Noah mit der Taube
Noah mit der Taube

Abb.: „Noah sendet aus der Arche eine Taube aus“; Mosaik, 13. Jhdt.,  im Narthex von San Marco / Venedig

Abb.: Schwarze Schlange am Haupteingang des yezidischen Heiligtums in Lalish/Nord-Irak. Diese Schlange soll am Ende der Sintflut die auf dem Ararat Leck geschlagene Arche gerettet haben: mit ihrem Körper verschloss sie das Leck. Das Töten einer schwarzen Schlange gilt Yeziden als Sünde (Photo: Christian Meyer, Oktober 2019).

 

Islamischer  Aschura - Tag (trk. Aşure)

 

Das Aschura [1] – Fest wurde nach der Auswanderung in Yathrib 622 eingeführt, als ein Fastentag vom Abend bis zum Abend, am 10. Tag des 1. Monats Muharram.

Das ursprüngliche Fest kann als eine Übernahme des jüdischen Jom Kippur – Tages (vgl. Lev. 16, 29) angesehen werden, das am 10. Tag des Monats Tischri begangen wird (vgl. Roth, Bd. 3, S. 739, a.a.O.).  Tatsächlich fallen beide Feste, Aschura und Jom Kippur, auch datenmäßig zusammen, wenn der erste islamische Monat Muharram auf den ersten jüdischen Monat Tischri fällt (vgl. Herlitz, Bd. 1, S. 505, a.a.O.) [2] .

Ca. eineinhalb Jahre (im Jahr 2 n. d, H.) später ersetzte der Prophet Muhammad als ein Ergebnis der Konflikte mit den jüdischen Stämmen in Yathrib / Medina den Aschura – Fastentag durch den Fastenmonat Ramadan ( 2. Sure, 179 – 181). 

Das Fest bezieht sich nach islamischer Vorstellung auf die Verheißung Gottes, die sündigen Menschen nicht noch ein Mal durch eine Sintflut (arab. / türk. tufan) auszurotten.  Das Fest erinnert so einerseits an die Errettung der Arche Noahs [1a] bei der hundertfünfzigtägigen Sintflut. Der Tag der Versöhnung wurde bereits bei den Juden am 10. Tag des siebenten jüdischen Monats gefeiert: vom Sonnenuntergang bis zum nächsten Sonnenuntergang wurde gefastet (vgl. 3. Mose, 16, 29 f. ).

 

Nach dem Buch Mose landete die Arche am Ende der Sintflut am 17. Tag des 7. Monats „… auf dem Gebirge Ararat“ (1. Mose 8, 1). Nach yezidischer Tradition entstand bei der Landung im Boden der Arche ein Leck, durch das Wasser eindrang. Um eine Katastrophe zu verhindern, verschloss die Schwarze Schlange das Leck der Arche mit ihrem Körper. Daher gilt die Schlange den Yeziden als ein heiliges Tier. In der yezidischen Tradition landete die Arche allerdings auf dem Berge Sinjar (im nordwestlichen Irak). 

 

Nach der biblischen (1. Mose 8) wie islamischen Überlieferung (7. Sure, 57 f.; 11, 38 ff.; 23, 23 ff.) schickte der Prophet Noah (im Koran: Nuh) am Ende der Sintflut zuerst einen Raben aus, der aber über einem Stück Aas Noah vergaß. Als zweites sandte Noah zwei Tauben aus der Arche. Sie brachte in ihrem Schnabel ein Ölblatt, auf ihren Füßen Schlamm mit sich. Die zweite Taube kam nicht wieder zurück zur Arche. Aus diesen Zeichen erkannte Noah, dass die Arche vorbei sei. Am Aschura – Tag verließen dann Menschen und Tiere die Arche: sie fasteten und dankten Allah für ihre Errettung.

In seinem „Rosengarten“ schreibt Sa’di:

                                                                          „Das Schiff scheut nicht die Meeresflut,

                                                                          wenn an dem Steuer Noah sitzt“ (Sa’di, S. 11, a.a.O.).

 

Da Noah am Aschura – Tage die Arche verlassen haben soll, wird in Mekka an diesem Tage auch das Tor der Kaaba für Besucher geöffnet (vgl. Roth, Bd. 1, S. 705, a.a.O.).

Eine ganze Sure (71) trägt den Namen Noahs (Nu). Nach Sure 11, 43 weigerte sich ein vierter Sohn Noahs in die Arche zu gehen und ertrank in der Flut.

Bis heute gilt das Aschura – Fest frommen Muslimen als heilig und wird in allen sunnitischen Ländern als freiwilliger Fastentag feierlich begangen. Auch das Almosengeben ist eine weitverbreitete Sitte am Aschura – Tag.

