Abb.: Canis Maior – der Große Hund: Die Gürtelsterne der Orion weisen direkt auf den Sirius (α Canis Majoris), den hellsten Stern des Canis maior und überhaupt am nördlichen Nachthimmel. Der Doppelstern ist mit einer Entfernung von 8,7 Lj  (2.64 parsec) ist er einer der nächsten Sterne unserer Sonne.

(Abb.: Totengericht, im Ägyptischen Museum Kairo (Photo: Renate Meyer-Franke, Januar 2020 )

ca. 23. Juli – 23. August:  Hundstage“ (auch „Hitzetage“)

 

Die „Hundstage“ sind eine sommerliche Hitzeperiode auf der Nordhalbkugel der Erde, die ihren Namen von dem „Hundsstern“ Sirius hat. Die Sonnes steht in diesen Tagen (von der Erde aus gesehen) anscheinend nahe dem Sirius. Schon die alten Griechen glaubten in dieser Konstellation den Grund für die Hitzeperiode zu erkennen. 

Der Begriff „Hundstage“ ist im Deutschen seit dem 14. Jhdt. belegt. Es handelt sich dabei um eine Übersetzung aus dem lat. „Dies caniculares“ (von lat. „canicula“ = Hundsstern, Sirius im Sternbild des Großen Hundes).

 

Die Hundstage gehen auf das alte Ägypten zurück. Dort bereits wurde der alljährliche heliakische Aufgang (ortus heliacus) des Sirius beobachtet, das heißt, dass er erstmals in der Morgendämmerung am östlichen Himmel sichtbar wird, nachdem er zuvor 70 Tage lang unsichtbar war [1] . Sterne erster Größenordnung sind in der Morgendämmerung sichtbar, wenn die Sonne zu diesem Zeitpunkt noch ca. 10° unter dem Horizont steht.

Unter einem heliakischen Aufgang versteht man den ersten Aufgang eines Sterns (oder eines Planeten, eines Sternbildes oder des Mondes) über dem östlichen Horizont direkt vor dem Sonnenaufgang, nach einer Periode der Nicht-Sichtbarkeit des Objekts. Jeden Tag nach dem heliakischen Aufgang des Objekts geht es ein wenig früher auf und ist länger vor der Morgendämmerung sichtbar. 

Der Sirius oder Hundsstern ist der Stern a [2] im Sternbild Canis major - Großer Hund. Es handelt sich um einen ca. 8,8 Mio. Lichtjahre entfernten Stern mit 20fach stärkerer Leuchtkraft als unsere Sonne. Sirius ist der hellste Fixstern des Himmels. Sirius bildet zusammen mit Beteigeuze und Procyon das sog. Winterdreieck. Canis Major gehört zu den Wintersternbildern und ist in unseren Breiten stets nur in Horizontnähe sichtbar.

 

In die Hundstage fiel früher der nun durch die Präzession abweichende Aufgang des „Hundssterns“, des Sirius. Im alten Ägypten [3] fiel in der Mitte des 4. Jtsds. der heliakische Aufgang des Sirius zusammen mit der Nilschwelle (ca. zur  Zeit der Sommersonnenwende);  heute hat sie sich in den August verschoben. Im Jahre 2009 erfolgte der heliakische Aufgang des Sirius in Ägypten in der Nacht vom 6. / 7. August.

Durch diese zeitweise Koinzidenz gelangten altäyptische Astronomen und Priester zur Vorstellung, der heliakische Siriusaufgang kündige den Beginn der Nilüberschwemmung [4] an, mit der der lebensnotwendige Schlamm auf die Felder gelangte. Bald wurde der Sirius von den alten Ägyptern mit der Göttin Sopdet (bekannter in der gräzisierten Form Sothis [5]) gleichgesetzt und als Gottheit verehrt: die „große Göttin Sothis“ wurde als „die Regentin des Jahresanfangs, welche steigen macht den Nil zu seiner Zeit“ angesehen. Der Gott Horus habe - hieß es - „den Sothisstern eingesetzt am Himmel, welcher die Fülle des Wassers herbeiführt, um das Land zu überschwemmen“ (zit. n. Hamel 1983, S. 7, a.a.O.).

