Django Reinhardts Grab
Django Reinhardts Grab


Abb. oben.: Das Grab von Django Reinhardt  (Abb. aus Reinhardt, Beiheft, a.a.O.)

 

23. Dezember 1910: * Django Reinhardt, der bedeutende Jazzmusiker und -komponist

 

Am 23. Dezember 1910 wurde Jean „Django“ Reinhardt im Wohnwagen einer nomadisierenden Sinti-Familie [1] in Belgien geboren. Die Familie stammt aus Zentraleuropa, lebte lange im Elsaß, zog aber nach der Annexion nach dem Krieg 1870/71 vor, nach Frankreich zu migrieren. Dort zog sie traditionell von Dorf zu Dorf, von Stadt zu Stadt und lebte von Gelegenheitsarbeiten, als Hausierer und von der Reparatur von Streichinstrumenten. Die Familie zog auch durch Italien, Korsika und Nordafrika. Nach dem Ende des 1. Weltkrieges blieb der Wohnwagen am Stadtrand von Paris (u.a. in der Nähe der Porte d’Italie).

Der junge Django soll sich bereits in seiner Kindheit unwiderstehlich von der Musik angezogen gefühlt haben. Zuerst erlernte Django das Violinspiel, im Alter von 10 Jahren aber lernte er bei seinem Onkel das Banjo kennen, das ihn faszinierte. Er beobachtete die Techniken der Banjo-Spieler, die den Lagerplatz der Familie besuchten und erlangte rasch eine überraschende Geschicklichkeit und Fingerfertigkeit auf dem Instrument.

Im Alter von 13 Jahren gewann er einen Banjo-Wettbewerb und spielte in der Folge mehr oder weniger regelmäßig auf Tanzveranstaltungen und Clubs in Paris, zum Teil auch als Begleiter damals bekannten Akkordeonspieler. 1928 konnte er seine erste Platte aufnehmen.

 

Jedoch blieb Django Reinhardt ohne eine systematische musikalische Ausbildung, Noten konnte er weder lesen noch schreiben. Der Heranwachsende konnte weder Lesen noch Schreiben, auch nicht seinen eigenen Namen. Die Konzertankündigungen führten „Jiango Renard, banjoïste“ an.

Am 1. November 1928 erlitten seine Frau und er bei einem Feuer in seinem Wohnwagen schwere Verbrennungen, vorübergehend drohte ihm sogar die Amputation des linken Armes und Beines. Django behielt während seines ganzen Lebens Folgen seiner damaligen Verbrennungen, die ihn zu einer ganz neuen und besonderen Spieltechnik nötigten. Bis heute gibt es Jazzgitarristen, die seine Spieltechnik nachahmen.

Die Verbrennungen v.a. an der linken Hand verheilten nur sehr langsam, er blieb nahezu 18 Monate im Krankenhaus [2] . Die Ärzte im Hôpital Saint-Louisprognostizierten, die Folgen der Verbrennungen würden ihn hindern, wieder Banjo zu spielen. Django hatte die Beweglichkeit zweier Finger verloren. Sein Bruder Joseph Reinhardt („Nin-Nin“) brachte ihm als Umerziehungsinstrument eine Gitarre ins Krankenhaus, da das Banjo zu durchdringend klang, um weiter im Krankenhaus gespielt zu werden. Innerhalb von 6 Monaten entwickelte Django bis er das Krankenhaus 1930 verlassen konnte durch beharrlich – hartnäckiges Üben eine neue, außergewöhnliche Spieltechnik auf der Gitarre: Für die Solos benutzte Django nur zwei Finger, den Zeigefinger und den Mittelfinger. Für die Rhythmen und gleichermaßen das Anschlagen der Akkorde verwendete er seinen Daumen, seinen verdrehten Ringfinger und den unbeweglichen kleinen Finger. 

Nach diesen intensiven Bemühungen spielte Django mit seinem Bruder Joseph wieder, zuerst auf Pariser Höfen und Caféterrassen. Rasch wurden beide bekannt und berühmt, spielten bald in dem „Quintette du Hot Club de France“ auch in angesehenen Jazzclubs. 1931 an der Côte d'Azur soll Django Reinhardt erstmals Platten der großen US-Jazzer wie Duke Ellington und Louis Armstrong gehört haben: Es sei ein Choc, aber auch eine Art Entdeckung, ja eine Offenbarung gewesen. Der junge Musiker entschied sich dafür, sich dieser Musik zu widmen, - als Gitarrist.  

