Faridun bringt den gefangenen Sohak (mit den Schlangen auf den Schultern) zum Berg Demawand (Persische Illustration aus dem 17. Jhdt. zum „Schahnameh“ , Abb aus Heiduczek, S. 16, a.a.O.).

Abb.: Das Frühlingsdreieck - Detail aus der Sternkarte April 2019 der Stiftung Planetarium Berlin

 

In unseren nördlichen Breiten sind Löwe, Jungfrau und Bärenhüter die charakteristischen Sternbilder des Frühlings. Die hellsten Sterne Regulus (im Löwen), Spica (in der Jungfrau) und Arktur (im Bärenhüter) bilden ein spitzwinkliges, großes Dreieck, das Frühlingsdreieck

Newroz - Norus 

 

21. März: Sonne am Frühlingspunkt (auch Widderpunkt), Frühlingsbeginn [1], orientalisches / iranisches [2] /kurdisches [3] / alevitisches Frühlingsfest und Neujahrsfest Newroz – No-rus (pers. نوروز „neuer Tag, neues Licht“), Neujahr des persischen Kalenders und der Bahai; der Tag gilt vielen anatolischen Aleviten auch als Geburtstag Alis, des Schwiegersohns des Propheten Muhammad, 4. Kalifen und 1. Imam der Schiiten. 

 

Auch nach dem zoroastrischen Fasli-Kalender und Fasli-RZE-Kalender ist der Noruz-Tag der erste Tag des neune Jahres.   

Im Jahre 2006 wurde der Frühlimgspunkt am 20. März um 19 Uhr 25 erreicht. Überall auf dem Planeten Erde war dann die Nacht mit ca. 12 Stunden genauso lang wie der Tag. Im Jahre 2016 lag der Frühlingspunkt am 20. März um 5 Uhr, 30 Minuten und 12 Sekunden.

Der Frühlings- und Herbstpunkt sind die Schnittpunkte des Himmelsäquators mit der Ekliptik.

Die Tagundnachtgleiche (Äquinoktium) ist eine Folge der Neigung der Erdachse um ca. 23,5° zur Ebene der Umlaufbahn der Erde um die Sonne. Vom Frühlingspunkt an wendet sich die Nordhalbkugel der Erde der Sonne zu, die Südhalbkugel wendet sich von der Sonne ab. In der Folge davon entstehen die irdischen Jahreszeiten.

Da der Gregorianische Kalender in Normaljahren nur 365 Tage zählt, die Erde aber (gegenwärtig) 5 Stunden, 48 min und 45 sec länger braucht, um die Sonne zu umrunden, verschiebt sich der Frühlingspunkt in jedem Normaljahr um knapp 6 Std. Deshalb begann der Frühling im Jahre 2007 auch erst am 21. März um 1.07 nachts.

Durch die Schaltjahre, den alle vier Jahre eingefügten 29. Februar wird die Verschiebung des Frühlingspunktes wieder ausgeglichen.

 

Das orientalische Newrozfest geht auf eine alte Legende zurück. Einst wuchsen einem Schah zwei Schlangen auf den Schultern, und kein Arzt konnte ihn heilen. Sein Wesir aber, der auch Arzt war, riet ihm, er  müsse die Schlangen mit frischem Menschengehirn füttern, - sonst würden die Schlangen eines Tages den Schah selbst verschlingen. So mussten regelmäßig Jugendliche den Schlangen geopfert werden. Der Schmied Ferhad hatte zwei Söhne, von denen der erste den Schlangen geopfert wurde. Als auch sein zweiter Sohn geopfert werden sollte, empörte sich Ferhad, es kam zum Aufstand und Ferhad erschlug den Schah.


In der kurdischen Überlieferung ist der Schmied Kawa (oder Kaveh, vgl. Abb unten), der das Volk zum Aufstand gegen den grausamen (assyrischen) Herrscher führt und Dohuk (Dehak,  Zuhak, auch Zahak) erschlägt und das Volk befreit. Als Zeichen für das Ende der Tyrannei entzündete er ein Feuer, das noch heute als Erinnerung am Newroztag überall entzündet wird.  Kawa wird auch als Stammvater der Kurden betrachtet.  