Andererseits wurde der Sirius im alten Ägypten auch mit Göttin Isis, assoziiert, die mit Kuhhörnern dargestellt wurde. In einer altägyptischen Grabinschrift heißt es: „Wie Isis, erhebe dich strahlend, Sothis gleich stehe am Beginn des immerwährenden Jahres am morgendlichen Firmament“ (zit. n. Prus, S. 512, a.a.O.).

Sothis (gr. Form; ägypt.:  Sopdet) die ägyptische Gottheit, die den Sirius personifizierte. Sie galt als die Bringerin von Wohlstand und Fruchtbarkeit.

Dargestellt wurde sie als eine schlanke Frau mit der hohen, weißen, konischen Krone Ober - Ägyptens, über der ein Stern strahlte.

In einem Papyrus aus dem 4. vorchristlichen Jhdt. wird Isis mit dem Stern Sirius identifiziert. In Trauer folgt sie dem Osiris, der im Sternbild Orion repräsentiert wird.

Zum Ursprung des Nils gab es im alten Ägypten mehrere legendäre Vorstellungen. So sollen die Tränen der Göttin Isis, die diese nach der Ermordung ihres Mannes Osiris vergoss, den Nil gebildet haben.

 

 

In der langen alt-ägyptischen Geschichte gab es eine Reihe von Gottheiten, die für den Nil zuständig waren (vgl. Abbn. unten). Der Gott Chnum ist einer der ältesten überlieferten alt-ägyptischen Götter. Er wurde als der Gott der überlebenswichtigen jährlichen Nilflut verehrt (s.o.). 

Der griechische Philosoph Anaxagoras erklärte (wohl als erster ??) die jährlichen Überschwemmungen des Nils richtig aus dem Frühlingsregen und der Schneeschmelze in Äthiopien (vgl. Durant, Bd.II, S. 335, a.a.O. und Nestle, S. 49, a.a.O.). 

 

In einem altägyptischen Liebeslied des Papyrus Chester Beatty (aus der 19. Dynastie, ca. 1320 – 1200 v. Chr.) heißt es über die Geliebte:

                                               „Einmalig ist meine Freundin

                                               keine gibt es, die ihr gleich ist.

                                               Schöner als alle ist sie.

                                               Sieh doch, sie ist wie der Morgenstern

                                               Der aufgeht

                                               Am Beginn des neuen Jahres:

                                               Glänzende Vollkommenheit

                                               Strahlendes Wesen

                                               Die Augen blicken umsichtig

                                               Süß sind ihre Lippen, wenn sie redet

                                               Ungehöriges spricht sie nicht“

                                                                    (zit. n. Kischkewitz, S. 7, a.a.O.).

Mit dem „Morgenstern“ am Beginn des neuen Jahres ist ohne Zweifel der heliakische Aufgang des Sothis / Sirius  gemeint (vgl. Kischkewitz, S. 100, a.a.O.).

 

Ein altägyptisches Gebet zum Beginn der Nilschwemme ist überliefert:

„Sei gegrüßt, o Nil, o heiliger Fluss, der du dich dieser Erde offenbart hast ! Du kommst in Frieden und bringst Ägypten Leben. O du verborgener Gott, der du die Dunkelheit zerstreust, der du den Wiesen Tau schenkst, auf dass sie den streunenden Tieren Nahrung geben! O Weg, der du vom Himmel führst, um die Erde zu tränken, o Freund des Brots, der du die Hütten erfreust ! Du bist der Herr der Fische, und wenn du über unsere Felder kommst, erkühnt kein Vogel sich, die Ernte zu berühren. Du bist er Schöpfer des Korns und der Vater der Gerste; du gibst Ruhe den Händen von Millionen Unglücklicher und lässt die Tempel einzig dauern“ (zit. n. Prus, S. 65/66, a.a.O.).   

 

                                                           (Abb.) 

Die Göttin Sothis als Verkörperung des Sirius galt den Ägyptern sowohl als Spenderin der lebensnotwendigen Überschwemmung, des Wohlstands, auch als Herrin des Neujahrs. Später verschmolz Sopdet mit der Isis, die als Sirius - Stern dem im Orion verkörperten Osiris nachfolgte.

Der Beginn des ägyptischen Jahres (am 19. Juli des Julianischen Kalenders, vgl. Guirand/Schmidt, S. 814, a.a.O.) fiel ursprünglich auf den Beginn der Überschwemmungszeit und der heliakische Aufgang des Sirius diente den alten Ägyptern zur Festlegung der Jahreszählung.