In der Türkei ist „Aşure“ auch der Name eines Gerichts, einer Süßspeise mit vielerlei Zutaten: nach der Legende hat Noah, als er mit der Arche am Berg Ararat landete, ein Essen aus allen noch in der Arche vorhandenen Lebensmittelresten gekocht. Das Aşure - Gericht wird an diesem Tage gekocht und an Verwandte und Nachbarn, insbesondere arme Leute verteilt.

 

Hier ein türkisches Aşure – Rezept. Man benötigt für einen großen Topf:

200 g Mais (aus der Dose), 250 g weiße Bohnen (aus der Dose), 250 g Rosinen, 500 g zerstampften Weizen (döğme buğday), 250g Haselnusskerne, 250 g Walnusskerne, 250 g Kichererbsen, 250 g getrocknete Feigen, 1 Granatapfel, 1 Quitte, 50 g Piniolen, 250 g Zucker und ca. 50 g Schlagsahne.

Der Weizen wird bereits am Tage vorher in Wasser eingeweicht, bis er sich ganz voll Wasser gesogen hat. Dann lässt man ihn ca. eine Stunde lang im Wasser kochen.

Die Haselnüsse werden zerstampft.

Die Walnüsse werden gereinigt, gewaschen und zerschnitten.

Die Feigen werden gewaschen und zerschnitten.

Die Piniolen werden gewaschen.

Die Rosinen werden in einem Extra – Topf gekocht, bis sie wieder dick und rund voll Wasser gesogen sind.

Die Quitte wird geschält, entkernt und zerschnitten, der Granatapfel ebenfalls geschält und in seine Fasersegmente zerlegt.

Der bereits gekochte Weizen wird in ca. 3 l Wasser zusammen mit dem Mais und den Nüssen erwärmt. Wenn das Wasser kocht, werden alle weiteren Ingredienzien (außer dem Granatapfel) hinzu gegeben, dazu kommt noch eine Prise Salz, Sesam und geriebene Nelken.

Nach ca. viertelstündigem Aufkochen erkalten lassen; auf den Tellern mit den Granatapfelsegmenten übertreuen.  

 

Im Maghreb ist der Monat Muharram regional nach dem Fest „Aschur“ genannt.

Die regionalen nordafrikanischen Sonderformen von Aschura lassen an einen Ursprung in vorislamischen Fruchtbarkeitsriten denken. Hier ist es auch ein Tag des Almosengebens und – sammelns. Man besucht die Friedhöfe und schmückt die Gräber mit Myrtenzweigen.

Zum Aschura – Tag ziehen im Maghreb die Schüler der Koranschulen von Tür zu Tür, singen und sammeln Gaben für ihre Lehrer.

Auch der Toten wird zu Aschura gedacht, man besucht die Friedhöfe, besprengt die Gräber reichlich mit Wasser und schmückt sie mit Myrtenzweigen.

Desgleichen gilt eine Reihe von Speisen als typisch für das maghrebinische Aschurafest, so Pfannkuchen, flache Kuchen, Hafergrütze, Eierspeisen und Geflügel.

In der „Encyclopaedia judaica“ (Roth, Bd. 1, S. 705, a.a.O.) werden drei Elemente des maghrebinischen Aschura – Brauchtums hervorgehoben:

  • Feuer- und Wasser - Riten: ein Freudenfeuer aus Zweigen, Blättern und Gras wird errichtet. Oft wird er von einer angesehenen Persönlichkeit (mit „baraka“ = Segen) angezündet. Manche der Anwesenden überspringen das Feuer (vgl. Johannistag). Ein weitverbreiteter Brauch ist es, brennende Scheite in die Flüsse zu werfen, Asche und Wasser zu vermischen und sich mit dem Wasser gegenseitig zu bespritzen.
  • Hochzeitsriten, bei denen zum Teil auch Opfertiere geschlachtet werden. Bei z.B. der marokkanischen Douzrou – Zeremonie werden zwei Puppen hergestellt, die „Aschur“ und seine Verlobte „Aschura“ darstellen sollen.
  • Karnevalsriten: der im ganzen Maghreb verbreitete ð Karneval (farja) zeigt mancherlei Variationen, umfasst aber in der Regel die Darstellung eines Prozesses, einer Hinrichtung und einer Bestattung. Das „Opfer“ ist dabei in der Regel ein alter Mann oder eine alte Frau, die in einem burlesken Kostüm gekleidet sind, oder in Tierhäuten oder einem Blätterkleid (vgl. Roth, Bd. 1, S. 705, a.a.O.). Eine der Figuren der farja ist in der Regel ein großes Tier, ein Löwe, Maultier oder Kamel.  Schüler wählen einen an diesem Tag herrschenden Sultan; es finden unechte Gerichtsverhandlungen statt, bei denen karnevalesk verkleidete Männer und Frauen „abgeurteilt“ werden.

Ethnologen und Historiker vermuten, dass diese komplexen Aschura – Bräuche im Maghreb überlebende Rudimente antiker Agrarriten sind.   