 

Im 1. Buch von Firdausis „Schahname [4] wird eine ähnliche Geschichte von Faridun und dem schlangenschultrigen Sohak erzählt.

Sohak (auch Zohak oder Zadhak) war nach Firdausi ein iranischer Schah, der von Ahriman [5] zum Bösen verführt wurde. Ahriman ließ sich als Küchenmeister am Hofe des Schahs anstellen; da er besser kochte als alle anderen Köche am Hofe, stellte ihm Sohak einen Wunsch frei. Ahriman wünschte sich – anscheinend ehrerbietig - , die Schultern des Schahs küssen zu dürfen. Sohak gewährte dem Koch diese Gunst, jedoch sofort nach den Küssen verschwand der angebliche Koch den Blicken der Höflinge und aus den Schultern Sohaks wuchsen urplötzlich zwei züngelnde Schlangen empor. Krieger schnitten dem bestürzten Schah die Schlangen von den Schultern, alsbald jedoch wuchsen sie größer und gefährlicher noch nach und quälten Sohak.

Niemand am Hofe und im ganzen Iran wusste dem Schah Hilfe zu bringen. Ahriman jedoch nahm die Gestalt eines Heilkundigen an und ließ sich vor den Thron Sohaks führen und gab den Rat, nur Menschenopfer könnten dem Schah helfen.

Jedoch soll dann der Schmied Kaveh gemeinsam mit Faridun und viel Volks den Zohak erschlagen haben und die Menschenopfer beendet haben.

 

Aus Freude über den Sieg entzündeten die Menschen ein großes Feuer, um die Nachricht im ganzen Lande zu verbreiten. Geschehen soll der Überlieferung nach im Jahr 612 v. Chr., ein Datum das mit dem Sieg der iranischen Meder über die Assyrer und der Zerstörung von Ninive korrespondiert.

Nach dem „Schahname“ soll dann der mythische König Dschamschid das persische Neujahrsfest Noruz eingeführt haben. Die Kurdi-Jahreszählung beginnt mit der legendären Einführung von Newroz im Jahre 700 v. Chr.

 

Bei der Ausstellung zum „Schahname – 1000 Jahre persisches Buch der Könige“ im Berliner Pergamon–Museum im Mai 2011 wurden u.a. persische Karikaturen als Poster aus dem 2. Weltkrieg gezeigt, die sich am Stil traditioneller Miniaturen aus dem „Buch der Könige“ orientierten. Zadhak trägt dabei einen Hitler-Kopf, die beiden Schlangen die Köpfe Mussolinis und des japanischen Premierministers Tojo. Ahriman trägt einen Goebbelskopf.

 In der Karikaturenfolge wird Hitler/Zadhak schließlich von Churchill, Roosevelt und Stalin besiegt. Inwieweit die von der damaligen britischen Besatzungsmacht initiierten Karikaturenposter bei der persischen Bevölkerung erfolgreich waren, ist unbekannt. 

 

Am Newroz–Tag vollziehen viele Einwohner Istanbuls (keineswegs nur Alewiten) eine Wallfahrt zum Grab Sünbül Efendis (Sünbül Efendi Türbesi) in Kocamustafapaşa/Istanbul. Die Türbe befindet sich im Komplex der Koca Mustafa Paşa camii (vermutlich zuvor die Kirche des Hl. Andreas en tē krisei – in den Martern -, geweiht dem Märtyrer und Bilderstreiter Andreas von Kreta). Die Türbe erhielt ihr jetziges Aussehen im Jahre 1834.

 

Sünbül Efendi (auch Sümbül Efendi, „Herr Hyazinth“) war ein führendes Mitglied des Halveti Tarikat. Geboren wurde er unter dem Namen Yusuf im Jahre 1451 in Merzifon. Er besuchte in Merzifon die Grundschule und anschließend die Medrese in Istanbul. 1489 trat er in den Halveti–Orden ein. Nach einem Aufenthalt in Ägypten heiratete er die Tochter des alten Scheichs und wurde 1494 Scheich des Ordens in Istanbul. 37 Jahre lang blieb er Scheich der Halveti, galt als gerecht und als Lehrer des rechten Weges. Vor allem nach seinem Tode 1529 wurde er als wundertätig verehrt. Sünbül Efendis Grab in der Türbe in Kocamustafapaşa/Istanbul wurde rasch ein Anziehungspunkt für Pilger und blieb es bis heute. Sünbül Efendi wurde zu einer Art Istanbuler Volksheiligem, einem „Patron der armen Leute“ (vgl. Freely, S. 395, a.a.O.).