 

Boleslav Prus beschreibt in seinem historischen Roman „Pharao“ (fiktive, aber mögliche) Übergriffe auf die jüdische Minderheit, als sich unter Ramses XII. die Nilschwelle verzögerte (vgl. Prus, S. 61, a.a.O.): die Juden wie auch andere „Fremdlinge“ wurden für die unglückverheißende Verzögerung verantwortlich gemacht.

 

Verschiedene Mythen „erklären" das Sternbild Canis major. Nach verbreitetsten Betrachtung ist der Hund der Begleiter des himmlischen Jägers Orion (unten links neben dem Orion).

Nach einer anderen griechischen Überlieferung ist das Sternbild der Hund, dem Zeus befahl, Europa zu bewachen, nachdem er sie als Stier geraubt und nach Kreta entführt hatte.

In Ägypten wurde Sirius / Sothis zeitweise auch mit dem schakalköpfigen Gott Anubis identifiziert, dem Führer der Seelen ins Land der Toten. Anubis soll die Kunst der Einbalsamierung erfunden haben und galt als Herr der Begräbnisriten: Vor allem wog er beim Totengericht die Seelen der Toten (vgl. Abb. oben).

 

                                     (Abb einfügen)

 

Später bei den Griechen wurde Sirius auch mit Kerberos, dem dreiköpfigen Höllenhund verbunden, dem Wächter des Hades.

Homer verglich in der „Ilias“ den Achilleus vor Trojas Mauern mit dem unheilverkündenden Sirius:

                „… schimmernd wie den Stern der herbstlichen Tage,

                Welcher in dunkler Nacht vor allen Gestirnen hervorstrahlt,

                Und Orions Hund von sterblichen Menschen genannt wird;

                Zwar er ist der glänzendste Stern, doch ist er ein böses

                Zeichen und bringet Hitze den mühbeladenen Menschen:

                Also strahlte das Erz an der Brust des laufenden Helden“

                                               (Ilias, XXII, 26-31, S. 427, a.a.O.)

 

Bereits im alten Ägypten wurden Sirius und die "Hundstage" verbunden, mit den 40 Tagen zu Beginn jedes Sothisjahres, wenn die Temperaturen am höchsten waren. Man stellte sich vor, dass durch das gemeinsame Strahlen von Sonne und Sirius [6] die Hitze so stark würde, tödliche Fieber genauso wie Tollwut bei Hunden hervorgerufen würden.

Seit der hellenistischen Zeit bis zu Kaiser Konstantin wurde ein Messstab, mit dem alljährlich die Wasserhöhe des Nils angemerkt wurde, im Serapis-Heiligtum zu Alexandria verwahrt. Nun wurde er von dort entführt und in eine christliche Basilika verbracht. Nur unter Kaiser Julian („Apostata“) kehrt der Messstab 362 kurzzeitig in das Serapis-Heiligtum zurück (vgl. Bidez, S. 152, a.a.O.). Nach der Nilfluthöhe richtete sich die Höhe des Steuersatzes für die Felder.

Der Stern Sirius war bei den vormuslimischen Arabern ein Gegenstand der Verehrung. Deshalb heißt es in der frühen mekkanischen Sure 53 An Najm (Der Stern), dass es Gott sei, der…

                               „… reich macht und zufriedenstellt;

                               und dass er der Herr des Sirius ist“

                                               (Koran 53, 49-50, S. 503, a.a.O.).

Der muslimische Universalgelehrte Al – Biruni (973 – 1048)charakterisiert in seiner „Chronologie“ die Hundstage als die heißesten Tage im Juli, „... gekennzeichnet durch den heliakischen Aufgang des ‚Hundes des Sirius’“ (al – Biruni, S. 115, a.a.O.).

Er wies jedoch auch auf die jemenitisch–arabische Sternenmythologie hin, nach der der Sirius – der hellste Fixstern – ein weibliches Wesen namens Šira sei, das durch die Milchstraße „hindurchgegangen“ sei (Strohmaier, in al-Biruni, S. 266, a.a.O).

