(Abb. aus Irmscher, S. 148, a.a.O.)

ca. 23. September: altgriechische Eleusinische Mysterien  

                                                                

 

Die Eleusinischen Mysterien wurden jährlich zu Ehren der Demeter und Persephone abgehalten. Sie galten im antiken Griechenland als die vielleicht heiligsten und verehrungswürdigsten aller religiösen Rituale.

 

Sie waren beheimatet in der Stadt Eleusis [1], ca. 22 km westlich von Athen. Durchgeführt wurden die Zeremonien vermutlich seit der frühen mykenischen Zeit bis in die Spätantike, über einen Zeitraum von ca. 2000 Jahren [2] . Viele Pilger und Verehrer kamen aus ganz Griechenland und später aus dem ganzen Römischen Imperium nach Eleusis, unabhängig von ihrer sozialen und ethnischen Herkunft. Sie nahmen teil an der als heilig angesehenen Wallfahrt zwischen Athen und Eleusis und vollzogen die geheimen, bis heute nur rudimentär bekannten Riten, die generell als ein Gipfelpunkt der antiken griechischen Religion [3] betrachtet wurden.

 

Vermutlich war Eleusis zuerst ein nur lokales Heiligtum, erst als es unter die Herrschaft von Athen gelangte, wurden die Gebäude erweitert und Eleusis erlangte überregionale Bedeutung. In der Zeit des athenischen Diktators Peisistratos (6. Jhdt. v. Chr.) wurden die Eleusinischen Mysterien zu einem panhellenischen Kult. Die große quadratische Halle der Mysterien (Telesterion) mit ihren 42 Säulen und ringsum führenden Sitzreihen wurde im folgenden Jahrhundert errichtet.

In römischer Zeit wurden die Bauten in Eleusis erneut erweitert und reich geschmückt.

Die Wahrnehmung des Kults wurde traditionell in zwei eleusinischen Familien vererbt, sie stellten den obersten Priester, den Hierophanten [4], seine Assistenten, den Altarpriester, die Demeter-Priesterin, den Fackelträger und den Herold.

 

Die Eleusinischen Mysterien bauten auf dem Mythos von Demeter und Persephone auf, der wohl zuerst in den Homerischen Hymnen (ca. 7. Jhdt. v. Chr.) schriftlich fixiert wurde.  

In den Hymnen heißt es u.a.: „Glückselig ist der von den Menschen auf Erden, der das geschaut hat! Wer nicht in die heiligen Mysterien eingeweiht wurde, wer keinen Teil daran gehabt hat, bleibt ein Toter in dumpfer Finsternis“ (Homerische Hymnen, zit. n. Wegner, S. 38, a.a.O.).

Generell erhofften sich Anhänger der Mysterienreligionen auf dem Wege der Initiation (über myein, mysteria und teleia) Unsterblichkeit zu erlangen. Über die „orgia“ wurden Rituale vollzogen, wobei der Gläubige den Zustand des enthousiasmos (en theos) erreichten.

 
Der Kult akzeptierte nicht nur männliche, griechische Vollbürger, sondern auch Frauen, Sklaven und Nichtgriechen [5] . Gleich nach seinem Sieg bei Actium wurde Octavian eingeweiht. Zu den Eingeweihten gehörten die römischen Kaiser Hadrian und Marc Aurel. Alle Eingeweihten mussten unter Todesandrohung schwören, Uneingeweihten keine Einzelheiten der Mysterien zu verraten.

Durch ein athenisches Gesetz wurden die Eleusinischen Mysterien geschützt. Die Todesstrafe drohte demjenigen, der seinen Eid brach, über Inhalt, Ablauf und Form der Mysterien Stillschweigen zu bewahren. Alkibiades wäre beinahe hingerichtet worden, als er beschuldigt wurde, das Geheimnis der Mysterien gebrochen zu haben.

 

Man unterscheidet die Kleinen und die Großen Eleusinischen Mysterien.

