Abb.: Rogier van der Weyden (1399/1400 – 1464): „Engel der Verkündigung““, Außenseite eines Altarflügels, um 1460; Eichenholz, 70 x 70 cm; heute in der Berliner Gemäldegalerie. Von rechts oben schwebt das zu inkarnierende Jesuskind mit Kreuz herab. Das Schriftband zeigt den „Englischen Gruß“ nach Lukas 1, 28, in lateinischer Sprache: „ Ave Maria, gratia plena, Dominus tecum …“, in der Lutherschen Übersetzung: „Gegrüßet seist du, Holdselige! Der Herr ist mit dir, du Gebenedeite unter den Weibern“. Die Herkunft der Grußformel „Ave“ ist umstritten. Vielleicht ist „Ave“ die Singularform des Imperativs des Verbs „avere“ „gut sein“, vielleicht aber auch ein ins Lateinische eingedrungenes semitisch-punisches Wort „hawe“, mit der Bedeutung „lebe“.     

25. März: Festtag zu Mariä Verkündigung (auch: Inkarnation Christi, evang. „Tag der Ankündigung der Geburt des Herrn“) durch den Engel Gabriel (ital. "annuniazione", frz, "annunciation") 

Seit dem 6. Jhdt. lässt sich das Fest im christlichen Orient unter dem griechischen Namen „Verkündigung (euangelismo) der Gottesmutter“ nachweisen. Im 7. Jhdt wurde es in der abendländisch - lateinischen Christenheit unter dem Namen „annuntiatio“ (Verkündigung, Ankündigung) übernommen (vgl. Bieritz, S. 209, a.a.O.). Das Festevangelium (Lk 1, 26 - 38) erzählt die Geschichte von der Botschaft des Engels Gabriel an Maria in Nazareth.  

 

Darstellungen der „Ankündigung“ sind in der christlichen Kunst sehr beliebt. Schon in der Katakomben - Malerei (z.B. in Rom, SS Pietro e Marcellino) findet sich dieses Motiv, später u.a. bei Giotto, Jan van Eyck, Domenico Ghirlandaio,  Fra Angelico, Rogier van Weyden oder Stephan Lochner.

 

Der 25. März ist das historische Frühlingsäquinoktium, einer der bei der Kalenderreform Julius Caesars festlegten Quartalstage.   

Traditionell ging die katholische Kirche davon aus, dass die Geburt und der Tod Adams, sowie die Kreuzigung Christi auf das gleiche Datum fielen wie das Fest der Verkündigung, nach dem römischen Kalender auf den 25. März (vgl. Bertelli, S. 188, a.a.O.).

 

In der Florentiner Kirche [1] Santissima Annunziata (ital. „Allerheiligste Verkündigung“) befindet sich ein Fresko der Verkündigung, das in ganz Italien wegen seiner (angeblichen) Heil- und Wunderkraft berühmt ist.

Im 13. Jhdt. soll ein unbekannter Mönch mit der Aufgabe betraut worden sein, ein Fresko der Verkündigung in der Kirche zu malen. Als das Bild 1252 bis auf das Antlitz Mariä fertig war, sei der Mönch in einen tiefen wundersamen Schlaf verfallen und ein Engel habe unterdessen die wahren Züge Marias gemalt.

Heute befindet sich das wundertätige Bild in einem kleinen 1448 von Michelozzo entworfenen Marmortempelchen links vom Eingang. Es ist mit einer Silberscheibe abgedeckt und von einem kostbaren Vorhang verhüllt.

Nur einmal im Jahr, zum Fest der Verkündigung, wird das Bild enthüllt und für die Gläubigen sichtbar (vgl. McCarthy, S. 103, a.a.O.).

In Florenz wurde bis 1750 der Jahresbeginn an dem Verkündigungstag gefeiert – Florentiner Neujahr [2] . In vielen anderen Teilen Italiens galt dagegen seit 1582 der gregorianische Kalender, bei dem das Jahr am ersten Januar beginnt.

Deshalb gab es am 25. März in Florenz eine große Wallfahrt zu dem Gnadenbild, sehr wahrscheinlich ist dieser neujahrliche Pilgergang auch Ursprung des traditionellen Marktes, der bis heute noch auf der Piazza vor der Kirche stattfindet.

Auf dem Markt wurden auch Blumen, Kerzen und Votivgaben verkauft, die Maria gebracht wurden, weil eine Gnade gewährt worden war oder ein Gelübde abgelegt worden war.

Seit dem 14. Jhdt. wurden dem Gnadenbild viele hunderte von Votivfiguren dargebracht, die früher in der Kirche und dem Vorhof aufgestellt bzw. aufgehängt worden waren. Im Jahre 1786 wurden diese berühmten „voti“ entfernt.

