17. Juli: japanisch - shintoistisches Fest der Sonnengöttin Amaterasu - o - mi - Kami [1]

 

Der japanischen Legende nach war einst die Sonnengöttin Amaterasu (jap. „vom Himmel leuchtend“) wegen der Untaten ihres Bruders, der Sturm- und Meeresgottes Susanowo, traurig. Sie zog sich deshalb in eine Höhle zurück, die Erde tauchte in Dunkelheit, Kälte und Unglück. Die anderen Götter versuchten sie durch eine List wieder zur Rückkehr zu bewegen. Sie veranstalteten vor dem Eingang der Höhle ein Fest und waren fröhlich. Als Amaterasu neugierig geworden war und nachsah, was vor dem Eingang der Höhle geschah, fingen die Götter ihr Antlitz im Spiegel ein. Der Spiegel faszinierte die Göttin derart, dass sie in die Welt zurückkehrte.

 

Die Sonne gilt als Symbol Japans und als Ahnin der kaiserlichen Dynastie. In vielen Shinto - Schreinen finden Prozessionen statt.

 

Nach der japanischen Mythologie wurde die Sonnengöttin Amaterasu geboren, als der Urgott Izanagi in das Meer eintauchte und alle Meeresgötter diesem Bade entsprossen. Denn als sich Izanagi anschließend das linke Auge wusch, wurde Amaterasu geboren. Beim Waschen des rechten Auges entstand die Mondgöttin Tsukiyomi. Susanowo wurde geboren, als sich Izanagi die Nase wusch. Die kaiserliche Familie führt ihre Herkunft auf Amaterasu und ihren Bruder Susanowo zurück. Der legendäre erste Kaiser, Jimmu Tenno, soll der Urururenkel der Göttin sein (vgl. 11. Februar, Staatsgründungstag).   

 

Besonders verehrt wird Amaterasu im Shinto-Heiligtum von Ise.

 

Vor allem während der Phase der nationalistisch – expansionistischen Politik Japans vor 1945 spielte innerhalb des Kaiserkultes die Verehrung von Amaterasu eine enorme politische Rolle.

 

Der japanische Tenno (damals Hirohito) galt als nachkomme der „Himmelsscheinenden Strahlenden Sonnengöttin“ Amaterasu, jeder japanische Kaiser sei die Inkarnation der Gottheit: Alle Soldaten, „… die für den Kaiser ihr Leben ließen, (würden) selbst zu Unsterblichen“ (vgl. Pu ji, S. 274, a.a.O.).

 

Pu ji, der letzte chinesische Kaiser der Ching – Dynastie und spätere Marionetten – Kaiser der japanischen Kolonie Mandschukuo (auch: Mandschuguo „Mandschu-Land“) beschrieb in seiner (auch verfilmten) Autobiographie die Einführung des Amaterasu – Kultes in der Mandschurei.

 

Der japanische Bevollmächtigte äußerte eines Tages im Jahre 1939 Pu ji gegenüber: „Buddhismus ist vom Ausland hereingekommen…. Eine fremde Religion! Nachdem Japan und Mandschuguo vom gleichen Geist beseelt sind, sollten sie auch den gleichen Glauben haben…“ (Pu yi, S. 274, a.a.O.).

 

Vorgeschlagen wurde eine Art „religiöse Gleichschaltung“ von Japan und der Mandschurei. Pu ji sollte anlässlich des damals anstehenden 2600 Geburtstags von Kaiser Jimmu (des legendären ersten japanischen Tenno) noch Tokio reisen, dort die „Himmelsscheinende Strahlende Gottheit“ und Ahnin des japanischen Kaiserhauses „…. willkommen heißen und ihren Kult zur Staatsreligion von Mandschukuo erklären“ (vgl. Pu yi, S. 275, a.a.O.).

 

Im Mai 1940 reiste Pu ji nach Tokio, wo er vom Tenno in einer feierlichen Zeremonie „… drei geheiligte Symbole der ‚Himmelsscheinenden Strahlenden Göttin’“ erhielt: „Ein Schwert, einen Bronzespiegel und ein gebogenes Stück Jade“. Während der Tenno die Bedeutung der Gegenstände erklärte, dachte Pu ji – nach seiner Autobiographie -, dass „… solche Sachen in jedem besseren Antiquitätenladen in Peking geführt wurden. Waren dies große Götter? Waren dies meine Ahnen?“ (vgl. Pu yi, S. 276, a.a.O.).