Die Kleinen Mysterien fanden alljährlich in Athen im Frühling statt, im Monat Anthesterion, anlässlich der Rückkehr der Persephone - Kore. Gewöhnlich fanden sie am Ostufer des Flusses Ilissos statt. Ihr Ziel war die Vorbereitung auf die Großen Mysterien, sie umfassten unter der Leitung eines mystagogos Opfer, Fasten und - zur rituellen Reinigung - ein Besprühen mit Wasser. Vermutet wird, dass auch eine Art szenischer Darstellung der Entführung der Persephone und ihre Wiedervereinigung mit der Mutter veranstaltet wurde. Ein als heilig angesehenes Schiff wurde von Frauen während einer Prozession getragen.

Für diejenigen Initianden, „mystes“, die später an der Großen Mysterien teilnehmen wollten erfolgte eine Form von vorläufiger Initiation.

 

Im September alljährlich [6], im Herbstmonat Boedromion, wurde ein großes neuntägiges Fest, die Großen Mysterien veranstaltet.

Der Monat Boedromion wurde als heiliger Monat hoch geehrt. In Kriegszeiten wurden die Kämpfe (z.B. in Sparta, im Thrakien oder auf dem Peloponnes) für 55 Tage unterbrochen, um eine Teilnahme an den Mysterien zu ermöglichen. Ähnliches kam bei den Olympischen Spielen vor. 

 

Die Großen Mysterien bestanden aus zwei Teilen, einem öffentlichen und einem privaten.

Die ersten 4 Tage waren der Ankunft in Athen, der rituellen Reinigung, dem Opfer und dem Fasten gewidmet.

Am 1. Tag (am 14. Tag des Boedromion) wurden in einem feierlichen Zug durch die athenischen Epheben die geheiligten Ritualobjekte („hiera“) von Eleusis (wo sie im Demeter – Tempel aufbewahrt wurden) nach Athen gebracht, in das Eleusinion am Fuße der Akropolis.

Am Rande der Stadt wurde die Prozession an einem heiligen Feigenbaum unterbrochen, den einst die Göttin gepflanzt haben sollte, als Dank für die Gastfreundschaft, die sie im dortigen Hause des Phytalus erfahren hatte.

Am 2. Tag (am 16. Tag des Boedromion) reinigten sich die mystes rituell unter Anleitung des Hierophanten durch ein Bad im Meer [7]. Mitgeführte Schweine wurden nach einem Reinigungsbad geopfert. Nach altgriechischer Vorstellung würde das Böse der Menschen auf das Schwein übertragen.

 

Der 4. Tag, Boedromion 18, wurde auch Epidauria oder Asklepieia genannt, da der Gott der Heilkunst einstens von Epidauros erst nach der Reinigung und den Opfern zu den Mysterien gekommen war. Deshalb wurden die Rituale an diesem Tage wiederholt, so dass Asklepios korrekt initiiert werden konnte.

 

Die weiß gekleideten Teilnehmer der großen Prozession (am 19. Tag des Monats Boedromion, dem 5. Tag) zu dem Telesterion (dem inneren Heiligtum des Demeter – Tempels) in Eleusis sammelten sich auf der Athener Akropolis. Sie liefen zu Fuß, trugen Fackeln, sangen, tanzten über die Heilige Straße von Athen zu dem Heiligtum nach Eleusis. Sie führten die als geheiligt angesehenen Ritualobjekte (hiera) mit sich zurück zum Telesterion, an der Spitze des Zuges die Statue des knabenhaften Gottes Iacchos, der als Personifizierung der lauten Jubelschreie angesehen wurde, die die Teilnehmer von Zeit zu Zeit ausstießen.

