Die beiden „Triumphsäulen“ vor der Wiener Karlskirche sind dem Vorbild der Trajanssäule in Rom verpflichtet; sie zeigen in spiralförmig aufsteigenden Relieffriesen von Johann Christoph Mader (1697 - 1761) Szenen aus dem Leben des Hl. Karl Borromäus.

Karlskirche in Wien, im Vordergrund eine der Triumphsäulen (Photo: Christian Meyer, 2003)

4. November: Gedenktag des katholischen Hl. Karl Borromäus – Carlo Borromeo (1538 - 1584), Abt in Arona, Erzbischof von Mailand, Kardinal

 

Karl Borromäus, einer der vermutlich einflussreichsten katholischen Theologen des 16. Jhdts., wurde in Arona am Lago Maggiore in einer wohlhabenden, aristokratischen Familie geboren. Seine Mutter war eine Medici, sein Medici – Onkel wurde 1559 Papst Pius IV. Karl studierte in Pavia die Jurisprudenz und schloss mit der Promotion ab.

1560 holte ihn der Onkel nach Rom, er wurde Kardinal-Diakon und Administrator des Bistums Mailand. Als Sekretär von Papst Pius IV. war Karl verantwortlich für den Schriftwechsel mit den päpstlichen Vertretern im Ausland und für die Verwaltung der Besitztümer des Papstes. Von 1561 bis 1563 koordinierte er die Stimmen der Kardinäle beim Konzil von Trient (Tridentinum). Das Konzil stand im Zeichen des Kampfes gegen die Häresie, die „Ketzer" (d.h. die Protestanten). Eingeleitet wurde eine straffe Zentralisierung der innerkirchlichen Strukturen, z.B. durch regelmäßige Visitationen der Pfarreien. Auch wurden in Abgrenzung zum Protestantismus die Lehrinhalte verbindlich formuliert.  Karls Einfluss auf die Beschlüsse des Konzils und ihre Durchführung durch Papst Pius IV. sind umstritten.

In diesen Jahren führte Karl das Leben eines Renaissancefürsten, liebte die Jagd und die Musik, war ein guter Cellospieler. In seinem römischen Haus besaß er eine Kunstsammlung, lud zu Dichterlesungen ein und nahm gern und oft an Festen und Gelagen teil.

Der plötzliche Tod seines Bruders Federigo 1562 bewirkte eine Lebenswende des 24-Jährigen Kardinals. Er wandte sich einem (demonstrativ ??) asketischen Lebenswandel in Armut, mit Bußübungen inklusive Selbstgeißelungen und Fasten zu. 

Er beschloss zudem, Priester zu werden und empfing am 17. Juli 1563 die Priesterweihe und am 7. Dezember 1563 schon die Bischofsweihe. Zu dieser Zeit bereitete er sich theologisch und mit Predigtübungen auf die Übernahme des Amtes in Mailand vor.  Karl leitete länger als zwei Jahrzehnte das Erzbistum Mailand und wird bis heute vielfach als exemplarischer Bischof der Gegenreformation gesehen.

 

Zu einem scharfen Konflikt führten Karls Versuche, den Humiliaten-Orden zu reformieren, d.h. für ihn, zu mönchischer Askese zurück zu führen. Die Humiliaten waren ursprünglich eine christliche Armuts- und Bußbewegung, die nach der Benediktiner-Regel lebte. Im Laufe der Jahrhunderte aber war der Orden reich und verweltlicht geworden. 1569 unternahmen einige Humiliaten ein Attentat mit Schusswaffen auf Karl, das dieser auf wundersame Weise überlebte. Im Jahre 1571 wurde daraufhin der männliche Zweig des Humiliatenordens durch Pius V. aufgehoben,

 

Berühmt und in den Ruch der Heiligkeit geriet Karl Borromäus aber durch die Pestepidemien [1], die Mailand in den Jahren 1576 bis 1578 heimsuchten. 

