Abbildungen: „Urankristalle, Uranblöcke, Plutoniumknöpfe, Plutoniumsphäre“, Los Alamos 1945 (Abbn. aus Goldberg 2006,  S. 65, a.a.O..)

 

6. AugustHiroshima - Tag - Tag der Explosion der ersten Atombombe, die über Menschen abgeworfen wurde.

 

 

Es ist fraglich, ob das Manhattan-Projekt zustande gekommen wäre, wenn nicht in den USA die Furcht aufgekam, dass das faschistische Deutschland auf dem Wege zu einer Atombombe sei.

 

Im Frühjahr 1939 wurde der US-Regierung bekannt, dass eine Reihe deutscher Atomphysiker im Kaiser-Wilhelm -Institut in Dahlem zusammengezogen worden waren und zudem große Mengen an Uranerzen aus der besetzten Tschechoslowakei nach Berlin gebracht würden (vgl. S. Engels, S. 244, a.a.O.).

 

Der in die USA emigrierte ungarische Physiker Leo Szilard (1898 - 1964) u.a. erkannten die Gefahr und bestürmten Albert Einstein (1879-1955) zu einer brieflichen Intervention an Präsident Roosevelt. Gemeinsam wurde am 2. August 1939 ein Brief formuliert, in dem Einstein warnte, dass die Deutschen eine gefährliche neue atomare Uran-Waffe mit unheimlicher Zerstörungskraft bauen könnten. Roosevelt wurde aufgefordert, eine US-amerikanische Atombombe entwickeln zu lassen, um Deutschland zuvorzukommen. Dieser Brief – der vermutlich wirkungsmächtigste der Weltgeschichte - wird heute als ein entscheidender Schritt für das Zustandekommen des Manhattan-Projektes zum Bau der ersten Atombomben gesehen.

 

Dagegen wurde in Deutschland, wie  Werner Heisenberg (1901 - 1976) ausführte, im. Sommer 1942 ... beschlossen auf den. Versuch der Herstellung von Atombomben zu verzichten  (Bolle, S. 22, a.a.O.).

 

Roosevelt aber nahm die Warnung Einsteins ernst und entschied, mit der Entwicklung einer US-Atombombe zu beginnen.

 

Am 16. September 1942 wurden die die wissenschaftlichen, technischen und militärischen Vorhaben zum streng geheimen ‚Manhattan-Project zusammengefasst, dessen Leiter der sehr durchsetzungsfähig geltende Brigadegeneral Leslie R. Groves (1896-1970) wurde. Er erwirkte einen absolutem Vorrang des Projekts hinsichtlich aller benötigten Ressourcen (vgl. Goldberg 2006, S. 65, a.a.O.).

 

Schon die 1941 bewilligten 133 Mio. US-Dollar wurden vor dem Kongress geheim gehalten und in dem rasch wachsenden Militärbudget versteckt..

 

Allerdings waren die Kosten des Projekts bis zum Kriegsende auf das fast 20fache angewachsen, auf ca. 2 Mrd. US-Dollar; das entsprach allerdings nur etwa einem Promille der gesamten US-amerikanischen Militärausgaben im 2. Weltkrieg. Sie werden auf ca. drei Billionen Dollar geschätzt.

 

 

 

Unter der Leitung von Groves wurde aus dem Manhattan-Projekt ein riesiges, streng geheim gehaltenes industrielles Unternehmen., unter „rigider Wissensabschottung“ zwischen den verschiedenen Abteilungen, auch unter den beteiligten Wissenschaftlern (vgl. Goldberg. 2006, S. 66, a.a.O.).

 

Es entstanden unter anderem:

 

·                     Der 1943 als Versuchsanlage „Site X“ in Oak Ridge/Tennessee (150 km2) gegründete Fabrikationskomplex zur Herstellung von angereichertem Uran für die ersten Atombomben. Zur Hochanreicherung (auf bis zu 90 % U-235) des Urans wurden zwei Isotopentrennverfahren entwickelt und industriell genutzt: Zum Einen wurde das Gasdiffusionsverfahren entwickelt und eine energieintensive Großanlage (K-25) dafür gebaut – damals das größte Gebäude der Welt. Dabei wird Uran-Hexafluorid durch poröse Membranen gefiltert; die Moleküle des Uran-Isotops U-235 durchwandern die Filter etwas schneller als die schwereren U-238-Moleküle. Die Anreicherung begann Ende 1944.

 

Zum Anderen wurde eine größere Zahl von Calutrons (benannt nach dem Ort der Entwicklung, California University Cyclotron) installiert. Zur der Trennung der Isotope wurde hier die Erscheinung genutzt, dass in einem Magnetfeld U-235-Ionen etwas stärker abgelenkt werden als die schwereren U-238-Ionen.