Der myrtenbekränzte, eine Fackel tragende Iacchos (auch Iakchos, lat. Iacchus) galt als Gemahl bzw. Sohn der Demeter oder als Sohn der Persephone. Als letzterer wurde er auch dem Zagreus [8] gleichgesetzt. Der Name entstand vermutlich aus dem Jubelruf „Iakche“ während des eleusinischen Prozessionszuges.

In den 405 v. Chr. entstandenen „Fröschen“ des Aristophanes, der ältesten Literaturkomödie der Welt, tritt ein Chor der Eingeweihten auf:

                                               „Iakchos, Iakchos,

                                               Heil Iakchos….

                                               Iakchos, der du im ehrenreichen

                                               Heiligtum hier wohnest,

                                               Iakchos, Iakchos!

                                               Komm hierher auf die Wiese zum Chortanz,

                                               Zum Festschwarm deiner Geweihten:

                                               Lass den üppigen, beerenreichen

                                               Myrtenkranz, dein Haupt umschwellend,

                                               Duftig sich schütteln“ (vgl. „Antike Komödien“, S. 273/4, a.a.O.).

   

Zumindest seit der Zeit des Sophokles (495 – 405) wurde Iacchos mit dem Dionysos identifiziert (vgl. Antigone, 1115 ff.)

Unterwegs, auf dem Wege nach Eleusis wurde mehrfach Station gemacht, u.a. am Kephissosbach, kurz vor Eleusis. An der dortigen Brücke wurden Spottverse vorgetragen und gewollt obszöne Scherze gemacht.

Den 6. Tag, den 20. Tag des Mondmonats Boedromion, verbrachten die Wallfahrer mit Fasten, Reinigungsriten, Opfern und Ausruhen. Die Familie der Eumolpiden opferte den Göttern einen großen Kuchen aus Gerste und Weizen.  

Vor dem Eintritt ins Telesterion tranken die mystes „kykeon“ [9] und aßen geweihtes Gebäck als Vorbereitung auf die eigentliche Initiation. 

Am 6. und 7. Tag (Boedromion 21 und 22) erfolgte die eigentliche Initiation in Eleusis. Sie umfasste die …

·         „dromena“, die getanen Dinge: Teil der Dromena war ein szenisches Nachspiel des Mythos von Demeter und Persephone, begleitet von Musik, Gesängen und vielleicht Tänzen. Die Darstellung sollte in den Herzen der Initianden Gefühle wie  Furcht, Sorge, Verzweiflung und schließlich die Freude wecken, die zur Katharsis führen würde. 

·         „legomena“, die gesprochenen Dinge: Dieser Teil der Mysterien ist inhaltlich völlig unbekannt. Forscher vermuten, hier wären kurze liturgische Texte und Anrufungen der Göttinnen rezitiert worden. Wegen ihrer großen Bedeutung durften an diesem Teil der Zeremonien nur Griechisch sprechende Menschen teilnehmen.

·         „deiknymena“, die gezeigten Dinge: Hier wurden den Initianden als heilig angesehene Ritualobjekte gezeigt, als bedeutendstes die Hiera. Diesen Höhepunkt der Riten vollzog der Hierophant vor dem Anaktoron, dem Allerheiligsten inneren Tempel im Zentrum des Telesterions. Die geheiligten Ritualobjekte wurden vermutlich im Anaktoron aufbewahrt; es könnte sich um Objekte aus der Mykenischen Periode gehandelt haben, vielleicht um Figurinen oder Ritualvasen

 

Am 8. Tag der Großen Mysterien wurden Riten für die Toten durchgeführt, insbesondere Trankopfer in Richtung Westen und Osten.

Am 9. Tag (Boedromion 23) kehrten die Initiierten allein oder in Gruppen nach Athen zurück, eine Zeit der Meditation und Reflektion.

Am 24. Boedromion trat – entsprechend einem Gesetz Solons aus dem 6. Jhdt.- der „Rat der 500“ im Eleusinion in Athen zusammen, nahm den Bericht Archon - Basileus über die Wallfahrt entgegen und behandelte eventuelle Vorkommnisse.