Er ging furchtlos in die Pestspitäler, um den Kranken Trost zuzusprechen und den Sterbenden Beistand der Religion in Gestalt der Sakramente zu spenden. In der Sicht der katholischen Kirche erhielt Karl selbst diesen Mut durch die Kraft der Sakramente.

Als die Pest immer weiter um sich griff, organisierte Karl öffentliche Bußprozessionen, an denen er selbst barfuß mit einem Strick um den Hals teilnahm. In seiner Sicht nahm die Pest deshalb nach und nach ein Ende, wie Karl es auch vorhergesagt haben soll.

Die von dem Erzbischof zudem eingeleiteten Versorgungsmaßnahmen während der Pest in Mailand sollen zahlreichen Menschen das Leben gerettet haben, erschütterten aber Karls Gesundheit.

Der österreichische Sozialwissenschaftler Kurt Greussing (*1946) wies u.a. auf die nicht so heilige Tätigkeit Karls als Inquisitor hin.

Georg von Ghese war Kaufmann und Seidenwirker in Mailand. Ghese lernte den „neuen Glauben“ 1555 in Zürich kennen. Er flüchtete in die Schweiz und wurde Mitglied einer reformierten Gemeinde in Genf. Bei einem Besuch bei seiner Familie in Mailand wurde er verhaftet; im Verlauf des Prozesses – an der Karl Borromäus beteiligt war - wurde Georg zum Tod verurteilt. Am 13. März 1559 wurde Georg von Ghese auf dem Scheiterhaufen als „Ketzer“ verbrannt. Während des Prozesses soll ihm Karl Borromäus wütend zugerufen haben: „Du Narr, glaubst Du, Du seist weiser als wir alle?“ (vgl. Greussing, a.a.O.).

 

Karl konnte in dem zum Bistum Mailand zählenden Graubünden nicht auf die Unterstützung der Obrigkeit im Kampf gegen den Protestantismus zählen. Denn die Bündner Regierenden wollten sich nicht religiöse Konflikte aufladen. Sie erließen zwischen 1552 und 1557 Toleranzedikte und beschlossen die Gleichberechtigung von katholischem und protestantischem Bekenntnis. Zudem verordneten sie, geschickt, 1581 ein generelles Zuzugsverbot für fremde Geistliche. Graubünden sollte nicht zum Tummelplatz eifernd-streitender konfessioneller Prediger werden - eine vorbildliche Politik angesichts der religiösen Verfolgungen in großen Teilen Europa.

Karl Borromäus sah die konfessionelle Duldung jedoch als „libertà diabolica" an; das Zuwanderungsverbot für Geistliche verhinderte zudem die geplante Erneuerung der kirchlichen Hierarchie. 

Anlässlich der Pastoralvisite im Misoxertal südlich des San Bernardino-Passes durfte Karl 1583 die Protestanten wegen der bündener Duldungspolitik nicht zum katholischen Glauben zwingen. 108 Protestanten wurden dennoch angeklagt, nicht wegen Ketzerei, sondern wegen Hexerei. Elf Protestanten wurden wegen angeblicher Hexerei durch die weltliche Gewalt verbrannt, die übrigen kehrten unter Folter zur katholischen Kirche zurück (vgl. Greussing, a.a.O.).

Als einer der ersten Bischöfe ließ Karl Seminare und Institute für die Ausbildung des Priesternachwuchses gründen. Karl Borromäus starb 1584 im Alter von nur 46 Jahren: „Herr, ich komme bald“ sollen seine letzten Worte gewesen sein. Eine riesige Menschenmenge begleitete den angesehenen und vielfach verehrten Erzbischof zur letzten Ruhe in der Krypta des Mailänder Domes.

 

Am 12. Mai 1602 wurde Karl Borromäus von Papst Clemens VIII. selig- und am 1. November 1610 von Papst Paul V. heiliggesprochen. Seine Attribute sind rot-weiße Kleidung, Bücher, Totenkopf – als Symbol der Vergänglichkeit, Geißel und Pfeile.