Die Wallfahrt soll für das folgende Jahr Glück und Gesundheit spenden.

Neben der Türbe Sünbül Efendis befindet sich auch die kleinere seiner Tochter Rahime („die Barmherzige“); an sie wenden sich heute v.a. „… junge Mädchen…, um für einen Mann zu bitten. Auch der alte Baum, der seine Äste über ihrem Grab schwingt und wiegt, soll wunderwirkende Kräfte haben“ (Freely, S. 395, a.a.O.).

 

In den kurdischen Regionen des Irak und Iran steht man am Newrozfest früh auf. Oft macht man morgens großen Lärm, es wird getrommelt, geschossen etc., - der Lärm soll die bösen Geister des Vorjahres vertreiben.

Man besucht Freunde und Verwandte, macht sich kleine Geschenke und genießt die Ankunft des Frühlings.

 

Auch im heutigen Iran wird Norus gefeiert, obwohl es von den herrschenden Mullahs  als unislamisch zumindest ungern gesehen wird. Typisch ist  im Iran oder auch In Afghanistan die Gestaltung eines speziellen Neujahrstisches (der Sofreh-Haft-Sin), der die Haft Sin ( „Sieben S“ [6] ) umfassen muss, 7 Objekte, die unbedingt als Anfangsbuchstaben das persische „S“ haben müssen. Z.B. 1.): Sekke – Münzen; sie stehen für Wohlstand; 2.) Sib – Apfel; er steht für die Schönheit und Gesundheit; 3.) Somach – ein orientalisches Gewürz; es steht für den Sonnenaufgang und den Geschmack des Lebens; 4.) Sombol (auch Sonbol oder Sümbül) – die Hyazinthe, als Symbol der Natur und der Treue; 5.) Sir – Knoblauch; er steht für den Schutz vor Krankheit und die Medizin; 6.) Sabzeh – Linsensprossen; sie stehen für Vitalität, das neue Leben; oder  Samanou -  der Weizenpudding, er steht für Wohltat und Segen; oder Senjed - die Frucht der Ölweide oder die Mehlbeere; sie ist das Symbol für die Liebe, der „Keim des Lebens“; oder Samanak, Keimlinge aus sieben Getreidesorten; 7.) Sirkeh – Essig; er steht für die Fröhlichkeit.

Auf den Tisch werden außerdem oft Weihrauch (Sipand), Fotos von Familienangehörigen, eine Kerze, ein heiliges oder wichtiges Buch und ein Spiegel (als Symbol von Licht und Helligkeit) gestellt.

Das Neujahrsgetränk „Haft Mewa“ besteht aus sieben Früchten bzw. Zutaten.

Der Neujahrstisch bleibt 13 Tage lang im Haus gedeckt.

Im Iran wie auch bei den Kurden bildet Newroz bis heute eine Art Übergangsritual. Zur Betonung des neuen Lebensabschnittes werden neue Kleider angezogen und besonders festliche Essen vorbereitet.

Als Zeichen für den Frühlingsbeginn werden große Feuer entzündet, über die gesprungen und getanzt wird,

Man besucht Verwandte und Freunde oder in einen Park bzw. eínen Ausflugsort. Zuweilen werden  Musiker engagiert, sie spielen und singen traditionelle, politische oder Liebeslieder.

 

Schon Omar Chajjâm [7] schrieb einen rubâ’i (Vierzeiler) zum Newrozfest:

 

                             „Naurôsfest ist’s! Die Tulpen blühen, zum Becher lang!

                              Trink, trink, Sâkî [8] , der Liebsten küß die Tulpenwang!