 

Obwohl bis heute der genaue Charakter und die Inhalte der Eleusinischen Mysterien nicht bekannt sind, gilt als unstrittig, dass den Initiierten die Furcht vor dem Tod genommen wurde: er wurde nicht als einfach ein Ende, sondern auch als ein Beginn betrachtet. Cicero meinte, die Eingeweihten könnten nicht nur glücklicher leben, sondern auch mit mehr Hoffnung sterben.

 

Den antiken Griechen galt Demeter als die Göttin der Fruchtbarkeit und des Getreides [10] . Dem Mythos nach war Isasion (auch: Jasion), der König von Kreta, der Geliebte der Demeter. Bei Homer hieß es dazu:

            „Als in Iasions Arm die schöngelockte Demeter,

            Ihrem Herzen gehorchend, auf dreimal geackertem Saatfeld

            Seliger Liebe genoß; wie bald erfuhr die Umarmung

            Zeus, und erschlug ihn im Zorne mit seinem flammenden Donner!“

                                                                       (Homer, Odyssee, V, 124 – 128, S. 59, a.a.O.).

 

Auch die Verbindung Demeters mit Iasion spielte vermutlich bei den Eleusinischen Mysterien eine Rolle. Der zornige Zeus tötete Jasion nicht nur mit einem Blitz sondern zeugte selbst mit Demeter die Tochter Persephone, genannt auch Kore (gr. „das Mädchen“, „die Tochter“).

Persephone, die griechische Fassung des Namens, bedeutet gr. „Die – beim Dreschen – Garben schlägt“, Proserpina ist die römisch - lateinische Fassung des Namens. 

Der Legende nach verliebte sich Zeus, ihr eigener Vater, in Kore; in Gestalt einer Schlange kroch er in sie und befruchtete sie. Sie gebar daraufhin Zagreus, der Zeus’ Nachfolger werden sollte. In der Folge aber hatte Zeus kein Interesse mehr an seiner Tochter. 

 

Hades, der Gott der Unterwelt, verliebte sich in Persephone und bat Zeus, sie ihm zur Frau zu geben. Zeus stimmte zu, wusste aber, dass Demeter dem keinesfalls zustimmen würde, da sie so ihre geliebte Tochter für immer an die Unterwelt verlieren würde.

Deshalb griff Zeus zu einer List. Er veranlasste Gaia nahe der Wohnstatt Demeters viele wundersam schöne Blüten (betäubend duftende Narzissen auf einer Wiese) sprießen zu lassen. Während Demeter und ihr Gefolge abgelenkt waren und die Blumen zu pflücken begannen, erschien Hades mit seinem von unsterblichen Pferden gezogenen Streitwagen bei Persephone und entführte die Wehklagende und Widerstrebende in die Unterwelt.

Diese Entführung soll in der Nysa – Ebene (in Böotien, Lydien oder bei Enna in Sizilien) stattgefunden haben.

Die „Homerischen Hymnen“ (a.a.O.) berichten in der Hymne für Demeter, dass Persephones Mutter Demeter neun Tage nach ihrer Tochter suchte und schließlich von Hekate, die Persephones Schreie gehört hatte, über das verhängnisvolle Geschehen informiert wurde. Die Geschichte von Demeters Rache und dem Weltverdorren geht quellenmäßig auf die Homerische „Hymne an Demeter“ zurück. 

Bei Ovid (in den „Metamorphosen“, der zweiten wichtigen Quelle, 5. Buch, 409 – 437, a.a.O.) versucht die Nymphe Cyane, die in der Nähe ist, vergeblich die Entführung zu verhindern. In ihren eigenen Tränen Cyane sich schließlich auf, in der so neu entstandenen Quelle aber findet Demeter den Gürtel Kores.