Der berühmte arabische Dichter Abu Nuwas (+ ca. 814 in Bagdad) dichtete dazu:

                               „Der September ging vorbei, der heiße Wind nahm ab,

                               und die ‚hindurchgegangene’ Šira löschte ihre Glut“ (vgl. al – Biruni, S. 115, a.a.O.).

Verschiedene deutsche Sprichwörter bzw. Bauernregeln beziehen sich auf die Hundstage:

„Hundstage hell und klar

zeigen an ein gutes Jahr,

wenn die Hundstage Regen bereiten,

kommen nicht die besten Zeiten“

„Bei dem sind die Hundstage schon angegangen“ (= er ist nicht ganz richtig im Kopf, vgl. Wander, Bd. 2, S. 907 / 908, a.a.O.). 

Hippokrates verbot in seinen „Aphorismen“ in dem Zeitraum von 20 Tagen vor und 20 Tagen nach dem heliakischen Aufgang des Sirius zur Ader zu lassen oder warme Heilmittel ein zu nehmen , - wegen der großen Hitze und Dürre.

Sommerliche Hitze ist für manche Menschen keine gute Nachricht. Wenn es heiß und schwül wird, fühlen sie sich "hundeelend". Es kann dann besonders heiß werden. Wenn das Thermometer klettert, fällt der Blutdruck in den Keller, man fühlt sich matt und schwindelig.

 

Eine Bauernregel zu den Hundstagen lautet:

 

                                               „Sind die Hundstage heiß,

 

                                               bleibt der Winter lange weiß“

 

(langfristig variabel, die Hundstage können nach dem Gregorianischen Kalender zwischen den 24. Juli und 24. August fallen, wenn der Sirius oder Hundsstern gleichzeitig mit der Sonne aufgeht)

 


© Christian Meyer



[1] Diese 70 Tage der Unsichtbarkeit des Sirius war im alten Ägypten die bevorzugte Zeit des Einbalsamierens.

[2] Zusammen mit Sirius B, einem weißen Zwerg,  bildet er ein Doppelsternsystem. Der kleinere Begleiter des Sirius ist mit bloßem Auge nicht sichtbar.

[3] Im alten Ägypten wurden zwei Kalender verwendet, ein Landwirtschaftskalender und ein offizieller Ritualkalender, der Sothiskalender.  Der Sothis-Kalender - dessen frühe Formen bis ins 3. Jahrtausend v. Chr. zurückführen - war ein bewegliches Sonnenjahr: 12 Monate  zu je 30 Tagen (in drei Dekaden) sowie 5 Zusatztage. Diese fünf  Schalttage wurden am Ende des Jahres, außerhalb der Monate hinzugefügt. Die Schalttage des ägyptischen Jahres nannten die antiken Griechen die „Epagomenen“ („die über dem Jahr befindlichen“). Sie galten den Ägyptern als die Geburtstage der Götter Osiris, Horus, Seth, Isis und Nephthys und wurden im alten Ägypten mit verschiedenen feierlichen Zeremonien und Riten begangen. Einer Überlieferung nach soll der Gott Thot die 5 Zusatztage dem Mond beim Würfelspiel abgewonnen haben.

Jeder Monat bestand aus drei Dekaden, das Jahr aus 36.

Das altägyptische Jahr war mit 365 Tagen etwas kürzer als das astronomische Sonnenjahr. Deshalb bewegte sich der Beginn des alt - ägyptischen Kalenders langsam durch alle Jahreszeiten („ägyptisches Wanderjahr“). 1461 alt-ägyptische Jahre entsprechen 1460 Julianischen Jahren oder 532 365 Tagen . Die Ägypter nannten diesen Zeitraum „Sothisperiode“. Nach dieser Zeit erst fiel das ägyptische Neujahrsfest wieder mit dem heliakischen Aufgang des Sirius zusammen 

Die Ungenauigkeit ihres Sonnenjahres fiel den altäyptischen Astronomen bereits frühzeitig auf, dennoch erlangte das Wanderjahr kultische Verbindlichkeit.

Erst Ptolemäus III. Euergetes (247 - 222 v. Chr.) erließ das 1866 aufgefundene Dekret von Kanopos, mit dem eine Kalenderrechnung mit einem alle 4 Jahre eingefügten Schalttag erlassen wurde. 

