3. Oktober: Mythischer Gründungstag in Korea

 

Der Tag beruht auf dem Gründungsmythos Koreas, – der Überlieferung nach  am 3. Oktober des Jahres 2333 v. Chr., dem Beginn der traditionellen koreanischen Zeitrechnung [1]. Das Datum soll in etwa dem 25. Regierungsjahr des Kaisers Yao in China entsprechen.

Einst, als Himmel und Erde noch eins waren und die Tiere sprechen konnten, wie die Menschen, sandte der Himmelskönig Hwanin seinen Sohn Hwang-Ung gen Osten, um ein neues Land zu gründen. Er siedelte sich der Legende nach auf dem Berg Paeksusan [2] im heutigen Nord – Korea an, am höchsten Punkt der Halbinsel.

Nahebei lebten damals eine Bärin [3] und ein Tiger, die gerne Menschen werden wollten. Hwang - ung war gerührt von ihrem Wunsch und versprach ihn zu erfüllen. Er wollte sie in Menschen verwandeln, wenn sie eine Prüfung bestehen könnten. Hwang – ung gab den beiden 20 Knoblauch–Zehen und etwas Beifuß (Artermisia) [4]. Davon sollten sie sich 100 Tage (nach einer anderen Version der Legende nur 21 Tage) in dem Dunkel der Höhle, das Tageslicht meidend, ernähren und aufrichtig beten. 

Nach 20 Tagen wurde der Tiger hungrig, konnte es nicht länger aushalten und verließ ungeduldig auf der Suche nach Beute die Höhle.  Als die 100 Tage sich dem Ende näherten begann der Bär sein Fell zu verlieren und am Ende des Prüfungszeitraumes hatte sich der Bär in eine schöne Frau verwandelt, die den Namen „Ung Yo“ erhielt, das „Mädchen, das aus einem Bären verwandelt wurde“. 

Sie bat Hwang - ung, ihr einen Ehemann zu geben. Da sie ihm selbst gefiel, heiratete Hwang - ung die schöne Ung Yo [5] . Neun Monate später wurde ein Sohn, Dangun (auch Dan – gun und Tan – gun), geboren. Dangun soll unter einer Birke auf dem Baekdu-Berg geboren sein, an der heutigen Grenze zwischen Nordkorea und China, an dem gleichen Ort, an dem angeblich auch der nordkoreanische Führer Kim Jong-il geboren worden sein soll.

Der Legende nach sollen Jahre später Angehörige der Ku – I, der “neun wilden Stämme” auf Dan – gun getroffen sein, der unter einem Pak – tal – Baum saß. Die Stammesangehörigen kannten nur aus Gras geflochtene Kleidung und aßen Früchte, Beeren, Nüsse und Wurzeln. Im Sommer lebten sie unter den Bäumen und im Winter in Erdlöchern.  Dan – gun stiftete bei ihnen den Ritus der Ehe, sowie die Landwirtschaft, die Holzbearbeitung, den Hausbau und die Beziehung Untertan – König. Desgleichen lehrte Dan – gun die Stämme die Haare mit einem Tuch hochzubinden, führte die religiösen Zeremonien der Ahnenverehrung ein und soll (gegen 2265 v. Chr.) den ersten Altar auf der Kang-Wha Insel gebaut haben  Dieser sogenannte Dan-Gun – Altar befindet befindet sich bis heute auf der höchsten Erhebung der Insel, Muni – San.

Dan-Gun soll mit seiner Frau, Pi So-Ap, und seinen Söhnen zusammengelebt haben, die der Überlieferung nach die Festung  Sam- Nang auf der Insel Chung-Dung gebaut haben sollen .