In Florenz ist aber heute immer noch der 25. März, das Fest der Verkündung, der Tag, an dem man traditionell zur Kirche Santissima Annunziata pilgert. Auf der Piazza (von Filippo Brunelleschi entworfen) findet der Markt der Stände statt. Berühmt sind die Brigidini (Aniskekse), Nüsse und vielen Leckereien. Im Jahr 2000 hat die Verwaltung von Florenz beschlossen, dieses Volksfest jedes Jahr mit einem historischen Umzug zu ehren, der vom Palazzo Vecchio zur Basilika Santissima Annunziata führt.

 

Ehm Welk beschreibt in seinem Roman "Die Heiden von Kummerow" einen ehemals in der Uckermark zu Mariä Verkündigung verbreiteten „heidnischen" Brauch, das "Heiden - Döpen", das dem Buch auch seinen Titel gab: Das verbotene „Heidentaufen“ war ein Wettstehen im frühlingskalten Mühlbach, der Sieger wurde König und konnte aus den Mädchen des Dorfes seine Königin auswählen, die ihn mit einem Kranz von Sumpfdotterblumen bekränzte. Als aber der arme, ewig hungrige Johannes Bärensprung, den Sieg davontrug, wollte kein Mädchen Königin sein – mit einem König aus dem Armenhaus!

Den (angeblichen) legendären Hintergrund führte Ehm Welk aus: „In diesem Mühlbach waren in grauer Zeit die letzten Heiden vom Kummerow getauft worden. Und zwar hatte man sie gewaltsam getauft, im März, am tage Mariä Verkündigung. Sie aber waren in dem kalten Wasser stehengeblieben und hatten behauptet, noch immer nicht rein genug zu sein, um die heilige Weihe zu empfangen. Bis ein Priester nach dem anderen umsackte, denn die mussten damals mit ins Wasser; und bis ein christlicher Pate nach dem anderen hinauslief, die mussten auch mit ins Wasser. So blieben die Heiden ungetauft. Worauf der Christenfürst ergrimmte und einen Bischof schickte. Der fiel auch um. Da kam der Fürst persönlich und sagte zu dem Heidenhäuptling von Kummerow: ‚Ich stehe hier im Wasser neben dir, bis du ertrunken bist, und dauerte es bis zum Jüngsten Tag. Den will ich sehen, der mehr aushält als ich. Gewinnst du, darfst du Heide bleiben, aber du allein, und ich mache dich zum König von Kummerow! Der Fürst schaffte es nicht. Er hielt sein Wort. Der Heide hatte viele Kinder, die besaßen später, als sie schließlich doch Christen wurden, ganz Kummerow und das Bruch. Ihre Kinder aber zwangen sie, jedes Jahr im März zu Ehren ihres Königs im Mühlbach zu stehen, bis nur einer übrigblieb“ (Welk, S. 38, a.a.O.).

Durch das „Heiden – Döpen“ sei Kummerow in Verruf geraten, es sei ein „…Rest eines heidnischen Brauches, unwürdig eines Christenmenschen“ (vgl. Welk, S. 28, a.a.O.).

 

Überliefert wurde z.B. von Georg Philipp Telemann (1681 – 1767)  die Kantate zu „Verkündigung Mariä“: „Gott will Mensch und sterblich werden“, für hohe Singstimme und Violine, TWV 1:385 (aus: „Der Harmonische Gottesdienst, Teil II: Oculi bis 1. Pfingsttag“).

 

Eine deutsche Bauernregel lautet:

„Ist’s an Marien schön und rein,

 so wird das Jahr sehr fruchtbar sein“

                                          „An Mariä Verkündigung

 

                                       kommen die Schwalben  wiederum“

 

(unveränderlich, nach dem Gregorianischen Kalender; das Datum des 25. März als Empfängnis Mariä kam durch einfaches Zurückrechnen zustande: 9 Monate vor dem angenommenen Datum der Geburt Jesu zu Weihnachten, am 25. Dezember)

 

 © Christian Meyer

 


[1] Die Kirche wurde 1250 ursprünglich als Kirche des Servitenordens errichtet, damals noch vor den Toren der Stadt. Die Serviten waren einige Jahre zuvor gegründet worden. Sieben Florentiner Adlige gaben – nach einer gemeinsamen Marien-Vision 1233/40 all ihr Vermögen den Armen und gründeten auf dem Monte Senario bei Florenz ein Kloster und den Orden der Serviten (von „servi di Maria“). Bis heute ist der Orden (nach der Augustiner – Regel) in 30 Ländern der ganzen Welt, auf allen Kontinenten aktiv (vgl. Lanczkowski, s. 228/229, a.a.O.). 