 

Demeter, die untröstliche, verzweifelte Mutter suchte in Gestalt einer Sterblichen neun Tage und Nächte mit einer brennenden Fackel nach ihrer Tochter. Die Göttin war so außer sich, dass sie weder Nektar noch Ambrosia zu sich nahm, noch ihren göttlichen Körper mir kühlendem Nass benetzte.

Am zehnten Tag ihrer Suche erfuhr Demeter von Helios, dem Sonnengott, die Wahrheit über das Schicksal Persephones. Sie war voller Zorn gegen Zeus und die Tat, die er gedeckt hatte. Sie verließ die Versammlung der Götter auf dem hohen Olymp und kam in der Gestalt einer alten Frau auf die Erde unter die Menschen, wanderte verkleidet und unerkannt durch die Felder, von Stadt zu Stadt.

 

Gleichzeitig allerdings begann die Göttin die ganze Welt mit einer Hungerkatastrophe zu überziehen, die drohte die ganze Menschheit zu vernichten: die Ochsen pflügten umsonst und die Weizenkörner gingen nicht auf. Demeter drohte so auch den unsterblichen Göttern die begehrten Opfer zu entziehen, wenn nicht Persephone zurückkäme. Diese aber hatte derweil in der Unterwelt einige zauberische Samen von Granatäpfeln gegessen, was dazu führte, dass sie immer im Hades bleiben musste.

 

Als Demeter schließlich nach Eleusis kam, setzte sie sich an einen schattigen Platz unter einen Olivenbaum nahe dem Mädchenbrunnen (Kallichoron – Brunnen [11] ), von wo die Frauen von Eleusis das Wasser zu holen pflegten. Dort traf sie die Tochter des Herrschers über Eleusis, Keleos, der sie in seinem Palast gastfreundlich aufnahm und ihr die Pflege seines neugeborenen Sohnes, Demophon, anvertraute.

 

Demeter ernährte Demophon mit Ambrosia, so dass er wundersam rasch heranwuchs. Auch hielt sie ihn nachts ins Feuer, damit er die Unsterblichkeit erlange. Die misstrauisch gewordene Mutter Demophons, Metaneira, beobachtete die magischen Ernährungspraktiken der göttlichen Kinderfrau, bei der Konfrontation stürzte Demophon unglücklich ins Feuer und starb. 

Demeter offenbarte Metaneira ihre wahre Identität. Um die Eltern zu trösten und aus Dankbarkeit für die erfahrene Gastfreundschaft lehrte Demeter den älteren Sohn des Keleos und der Metaneira, Triptolemos, die Kunst des Getreideanbaus. Sie gab ihm Ähren und sandte ihn aus, den Menschen das Säen und Ernten [12] zu vermitteln (vgl. Abb. unten). Triptolemos galt im antiken Griechenland als Ackerbauheros und wurde mit Ähren auf einem Schlangenwagen dargestellt. Mit dem Wagen verbreitete Triptolemos in jedem Frühjahr die Samen der Fruchtbarkeit über die Erde. 

Auch befahl die Göttin in Eleusis unterhalb der Zitadelle, nahe bei dem Brunnen für sie einen Tempel zu bauen. Als der Tempel vollendet war, lehrte die Göttin die Bewohner von Eleusis, wie, mit welchen Riten sie sie in Zukunft verehren und ihren Segen erhalten sollten und begründete so die Mysterien.

 

Persephone aber sollte auf den Olymp zurückkehren, wenn sie im Hades nichts zu sich genommen hätte. Tatsächlich aber hatte sie vier Kerne eines Granatapfels gegessen.

Schließlich kam es unter den Göttern zu einem von Demeter und auch von Zeus und Hades akzeptierten Kompromiss: Persephone würde nun ein Drittel des Jahres im Hades verbringen, - genau die Zeit, in der Demeter den Pflanzen das Wachstum verbieten würde. Für die Rückkehr Persephones in jedem Frühling wurden große Feste veranstaltet.

