Kloster Mor Gabriel (Photo: Christian Meyer, September 2011)
Kloster Mor Gabriel (Photo: Christian Meyer, September 2011)

23 Dezember: Todes- und Festtag von Mor Gabriel, des Heiligen Gabriel (syr.-orth.)

 

Am 23. Dezember 668 n. Chr. [1] starb der syrisch–orthodoxe Heilige (aramäisch: „Mor“) und Abt des später nach ihm benannten Klosters Mor Gabriel in der Nähe der heute türkischen Stadt Midyat (Provinz Mardin).

Geboren wurde Gabriel im Jahre 594 in einem christlich–„monophysitischen“ [2] Dorf des damals byzantinischen Tur Abdin. Er besuchte eine Schule, lernte rasch Lesen und Schreiben, erkannte „die Kraft der Bücher“ und wurde schon als junger Mann zum Diakon einer Dorfgemeinde gewählt (vgl. Aydin, S. 10, a.a.O.).

Als seine Eltern ihn verheiraten wollten, weigerte sich der junge Gabriel, entwich von zu Hause und wurde - fünfzehnjährig - bei einem Asketen dessen Jünger und Mönch. Er studierte der Überlieferung nach eifrig die Bibel, betete, kasteite sich, fastete, lief barfuß, trug nur ein Gewand aus rauhem Ziegenfell, schlief kaum zwei Stunden pro Nacht, führte ein streng asketisches Leben [3] . Er glaubte so, „... die Wildheit dieses tollwütigen Körpers, der voller Sünden und Frevel ist, (zu) demütigen und (zu) zähmen, damit die Schmerzen der Leidenschaften in ihm nicht aufrühren“ (zit. n. Aydin, S. 13, a.a.O.).

Nach sieben Jahren trat Gabriel dann in das Kloster Mor Shemoun ein, das später nach ihm umbenannt wurde. Dort erhielt er eine Zelle, in die er sich „... viele Jahre einsperrte und ein asketisches Leben führte ... Heute noch gibt es im Kloster einen Ort, der ‚die Zelle des heiligen Mor Gabriel’ heißt. Dort gibt es ... eine Spalte in der Wand, wo er sich die ganze Nacht durch aufrecht erhalten konnte“, um nicht einzuschlafen (vgl. Aydin, S. 14, a.a.O.).

Später, im Alter von 39 Jahren wählten seine Mitmönche im Kloster Gabriel zu ihrem Abt [4] und im Jahre 634 wurde er zum Metropoliten des Tur Abdin geweiht.

In diese Zeit fielen einige wichtige politische Entwicklungen. Nach langen erschöpfenden Kriegen gelang es dem byzantinischen Kaiser Heraklius (reg. 610 – 641) die persischen Sassaniden zu besiegen und z.B. das als heilig angesehe (s.a.) Kreuz Christi zurück zu erhalten. Der Sieg war allerdings nur sehr kurzfristig, denn in wenigen Jahren darauf, gelang es den muslimischen Arabern, nahezu alle orientalischen Provinzen des Byzantinischen Reiches zu erobern. Da die dortige „monophysitische“ Bevölkerung unter der Religionspolitik von Byzanz gelitten hatte, unterstützte sie zumindest teilweise die arabischen Eroberer. Auch Mor Gabriel „begrüßte ... das Kommen der Tayyaye [5] und empfand es als Befreiung von der Unterdrückung der Römer. Er gab ihnen also den Weg frei und unterstütze sie“ (vgl.Aydin, S. 21, a.a.O.).  

Mit dem muslimischen „Emir“ wurde ein Vertrag abgeschlossen, der „... den Syrern die Freiheit (gab), die Gesetze ihres Glaubens auszuüben: Kirchenglocken, Feiern der Kirchenfeste, Beerdigung der Verstorbenen, Dekoration der Kirchen und Klöster. Und er befreite Priester, Diakone und Mönche von Steuern, und legte die Steuern der anderen auf das Vierfache fest“ (vgl. Aydin, S. 21/22, a.a.O.).

 

Eine Vielzahl von Wundertaten ist aus den letzten Lebensjahrzehnten Gabriels überliefert, wobei auffällig ist, dass sie z.T. direkt Wundern entsprechen, über die die Bibel von Jesus berichtet: Ähnlich der Witwe von Nain (vgl. Lk 7, 11-16) erweckte der Heilige durch seine Gebete den ungetauft verstorbenen Sohn einer Witwe wieder zum Leben (vgl. Aydin, S. 28 f., a.a.O.). Ähnlich der Speisung der Fünftausend wurden eine große Zahl von armen, fremden Wallfahrern und die Mönche des Klosters durch eine geringe Menge an Speisen wunderbarerweise gesättigt (vgl. Aydin, S. 24 f., a.a.O.). 

Als eine sehr schwere Steinplatte nicht weiter bewegt werden konnte, kamen die verstorbenen, in dem Kloster begrabenen Möche wundersamerweise den Lebenden zu Hilfe, mit Erfolg (vgl. Aydin S. 32 f., a.a.O.).