[2] Capodanno fiorentino – Florentinisches Neujahr

Seit dem 10. Jahrhundert wurde u.a. in Florenz der Jahreswechsel „ab incarnatione“, zum Datum der angenommenen „Menschwerdung des Herrn“ am 25. März begangen.

Dadurch wurde Botticelli nach dem Florentiner Stil im Jahre 1444 geboren, nach dem römischen (julianischen) dagegen im Jahre 1445. Michelangelo wurde nach der Florentiner Jahreszählung  am 6. März 1474, nach der römischen am 6. März 1475 geboren.

Der Annunziationsstil der Jahreszählung wurde lange Zeit auch anderswo praktiziert, so

…. vom 10. bis 12. Jhdt. in Frankreich

…. vom 13. Jhdt. bis 1752 in England/Großbritannien

Bis zum Jahr 1749 wurde in Florenz das Neujahrsfest am 25. März begangen. In der Nacht vom 24. zum 25. März pilgerten viele Gläubige vom Palazzo Vecchio zur Basilica della Santissima Annunziata, um vor dem dortigen als wundertätig angesehenen Fresko der Verkündigung zu beten.  

Durch ein Dekret des Großherzogs Francesco II di Lorena vom 20. November 1749 wurde in Florenz und der ganzen Toskana ab dem 1. Januar 1750 für den Handel und die Verwaltung der Gregorianische Kalender durchgesetzt. Der Kalenderwechsel wurde für so bedeutsam gehalten, dass man zur Erinnerung eine Marmortafel unter die Loggia dei Lanzi auf der Piazza della Signoria setzte, die sich auch heute noch dort befindet. 

Das Florentinisches Neujahr wird noch heute jährlich am 25. März in Florenz feierlich begangen…

„L’Annunciazione“ – Maria Verkündigung, von Fra Angelico (ca.1401-1455), im Museo Diocesano in Cortona; im Hintergrund des Bildes oben links sieht man als Gegenstück zu Maria die Vertreibung der sündigen Adam und Eva aus dem Paradies.   

Abb.: „Verkündigung des Herrn“, Jan van Eyck, entstanden um 1434/36 in Brügge; heute in der National Gallery, Washington D.C.

Die Malerei Jan van Eycks (um 1390 – 1441) gilt heute als „optische Revolution“, so auch der Titel der Ausstellung im Genter Museum voor Schone Kunsten im Jahre 2020. Die „malerische Revolution“ spielte sich seit ca. 1400 in den damals burgundischen Niederlanden ab, gekennzeichnet durch einen naturnahen, oft präzisen Realismus. „Die Gesichter von Menschen und Heiligen werden zu Seelenbildern, Stoffe und Pelze gewinnen haptische Präsenz, Landschaften erstrecken sich in unendliche Tiefen. Obgleich in manchem noch der Gotik verhaftet, legen diese Maler den Grund für die neuzeitliche Kunst“ (Zeitz, S. 6, a.a.O.).

Der Engel Gabriel begrüßt Maria mit den (abgekürzten lateinischen) Bibel-Worten: „Ave Gra plena“ „Gegrüßet seiest Du, voller Gnade….“; Lukas 1), Maria antwortet auf Lateinisch (verkürzt und umgekehrt angeordnet): „Ecce antilla Dni…“ ≙ „Siehe, ich bin die Magd des Herrn…“.

Maria – mit wallendem blauen Mantel – liest in einem reich illuminierten Buch, vor ihr stehen große weiße Lilien, das traditionelle Symbol der „Unberührtheit“. Über ihr schwebt die Taube des Heiligen Geistes, von der ein goldenen Strahl Marias Haupt berührt.

„Kostbar wie hier hatte noch kein Maler zuvor den Erzengel eingekleidet. Gabriel trägt einen golddurchwirkten Brokatmantel und eine juwelenbesetzte Krone. Der teure Stoff wirkt so samtig, das Gewebe der Goldpartien so metallisch, dass man mit den Händen danach greifen will, während die Perlen und Edelsteine in unergründlicher Tiefe aufleuchten“ (Zeitz, S. 4, a.a.O.).

Die Verkündigung findet statt in einem spätromanisch-frühgotischen Raum mit reichgeschmückten Säulen, Butzenscheiben und gekacheltem Fußboden. Eine gut sichtbare Schmuckkachel zeigt die alttestamentarische Szene des Todes Samsons – den Moment, in dem er die Säule des Philisterpalastes einreißt. Der lateinische Kacheltext lautet: „Samson multas gentes interfecit tranvio“ ≙ „Samson hat viele Menschen getötet“ (vgl. Richter 16).