                              Manch einer, den das blaue Rad jäh überrascht,

                               bevor er noch das Glück erhascht, im Grab versank“

 

                                                                            (zit. nach Chajjâm, S. 86, a.a.O.).

 

Im „Rosengarten“ Sa’dis findet sich eine Art Gotteslob zu Newrozfest: „Die Bäume hat er zum Neujahrsfest mit einem grünen Blättergewande geschmückt, und den jungen Zweigen hat er bei der Wiederkehr der Rosenversammlung den Blütenkopfputz angezogen. Der Saft des Rohres ist durch seine macht als trefflicher Honig geflossen, und den Dattelkern ließ er durch seine Fürsorge zur Riesenpalme emporsprossen“ (Sa’di, S. 10, a.a.O.)

 

Zum Iranischen Neujahrfest gibt es bis heute Haji Firuz,  „… ein populäres Figürchen zu kaufen, vom Genre lustiger Neger: ein Schwarzer mit Kulleraugen und breitem Lachmund, auf dem Kopf eine rote spitze Mütze mit Goldquatse… Gelegentlich sah ich ihn leibhaftig auf einer Straße, ein Spaßmacher mit geschwärztem Gesicht, er spricht mit komischem Aktenz, um seinen ‚Herrn‘ zum Lächeln zu bringen…“ (Wiedemann 2017, S. 230, a.a.O.).

 

Manche Iraner behaupten heute, diese Tradition (vgl. Abb. unten) stamme von einem zoroastrischen Brauche her, wahrscheinlich aber ist es ein Überbleibsel der alten iranischen Sklavenhaltung.

 

Das Neujahrsfest (usbek. „Norus") wird heute wieder auch in ganz Mittelasien gefeiert. In Buchara z.B. werden besondere Speisen zu Norus gegessen: Hafta-Sin sieben (pers. „hafta") Speisen, die mit dem Buchstaben S („sin") anfangen. Hafta-Sin gehört hier „... zum Norus wie der Weihnachtsbaum zum Fest der Christen" (vgl. FAZ-Magazin, 20. II. 1998, S. 18). Oft wird der Tisch für das Hafta-Sin-Essen in besonderer Weise gestaltet, häufig liegt der Koran auf dem Tisch und auch ein Spiegel.

Auch werden zum Norus-Fest im Samaniden-Park zu Buchara u.a. Ringkämpfe, Reiterspiele und Tänze aufgeführt.

Ein usbekisches Sprichwort lautet: "Ein gutes Jahr kündigt sich am Norus an", es gilt als gutes Omen für das neue Jahr, wenn zu Norus die Pfirsichbäume blühen.

 

Während der fünfjährigen Herrschaft der Taliban in Kabul war das Newroz – Fest als unislamisch verboten worden. Deshalb wurde das Fest 2002 besonders intensiv gefeiert.

Zu Newroz gibt es in Kabul eine besondere Tradition: nach der lokalen Überlieferung soll Ali, der Schwiegersohn des Propheten Muhammad und 4. Kalif, auf seinen Kriegszügen bis nach Kabul gelangt sein und dort seinen Fußabdruck hinterlassen haben. An der Stelle des Fußabdrucks wirde ein kleiner, blau überkuppelter Ali – Schrein errichtet, der bis heute von vielen Kabulern innig verehrt wird.

Zum Newroz–Fest des gregorianischen Jahres 2002 wurde gemäß der Tradition das schwere, riesige Banner Alis im Hofe des Schreins für 40 Tage, für alle sichtbar aufgestellt. Wer das Banner Alis oder die Fahnenstange küsst, dem sind nach dem Volksglauben Glück, Gesundheit und Zufriedenheit in dem nächsten Jahr sicher (vgl. SZ, 22. März 2002).

Viele Kabulis schlachten zu Newroz ein Opfertier und geben Teile des Fleischs den Armen. Beliebte Newzoz – Acessoirs sind buntbemalte Eier oder kaninchenförmige Luftballons [9] .  

 

Auch das Jahr des Bahai - Kalenders [10] beginnt mit dem No Ruz - Fest.