 

Eine andere Episode des Demeter-Mythos handelt von Baubo, einer Einwohnerin von Eleusis. Sie soll die von der Suche nach Persephone völlig erschöpfte Demeter bei sich aufgenommen haben.

Baubo soll Demeter dann durch obszöne Scherze aufgeheitert haben, auch das Entblößen ihrer Vulva. Bauba „… brachte Demeter durch das Zeigen ihrer Vulva zum Lachen und befreite sie von ihrer Depression. Die vertrockneten Äcker kamen so wieder zum Blühen“ (vgl. „Freitag“, Nr. 29, 16. Juli 2015, S. 14). 

Einige kleine Terrakottafiguren aus dem Demeter-Tempel von Priene (in der heutigen Türkei; vgl. Abb. unten) zeigen Frauen mit nacktem Unterleib, der als Gesicht gestaltet ist.  Einige Kunsthistoriker spekulierten, es handele sich um Baubo-Darstellung: der obzöne Scherz könne darin bestanden haben, dass Baubo sich ein Bauchgesicht aufgemalt hatte.



Friedrich Nietzsche wie in seiner „Geburt der Tragödie“ darauf hin, dass nach einer mythischen Überlieferung „… die in ewiger Trauer versenkte Demeter … zum ersten Male wieder sich freut, als man ihr sagt, sie könne den Dionysus noch einmal gebären“ (Nietzsche, Bd. 1, S. 16, a.a.O.).

 

Viele Forscher sehen in den Mysterien ein aus alten Agrarkulten stammendes Symbol für den Lebenskreislauf von Geburt, Tod und Wiedergeburt in der Natur.

Der Kult entwickelte – nehmen Spezialisten an - ethische Prinzipien von Gutwilligkeit, Verbundenheit und Frieden, förderte ein Menschenbild der Brüderlichkeit unter der gesamten Menschheit, unabhängig von der ethnischen oder sozialen Herkunft.

Vermutlich vermittelten die Mysterien den Teilnehmern die Hoffnung auf Unsterblichkeit, die Furcht vor dem Tode wurde vermindert. 

Eine Passage bei Pindar illustriert diese Tendenz der Mysterien gut: Glücklich sei der, der an diesen Riten in der heiligen Erde teilgenommen habe. Denn er wisse um das Ende des Lebens und seinen gottgesandten Beginn.

C. Kerenyi sah in den alljährlichen herbstlichen „Mysterien“ nicht nur ein Beispiel für das Streben aller Menschen nach Identität, sondern auch gesondert die weibliche Suche nach Vervollkommnung (vgl. C. Kerenyi, a.a.O.).

 

Das archäologische Gebiet von Eleusis befindet sich heute – zum Teil noch unausgegraben [13] -  inmitten der Betonwüste einer Vorstadt von Athen. Alle Gebäude liegen in Ruinen, auch das  um 600 v. Chr. erbaute Telesterion. In einem Museum kann man ein Modell der Tempelanlage sehen, auch verschiedene antike Artefakte.

Da die (uns überlieferten) antiken Autoren wegen der Geheimhaltung nur relativ wenig über die Mysterien berichten, könnte die Archäologie heute eine umso wichtigere Informationsquelle werden.

Systematische Grabungen in Eleusis erfolgten seit dem Ende des 19. Jhdts. Zwischen 1917 und 1945 wurden unter Leitung von Konstantinos Kourouniotes und George Mylonas u.a. die Überreste des Telesterion freigelegt, desgleichen die Stoa von Philo, die Größeren und Kleineren Propyläen, sowie eine Fülle von Objekten aus der Bronze Zeit aufgefunden. Auch Figuren von Schweinen wurden aufgefunden; das Schwein war ein der Demeter geweihtes Tier.

Über 13000 bronzezeitliche Artefakte wurde aufgefunden, wobei allerdings viele der damaligen stratigraphischen Daten genauso wie zoologische Materialien verloren gegangen sind, botanische Informationen erst gar nicht gesammelt wurden.

