat eingefügt, durch einen entsprechenden Befehl des Königs. Zum Beispiel sind dazu Briefe von Hammurabi, und aus der Zeit Nabonids und Kyros’ aufgefunden worden. Später wurde systematisch ein 13. Schaltmonat eingefügt. Erst ab ca. 380 v. Chr. wurden in einem Zyklus von 19 Jahren 7 Schaltmonate eingefügt (vgl. Edzard, Bd.5, S.298, a.a.O.). 19 Sonnenjahre (gerechnet mit 365d) ergeben zusammen 6935d. 19 gewöhnliche babylonische Mondjahre, d.h. 228 Lunationen zu 29,5d ergeben zusammen nur 6726d. Fügt man hingegen noch 7 weitere Lunationen hinzu, so nähern sich die Zyklen einander an: 235 Lunationen = 6932,5d. Deshalb wurden beim babylonischen Kalender jedes 2., 5., 8., 10., 13., 16. und 19. Jahr des Zyklus zu ein Schaltjahr mit 13 Mondmonaten erklärt. Die Schaltmonate wurden im allgemeinen nach dem Monat „Addaru“ (der vor der Frühlingstagundnachtgleiche lag) oder im letzten Jahr des Zyklus nach dem Herbstmonat „Ululu“ eingeschoben.

Um zu gewährleisten, dass der Monatsanfang immer mit dem Neumond zusammenfällt, verlängerte man die Schaltjahre noch um einen Tag.

 

      Die Monatsnamen für den babylonischen und davon abgeleitete Kalender

 

Nr.

  Babylonisch

   Hebräisch

 Pers./Achäm.

     Syrisch

  Makedonisch

Alt-Römisch*

 

 

 

 

 

 

  Martius **

   1

   Nisanu

     Nissan

 Adukanischa

     Nisan 

   Artemisios

   Aprilis

   2

  Aiaru

     Ijjar

 Thuravahara

      Ijar

   Daisios

   Maius

   3

  Simanu

    Siwan

Thaigartschisch

     Hasiran

   Panemos

   Junius

   4

  Du’uzu

    Tammus

  Garmapada

     Thamus

    Loios

   Quintilis

   5

  Abu

    Aw

Turnabasisch

      Ab

    Gorpiaios

   Sextilis

   6

  Ululu

    Elul

Karbaschijasch

      Elul

Hyperberetaios

   September

   7

  Taschritu

    Tischri

  Bagajadisch

   Tischri I

      Dios

   October

   8

 Arah’samnu 

Marcheschwan  

Markaschanasch

   Tischri II

  Apellaios

   November

   9

  Kislimu

    Kislew

    Açijadija

   Kanun I

   Audynaios

   December

  10

  Tebetu

    Tebeth

    Anamaka

   Kanun II

   Peritios

   Januarius

  11

  Schabatu

    Schewat

    Samimasch

    Schebat

    Dystros

   Februarius

  12

  Adaru

    Adar

    Vijachna

       Adar

    Xanthikos

 

 

Die babylonischen Schaltmonate waren Ululu II oder Adaru II.  Die Persisch / Achämenischen Schaltmonate waren analog dazu Karbaschijasch II oder Vijachna II.

* zum Vergleich die altrömische Monatsabfolge

Der Monatsname „Taschritu“ bedeutete im Akkadischen „Beginn“, ein Indiz dafür, daß auch diese Monatsabfolge nicht immer so gewesen war.

** hier erfolgte der Jahresanfang einen Monat früher  

 

Im babylonischen Mondkalender galt jeweils der 7., der 14. , der 21. und der 28. Tag des Monats als Unglückstag, an dem man bestimmte Arbeiten vermeiden mußte. Unter Umständen liegt hier die Wurzel des geheiligt - arbeitsfreien   es im Judentum (vgl. Endres, S. 145 /146, a.a.O.).

Die Jahre wurden in Babylon - wie in den meisten anderen alt - mesopotamischen Staaten oder in Japan - nach der Regierungszeit der jeweiligen Herrscher periodisiert und numeriert. Rim - Sin zum Beispiel beherrschte Larsa (das heutige Senkere im südlichen Irak) ca. von 1758 bis 1698 v. Chr. Das Jahr 14 der Herrschaft von Rim - Sin entspricht also etwa dem Jahr 1744 v. Chr.