 

Bei den alten Kelten wurde am 21. März das Vogelfest „Alban Eiler“ (kelt. „Licht über der Erde“) gefeiert, das den Beginn des Frühlings markierte. Traditionell ging man an diesem Tage bereits in der Morgendämmerung hinaus in die freie Natur, um auf die Rückkehr der Zugvögel zu warten. Wenn das Warten erfolgreich verlief, wurde inder Gewißheit der beginnenden Frühlings anschließend geschmaust und getrunken. Vermutlich ist die Verbindung von Ostern zu Eiern und Küken ein Überrest aus der druidisch – keltischen Zeit. 

 

Bei den antiken Hethitern in Kleinasien wurde zum Frühlingsbeginn das „Fest des Krokus“ gefeiert. Wie bei dem Herbstfest (ð „Fest der Eile“) war es verbunden mit einer Kultreise durch einige Städte des Hethiter – Reiches, die ihrerseits mit Fruchtbarkeitsriten zum Landwirtschaftszyklus zusammenhingen.

Der Marburger Archäologe Andreas Müller–Karpe entdeckte in der hethitischen Provinzstadt Sarissa [11] 1992 Bruchstücke von 46 Tontafel – Texten. In den Texten wurde von der Kultreise berichtet, auf der alljährlich das Großkönigspaar zum Frühlingsfest die Stadt Sarissa besuchte (vgl. Schröder, 2002, S. 132, a.a.O.).

 

In vielen arabischen Ländern wird der Tag der Frühlingstagundnachtgleiche als Muttertag (Id al – umm) begangen, an dem die Mütter besondere Aufmerksamkeit genießen und Geschenke erhalten.

 

Auch in der Türkei wird Newroz vielfach gefeiert, nicht nur von den Aleviten und Kurden. In den letzten Jahren wurde das Fest aber immer mehr zu einem Symbol des Widerstands gegen die autokratischen Tendenzen der Regierung Erdoğan, denn Newroz war ja mehr ein Aufstand gegen Ungerechtigkeiten als nur ein Fest.

 

Weil die (links orientierte) Band „Grup Munzur“ anlässlich des Neujahrsfest - Newroz 2017 in Tunceli zwei kurdische Lieder sangen, wurde ihr „Propaganda für eine Terrororganisation“ vorgeworfen. „Die zehnmonatige Haftstrafe, zu der die Musiker*innen deshalb verurteilt wurden, ist zwar einstweilen ausgesetzt, doch nur solange sie sich an die Auflage halten, die inkriminierten Lieder ‚Zindana Diyarbakir‘ (Kerker von Diyarbakir) und ‚Serhildan Jiyane‘ (Leben ist Widerstand) nicht wieder singen“ (vgl. Namlı, S. 8, a.a.O.).

 

Auch im Jahre 2018 fanden am 21. März an vielen Orten der Türkei – trotz Repression und Angst – große Newroz-Feierlichkeiten statt, vermutlich Hunderttausende nahmen an ihnen teil, an einem Arbeitstag, während der Arbeitszeit – meinte Yücel Özdemir von der Zeitung „Evrensel“ (zit. n. ND, 24./25. März 2018, S. 7).
Die Botschaft an Erdoğan war: „Wir sind hier, wir werden weiterhin Widerstand leisten“ (vgl. ND, 24./25. März 2018, S. 7). In Diyarbakir (in Amed, so der kurdische Name), allein dort nahmen ca. 100 000 Menschen an den Newroz-Feiern teil.

Nach der Eroberung von Afrin/ Efrîn im März 2018 durch den völkerrechtswidrigen türkischen Angriffskrieg auf den Kanton in Syrien wurde dort die Skulptur von Kawa, dem Schmied - ein Symbol des kurdischen Widerstandes (siehe Abb. unten) -  mit einem Bagger vom Sockel gerissen und zerstört, ob von der türkischen Armee oder ihren islamistischen Helfern ist unklar. 

Am 30. September 2009 nahm die UNESCO den Nouruz/Newroz-Tag (gemeinsam für die Türkei, Aserbaidschan, Indien, Iran, Kirgisistan, Pakistan und Usbekistan) in die Liste der Meisterwerke des mündlichen und immateriellen Erbes der Menschheit auf. Die Liste umfasste im Dezember 2015 genau 336 „kulturelle Ausdrucksformen“ aus allen Regionen der Erde.

