28. Juni:  Christopher - Street - Day (CSD)

 

Vom 26. bis zum 28. Juni wird traditionell der Christopher Street Day  gefeiert. Seinen Ursprung hat dieser Gedenktag in New York. Am 28. Juni 1969 setzten sich in der dortigen Christopher Street erstmals Homosexuelle erfolgreich gegen die alltäglichen homophoben Polizeirazzien etc. in den Szenebars und – kneipen (insbesondere der Kneipe „Stonewall Inn“) zur Wehr: ein bedeutendes Ereignis für die weltweite Emanzipationsbewegung der Lesben und Schwulen. In Aktionstagen (in der Regel an einem Wochenende nahe dem 28. Juni) wird seither in vielen Städten weltweit an das erste Aufbegehren erinnert, aber auch aktuelle politische Forderungen erhoben, getanzt etc.

Auch in Berlin fanden in den letzten Jahrzehnten „Paraden“ zum  CSD statt. Die erste Demonstration im Jahre 1979 hatte wenige hundert Teilnehmer, die z. T. vermummt über den Kurfürstendamm zogen.

Am 1. Juli 1995 waren es ca. 30 000 Lesben, Schwule und ihre Freunde, die sich in Berlin offen für ihre Gleichberechtigung in allen Bereichen einsetzten.

Im Jahr 1998 war der CSD  der verstorbenen Lotti Huber gewidmet (vgl. TAZ,  19.06.1998,  S. 24) .

Veranstalter der Parade in Berlin ist unterdessen der Berliner CSD e.V.

Anlässlich des CSD 1998 kam es zu einem heftigen Konflikt zwischen dem Innensenator Jörg Schönbohm (CDU) und einigen Berliner Bezirksbürgermeistern wegen deren Absicht zum  Christopher Street Day  die Regenbogenflagge [1] zu hissen. In einem Brief an den - grünen - Bürgermeister Tiergartens, Jörn Jensen vom Mai warf Schönbohm ihm "Inkompetenz" und "absurdes Handeln" vor. Das Aufziehen der Fahne verstoße außerdem gegen die geltende Flaggenverordnung (vgl.TAZ,  19.06.1998,  S. 24).

Mitte Juni 1998 warf Schönbohm dann elf Berliner Bezirken, die zum  Christopher Street Day die Regenbogenflagge hissen wollen, erneut vor, sie seien "ideologisch verblendet" und würden Berlin "lächerlich" machen.

Die Regenbogenflaggen seien - wehrte sich Jörn Jensen - ein Symbol der Toleranz gegenüber Schwulen und Lesben und belegten die weltoffene Haltung der Stadt Berlin. Schönbohms Verhalten hingegen sei dagegen "klein kariert und selbst ideologisch verblendet", meinte Jensen (vgl.TAZ,  19.06.1998,  S. 24).  Außerdem sei die Beflaggung zulässig, da die Bezirke zu besonderen Anlässen andere Fahnen hissen könnten. Nach Schönbohms enger Auslegung dürften einzig „Hoheitszeichen" gehisst werden.

Jensen führte, dass der Innensenator selbst diese Regelung nicht eingehalten habe, als er zur Erinnerung an die Luftbrücke weiße Fahnen hochziehen ließ.

In den vergangen zwei Jahren beteiligen sich immer mehr Berliner Bezirke an der Regenbogenflaggen - Aktion. Beim Berliner Schwulen- Verband, der die Flaggen an die Bezirke verteilt, kam es zu Engpässen. Aufgrund der Intervention des Innensenators dürften  vielen Berlinern erstmals die Regenbogenfahnen aufgefallen sein, eine unbeabsichtigte Werbewirkung

Unterdessen setzte auch ein Umdenken in der Berliner CDU ein. Zu der CSD – Parade 2002 sponsorten einige Mitglieder des Landesvorstandes der Berliner CDU einen Paradewagen mit Live – Musik (vgl. „Queer in Berlin“, Regional, Oktober 2002, S.6).