 

Unter den vielen Kirche, die Karl Borromäus als Pestheiligem geweiht worden sind, ist die Karlskirche in Wien (die „Votivkirche“ [2]) wahrscheinlich die bekannteste.

Anlässlich der Pestepidemie in Wien 1713 gelobte Kaiser Karl VI. (reg. 1711-1740; der Vater von Maria Theresia) als Dank für das erhoffte Ende der Epidemie den Bau einer Kirche zu Ehren von Karl Borromäus.

1716 wurde der Bau von Johann Bernhard Fischer von Erlach (1656 - 1723) begonnen, der den Wettbewerb zum Kirchenbau gewonnen hatte. Erst von seinem Sohn Josef Emanuel Fischer von Erlach (1693-1742, Fischer von Erlach d.J.) konnte die Kirche im Jahre 1739 vollendet werden.  

Fischer von Erlach d. Ä. verarbeitete im Entwurf zur Karlskirche unterschiedliche historische Vorbilder, so Kuppelkirchen wie die Hagia Sophia oder auch die Trajanssäule in Rom.

 

Der Säulenportikus der Kirche besitzt im Giebelfeld ein Relief von Giovanni Stanetti (1663 - 1726), das das Erlöschen der Pest darstellt. 

Über dem Giebel sieht man (von links nach rechts) die Figuren des Hl. Karl Borromäus und die Personifikationen der Religion, der Barmherzigkeit, der Bußfertigkeit und des Gebetseifers von Lorenzo Mattinelli (1687 - 1748).      

Darunter findet sich die lateinische Inschrift: „Vota mea reddam in conspectu timentium deum" ( Meine Gelübde erfüllte ich vor den Augen der Gottesfürchtigen; nach dem 21. Psalm).

 

Besonders interessant sind von den Kuppelfresken im Inneren der Kirche von Johann Michael Rottmayer (1654  - 1730) die „Glorie des heiligen Karl“, mit seitlichen Gruppen der drei Tugenden Glaube, Hoffnung und Liebe. Links unter der Gruppe des Glaubens sieht man Martin Luther, dessen Schriften von einem Engel mit einer Fackel verbrannt werden.

Heute gehört die hochbarocke Kuppelbau (72 m) zu den bekanntesten Wahrzeichen Wiens.

  

(unveränderlich nach dem Gregorianischen Kalender)

 

© Christian Meyer

 

[1] Die Pestepidemie, die sehr anschaulich in Alessandro Manzonis (1785 – 1873) historischem Roman „Die Verlobten“ (a.a.O.) beschrieben wird, fand erst in der Amtszeit von Karls Cousin Federico Borromeo (1574 – 1631) statt, der ebenfalls Bischof von Mailand wurde. 

[2] Der Begriff Votivkirche (vgl. Santa Maria della Salute) ist abgeleitet von lat. „votivus“ „gelobt, versprochen“. Eine Votivgabe ist ein Dank für eine Hilfe in einer Notlage für einen Heilgen oder einen Gott, eine dargebrachte Opfergabe, ein Weihegeschenk. Z.B. Schrift- oder Bildtafeln, plastische Darstellungen von Tieren oder gesundeten Körperteilen, Kapellen oder eben ganze Kirchen. 

 

Abb. oben:Die Karlskirche - Votivkirche - in Wien (österreichische Postkarte, um 1990)

Abb. oben: Tympanon der Karlskirche: Errettung Wiens vor der Pest durch die Fürsprache des heiligen Karl Borromäus (Abb. aus: https://de.wikipedia.org/wiki/Wiener_Karlskirche#/media/Datei:Wien_Karlskirche_-_Tympanon_1.jpg)

 

 Abb. oben : Ein Engel verbrennt die « häretischen » Schriften von Martin Luther; Fresko von Johann Michael Rottmayer  in der Kuppel der Karlskirche Wien (vgl. Bücherverbrennungen)