 

Zurückgekehrt in die Mandschurei ließ Pu yi neben dem kaiserlichen Palast in damaligen Hauptstadt „Hsingking“ ( „neue Hauptstadt“, heute Tschangtschun oder Chang – chun) einen „Gründungsschrein der Nation“ erbauen, ein „Kultbüro“ einrichten und ein „Reskript von der Konsolidierung der Grundlagen der Nation“ erlassen. In dem Reskript vom 15. Juli 1940 wurde betont, dass Mandschukuo alle Fortschritte „…. dem göttlichen Segen der ‚Himmelsscheinenden Strahlenden Gottheit’ und dem Schutz Seiner Majestät des Kaisers von Japan verdanken…. Mögen die Grundlagen der Nation durch die Verehrung des Weges der Götter (Shinto [2] ) konsolidiert werden und die Prinzipien der Nation auf den Lehren der Loyalität und kindlichen Pietät aufbauen…“ (zit. n. Pu yi, S. 277, a.a.O.).

 

An jeweils dem 1. und 15. Tag jedes Monats musste sich dann – bis 1945 – Pu yi und die Spitzen des Marionetten – Kaiserreichs Mandschukuo zum „Gründungsschrein der Nation“ um dort der Göttin Amaterasu zu opfern. 

In der Mandschurei gab es heftigen Widerstand und auch bei den Kollaborateuren erheblichen Widerwillen gegen den neuen japanischen Glauben an Amaterasu.

Im August 1945 wurden die als heilig angesehenen shintoistischen Ritualobjekte des Amaterasu – Schreins aus Tschangtschun evakuiert.

 

Bei der Thronbesteigung des jetzigen Tenno Akahito im Jahre 1989 wurde das buddhistische Ordinationsritual „sokui kanjo“ vollzogen, womit der Tenno (= himmlischer Herrscher) den (angenommenen) geistigen Status der Einheit mit dem Urzustand, d.h. mit Buddha Dainichi nyorai (= Amaterasu [3] ) erlangt haben soll.

 

Nach dem Artikel 1 der japanischen Verfassung von 1946 ist der Tenno das lebendig wirkende „… Symbol des japanischen Staates und damit der Integration des japanischen Volkes“.

 

© Christian Meyer

 

(unveränderlich, nach dem Gregorianischen Kalender)

 



[1] Der Beiname der Göttin „o - mi - Kami“ bedeutet auf Japanisch „große, erhabene Göttin“. Das japanische „Kami“ wird zwar häufig mit „Gott" übersetzt, bezeichnet aber eigentlich alles Geheimnisvolle und Übernatürliche, das bei den Menschen Ehrfurcht hervorruft, z.B. die Götter, Geister, Dämonen, Sonne, Mond, Berge (insbesondere der  Fuji), aber auch Felsen, Sturm, die Ahnen oder besondere Persönlichkeiten. Beispielsweise soll Robert Koch, der Entdecker des Tuberkelbazillus, in den Kreis der acht Millionen Kami aufgenommen worden sein 

[2] Nach damaliger shintoistischer Vorstellung stammten die Religionen der Welt ursprünglich von Shinto ab. Als Bild wurden die Religionen der Welt zu einem Baum, dessen Wurzeln Shinto darstellten (vgl. Pu yi, S. 278, a.a.O.). In Abgrenzung zu „Shinto“ = „der Weg der Götter“ wurde der Buddhismus in Japan „Buppo“ = „der Weg Buddhas“ genannt. 

[3] Schon im 10. Jahrhundert kam es zu einem regelrechten Synkretismus zwischen buddhistischen Richtungen und dem Ryôbu-shintô (dem Shintô der zwei Parteien) in dem die bedeutende shintoistische Göttin Amaterasu als Manifestation des Buddha Dainichi betrachtet wurde. Das ganze Universum ist nach einer buddhistischen Tradition eine Manifestation des Höchsten Buddha Dainichi (sanskr. Vairocana), in welchem alle anderen Buddhas und Bodhisattva (zukünftige Buddha) enthalten sind.