Die altägyptischen Monatsnamen lauteten:

1.)     Thoth (ca. Juni / Juli), Beginn der Nilschwelle, Anstieg des Wassers bis ca. Ende September          

2.)     Phaophi (ca. Juli / August)                                              

3.)     Athyr (ca. August / September)                     

4.)     Choiak  (ca. September / Oktober), historisch höchster Wasserstand des Nils

5.)     Tybi / Tobi  (ca. Oktober /November), Ende Oktober ca. Rückgang des Wassers, wenn die Sonne sich dem Sternbild der Waage näherte

6.)     Mechir / Mehir (ca. November / Dezember)                                               

7.)     Phamenoth / Famenut (ca. Dezember / Januar)                        

8.)      Pharmuti / Farmuti / Parmuti (ca. Januar / Februar)

9.)      Pachon / Pachono (ca. Februar / März), Abreise vieler Zugvögel in den Norden                              

10.)   Payni / Paoni ( ca. März / April)                                   

11.)   Epiphi /Epifi (ca. April / Mai), Beginn der Hitzeperiode                          

12.)   Mesori / Misori (ca. Mai / Juni), tiefster Stand des Nilwassers

Datumsangaben erfolgten im Alten Ägypten immer in einer charakteristischen Form, so z. B. in dem Reisebericht des Wen - Amun: seine Abreise erfolgte im "Jahr 5, 4. Monat der Hitzezeit, Tag 16" (vgl. Blumenthal, S. 29, a.a.O.). Die Jahresangabe bezieht auf die Regierungsjahre des jeweiligen Pharao, in unserem Fall auf Ramses XI. (1110 - 1080 v. Chr., aus der 20. Dynastie). Dann wird der jeweilige Monat der Jahreszeit angegeben: im alten Ägypten kannte man drei Jahreszeiten, die mit den Zyklen des Nils korrespondierten: die Überschwemmungszeit, die Wachstumszeit und die Hitzezeit. Abschließend folgte die Nummer des Tages innerhalb der dreißigtägigen Monate.

Die Überschwemmungszeit (ägypt. „akhet") umfasste den Zeitraum von Mitte Juli bis Mitte November, die Zeit des Wachstums oder des Auftauchens (ägypt. „proyet", auch “peret") den Zeitraum von Mitte November bis Mitte März und der Sommer, die Zeit der Hitze (ägypt. „shomu",auch „schemu“) den Zeitraum von Mitte März bis Mitte Juli. 

Jede der altägyptischen Jahreszeiten bestand aus vier Monaten oder 12 Dekaden. Jede Dekade wurde durch einen Dekan eingeleitet, durch das Erscheinen eines Sterns. Die Überschwemmungszeit wurde durch das Erscheinen des Sirius eingeleitet. 

[4] Nach Herodot stieg der Nil jeweils von der Sommersonnenwende an ungefähr 100 Tage (vgl. 2. Buch, Kapitel 19).

[5] Sopdet (gr. / röm. Sothis, Sirius) – „die geschickte Frau";  Sopdet war die vergöttlichte Verkörperung des Sterns Sirius. Sopdet wurde zu einem himmlischen Hinweis für das neue Jahr und die Wiederkehr der Fruchtbarkeit des Landes.

[6] Der Name Sirius kommt vom gr. „serios" = verbrennend, versengend.

Abb.: Der Nilgott Hapi - Relieffragment in Medinet Habu/Theben, Neues Reich, 20. Dynastie, um 1490–1468 v. Chr. (Abb. aus: https://www.planet-wissen.de/natur/fluesse_und_seen/der_nil/nilhapiakggjpg100~_v-gseapremiumxl.jpg)

 

Hapi war ein Fruchtbarkeitsgott, eine Personifikation des Nils und der Nilüberschwemmungen. Auch ihm wurden die lebensspendenden Überschwemmungen zugeschrieben, die für die Landwirtschaft und eine erfolgreiche Ernte Voraussetzungen waren. In der Vorstellung antiker Ägypter war Hapi verantwortlich für die rechtzeitige und hinreichende Nilflut, deshalb musste man ihn wohlgesonnen halten und verehren, - letzteres aber ohne eigenen Kult, immer nur in Verbindung mit anderen Gottheiten (so auf der Nil-Insel Elephantine).