Zukünftige Ausgrabungen werden - ist zu hoffen - mehr über die Geheimnisse von Eleusis preisgeben.

Auf dem Hügel, der das antike Heiligtum überblickt, befindet  sich heute eine Kirche, die der Jungfrau Maria geweiht ist. 

Umgekehrt darf nicht übersehen werden, wie stark im Christentum neben den jüdischen Wurzeln auch Übernahmen aus den antiken Mysterienreligionen erfolgten.

 

Vielfach wurde der Mythos um Proserpina – Persephone, Hades, Zeus und Demeter künstlerisch bearbeitet.

Claudio Monteverdi (1567 – 1643) schrieb zu dem Libretto von Pietro Strozzi die Oper „Proserpina rapita“ („Die geraubte Proserpina). Diese 1630 in Venedig in einer Privataufführung uraufgeführte Oper scheint schon frühzeitig verloren gegangen zu sein.

Jean-Baptiste Lully (1632 - 1687) komponierte „Proserpina - tragisch-lyrische Oper“ in 2 Akten, uraufgeführt im Jahre 1680.  

Igor Strawinsky (1882 - 1971)schrieb 1934 (überarbeitet 1949) das szenische Melodram „Perséphone“ in drei Bildern für Sprecherin, Tenor, gemischten Chor, Kinderchor und Orchester, gestaltet nach dem gleichnamigen Text von André Gide. Strawinsky formte dazu auch eine gleichnamige Suite.   

Im Mai 2009 wurde im Schwetzinger Rokoko – Theater Wolfgang Rihms (* 1954) neue Oper „Proserpina“ (Monodram für Solosopran und Frauenchor) mit viel Beifall uraufgeführt. Als Libretto wählte Rihm das Monodrama Goethes „Proserpina“ aus dem Jahre 1778. 

(vgl. „Tagesspiegel“, 4. Mai 2009, S. 21)

 

Friedrich von Schiller schrieb ein umfangreiches Gedicht mit dem Titel. „Das Eleusische Fest“, dessen letzter Vers folgendermaßen lautet:

 

                        „Windet zum Kranze die goldenen Ähren,

                        Flechtet auch blaue Cyanen hinein!

                        Freude soll jedes Auge verklären,

Denn die Königin ziehet ein,

Die uns die süße Heimat gegeben,

Die den Menschen zum Menschen gesellz.

Unser Gesang soll sie festlich erheben,

Die beglückende Mutter der Welt“ (Schiller, Band I., S. 176, a.a.O.).

 

 

(veränderlich nach dem antiken attisch – griechischen Kalender, alljährlich vom 15. Tag des Monats Boedromion an, d.h. in der Zeit um den 23. September des Gregoranischen Kalenders, der Herbsttagundnachtgleiche)


© Christian Meyer



[1] Der Name Eleusis bedeutet “Ort der glücklichen Ankunft” und hängt eng zusammen mit “Elysion”, dem Reich der Seligen (vgl. Kerenyi, „Eleusis“, S. 23, a.a.O. ).

[2] Im Jahre 364 verbot Kaiser Valentinian die weitere Durchführung der Mysterien. Praetextatus, der damalige Prokonsul von Griechenland erklärte das Verbot sei nicht durchsetzbar, weil alle Hellenen darin das Zeichen ihrer Einheit sähen. Entgegen dem kaiserlichen Befehl wurden die Mysterien in jenem Jahr wieder durchgeführt.

[3] Die Eleusinischen Mysterien standen in einem deutlichen Gegensatz zu den traditionellen homerischen Konzepten von Unterwelt und Leben nach dem Tode.         