In den Dreißiger Jahren des 20. Jhdts. entstand in Frankreich der besondere Stil des Jazz manouche, als dessen Initiatoren v.a. Django Reinhardt und der Violinist Stéphane Grappelli vom «Quintette du Hot Club de France» angesehen werden müssen. Charakterisiert ist dieser Stil des Jazz durch....

  • die weitgehende Abwesenheit von Schlag-, Blechblas- und Holzblasinstrumenten
  • die Bevorzugung von Saiteninstrumenten, so der Gitarre, der Violine und des Kontrabasses, als Rhythmusinstrumente und für die Soli
  • die Bezüge zur Klezmer-Musik, zum französischen Chansons und zur Musette-Musik.

Häufigere Platteneinspielungen erfolgten seit 1934, Radioaufnahmen und Konzertreisen in verschiedene europäische Länder (u.a. nach Großbritannien und nach Skandinavien) folgten.

 

Auch im besetzten Frankreich erlebte der Jazz (v.a. unter der Bezeichnung „Swing“) seit 1940 eine wachsende Popularität [3], Konzertreisen führten Django und sein Ensemble u.a. nach Belgien, in die Schweiz und nach Nordafrika. Er lebte in der nicht besetzten „Freien Zone“, spielte aber oft in Paris.

Die Kriegsjahre brachten – wie Michael Dregni ausführte- für Django Reinhardt eine widersprüchliche Mischung aus Erfolg, Ruhm und rassistischer Bedrohung. Zum einen wurde Django unter der Nazi-Besatzung zum berühmten, gefeierten und erstmals gut verdienenden Künstler mit Starstatus: Seine Komposition „Nuages“, sahen viele Franzosen als eine Art Ersatzhymne Frankreichs an. Die Platte wurde ca. 100.000 Mal verkauft. Reinhardt – und der Jazz, Swing und Bepop - waren Idole der jugendlichen Subkultur der „Zazous“; sie versuchten sich der Besatzungsmacht wie auch dem kollaborierenden Vichy-Regime mit einem individualistischen Lebensstil zu verweigern. Jedoch gab es auch unter deutschen Offizieren und Soldaten in Paris, in dem Nachtclub der Wehrmacht, begeisterte Anhänger der Musik von Django Reinhardt. Zum anderen bedrohte die völker-mörderische Politik der Nationalsozialisten, der „Porajmos“, der bis 1945 hunderttausende Sinti und Roma zum Opfer fielen, auch Django Reinhardt und seine Familie. Einen gewissen Schutz bot Djangos Starstatus und er scheint die Gefahr lange nicht ernst genommen zu haben. Als aber seine Frau schwanger war und er nach Berlin eingeladen wurde, um vor dem Oberkommando der Wehrmacht zu spielen, wurde ihm die Bedrohung bewusst: Nun versuchte er in die Schweiz zu fliehen – das scheiterte - aber glimpflich - ohne eine Verhaftung (vgl. Dregni, a.a.O.).

 

1946 unternahm Django Reinhardt eine Konzertreise in die USA und spielte dort u.a. mit dem großen Orchester von Duke Ellington. Dabei kam es allerdings zu Reibereien, da sich Django nur schwer der dort erwarteten Disziplin anpassen wollte. Seine sehr hohen Erwartungen an diese Reise wurden enttäuscht.

Ebenfalls 1947 komponierte Django Reinhardt eine „Zigeunermesse“, die sein damaliger Klarinettist Gérard Levêque notierte. Nach Charles Delaunay (a.a.O.) umfasste die Messe teilweise sehr „gewagte Harmonien“, sie sollen für den Dirigenten Jo Bouillon (1908 – 1984) Probleme aufgeworfen haben. Die Partitur der Messe ging verloren. Ein erhalten gebliebener Teil der Messe war u. a. das bis heute populäre 1943 komponierte Stück „Manoir de mes Rêves“ ( Landsitz meiner Träume).

 

 

Django Reinhardt gilt als außergewöhnlicher Improvisierungskünstler, Gitarrenvirtuose und erfolgreicher Jazzkomponist. Vielfach wird er bis heute als der bedeutendste Jazzgitarrist überhaupt angesehen. Jazzkenner betrachten ihn bis heute als einen der wenigen europäischen Musiker, die neben den bedeutenden schwarzen US-Jazzern gleichberechtigt bestehen konnten (vgl. Reinhardt, Beiheft, a.a.O.). Viele seiner Kompositionen – so z.B. „Nuages“ ( Wolken) aus dem Jahre 1940 – werden als klassisch betrachtet.

 

Django war auch als Maler aktiv. 1947 wurden seine Bilder auf einer Ausstellung mit dem von der gleichnamigen Orchesterfantasie von Darius Milhaud Titel „Le boeuf sur le toit“ [4] gezeigt.