Im Jahre 1122 soll Ki – Ja, ein Onkel des Kaisers von China, beim dem Sturz der Shang – Dynastie mit tausenden seiner Anhänger nach Korea geflüchtet sein. Nach der Legende zog sich Dan – gun vor den Chinesen in die Stadt Mun – Wha zurück. Nach einer Regierungszeit von 1211 Jahren (nach anderer Zählung „nur“ 99 Jahre) soll er nun seine wieder seine Geistesgestalt angenommen haben und von der Erde verschwunden sein.  Dangun soll nun – nach dem Gründungsmythos Koreas - zum Berg zurückgekehrt sein, um ein „Berggott“ („Sansin [6]) zu werden und über seine Nachkommen (die Koreaner) zu wachen.

Dangun, dieser mythische Halbgott, Kulturbringer und Held [7] , soll das legendäre Reich Go - joseon (2333 v. Chr. - 108 n. Chr., Alt – Joseon, auch "Choson" = „Land der Morgenstille“) gegründet haben, den sagenhaften ersten Staat auf der koreanischen Halbinsel. Der erste koreanische Staat soll am 3. Oktober 2333 v. Chr. von dem „König“ Dangun gegründet worden sein. Die Hauptstadt des Staats soll Asadal (nordöstlich von Beijing) gewesen sein. Der Staat soll neben dem eigentlichen Korea auch Teile von Nordost – China, Liaosi, Liaodong, der Mandschurei und der Inneren Mongolei umfasst haben.

Nach traditioneller koreanischer Überlieferung soll Dangun als erster die religiöse Ahnenkult - Zeremonie verwaltet und sie als politisches Instrument verwendet haben.

Laut "Sam – guk - yusa“ („Die Geschichte der Drei Königreiche“, einer berühmten koreanischen Geschichtsaufzeichnung [8] ) hatte Dangun einen Bronze - Spiegel und eine Bronze - Glocke und einen Bronze - Säbel bei sich, die seine königliche Oberhoheit versinnbildlichten, während die Chinesen erst um 1700 v. Chr. die Bronze zu verarbeiten begannen. Nach koreanischer Tradition [9] sollen auf Dan gun ebenfalls zurückgehen

  • die Seidenherstellung
  • die Wasserversorgung
  • eine frühe Form des Steuersystems

Im Jahre 2181 v. Chr. ließ sein Nachfolger Gyark ein Alphabet für die koreanische Sprache erfinden, während das erste westliche Alphabet erst 1700 v. Chr. in Palästina und Syrien entstand. Diese Schrift namens "Garimto" wurde zur Vorform des heutigen koreanischen Alphabets "Hangul". Manche Koreaner nehmen an, dass das koreanische Alphabet das generell vollkommenste phonetische System sei (vgl. http://www.koreaheute.de/kultur/1202/Kul008.htm).

 

Früher wurde Dangun - v.a. von japanischen Historikern - nur als legendärer Kulturheros angesehen. Dagegen haben die Koreaner ihn vielfach als realen Gründer des koreanischen Volkes verehrt, weil zahlreiche Geschichtschroniken seine Existenz zu bestätigen schienen. Nachdem sein (angebliches) Grab im Jahre 1993 in Nordkorea [10] aufgefunden worden war, wurde er auch dort als wirkliche Person anerkannt.

Überraschenderweise wurde die offizielle nordkoreanische Juche-Ideologie in Verbindung mit dem koreanischen Gründungsmythos gebracht. Nach der amtlichen Geschichtsschreibung soll Kim Jong Il [11] in einem Lager revolutionärer Guerilleros am Paekdusan geboren worden sein. Bei der Geburt Kims sollen sogar fliegende weiße Pferde am Himmel erblickt worden sein (vgl. Storey, S. 405, a.a.O.). Hier liegt klar ein Versuch vor, einen Gründungsmythos zur heutigen Legitimierung zu instrumentalisieren.   