 

Das hochangereicherte Uran für die Hiroshima-Bombe wurde mit beiden Verfahren in Oak Ridge produziert.

 

·                     Das Hanford/Washington (ca. 1500 km2, ca. die doppelte Fläche von Hamburg): An den Ufern des Columbia Rivers in Hanford entstanden seit 1943 auf der „Site W“ drei riesige Reaktoren zur fabrikmäßigen Herstellung von Plutonium. Siegfried Engels führte aus, dass dort täglich ca. 1,5 kg Plutonium [1] gewonnen wurde. Wegen der hohen Strahlung [2]mussten große Teile der Prozesse ferngesteuert betrieben und überwacht werden.

 

·                     Das Versuchsgelände und die Labors von Los Alamos/New Mexico, gegründet 1943 als „Site Y“.  Groves machte Robert Oppenheimer (1904-1967) - entgegen massiver Bedenken der Geheimdienste –zum Leiter von Los Alamos. Er hielt Oppenheimer für einen „fahnentreuen Amerikaner“ (Goldberg 2006, S. 67, a.a.O.).  „Anders als die Sowjets wussten Amerikas Parlamentarier ... nichts von der Existenz des Labors in Los Alamos“  (Goldberg 2006, S. 67, a.a.O.).

 

 

 

Im Sommer 1944 arbeiteten ca. 160 000 Menschen, unter ihnen 14 000 hochqualifizierte Wissenschaftler und Ingenieure, in 25 Laboren an dem Manhattan-Projekt. „Bis Kriegsende (arbeiteten) ... mehr als eine halbe Million Menschen zumindest vorübergehend an der Herstellung der Atombombe“ (Goldberg 2006, S. 67, a.a.O.). Entscheidend für das Gelingen des Manhattan-Projektes war der Übergang von der wissenschaftlichen Laborarbeit zur industriellen Großproduktion. Benötigt wurden zum Bau sowohl von Uran- als auch Plutoniumbomben alle entsprechenden Anlagen, die in enormer Geschwindigkeit und riesigem Aufwand errichtet wurden.

 

 

 

Am 16. Juli. 1945 wurde in der Wüste von New Mexico, im Testgebiet Trinity nahe Alamogordo  die erste Bombe, eine Plutoniumbombe gezündet, die erste Atombombe überhaupt. Die zweite Plutonium-Bombe explodierte später über Nagasaki.

 

Aus Mangel an Uran verzichtete man hinsichtlich der Uran-Bomben auf einen Test - der Test war die Explosion über Hiroshima (vgl. Goldberg 2006, S. 68, a.a.O.). Der Start der Bomber erfolgte von der Marianen-Insel Tinian aus, wo sich seit Ende Juli 1945 eine Uran- und eine Plutonium-Bombe befanden (Goldberg 2006, S. 68, a.a.O.).

 

 

 

Bislang sind es vor allem zwei zeitgeschichtliche Argumentationsstränge, die die Atombombenabwürfe auf Japan zu erklären suchen:

 

·                     Die „Feisianer“ (nach dem US-Historiker Herbert Feis - 1893 – 1972 - ihrem Mentor): Sie gingen davon aus, man wollte möglichst viele (US-) Leben bewahren und durch die Atombomben den Krieg möglichst rasch beenden.

 

·                     Die Vertreter des „Alperovitzianismus“ (nach dem Hauptvertreter, dem US-Historiker Gar Alperowitz, *1936) waren  „... überzeugt, dass die Bombe eingesetzt wurde, um den sowjetischen Anteil am Sieg über Japan so klein wie möglich zu halten und die Russen eindringlich vor aggressiven Einstellungen und Verhaltensweisen in der Nachkriegszeit zu warnen“ (Goldberg 2006, S. 64, a.a.O.).

 

 

 

Nach Stanley Goldberg waren beide Beweggründe vorhanden, wurden aber durch einen weiteren ergänzt, der aus der Eigendynamik des Manhattan-Projekts folgte.

 

Aufgrund der Entwicklung des Manhattan-Projektes setzten sich die Leiter des Projektes 1945 massiv dafür ein, dass die Atombomben bei der Beendigung des Krieges eine Rolle spielen, eingesetzt werden sollten.

 

Stanley Goldberg formulierte sogar: Ich bin überzeugt, dass Groves und seine Vorgesetzten sogar fürchteten, der Krieg könnte noch vor dem Einsatz der Atombombe zu Ende sein (Goldberg 2006, S. 64, a.a.O.).

 

Dabei handelte es sich dabei neben General Leslie R Groves, seit 1942 dem Leiter des Manhattan-Projektes, auch um den US-Kriegsminister Henry L. Simpson und seinen Stellvertreter Robert Patterson.