Im Jahre 2003 wurde der CSD zum 25. Mal in Berlin begangen, diesmal unter dem Motto „Akzeptanz statt Toleranz“. An dem Umzug nahmen insgesamt 58 Wagen teil (u.a. von den Jungen Liberalen Berlin, dem Bündnis 90 /Die Grünen, der Polizei, der BVG, von ver.di und der GEW). Die Angaben zu den Teilnehmerzahlen schwankten zwischen 150 000 und 600 000.

Der CSD reiht sich unterdessen ein in den Kranz eines bacchanalisch anmutenden „neuen Festtyps“ (wie der Karneval der Kulturen oder die Love Parade), der gekennzeichnet ist durch u.a. stundenlange Musik und Tanz, durch z.T. schrille Verkleidungen, intensive Partnersuche („Ich suche Dich“ – Aufkleber) und sehr viel Alkohol bzw. andere Drogen.  

Ein besonderes Problem wird zum CSD immer stärker thematisiert: bis heute stehen gleichgeschlechtliche sexuelle Beziehungen in 22 muslimisch - dominierten Ländern unter Strafe.

Der traditionelle Islam lehnt – auch darin dem traditionellen Christentum ähnlich – Homosexualität als eine „… Verletzung göttlichen Rechts“ ab, sie verhindere „ … die Erfüllung des Sinns männlicher Sexualität nach Fortpflanzung“ (vgl. „Queer in Berlin“, Regional, Oktober 2002, S.6).

Die schwul – lesbisch – muslimische Organisation „Queer Jihad“ veröffentlichte im September 2002 eine Schätzung, nach der weltweit ca. 50 Mio. Muslime (d.h. ca. 5 % aller Muslime) homosexuell seien. „Al Fatiha“ [2] errechnete, dass seit 1979 allein Im Iran ca. 4000 Homosexuelle hingerichtet wurden. 

Im Irak warden seit langem Homosexuelle diskriminiert, brutal verfolgt, vergewaltigt und ermordet, sowohl von den schiitischen Milizen als auch von dem IS: „Kürzlich veröffentlichte die Terrorgruppe Videos, in denen der Homosexualität bezichtigte Männer von Hochhausdächern geworfen wurden“ (Aikins, S. 5, a.a.O.).   

In Saudi-Arabien ist Homosexualität nicht nur gesellschaftlich tabuisiert, sie wird mit Gefängnis, Folter und auch dem Tod bestraft. Immer wieder werden männliche Homosexuelle öffentlich enthauptet.

Die saudische Religionspolizei, das „Komitee für die Verbreitung von Tugendhaftigkeit und Verhinderung von Lastern“, überwacht die Gesellschaft auch hinsichtlich von Homosexualität.   

Der Dokumentarfilm „Ein Sünder in Mekka“ des indischstämmigen Filmemachers Parvez Sharma zeigt seine eigene Hadj die eines gläubigen, offen schwulen Muslim, der in New York mit seinem US-amerikanischen Partner verheiratet ist. Heimlich filmte er in Mekka und Medina einige Stationen seiner Wallfahrt. Der Film wurde am 6. November 2015 um 22.55 Uhr auf ARTE gezeigt.

 

Am Sonnabend, dem 27. Juni 2015 fand in Berlin wiederum die CSD-Parade statt, die vom Wittenbergplatz zum Brandenburger Tor führte und von vielen Tausenden Zuschauern am Straßenrand angesehen wurde. Es gab wiederum die Prämierung von Paradewagen (einer stammte erneut von CDU-Mitgliedern), auf der Straße des 17. Juni wurde bis zum späten Abend weiter gefeiert, musiziert und getanzt.

Auffällig war ein Stand der israelischen Botschaft in Berlin, der werbe-und Informationsmaterial zur Situation der Homosexuellen in Israel verteilte (a.a.O.).