Die Legende von Dan – Gun wurde (nach gegenwärtigem Stand des Wissens) erstmals im 12. Jhdt. durch den Gelehrten, Staatsmann und General  Kim Pu-Sik (金富軾 ) in seiner Schrift “Sam - guk - sagi” ( = „Annalen von den Drei Königreichen“) aufgezeichnet, der ältesten und wichtigsten erhaltenen Quelle zur frühen Geschichte der drei Königreiche im damaligen Korea.

Auf dem Gipfel des Berges Taebaeksan (in der Provinz Gangwon), einem der heiligsten Orte des heutigen koreanischen Schamanismus, befindet sich der steinerne Cheongjedan – Altar. Auf dem Berg finden alljährlich am 3. Oktober, dem legendären Gründungstag Koreas, dem angeblichen Geburtstag  von Dangun, schmanistische Zeremonien statt, Rituale an den Himmel, eng verbunden mit dem Mythos von Dangun.  

Auf dem Berg befindet sich in 1470m Höhe eine als heilkräftig angesehene Quelle. Das Quellwasser ist kristallklar und gilt als heilig. Das Wasser soll sich in Schlamm verwandeln, wenn ein „Unreiner“ es trinkt. Die Ausgießung des lebenserhaltenden Wassers  wird der Legende nach von einem Drachengeist überwacht. Man sagt zudem, dass die Quelle, zu einem verborgenen unterirdischen Königreich führe (vgl. http://knura.new21.net/De/geschichte/alte1.htm).

 

Im dem nahegelegenen Dorf Danggol [12] befindet sich der Dan – gun geweihte Schrein Dan – gun Seongjeon, wo die Statue und ein Portrait des mythischen Vaters der Koreaner aufbewahrt

werden, - ein Magnet für koreanische Pilger. Meist sind es Anhänger des Schamanismus, die auf der Suche nach Heil sind. Ihre transportierbaren Schreine, vor denen Kerzen brennen und Soju [13] als Opfergabe an die Berggeister verschüttet wird, sind an jeder Wegbiegung zu finden.

 

© Christian Meyer

 




[1] Im Jahre 2096 v. Chr. soll der legendäre fünfte koreanische König namens Guul die Tage, Monate und Jahre in ein zusammenhängendes Zeitsystem, den Kalender mit einem  Sechzigerzyklus, gebracht haben.

[2] Der Paekdusan ( = „Weiß – Kopf – Berg“, 2744 m) ist ein erloschener Vulkan und liegt direkt an der chinesischen Grenze. Der malerische Berg hat einen großen Kratersee, den Cheonji (= See des Himmels), mit dem verschiedene Legenden verbunden sind. Der See ist eine Art koreanisches Loch Ness, - es soll in ihm ein drachenähnliches Untier hausen. 

Mit dem koreanischen Gründungsmythos werden jedoch auch der Taebaeksan ( = „Großer Weißer Berg“, 1568m, im Osten Süd–Koreas) und der Myohyangsan (nördlich von Pyongyang)  in Verbindung gebracht.

[3] Es ist interessant, dass einer der wichtigsten frühen koreanischen Stammesverbände den Bär als Totem – Tier verehrte. Im frühen Koreanischen bedeutete das Wort „Gom“ gleichzeitig „Bär“ und „König“.

[4] Von manchen Interpreten wird diese Speise als das erste Kimchi (gimchi) betrachtet (vgl. Kimchi – Tag, vgl. Storey, S. 398, a.a.O.).

[5] Nach einer anderen – wundersamen - Version der Legende war Ung Yo sofort von dem Wunsch nach Mutterschaft beseelt und sie flüsterte nach ihrer Verwandlung: „Gib mit einen Sohn“. In diesem Moment flog Hwang – ung auf den Schwingen des Windes an ihr vorbei, hörte ihren Wunsch, umkreiste sie, hauchte sie an – und sie wurde schwanger. Ihr Sohn wurde auf dem Berg Myo-Hyang unter einem Pak-Tal - Baum ( = Sandelholzbaum) geboren und wurde deshalb Dan-Gun Wang-Gum, Herr des Pak-Tal – Baumes, genannt. 