Phasenweise zog sich Django immer wieder aus dem Musikgeschäft zurück und verschwand manchmal monatelang auf den Straßen Frankreichs.

Am 15. Mai 1953 starb Django Reinhardt 43-jährig an den Folgen eines Gehirnschlages. Sein Grab befindet sich in Samois-sur-Seine, nahe Fontainebleau.

 

Mehrere seiner Nachkommen wurden bekannte Gitarristen, so seine beiden Söhne Lousson Reinhardt (1929 – 1992) und Babik Reinhardt (1944 - 2001) sowie seine Enkel David Reinhardt (*1986) und Levis Adel-Reinhardt (*1997).

Für viele europäische Sinti und Roma ist Django Reinhardt bis heute eine Symbol für den Erfolg und Aufstieg, eine Art Held und Botschafter ihrer Kultur zwischen Tradition und Moderne (vgl. http://fr.wikipedia.org/wiki/Django_Reinhardt#Le_renouveau_be-bop).

 

Viele Manouche-Musiker und Jazz-Enthusiasten widmen sich einem wahren Kult um Django. Seit 1981 findet alljährlich in Samois-sur-Seine im Departement Seine-et-Marne ein „Django-Reinhardt-Festival“ statt. Man spielt zu seinem Gedächtnis sogar an seinem Grabe. Das Festival wird zum 34. Mal vom 25. – 29. Juni 2014 stattfinden.

Auch in Berlin gibt es zurzeit (2013) eine Band, die sich, von Django Reinhardt inspiriert, zu einer Art Publi-kumsmagnet entwickelt hat: das 2011 gegründete Sextett Django Lassi, die in der Berliner Clubszene gefeiert wird. Ihre Form des Jazz Manouche und des Gypsy Swing wurde für viele Sinti-Familien zu einem wichtigen Kulturgut, Django Lassi wird oft zu Sinti-Festen eingeladen. Ihre Musik ist gekennzeichnet durch eine hohe Vir-tuosität und die Aufnahme verschiedenster gegenwärtiger Musikstile. Faktisch betreibt die Band eine Art musikalische Kreolisierung. „Django Reinhardt bleibt aber letztlich die Basis“ meinte Laurent Humeau, wie die „Berliner Zeitung“ urteilte, „… einer der besten Gitarristen der Stadt“ („Berliner Zeitung“, 3. Dezember 2013, S. 22).
Django Lasso wurde deshalb auch zu dem schon das 35. Mal seit 1980 stattfindenden  „Django Festival“ in Oslo im Januar 2014 eingeladen.
 

(unveränderlich, nach dem Gregorianischen Kalender)


 © Christian Meyer



[1] Reinhardt war der Vatersname seiner Mutter, Weiss der Familienname seines Vaters, der u.a. als Leiter eines Orchesters in Algier arbeitete. Der Vater dirigierte und spielte Klavier und Zymbal. In dem Familienorchester debütierte der junge Musiker. Jean war der standesamtliche Vorname. Wie und warum er zu dem Namen „Django“ kam ist unbekannt. Django ist ein Sinti- und Roma-Name, er soll „ich erwecke, ermuntere“ bedeuten (vgl. „Le Monde“, 11. Oktober 2012). Die Herkunft des Namens ist unklar, u.U. ist er eine Variante von „Johannes“.

[2] Im Frühjahr 1930, während sich Django noch in Behandlung im Krankenhaus aufhielt, erschien dort eine militärische Kontrollkommission, die den Gesundheitszustand des 20jährigen Musikers überprüfte. Zuvor hatte er zwei Jahre lang auf verschiedene Einberufungsschreiben der Armee nicht geantwortet. Angesichts seiner Verletzungen wurde Django nun aber vom Militärdienst befreit.  

[3] Dagegen wurde „für den gesamten deutschen Rundfunk“ schon 1935 das Spielen von „Nigger-Jazz“ vom Propaganda-Ministerium generell verboten (vgl. Tgspl., 18. August 2013, S. 30). Auch die Ausstellung „Entartete Musik“ verurteilte den Jazz schon wegen seiner afrikanischen Herkunft und der vielen jüdischen Jazzmusiker.

[4] Bis heute ist „Le boeuf sur le toit“ der Name eines Jazzclubs und Restaurants nahe den Champs Élysées. Auch ein Ensemble von Django Reinhardt trug diesen Namen.

 

 

 

Django Reinhardt
Django Reinhardt

Abb.: Django Reinhardt in Samois  (Abb. aus Reinhardt, Beiheft, a.a.O.)