20. Juni: Tag des Flüchtlings – Welt-Flüchtlingstag

 

Am 4. Dezember 2000 erklärte die Generalversammlung der Vereinten Nationen (mit der Resolution 55/76) den 20. Juni zum Weltflüchtlingstag. Dieses Datum wurde gewählt, weil der 20. Juni schon vorher in einigen Ländern der „Afrika-Flüchtlingstag war.

Ebenfalls im Dezember 2000 bestimmten die Vereinten Nationen den 18. Dezember zum Internationalen Tag der Migranten, eine problematische Unterscheidung zwischen Migrant und Flüchtling.

 

Noch Jahre nach dem Ende des 2. Weltkriegs gab es in Europa Hunderttausende von Flüchtlingen, „displaced persons“, die ziellos umherirrten oder in Behelfslagern lebten.

Im Jahre 1951 versammelten sich in Genf Delegierte aus 26 verschiedenen Staaten, um über die Rechtsstellung der Flüchtlinge zu beraten. Nach drei Wochen zäher Verhandlungen verabschiedeten die Delegierten als Kompromiss am 28. Juli 1951 die Genfer Flüchtlingskonvention, die bis heute als „Magna Charta“ des internationalen Flüchtlingsrechts gilt.

Der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR) wurde ausdrücklich zum Hüter der Flüchtlingskonvention erklärt.   

Im Jahre 1967 wurde die ursprüngliche zeitliche und geographische Beschränkung der Konvention durch ein Protokoll aufgehoben.

Bedeutsam ist die für das internationale Flüchtlingsrecht die Definition des Flüchtlingsbegriffs sowie das Prinzip des „Non–Refoulement“ das Verbot der Abschiebung in ein Gebiet, in dem der Flüchtling der Gefahr von Verfolgung ausgesetzt ist.

Die UNHCR hat seither mindestens 50 Mio. Menschen weltweit geholfen, ein neues Leben beginnen zu können. 

In den letzten Jahren ist auch das Problem geschlechtsspezifischer Verfolgung in den Vordergrund der Diskussion getreten – 1951 waren es ausschließlich männliche Delegierte, die diese Fragestellung vermutlich überhaupt nicht wahrgenommen hatten.

Der Förderverein PRO ASYL prangerte 2008 an, dass die Außengrenzen Europas zum Massengrab geworden seien. Nach den Erhebungen von „Fortress Europe“ gab es zwischen 1988 und 2007 insgesamt mindestens 8114 Tote im Mittelmeer und im Atlantischen Ozean, 2486 im Kanal von Sizilien, 3986 zwischen Nordafrika und Spanien (in der Meerenge von Gibraltar und bei den Kanarischen Inseln), 885 Tote in der Ägäis.

Die EU–Staaten jedoch, anstatt die Flüchtlings- und Menschenrechte ernst zu nehmen und die humanitäre Aufgabe der Unterstützung von Menschen auf der Suche nach Schutz und Sicherheit zu fördern, verstärken seit Jahren die Abschreckungs- und Abwehrmaßnahmen an den Außengrenzen und tragen so dazu bei, Flüchtlinge und Migranten in den Tod zu treiben.

Dokumentiert sind zudem Demütigungen, Misshandlungen und illegale Zurückweisungen an den EU–Außengrenzen.

Rund um die spanische Exklave Melilla wurde ein in drei Schichten gestaffelter Zaun von 6m Höhe mit messerscharfem Stacheldraht errichtet. Vielfach wird bei Berührung Pfefferspray und Tränengas freigesetzt. Auf Flüchtlinge (und Migranten) wurde dort geschossen, wahrscheinlich sowohl von marokkanischer als von spanischer Seite. An dem dortigen Grenzzaun kamen bereits viele Menschen zu Tode!

Die von der EU gegründete Grenzschutzagentur FRONTEX wendete allein 2008 ca. 70 Mio. Euro Steuergelder für die z.T. menschenrechtswidrigen Abwehraktionen auf.

Bei Recherchen zwischen Juli und Oktober 2007 stellte PRO ASYL fest, dass es in Griechenland (einem EU – Mitglied!) so gut wie keinen Flüchtlingsschutz gibt. Viele Flüchtlinge wurden bereits auf See zurückgedrängt (oft genug in den Tod!), gedemütigt und geschlagen.

In der Regel wird den Flüchtlingen (und Migranten), die Griechenland erreichen, jede Hilfe verweigert, keine medizinische Versorgung, kein Zugang zu einem fairen Asylverfahren. Viele Flüchtlinge und Migranten leben mittellos auf der Straße, zuweilen wurden Schutzsuchende ins Gefängnis geworfen.

Ein besonderes Problem stellt die geltende Zuständigkeitsregel dar, denn das jeweilige EU–Einreiseland ist für das Asylverfahren zuständig. Überall in Europa kämpfen Flüchtlinge (und Migranten) verzweifelt gegen eine Rücküberstellung nach Griechenland, weil sie dort keine Chance auf Schutz haben. Nur (das Nicht–EU–Land) Norwegen hat bisher Abschiebungen nach Griechenland ausgesetzt (vgl. PRO ASYL, „Niemandsland für Flüchtlingsrechte“, o.J.).  

 

Die renommierte niederländisch-US-amerikanische Wirtschaftssoziologin an der Columbia Universität NY, Saskia Sassen (* 1949, die Ehefrau von Richard Sennett) sah als wichtige Faktoren für die weltweit anwachsende Zahl von Flüchtlingen und Migranten, neben der zunehmenden Ungleichheit und den krass zunehmenden Einkommensunterschieden v.a. die vielfältigen „Ausgrenzungen“ aus den jeweiligen Habitaten/Lebensräumen, sei es durch …

  • den Klimawandel
  • Wasserknappheit für die Bewässerung und als Trinkwasser
  • Zerstörung der ökonomischen Existenzgrundlage durch Freihandel und Subventionierung
  • Zerstörung von Habitaten durch Bergbau und Verkauf von Grund und Boden („Landgrabbing“) durch multinationale Großkonzerne; ganze Dörfer in zuvor landwirtschaftlich geprägten Regionen werden so ausgegrenzt)
  • Kriege und Bürgerkriege
  • die Zerstörung der marinen Umwelt durch Überfischung oder Wasservergiftung (vgl. Sassen, a.a.O.).

 

Saskia Sassen schätzte, dass seit 2013 ca. 50 Mio. Menschen weltweit aus ihren Habitaten vertrieben, ausgegrenzt wurden (vgl. Sassen, in „Freitag“, Nr. 42/2015).

 

 

(unveränderlich nach dem Gregorianischen Kalender)

 

© Christian Meyer

 

 

Chronologie Flüchtlinge:

 

19. April 2015: Ein Flüchtlingsboot im Mittelmeer kentert und reißt ca. 900 Flüchtlinge in den Tod (vgl. „Zeit“, Nr.1, 30. Dezember 2015, S. 9).

 

2. September 2015: Das Bild des an der türkischen Ägäis-Küste bei Bodrum ertrunkenen dreijährigen syrisch-kurdischen Flüchtlingskindes Ailan Kurdi geht um die Welt (vgl. „Zeit“, Nr.1, 30. Dezember 2015, S. 9). Außer dem Vater ertranken alle Mitglieder der Familie Kurdi, nachdem das Boot auf dem Wege nach Kos gekentert war. Für die Passage waren pro Kopf 2500,- US-$ bezahlt worden.