 

Auf Beschluss der 64. Generalversammlung der UNO vom 10. Mai 2010 ist wurde Newroz/Nouruz als internationaler Tag anerkannt. Die Generalversammlung stellte dabei fest, dass „… Nouruz ein Frühlingsfest ist, das von mehr als 300 Mio. Menschen seit mehr als 3000 Jahren auf der Balkanhalbinsel, in der Schwarzmeerregion, im Kaukasus, in Zentralasien und im Nahen Osten gefeiert wird“ (vgl. https://passkreuz.wordpress.com/2013/02/16/newroz-2013-in-der-un-resolution-nouruz-nevruz/)

 

(ein festliegender Feiertag, am Tag der Frühlingstagundnachtgleiche, meist nach dem Gregorianischen Kalender am 20. oder 21. März; unabhängig vom islamischen Mondkalender)

 


[1] Der Begriff „Lenz" für „Frühling" stammt vom gleichbedeutenden ahd. "lenzo". Der Begriff wurde im 18. Jhdt. wieder neu belebt und wird seither nur noch dichterisch benutzt. "Lenzo" ist etymologisch verwandt mit "lang" und bedeutete wohl "die Zeit der langen Tage".  Im Englischen bedeutet das Wort "lent" heute „Fastenzeit". Der Familienname "Lenz" wird als Koseform zu "Lampe, Lambert" betrachtet. 

[2] Bei dem altpersischen Kalender handelte es sich um einen beweglichen Sonnenkalender (annus wagus), der vermutlich zu Beginn Achämeniden - Zeit (ca. 5. Jhdt. v. Chr.) von Ägypten übernahmen. Bereits damals fiel der Kalenderbeginn wahrscheinlich mit der Frühlingstagundnachtgleiche im März zusammen.

Der altpersische Kalender hatte 12 Monate zu je dreißig Tagen und fünf ergänzende Tage oder Epagomenae (Schalttage), also genau 365 Tage pro Jahr.

Jedoch wurde nicht - wie im julianischen Kalender - alle 4 Jahre ein weiterer Schalttag eingefügt. So war der alt - persische Kalender nach 4 Jahren einen Tag kürzer als der julianische Kalender. Deshalb entsprachen 1460 julianische Jahre 1461 alt - persischen. Der alt - persische Neujahrstag wanderte also durch alle Jahreszeiten.

Die alt - persische Epochenzählung setzte jeweils mit dem Neujahrstag an, der der Thronbesteigung des jeweiligen Herrschers vorausging. So trat der letzte Sassaniden - Schah Jazdkart III. am 10 . Juni 633 die Herrschaft an, seine Epoche aber begann schon am 16. Juni 632. Mit diesem Datum ließ er auch seine ersten Münzen prägen.

Für die persischen und indischen Parsen, Anhänger des zoroastrischen Mazdaismus, blieb der 16. Juni 632 bis in die Gegenwart als der erste Tag ihrer Zeitrechnung verbindlich (vgl. Klíma, S. 202, a.a.O.). Parsi Neujahr: 18. August 2014

Bis heute, auch in der Islamischen Republik Iran („Dschumhuri-i Islami-i Irân“) wird in Persien neben dem rituell - islamischen Mondkalender („hedschri khameri“, von „khamer“ = Mond) auch der antike persische Sonnenkalender („hedschri schamsi“, von „schams“ = Sonne) verwendet, sogar mit den alten „heidnischen“ Monatsbezeichnungen.  

