23. Dezember: St. Þorlákurstag [1],  Gedenk- und Todestag des katholischen Schutzheiligen Thorlak Thorhallsson (1133-1193) von Island; der Name „Thorlak“ bedeutet im Altnordischen „dem (Gotte) Thor zugehörig“, oder „Thor-Kämpfer“, ein theophorer Name (vgl. Eilenstein, S. 406, a.a.O.).

 

Þorlákur Þórhallsson soll u.a. in Oddi (einem Hof im Südwesten Islands, damals ein regionales Bildungszentrum) Theologie, Geschichte, Dichtung und Genealogie studiert haben. In der „Thorlaks Saga“ (entstanden um 1200) heißt es dazu: „Als seine (Thorlaks, C.M.) Mutter … sah, was für ein bewundernswerter Lehrer Thorlak durch seine guten Anlagen werden würde, wenn seine Studien weiter geführt würden, machten sich Mutter und Sohn auf zu jener höchsten Hauptstadt in Oddi …“ (zit. n. Gudmundsson, S. 32, a.a.O.). 1152 wurde er zum Priester geweiht, ging aber eine – später gelöste Ehe ein.

Später soll auch in Paris (St. Victor) und Lincoln Theologie studiert haben. Nach seiner Rückkehr nach Island war er erst Abt eines Augustiner-Klosters, dann Bischof von Skálholt (im Südwesten Islands). Zur Bischofsweihe reiste Thorlak - wie damals üblich - nach Norwegen.

Als Bischof hatte Thorlak verschiedene Konflikte mit isländischen Adligen. Vordergründig ging es bei den Konflikten oft um Eherecht (Verwandte auch des 4. Grades durften nicht heiraten) und das weitverbreitete Konkubinat. Thorlak verhängte mehrfach den Bann gegen die „Sünder“, einmal wurde er umgekehrt sogar von Betroffenen kurzzeitig festgenommen. Tatsächlich aber ging es dabei v.a. um Abgabenrechte, um Pfründe, um Geld und die Besitzverteilung von weltlicher und geistlicher Macht.

Thorlak starb am 23. Dezember 1193 im Alter von 60 Jahren, nachdem er 15 Jahre Bischof gewesen war. Begraben wurde der Bischof feierlich in der Kirche von Skalholt. Snorri Sturluson – der damals gerade 14jährige spätere „Homer des Nordens“ – war wahrscheinlich bei der Zeremonie anwesend (vgl. Gudmundsson, S. 39, a.a.O.). 

 

Nach Oskar Gudmundsson herrschte um die Wende zum 13. Jhdt. auch in Island „… religiöse Unruhe …, in den Kirchen Islands wurden Kerzen entzündet, Wunder geschahen in den Katen und vielerlei Wundersames wurde überliefert. Überall erzählten sich die Menschen Wundergeschichten von Bischof Thorlak“ (vgl. Gudmundsson, S. 57, a.a.O.).  Schon auf dem Althing 1198 wurden (angebliche) Wundertaten Thorlaks vorgetragen, die seine Heiligkeit bzeugen sollten. So sollten …

 

  • eine schwere Fußverletzung auf dem Wege nach Skalholt wundersam geheilt sein
  • allerlei Erkrankungen durch das Sehen der Kirche von Skalholt oder die Anrufung Thorlaks geheilt sein
  • verlorengegangene Schafe nach der Anrufung des Heiligen wiedergefunden worden sein (vgl. Gudmundsson, S. 60, a.a.O.).
  • ein in einer heißen Quelle verbrühtes Pferd wundersam nach einer Anrufung des Heiligen genesen sein.

Wundererzählungen wurden gesammelt und an den norwegischen Erzbischof Eirik Ivarsson von Nidaros (Trondheim, + 2013) gesandt, der sie positiv wertete: „Von unserem hervorragenden Bruder, Bischof Thorlak, glauben wir in vorzüglicher Hochachtung, dass er ein heiliger Mann war“, schrieb der Erzbischof (zit. n. Gudmundsson, S. 57/58, a.a.O.).

Pal, Thorlaks Nachfolger als Bischof von Skalholt (ein Neffe Thorlaks und ein Ziehbruder Snorris) verkündete schließlich, „… dass es allen Menschen künftig erlaubt sein sollte, den heiligen Bischof Thorlak anzurufen“ (vgl. Gudmundsson, S. 58, a.a.O.).

Oskar Gudmundsson berichtet in seiner Snorri-Biographie, dass ein Sohn Snorris, als er um 1237 nach seiner Gefangennahme gefoltert wurde, betete: „O sancte Thorlak, steh mit bei“ (vgl. Gudmundsson, S. 314, a.a.O.).

Schließlich wurden 5 Jahre nach Thorlaks Tod  im Juli 1198 seine Gebeine feierlich exhumiert (Translatio) und er selbst vom isländischen Althing heiliggesprochen. Seine Grabstätte in Skalholt wurde zu einem nordeuropäischen Wallfahrtsort. 

1199 wurde der 23. Dezember, der Todestag, gesetzlich als St. Thorlakstag festgelegt, 1237 auch der Tag der Exhumierung als Thorlakstag im Sommer, am 23. Juli.

Inwieweit bei der Heiligsprechung auch ökonomische Faktoren eine Rolle spielten, ist ungewiß, Weihegaben und Geschenke von Pilgern zum Grabe Thorlaks waren jedoch zu erwarten. 

 

Die Þorláks saga helga (Die Saga von St Þorlákur) ist in mehreren lateinischen und altnordischen Fragmenten erhalten geblieben und die wichtigste Quelle über das Leben und die (angeblichen) Wunder des Heiligen. Erzählt wird z.B. wie eine quälender Blasenstein durch die Intervention Thorlaks mit dem Harn des Kranken herausgespült wurde (vgl. Gudmundsson, S. 61, a.a.O.). Desgleichen wird in der Thorlaks Saga berichtet, dass eine Frau in Reykholt in eine heiße Quelle gefallen sei und „… sich so sehr verbrühte, dass Fleisch und Haut an den Kleidern hängen Blieben. Die Leute riefen Bischof Thorlak an und innerhalb eines Monats war sie wieder vollkommen gesund“ (vgl. Gudmundsson, S. 91/92, a.a.O.).

Der ursprüngliche Schrein Thorlaks wurde in der Reformationszeit zerstört.

 

Vom Vatikan wurde die Kanonisierung jedoch nicht anerkannt. Erst bevor Johannes Paul II. 1989 Skandinavien und Island (am 3./4. Juni 1989, auf seiner 42. „apostolischen Pilgerreise“) besuchte,  wurde Þorlákur 1984 zum Schutzheiligen Islands ernannt. Gleichzeitig wurden 1989 die Gebeine des Heiligen in den Dom von Skálholt übertragen.

Traditionell wird an diesem Tag in Island geräuchertes Lamm gegessen (vgl. Pilkington, S. 23. Dezember, a.a.O.). Vielfach wird der Heilige auch als Patron der Autisten verehrt. 

 

(unveränderlich nach dem Gregorianischen Kalender)

 

 © Christian Meyer



[1] Die isländischen, vom deutschen Alphabet abweichenden Sonderbuchstaben sind:

Das Þorn: Ϸ; ϸ, , ausgesprochen wie das stimmlose englische „th“ in z. B. „thing“

Das eð: Đ; đ oder ð, ausgesprochen wie das stimmhaft englische „th“ in z. B. „then“

Das æ: Æ; æ, ausgesprochen wie „ä“.