Zusätzlich wurden den Jahresnummern bestimmte Formeln charakterisierend hinzugefügt, nach wichtigen Ereignissen des Jahres: das Jahr des Kanalbaus in x, der Eroberung von y, Schuldenerlasse, kultische Angelegenheiten etc. Mehr als ein Drittel der Jahresformeln zum Beispiel der 43 Regierungsjahre Hammurabis beziehen sich auf kultische Angelegenheiten: die Stiftung von Götterbildern, die Renovierung von Tempeln oder die „Einweihung eines Götteremblems aus funkelndem Gold, das vor dem Heer einherzieht“ (vgl. Klengel, S. 179, a.a.O.). Der große Anteil kultischer Angelegenheiten an den  Jahresformeln kann als ein Indiz für den hohen Stellenwert angesehen werden, den man ihnen zumindest in der frühen Zeit zumaß.

Immer wieder wurden von den Herrschern Seisachthien, Schuldenerlaßjahre verkündet, um einer Verarmung der Mittelschichten zu begegnen und ihre Loyalität zu sichern. Dies geschah v.a. am Beginn der Regierunsgzeit eines Herrschers: Schuldenurkunden wurden zerbrochen, Steuerrückstände erlassen etc. (vgl. Klengel, S. 121, a.a.O.).

Der babylonische Kalender wurde von vielen anderen orientalischen Staaten übernommen. Die persischen Achämeniden übernahmen den Kalender und die Datierungen von Babylon, verwendeten allerdings eigene landessprachliche Monatsnamen (s.u.). Auch der heutige jüdische Kalender beruht auf dem Kalender Babylons. Das babylonische Kalendersystem existierte im Nahen Osten bis zur Eroberung durch die muslimischen Araber im 7. / 8. Jahrhundert.

Unsere Einteilung des Monats in vier Wochen, unserer Uhr in 12 (statt 24) Stunden, unserer Stunden in 60 Minuten und unserer Minuten in 60 Sekunden, der Vollkreis in 360 ° - all das geht auf babylonische Einrichtungen zurück.

Die Babylonier hatten ein Sexagesimalsystem (von lat. „sexagesimus“ 60) , d.h. ein Zahlensystem auf der Basis von 60 (mit dekadischen Elementen). Zum Beispiel wurde die dekadische Zahl 546 702 ausgedrückt durch:

 

 

2 hier fehlt noch  mathematische Ausdrücke, den ich bislang hier nicht einzugeben weiß!


432 000 + 108 000 + 3600 + 3000 +60 + 42 = 546 702

 

 

Mit dem babylonischen Sexagesimalsystem kam ein echtes Stellenwertsystem mit nur zwei Zifferzeichen auf:  für 1 und  für 10. Zudem wurden ein kleiner Keil für 1 und ein größerer Keil für 60 (die „große Eins“) unterschieden (vgl. Endres/Schimmel, S. 271, a.a.O.). .   

 

Mit diesen Zeichen wurden additiv die Zahlen 1 bis 59 und darüber hinaus gebildet, wobei sich der tatsächliche Wert durch die Position im der Ziffernabfolge, im Stellenwert ergab.

 

Das Rechnen mit einem Sexagesimalsystem hatte angesichts der vielfältigen Teilbarkeit der 360 Vorteile:

 

360 ist ohne Rest teilbar durch 1,2,3,4,5,6,8,10,12, 15, 18, 20, 24, 30, 36, 40, 45, 60, 90, 120 und 180

 

100 dagegen nur durch 1,2,4,5,10,20,25 und 50.

 

Auch unsere traditionellen Rechengrößen vom Dutzend (12) und Schock (60) haben in den Kopf-Rechenvorteilen eine Ursache.  

 

 

 

Sexagesimalsystem in Form der Keilschrift - Beispiele der babylonischen Keilschrift:

 

1

2

3

4

5

6

7

8

9

 

                 

10

11

12

13

14

15

16

17

18

19

                   

20

30

40

50

           
                   

 

Weitere Zahlenbeispiele:

 

 = 62,  = 122 und  = 129.

 

(Aus: https://de.wikipedia.org/wiki/Sexagesimalsystem)

 

 

Das babylonische Sexagesimalsystem wurde auch in der Astronomie verwendet.

 

Plutarch meinte, die 60 sei „… das erste Maß für die, welche sich mit Himmelserscheinungen beschäftigen“ (Plutarch, zit. n. Endres/Schimmel, S. 272, a.a.O.).  Auch im antiken Griechenland wurde das Sexagesimalsystem rechnerisch verwendet, so z.B. durch Hipparchos vin Nikaia ( vgl. Altgriechischer Kalender) bei der Errechnung von Sehnentafeln (vgl. Irmscher, S. 616, a.a.O.).

 

 

Inwieweit auch die kalendarische Einteilung in Jahrsechzigen eine babylonische Wurzel hat, ist m.E. unklar (vgl. Endres/Schimmel, S. 271 f., a,a,O.).  

 

 © Christian Meyer

 

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