Persische Monatsnamen (z.T. nach Gottheiten der jüngeren Form der zoroastrischen Religion benannt):

1.) Fravartin oder Farwardin ( = Ahnengeister, Schutzengel), 30 Tage

2.) Urtvahischt oder Ordibehescht ( = Beste Ordnung), 30 Tage

3.) Chordad oder Khordard ( = Gesundheit), 30 Tage

4.) Tir oder Tier ( = Siriusstern), 31 Tage

5.) Amurdad oder Mordad ( = Unsterblichkeit), 31 Tage

6.) Schahrevar oder Schahriwar ( = beste Regierung), 31 Tage

7.) Mihr oder Mehr (Gott der Verträge, Mithra), 30 Tage

8.) Aban (Gewässer = Anahita), 30 Tage

9.) Atur oder Asar ( = Feuer), 30 Tage

10.) Dai oder Dey ( = Schöpfer), 30 Tage

11.) Bahman ( = Gute Denkart), 30 Tage

12.) Spendarmat oder Esfand ( = Mutter Erde, Genius der Hingabe an die landwirtschaftliche Arbeit), 29 / 30 Tage (vgl. Klíma, S. 203, a.a.O.).

Nach dem 12. Monat Esfand werden die entsprechenden Schalttage zu echten Sonnenjahr eingefügt.

Hauptfeiertage: 6, gahanbars genannt

Nauroz. wurde als Neujahrsfest begangen

Mihrgan (oder Mehrgan), im Monat Mihr ; wird bis heute gefeiert, zum Missfallen der Mullahs allerdings.

Originell ist die heutige Jahreszählung („iranische Ära“), die auch bei den Sonnenjahren mit der Hedschra des Propheten von Mekka nach Medina im Jahre 622 einsetzt, jedoch nach Sonnenjahren zählt: So entsprach das Gregorianische Jahr 2000 (- 622) dem iranischen Jahr 1378/79, das Jahr 2001 entspricht dem Jahr 1379/80 der iranischen Ära.  Auf heutigen iranischen Münzen werden immer beide Jahresangaben eingeprägt. 

[3] Kurdischer Kalender (Kurdî): das Jahr 2695 = 1995 des Gregorianischen Kalenders; Zählungsbeginn ist das Jahr 700 v. Chr.. Am Newroz – Tag beginnt der 1. Tag des 1. kurdischen Monats, Adar, seit der mythischen Einführung des Newroz,

Es ist ein Sonnenjahr mit 365 Tagen, die Monatesind:

                1. Adar , 31 Tage; 1. Adar: Newroz

                2. Nîsan , 31 Tage

                3. Gulan cewzerdan, 31 Tage

                4. Pûsper Hezîran, 31 Tage

                5. Tirmeh Temûz, 31 Tage

                6. Tebax - Kelavêj, 31 Tage

                7. Îlûn Rezber, 30 Tage

                8. Cotan Kewçêr, 30 Tage

                9. Mijdar Sermawez , 30 Tage

                10. Berfanber Çirya Rêşî, 30 Tage

                11. Rêbendan Çirya Paşî, 30 Tage

                12. Sibat Reşemî, 29 Tage

[4] Firdausi (eigentlich Abu al – Qasim Masur, ca. 932 – ca. 1020) ist der Schöpfer des persischen Nationalepos, der „Schahname“ („Buch der Könige“). Es ist in mehreren Fassungen überliefert und umfasst zwischen 40000 und 52 000 Verse. Firdausi widmete sein Meisterwerk Sultan Mahmut von Ghazna, der das Werk jedoch nicht angemessen gewürdigt haben soll. Heinrich Heine hat in seinem „Romanzero“ die Legende um den Lohn Firdausis dargestellt: „Schah Mohammed hat gut gespeist…“ (Heine, o.J., Bd. 3, S. 38 f).

Die Inhalte des Schahname basieren auf iranischen, v.a. ostiranischen Sagen und Legenden aus vorislamischer Zeit. Trotz des Titels sind nicht die iranischen Könige die eigentlichen Helden des Epos, sondern die ruhmreichen Krieger aus der persischen Aristokratie, „… tapfere, selbstbewusste Recken, die selbst dem Schahinschah widersprechen und für Gerechtigkeit eintreten“ (Burchard Brentjes, in Heiduczek, S. 211, a.a.O.). 

[5] Ahriman war in der Religion Zarathustras die Verkörperung des Bösen, der Gegenspieler Ahura Mazdas.

[6] Die  besondere Bedeutung der Sieben könnte auf die 7 Tugenden des Zoroastrismus zurückgehen.