[4] Der Hierophant war der einzige, der die Hiera zeigen durfte und das Anaktoron betreten durfte. Er war die zentrale Person der Mysterien, er rief der 55tägigen Waffenstillstand aus, entsandte die Boten (spondophoroi) und interpretierte generell und verbindlich die ungeschriebenen überkommenen Regeln der Mysterien. Er hatte sein Amt lebenslang inne und musste der Familie der Eumolpiden entstammen. Der Hierophant durfte verheiratet sein, sollte aber während der Mysterien keusch leben.

[5] Indizien weisen allerdings darauf hin, dass im 5. Jhdt. die Mysterien nur einer Elite vorbehalten waren, sie nahmen zeitweilig den Charakter einer Sekte an (vgl. Guirand, S. 771, a.a.O.).

[6] Alle vier Jahre wurde das Fest besonders großartig gefeiert. Nach der antiken griechischen Zählweise war es jedoch eine penteterische, fünfjährige Abfolge (penteteris), da das erste Jahr mitgezählt wurde. Auch bei einer „trieteris“ lag ein Zeitraum von nur zwei Jahren zwischen den Ereignissen. Diese Zählweise soll zurückweisen auf die alten Mondjahre, die den penteterischen kombinierten Mond- und Sonnenjahren vorausgingen.

[7] Der Reinigung bedürftig wurden insbesondere diejenigen mystes angesehen, die Blut vergossen hatten.

[8] Zagreus war ein vermutlich alter Vegetationsgott. Dem Mythos nach war er ein Sohn des Zeus und der Persephone. Zeus soll ihm die Weltherrschaft zugedacht haben. Die eifersüchtige Hera aber ließ das Kind von den Titanen überfallen, die Zagreus zerrissen. Athena aber rettete des Zagreus Herz, - Zeus verschlang es. Schließlich zeugte Zeus mit Semele den Zagreus neu, in Dionysos.  

[9] Das kykeon wurde fastenbrechend verabreicht. Die Zusammensetzung des kykeon ist bis heute ungewiss, bekannte Bestandteile waren v.a. Gerste, Weizen, Minze und vermutlich Oleumpulegii. Immer wieder wurde die Hypothese vorgetragen, dass Psychopharmaka in dem Getränk verabreicht wurden, die vielleicht auch die ekstatischen Visionen verursachten. Albert Hofmann vermutete  z. B. Alkaloide oder Mutterkorn - ähnliche Stoffe als Bestandteile des kykeon. 

[10] Der Name Demeter soll von “meter” = Mutter und dem Linear B Wort für Gerste „deai“ abgeleitet worden sein. "Deo" war der Kultname der Demeter.

[11] Der im Heiligtum von Eleusis erhalten gebliebene Brunnenkopf aus auffälligem Quader - Mauerwerk geht auf das 6. Jhdt. v. Chr. zurück und ist vielleicht identisch mit dem Kallichoron - Brunnen. Dann wäre er identisch mit dem in der antiken Literatur angeführten Reinigungsbrunnen für die jungen Mädchen aus der Priesterschaft der Demeter.

[12]  Theokrit spricht in seinem 7. Gedicht ein Erntefest für Demeter an:

"Unseres Weges Ziel ist ein Erntefest. Wackere Freunde

Rüsten der kleidsam umhüllten Demeter ein Opfermahl, wollen

Spenden zum Danke vom Segensertrag; es füllte die Göttin

Ihnen mit leuchtender Gerste in reichlichem Maße die Tenne" (vgl. Theokrit, VII, 31 ff., S. Uw, a.a.O.).

[13] Die früheste Ebene von Eleusis, aus der Bronzezeit wird gegenwärtig von der Universität von Manitoba ausgegraben.

„Demeter und Kore entsenden Triptolemos“; Demeter (links) reicht Triptolemos die Ähren; rechts Persephone; Großes Weiherelief aus Eleusis, 440 - 430 v. Chr., heute im Nationalmuseum Athen

Abb. Baubo-Terrakotta aus Priene, mit einer Lyra (Abb. aus: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/1/1a/Baubo_figurine.jpg&imgrefurl=https://en.wikipedia)