Dargestellt wurde Hapi oft als dickbäuchiger, androgyner Mann mit nahezu weiblichen Brüsten, schwellendem Bauch, einem zeremoniellen falschen Bart und mit einer Schale mit Früchten. Die Androgynität Hapis wird als Symbol der Fruchtbarkeit gedeutet. Als Kopfbedeckung trug er eine Papyrus- oder Lotospflanze.

 

Abb.: Hapi-Reliefs am Tempel von Abu Simbel

In Abu Simbel, am Sitz einer der Kolossalstatuen von Ramses II. (ca.1279 -1213 v. Chr.) befindet sich das obige Relief des Gottes Hapi, der Personifikation der Nilflut. Die androgyne Gottesfigur erscheint zweimal, sie binden Pflanzenstengel um die Hieroglyphe, das Ideogramm für “Vereinigung” (von Ober- und Unterägypten; Nr. F 36 in Alain Gardiners Hieroglyphen-Liste von 1927, s.u.). 

Der angewinkelte rechte Fuß der beiden Hapi-Figuren ruht auf der Hieroglyphe „Vereinigung“, die aus einem Zeichen für Lunge und Luftröhre gebildet wurde und an der Spitze oben ein „T“ formt.  

Der linke Hapi hält eine Lotus-Pflanze (das Symbol von Oberägypten), der rechte eine Papyrus-Pflanze (für Unterägypten). Die Hapis sind auch von diesen Pflanzen bekrönt.  

Die Kartusche von Rames II. befindet sich direkt über der Vereinigungshieroglyphe.   

 

Die Hieroglyphe "Vereinigung" 

Abbn.: Alabastergefäß aus dem Grabe Tutanchamuns, Vorderseite (oben) und Rückseite (unten; Photos: Renate Meyer-Franke, Januar 2020)

 

In den Grabkammern des Tutanchamun fand Howard Carter 1922 insgesamt ca. 50 zum Teil großformatige Vasen, Gefäße zur Aufnahme von wohlriechenden, kosmetischen Essenzen. Nach Inhaltsberechnungen hätten die Gefäße rund 400 l dieser Stoffe aufnehmen können (vgl. Settgast, S. 126, a.a.O.). Viele dieser Gefäße waren 1922 aufgebrochen und geleert aufgefunden worden: Der hohe Wert der Parfüms, Salben, Duftstoffe etc. scheint für die antiken Grabräuber derart unwiderstehlich gewesen zu sein, dass sie die Goldgrabbeigaben zurückließen.  

Das obige Gefäß (Carter 210) wird heute im Ägyptischen Museum zu Kairo in einer Vitrine hinter Panzerglas aufbewahrt. Das Gefäß besteht aus ägyptischem Alabaster (eine Kalzit-Varietät, Kalksinter, Onyxmarmor; einem relativ weichen, leicht bearbeitbaren und polierbaren, wasserunlöslichen Gestein) und sollte sehr wahrscheinlich der Aufbewahrung von Parfüm, Salben oder anderen Duftstoffen dienen.

Unklar ist, ob das Gefäß schon zu Lebzeiten des Pharao benutzt wurde oder als Grabbeigabe hergestellt wurde.

Carter und seine Mitarbeiter führten in dem Ausgrabungstagebuch sorgfältig alle ihre Funde auf, bis heute aber sind sie nicht völlig ausgewertet und publiziert. 

Rechts und links am Gefäß stehen zwei Nilgötter, die auffälligen geschwungenen Ornamente auf beiden Seiten symbolisieren die Wappenpflanzen, die Vereinigung von Unter- und Oberägypten: Links Papyrus für Unterägypten, rechts Lotus/Lilien für Oberägypten. In den Kartuschen auf dem Bauch des Gefäßes sind die Namen des Pharaos eingelassen.    

Das Design des Gefäßes kombiniert Funktionalität und symbolische Formen und Ornamentik. 

Der ausgezeichnete Erhaltungszustand des Gefäßes lässt es als Meisterwerk des pharaonischen Kunsthandwerks der 18. Dynastie erscheinen (vgl. Manniche, S. 38f., a.a.O.).  

Abb.: Gott Hapi wurde zudem auf der Rückseite der ägyptischen 5-Pfund-Note von 1981 dargestellt. Auch hier wirkt er androgyn, dargestellt mit künstlichem Bart und den Wappenpflanzen Lotus und Papyrus für Ober- und Unterägypten.