Einige andere Wunder bezogen sich auf Mönche, die die Klosterregeln (z.B. die Speisegesetze) brachen und nach vergeblichen Ermahnungen Gabriels hochmütig und verstockt blieben und in der Folge eines plötzlichen übernatürlichen Todes starben (vgl. Aydin, S. 22 f., a.a.O.).

Im Alter von 74 Jahren erkrankte Mor Gabriel und starb: „In der gleichen Stunde stieg ein angenehmer Wohlgeruch empor und es floss frischer Tau. Alle Bewohner des Konvents sowie alle Bewohner seiner Herde trauerten sehr um ihn. Sie ehrten durch Gottesdienste sieben Tage und sieben Nächte lang seinen ehrwürdigen Leib“ (vgl. Aydin, S. 37, a.a.O.).

Beerdigt wurde Mor Gabriel in dem Kloster, in der „Beth- qadische“ (wörtlich: „Ort/Haus der Heiligen“), ein nicht unterirdischer Begräbnisraum für die Mönche neben der Kirche. Das Grab ist bis heute erhalten und Ziel vieler gläubiger Wallfahrer.

Während der Beerdigungsfeierlichkeiten gab es soviele Gläubige, dass in dem Gedränge ein zehnjähriger Junge totgetreten wurde. Als man die Leiche des Kindes vor den aufgebahrten Heiligen brachte, wurde das Kind durch ein Wunder wieder zum Leben erweckt (vgl. Aydin, S. 39, a.a.O.).   

Bis heute wird Mor Gabriel in der syrisch–orthodoxen Kirche hoch verehrt, „... durch seine Werke (leuchte er) wie ein Morgenstern in dieser finsteren Welt“ (vgl. Aydin, S. 9, a.a.O.).   

 

Das Kloster Mor Gabriel ist bis heute (2011) Sitz des syrisch-orthodoxen Metropoliten des Tur Abdin. In dem Kloster leben zwar nur noch drei Mönche, aber es wird dort eine größere Gruppe von Seminaristen unterrichtet.

Das Kloster wurde mehrfach in seiner langen Geschichte seit dem 6.Jhdt. zerstört, u.a. durch Truppen Timurs, aber immer wieder aufgebaut. Im Altarraum der Kirche sind einige schöne Mosaikfragmente aus der Zeit Kaiser Justinians erhalten geblieben.  

 

(Abb. einfügen)

 

Bis heute ist das Kloster Mor Gabriel „... für die noch im Südosten (der Türkei, C.M.) verbliebenen Christen ... der zentrale Anlaufpunkt geblieben“ (vgl. Aydin, S.6, a.a.O.). 

 

(unveränderlich, nach dem Gregorianischen Kalender am 23. Dezember)

 

 © Christian Meyer



[1] In der Heiligenvita wird das Jahr 979 der „Griechischen Ära“, d.h. der Seleukidischen Ära angegeben (vgl. Aydin, S. 38, a.a.O.). Dem entspricht das Jahr 668 Anno Domini.

[2] Der Begriff „monophysitisch“ bezeichnet die Anhänger der christologischen Lehre, dass Jesus nur eine Natur habe. Auf dem Konzil von Chalkedon im Jahre 451 wurde diese Lehre als „häretisch“ verurteilt, die Anhänger der Auffassungen von Chalkedon (die „Dyophysiten“, die den Glauben an die zwei Naturen Christi vertraten) verließen die syrisch-orthodoxe Kirche und und folgten der byzantinischen Staatskirche. Diese aber verfolgte und bekämpfte die „Monophysiten“, die zum Teil ins benachbarte sassanidische Persien flüchteten. Im (damals zoroastrischen) Persien wurden umgekehrt die Anhänger von Chalkedon unterdrückt und verfolgt, ihre Bischöfe verbannt etc. (vgl. Aydin, S. 21, a.a.O.). Der Begriff „monophysitisch“ wurde vielfach mit einen abwertenden Chrarakter verbunden, deshalb steht er hier in Anführungszeichen.

[3] So soll der Heilige oft „Prostrationen“ (Kniebeugungen) ausgeführt haben: Dabei „... berührt der Anbetende lediglich mit Fingerknöcheln und Stirn den Boden und steht dann wieder auf, ohne auf den Knien geruht zu haben“ (vgl. Aydin, S. 12, a.a.O.).

[4] Das Wort „Abt“ stammt aus dem Aramäischen, von „abba“ = Vater und war ursprünglich ein allgemeiner Ehrenname. „Erst seit dem 5./6. Jahrhundert ....“ wurde der Begriff „... dem Vorsteher eines Klosters vorbehalten“ (vgl. Aydin, S. 14, a.a.O.). In die europäischen Sprachen wurde der Begriff über die griechische Entlehnung „abbas“ übernommen.  

[5] Mit „Tayyaye“ oder „Tayoye“ wurde ursprünglich im damaligen Syrischen (Aramäischen) ein arabischer Stamm bezeichnet. Vom 7.Jhdt. an aber wurden alle Araber und bald auch die Muslime so genannt (vgl. Aydin, S. 21, a.a.O.).

Mosaik im Koster Mor Gabriel (Photo: Christian Meyer, September 2011)
Mosaik im Koster Mor Gabriel (Photo: Christian Meyer, September 2011)