[7] Der Dichter, Mathematiker, Astronom und Philosoph Omar Chajjâm (auch „Hayyam“ = „der Zeltmacher„) stammte aus dem ost - persischen Nischapur, wo er 1122 starb. Unter anderem war er Mitarbeiter einer damaligen Kommission zur Kalenderreform, die nach Dschalâluddin Malik Schâh „Dschalalî“ genannt wurde. Dieser Kalender war genauer als der spätere Gregorianische Kalender, konnte sich jedoch gegen den islamischen Mondkalender nicht durchsetzen. Die damalige Kommission legte den Jahresbeginn auf den Frühlingsbeginn (Newroz) fest, was bis heute erhalten geblieben ist.

Das Mausoleum Omars (in der heutigen Form 1934 fertiggestellt) befindet sich bis heute 3km nördlich der Stadt Nischapur.   

[8] Der aus dem Arabischen stammende Begriff „Sâkî“ bedeutet soviel wie „Mundschenk“. 

[9] Auch tierförmige Ballons waren als Abbildung von Lebewesen während der Talibanzeit als unislamisch verboten. 

[10] Das Bahai - Jahr ist ein Sonnenjahr mit 365 (bzw. 366) Tagen, dass jedoch mit dem No - Ruz - Fest (Naw Ruz) beginnt, d.h. dem Frühlingsäquinoktium am 20. oder 21. März (je nach Sonnenstand). Die Bahai - Jahreszählung beginnt mit der Erklärung des Bab im Gregorianischen Jahr 1844. Im Jahre 1998 begann also das 155. Jahr der Bahai - Ära. Jedes Bahai - Jahr hat 19 Monate mit jeweils 19 Tagen. Zusätzlich werden 4 bzw. 5 Schalttage zwischen dem 18. und den 19. Monat eingeschaltet.

Der Zahl 19 werden eine Reihe von symbolischen Bedeutungen zugeordnet. Sie gilt als eine unvollendete Zwanzig und ist im islamischen Bereich eine als heilig angesehene Zahl. In „... der Arabischen Tradition ist Neunzehn der Zahlwert des Wortes 'wahid', 'Eines, Einer'" (vgl. Enders, S. 241, a.a.O.). Im europäischen Mittelalter sah man in der Zahl 19 die Kombination der 12 Tierkreiszeichen mit den damals angenommenen 7 Planeten. Im babylonischen Kalender galt der 19. Tag eines Monats als unglücksbringend, denn er war - vom vorherigen Monat ausgerechnet - der 7 mal 7., also der 49. Tag. Schließlich ist die Zahl 19 mit dem Metonischen Zyklus verbunden, denn nach 19 Jahren fallen alle Mondphasen wieder auf dieselben Wochentage des Sonnenjahres.   

[11] Die hethische Ruinenstätte Sarissa liegt auf der zentralanatolischen Hochebene im östlichen Kappadokien, südlich von Sivas (4 km östlich des Dorfes Basören/Altınyayla; Flurbezeichnung: Kuşaklı = trk. „umgürtet“; die Bezeichnung nimmt Bezug auf die Steinumwallung). Um 1200 v. Chr. ging Sarissa durch eine Brandkatastrophe zugrunde.  

 

 

© Christian Meyer

Abb.: Freudenfeuer auf dem Berge und Frühlingsblüten - Bildschmuck der Newroz-Einladungskarte zur Eröffnung des „ Hevrin Khalaf“ am 21. März 2020 auf dem Jacobi-Friedhof in Berlin-Neukölln, Hermannstraße 99; Hevrin Khalaf war eine kurdische Ingenieurin und Politikerin in Nordsyrien, die während der türkischen Invasion im Oktober 2019 misshandelt und ermordet wurde. 

Abb. Denkmal des Schmieds Kawa mit Hammer und Fackel in Afrin (vor der Zerstörung)

 

(Abb. aus: https://www.google.de/search?q=Denkmal+Kawa+Afrin&rlz)

 

Abb.  Newroz – „Briefmarke“ der Kalifornischen Online-Firma Zazzle aus dem Jahre 2014 (Pirooz Firuz)