[6] Alle koreanischen Berge gelten den koreanischen Schamanisten als heilig, jeder Berg hat seinen eigenen Berggott, „sansin“. Für viele Schamanisten ist das ganze Land voller Geister, auch in Quellen, Bäumen, Steinen etc. wohnen sie.  

[7] Der Name „Dan-gun“  bedeutet „Herr des Sandelholzes“. Nicht erwähnt wird in den Überlieferungen, ob das duftende Holz bereits als Räucherwerk Verwendung fand.


[8] Das „Sam guk – yusa“ wurde von dem Priester und Mönch Il-yeon  verfasst, der im Ingaksa Tempel (am Berg Hwasan, 828 m in Goro-myeon) arbeitete, der im Jahre 624, im 11. Jahr der Königin Seondeok gegründet wurde. 

[9] Historisch nachweisbar ist zumindest, dass es in der Mitte des 3. Jtsds. v. Chr. im heutigen Korea und der Mandschurei eine hochentwickelte bronzezeitliche Kultur gab. Typisch waren Dolmen, d.h. Grabkammern mit rechteckigem oder polygonalem Grundriss, die meist aus vier bis sechs Trag- und ein oder zwei Decksteinen bestanden. Dolmen  findet man besonders zahlreich (mehr als die Hälfte aller Dolmen der ganzen Welt) in der Mandschurei und auf der koreanischen Halbinsel, mehr als in Irland, Wales und der Bretagne. Ein Dolmen in der Nähe von Seoul wurde auf Jahre 2500 v. Chr. datiert, ein ähnlicher in Liaoning (Südwestmandschurei) auf das Jahr 2410 v. Chr..

[10] Im Jahre 1993 machten nordkoreanische Archäologen eine „revolutionäre Entdeckung“ am Rande der Hauptstadt Pyongyang: das (angebliche) Grab von Dan–gun und seiner Frau. Die Gebeine befinden sich heute in einem großzügigen Grabmonument, Artefakte aus der Zeit werden in einem Museum gezeigt (vgl. Storey, S. 398, a.a.O.).


[11] Nach unabhängigen Quellen soll Kim Jong Il in der sibirischen Stadt Chabarowsk geboren worden sein – ganz ohne himmlische weiße Pferde.

[12] Danggol ist ein Dorf am Eingang des Taebaek-Gebirges gelegen, heute einem der zahlreichen koreanischen Nationalparks. Der Aufstieg nach Cheonjedan ist 4 km lang und dauert ca. 2 Stunden.

[13] Der Name „Soju“ bedeutet übersetzt "etwas Gebranntes", er wird aus Reis und/oder anderem Getreide destilliert. Soju kam im späten 13. Jahrhundert aus China nach Korea, und soll von dem Adel der Koryo - Dynastie sehr geliebt worden sein. Heute ist Soju ist das beliebteste, meist getrunkene alkoholische Getränk der koreanischen Bevölkerung. Das liegt sicher auch an seinem niedrigen Preis. Es gilt als ein Getränk, das zur Beförderung der Geselligkeit dient.

Soju hat 25 - 45 % Alkohol, wird in der Regel pur und kalt getrunken. Es ist vergleichbar mit Wodka, aber oft geringer im Alkoholgehalt.. Ursprünglich wurde Soju aus Körnern hergestellt; heute wird er als Massenprodukt hauptsächlich aus Süßkartoffeln gemacht  (vgl. http://german.tour2korea.com/food/about/basic/ddt/ddt_wines. asp). Seit ein paar Jahren wird Soju in Korea auch in Tetrapacks verkauft und wird „immer mehr zu einem freizeitbegleitenden Getränk“ (vgl.http://www.lvk-info.org/nr12/lvk-12soju.htm).

 

(unveränderlich, nach dem Gregorianischen Kalender)