Tatsächlich ist Israel im Nahen Osten einen Leuchtturm hinsichtlich der Lage von Homosexuellen, ihrer Gleichberechtigung und –behandlung. Tel Aviv, wo seit 1998 jährlich die „Gay Parade“ gefeiert wird, an der jeweils zehntausende Besucher aus vielen Ländern teilnehmen, gilt unterdessen als die „Schwulenhauptstadt des Nahen Ostens“. Zudem spielen offen schwule oder lesbische Personen in der israelischen Öffentlichkeit, in Kunst, Kultur, aber auch in der Politik eine zunehmend wichtige Rolle.

Betont wird in der Informationsbroschüre der Botschaft, dass seit 2007 gleichgeschlechtliche Paare ihre im Ausland geschlossene Ehe in Israel registrieren und als gültig anerkennen lassen können, hingewiesen wird jedoch auch darauf, dass es in Israel bis heute keine Zivilehe, sondern nur religiöse Eheschließungen gibt.

Gleichgeschlechtliche, registrierte Paare sind in Israel voll erbberechtigt, auch hinsichtlich von Pensionszahlungen und medizinischen Leistungen gleichgestellt. Adaptionen, die von gleichgeschlechtlichen Paaren im Ausland illegal durchgeführt wurden, werden von israelischen Familiengerichten anerkannt.

 

Im Sommer 2015 wurde eine Umfrage unter den Berliner CDU-Mitgliedern zur „Homo-Ehe“ durchgeführt.

Zusätzlich zu den Unterlagen der Befragung erhielten die Mitgleider Informationsmaterialien von Gegnern und Befürwortern der „Homo-Ehe“. In dem Offenen Brief der Gegner heißt es: „Eine Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Partnerschaften und die damit verbundene Aufgabe des traditionellen Eheverständnisses stellt die Werteordnung unserer Gesellschaft in einem für uns grundlegenden. Punkt infrage. Die Ehe soll ohne Not neu definiert werden und damit als gesellschaftliche Institutionen in ihrer jetzigen Form nicht erhalten bleiben. Dies lehnen wir ab“. Der Brief wurde von 17 der 39 Berliner CDU-Abgeordneten unterzeichnet (vgl. Berliner Morgenpost, Wochenend-Extra, 4./5. Juli 2015, S. 2).

Die Auszählung der Mitgliederbefragung innerhalb der Berliner CDU soll bis zum 24. Juli 2015 erfolgt sein.

 

(unveränderlich, nach dem Gregorianischen Kalender)  


© Christian Meyer



[1] Die Regenbogenflagge mit den Farben rot - orange - gelb - grün - blau - indigo - purpur  wurde 1978 von Gilbert Baker aus San Francisco entworfen. Sie sollte ein neues Symbol der Homosexuellenbewegung sein und das aus den faschistischen Konzentrationslagern stammende Rosa Dreieck ergänzen. Die Regenbogenflagge wurde erstmals 1978 bei der "Gay & Lesbian Freedom Parade" in San Francisco benutzt. Diese Flagge wird auch durch den Internationalen Kongress der Flaggenmacher anerkannt.

Die Bedeutung der einzelnen Farben ist jedoch umstritten. Eine Deutung ist folgende: die Farbe rot: Wärme, Toleranz, Liebe; orange: Freude, Gesundheit; gelb: für Menschen, die sich noch nicht "geoutet" haben ; grün: für Menschen, die sich für die Rechte von Homosexuellen einsetzen ; blau: für Lesben und Schwule, die in einer feindlichen Umgebung leben ; indigo: die Wut und der Zorn über Diskriminierung ;  purpur: für den Wut von HIV - positiven Menschen und ihren Freunden. 

[2] „Al Fatiha“ ist ein Netzwerk lesbischer, schwuler, transsexueller und transgender Muslime mit weltweit ca. 900 Mitgliedern. Benannt ist die Organisation nach der Al Fatiha – Sure, der eröffnenden ersten Sure des Korans.

Abb. Titelseite der Informationsbroschüre der Israelischen Botschaft (a.a.O.).