 

 

Im Frühsommer 1945 fürchteten die Leiter des Manhattan-Projektes eine öffentliche Untersuchung (insbesondere des Finanzgebarens) durch den Kongress: „Wenn das Projekt erfolgreich ist, wird es keine Untersuchung gebe. Wenn es scheitert, wird der Kongress nur noch das untersuchen“ (Goldberg 2006, S. 65, a.a.O.). Ein erfolgreiches Ergebnis konnte in der Sicht der Projektorganisatoren nur in dem Abwurf der Atombomben über Japan bestehen.

 

Nach Stanley Goldberg gibt es „... handfeste Belege, dass die Vereinigten Staaten unbedingt die Bombe einsetzen wollten, noch bevor den Japanern ein Aufgeben ermöglicht wurde. Vor dem 9. August bestanden die USA auf einer bedingungslosen Kapitulation. Nach den Bombenabwürfen …. war das plötzlich nicht mehr so wichtig. Amerika konnte sich nun vorstellen, dass die Japaner vielleicht ihren Kaiser behielten“ (Goldberg 2006, S. 68, a.a.O.). 

 

Leslie R Groves aber war erleichtert; Im September 1945 meinte er zu einem befreundeten Kollegen: „... Die größte parlamentarische Untersuchung aller Zeiten wird es nie geben“ (zit. n.  Goldberg 2006, S. 68, a.a.O.).

 

 

 


Die Mitarbeiter des Manhattan–Projekts James Franck [3] und Leo Szilard versuchten noch im Sommer 1945 den Einsatz der Bomben zu verhindern. Jedoch wurde ihr Versuch von dem zuständigen Leiter des Manhattan–Projekts, Brigadegeneral Leslie R. Browes energisch abgelehnt. Dieser schlug dem US-Präsidenten dann den Abwurf über Japan vor. Ursprünglich war ein Abwurf über Hamburg diskutiert, aber Deutschland kapitulierte zuvor, so dass dies nicht mehr in Betracht kam.

Franck warnte schon im Juni 1945 im sog. Franck-Report  vor den Folgen der Atombombe, dies war der erste Appell gegen die Bombe (vgl. Horst–Eberhard Richter: „Ein Emigrant aus Göttingen – Der Franck – Report – Ein Versuch, die die Atombomben-Abwürfe im letzten Augenblick zu verhindern“, in „Freitag“, Nr. 31, 5. August 2005)

Auch in den letzten Jahrzehnten kamen erneut Menschen durch Folgewirkungen militärisch genutzter Radioaktivität ums Leben.

 

Nicht nur im Irak-Krieg nutzten u.a. die US-Streitkräfte Munition, in denen abgereichertes Uran [2] inkorporiert war (sog DU-Munition, von engl. „depleted uranium“ entleertes, abgereichertes Uran ).

DU-Munition, d.h. Munition, deren Projektile abgereichertes Uran enthalten, hat  aufgrund der hohen Dichte des Urans (~19,1 g/cm3) beim Auftreffen auf das Ziel eine große Durchschlagskraft und wird deshalb vielfach als panzerbrechende Munition verwendetet. Erstmals eingesetzt wurde DU-Munition bereits in der Mitte der 70er Jahre des 20. Jhdts.

Allein in dem letzten Irak- Krieg von 2003 und auch bei den Kämpfen um Falludscha 2004 sollen ca. 2000 t dieser Munition genutzt worden sein.

Die schädigende Hauptwirkung der DU-Munition entsteht, wenn sich beim Einschlag und der Explosion der Geschosse ein Aerosol aus Luft und kleinsten Uran- und Uranoxid-Partikeln bildet. In dem trockenen Klima des Irak wird der radioaktiv kontaminiert Sand und Staub erst langfristig ausgewaschen; so  scheinen diese Partikel von Anwohnern, auch spielenden Kindern  bis in die tieferen Atemwege eingeatmet oder über die Nahrung aufgenommen zu werden und in die Blutbahn zu geraten; radioaktive Partikel werden inkorporiert und bestrahlen langfristig den Körper.

In der Folge kam es im südlichen Irak, v.a. in Basra und Umgebung zu einer großen Zahl von z.T. erschreckenden Mißbildungen neugeborener Kinder, zu einer erhöhten Rate der Kindersterblichkeit, von verschiedenen Krebserkrankungen, u.a. von Leukämie.

Auch die Studie „Krebs, Kindersterblichkeit und Geburtenänderung im Geschlechterverhältnis“ von Chris Busby, Malak Hamdan und Entesar Ariabi aus dem Jahre 2010 legt einen Anstieg bei Krebs und Missbildungen in Falludscha/Irak nahe (vgl. http://www.mdpi.com/1660-4601/7/7/2828).  

Das Golfkriegssyndrom oder das ähnliche Balkansyndrom könnten ebenfalls mit der DU-Munition im Zusammenhang stehen.

Die Folgewirkungen, insbesondere das Ausmaß der Bedrohung  durch Uran-Munition, sind allerdings bis heute (2016) umstritten.

Uranmunition soll z. Zt. von ca. 21 Staaten eingesetzt werden, u.a. von den USA, Rußland, China, Frankreich, Großbritannien, Schweden, den Niederlanden, Japan, der Türkei, Saudi-Arabien, Ägypten  und Israel.

Die Bundeswehr setzt keine Munition mit abgereichertem Uran ein.

Eien ganze Reihe von zivilgesellschaftlichen Organisationen wie z.B. die „Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges“ setzen sich dafür ein, diese Munition zu ächten.

 



[1] Im Frühjahr 1941 war es in Kalifornien gelungen, einige Mikrogramm von Plutonium herzustellen. (vgl. S. Engels, S. 248, a.a.O.). Nur das leichte Uran 235 ist durch Neutronen spaltbar; das Isotop U 238 fängt die Neutronen ein, dabei entsteht ein neues Element, Plutonium, Pu: Es ist ebenfalls spaltbar und von einer bestimmten Menge an (wenn genügend Neutronen für eine Kettenreaktion vorhanden sind) explodiert es mit einer enormen Energieentwicklung.   Zum Bau einer  Plutonium-Bombe waren 5 kg des Stoffs nötig.

[2] Hanford gilt heute als der radioaktiv am stärksten kontaminierte Ort der USA, denn insgesamt wurden hier 110.000 t Nuklearbrennstoff produziert. Seit 2001 werden in Hanford die größten Dekontaminationsarbeiten der Welt durchgeführt, um die radioaktiven und giftigen Abfälle, die während der 50jährigen Plutoniumproduktion entstanden sind, zu entsorgen.

 

 

 

[3] James Franck (* 1882 in Hamburg; † 1964 bei einem Besuch in Göttingen), deutsch – jüdisch-stämmiger amerikanischer Physiker. Er studierte  in Heidelberg Chemie und in Berlin Physik.

Als von Hause aus nationalbewusster Deutscher meldete sich James Franck im Ersten Weltkrieg freiwillig und wurde Leutnant. Für erwiesenen Mut vor dem Feind und wegen seines Verhaltens bei einem Gasangriff 1917, dessenwegen er schwer verletzt zurück nach Berlin musste, wurde  mit dem Eisernen Kreuz erster und zweiter Klasse ausgezeichnet.

Franck wurde als Physiker unsterblich durch den 1912-14 durchgeführten Franck-Hertz-Versuch (mit Gustav Hertz), der das Bohrsche Atommodell endgültig bewies. Beide Physiker dafür erhielten dafür 1925 den Nobelpreis.  Schon 1920 ging Franck als Professor für Experimentelle Physik an die Universität Göttingen

Als die Nationalsozialisten in Deutschland die Macht gewannen, kündigte Franck aus Protest seinen Posten an der Universität Göttingen und emigrierte in die USA und nahm die US -amerikanische Staatsangehörigkeit an. In Chicago kam er mit dem Manhattan-Projekt in Kontakt. Er arbeitet dort mit, hatte jedoch moralische Bedenken, die er schließlich zusammen mit Gleichdenkenden im Franck-Report veröffentlichte.

1951 wurde Franck die Max-Planck-Medaille verliehen.

[2] Abgereichertes Uran entsteht als Atom-Müll bei dem Anreicherungsprozess, bei der Herstellung von zivilen Atombrennstäben oder waffenfähigem Uran mit einem höheren Anteil an dem nicht spaltbaren Isotop Uran 138. Das abgereicherte Uran soll mit 15.000 Bq/g eine α-Strahlungs-Aktivität haben, die etwa 40 % geringer ist, als die von Natururan (etwa 25.000 Bq/g).

 

(unveränderlich nach dem Gregorianischen Kalender)


© Christian Meyer

 

 

Der westdeutsche Dokumentarfilm „Bikini - mon amour“ von Oliver Herbrich (*1961) entstand im Jahre 1987. Er thematisierte mit historischen wie zeitgenössischen Aufnahmen die Auswirkungen der US-Atomwaffentests auf die Natur und Bevölkerung des Bikini-Atolls, bei denen die Inselbewohner wie Versuchspersonen den Langzeitfolgen der radioaktiven Strahlung ausgesetzt waren. Bis heute leiden die Bikinianer  unter den mehrfachen Umsiedlungen und einer hohen Rate an Krebserkrankungen, langfristige Folgen der Atomwaffentests.

 

 

Der Film wurde im Rahmen des Retrospektive-Zyklus „Atomic Cinema“ (kuratiert von Daniel Körling) m Zeughauskino Berlin am 29. Januar 2022 wiederaufgeführt.