 

Im schiitischen Islam sowie im Alevitentum ist Aschura darüber hinaus der Gedenk-, Bet- und Fastentag an die Schlacht bei Kerbala/Irak, in der Hussein am 10. Muharram 61 n. d. H./ 10. Oktober 680 n. Chr. ums Leben kam.

Die schiitischen Muslime gedenken des Martyriums Husseins (Husain, auch Hüssein), des Sohnes des 4. Kalifen Ali,  Enkel des Propheten Muhammad und 3. Imam der Schiiten [3] (Beiname: sayyid aš - šuhada = Herr der Märtyrer). Hussein wurde 626 in Medina als zweiter Sohn Fatimas (der Tochter des Propheten Muhammad) und Alis geboren.

Nach dem Tode Alis schloss sein älterer Sohn, Hasan, einen Vergleich mit den Omajaden (Umayyaden). Gegen eine finanzielle Abfindung, eine Rentenzahlung verzichtete er auf das Kalifat, auf alle politischen Ansprüche und lebte bis zu seinem Tode im Jahre 669 als Privatier in Medina.

 

Muawiya [4] (Kalif 661 – 680), der nach Uthman (Osman, 644 – 656) zweite Kalif aus der Dynastie der Omajaden (Umayyaden, 661 – 750) ließ noch zu seinen Lebzeiten seinen Sohn Yazid (Yezid [5] ) als Nachfolger einsetzen und ihm huldigen. Damit setzte er das dynastische Nachfolgeprinzip an die Stelle der vorherigen Wahl des Kalifen. 

Hussein entzog sich dem Huldigungseid für Yazid (den Sohn Muawiyas), indem er 680 nach Mekka flüchtete. Die alidisch gesonnenen Einwohner Kufas baten ihn um seine Hilfe gegen die omajadischen Statthalter des Irak. Der Abgesandte Husseins nach Kufa, Muslim b. Aqil, wurde jedoch bevor er Kufa erreichte im Irak von den Omajaden gefangen genommen und hingerichtet.

Davon erfuhr Hussein allerdings erst später und machte sich einer Gruppe von Familienmitgliedern und Anhängern auf den Weg nach Kufa.

Abd-Allah ibn Dschafar, der Ehemann von Sainab bint Ali soll Imam Hussein vor seinem Zug nach Kufa gewarnt haben, da er eine Ausrottung Ahl-Al-Bait (arab. „die Leute des Hauses“, d.h. die Familie Alis und des Propheten Muhammad, C.M.) befürchtete. Gleichzeitig bot er ihm dennoch an, ihn mit seinen Söhnen Aoun und Muhammad nach Kufa zu begleiten. Tatsächlich aber begleiteten Sainab und ihre Söhne den Zug in den Irak. Abd-Allah aber wurde die Mitreise von dem Imam selbst verboten. 

Als Hussein sich Kufa näherte, musste er feststellen, dass seine Anhänger, auf die er gehofft und die ihn gerufen hatte, still hielten und ihn nicht aktiv unterstützten, wohl aus Angst vor dem umaiyadischen Gouverneur der Stadt, ʿUbaidallāh b. Ziyād. Keiner der mesopotamischen Anhänger Husseins kam ihm zu Hilfe.

Syrische Truppen hielten die kleine Schar von Hussein auf Befehl des amtierenden Umayyaden-Kalifen Yazid  bereits am 2. Muharram 61 (2. Oktober 680) auf, als sie bei Kerbala lagerten.Der Euphrat ist ca. 4 km von Kerbela entfernt.Die Gegner verlegten ihnen den Zugang zum Wasser des Euphrat, Hussein und seine Anhänger fanden im aussichtslosen Kampf den Tod. Nach der schiitischen Tradition war der ein schwarzes Pferd reitende Omar Ibn Saad der Mörder Imam Husseins. Die Soldaten von Omar ibn Saad schlugen den toten Körpern der Märtyrer die Köpfe ab [6] und spießten sie auf Lanzen. 

Die umayyadischen Sieger zündeten das Lager Husseins an und plünderten die Zelte. Sie entrissen – der Überlieferung nach - den Frauen sogar die Schleier.

In einigen schiitischen Regionen gehört bis heute eine rituelle Verfluchung Omars [7]  zu den Prozessionen des Trauermonats Muharram. 

Neben Hussein selbst kamen auch andere Personen aus der Prophetenfamilie in Kerbala ums Leben, ihr Tod wird in den Legenden vielfältig ausgeschmückt, so…

·         Qasim Ibn Al-Hassan, der Sohn Hassans und Neffe Husseins

·         Muslim, ein anderer Neffe Husseins; er wurde 18jährig bei Kerbala getötet

·         Hazrat- e Abbas (auch Abu l-Fazl genannt), ein Halbbruder Husseins

·         der erst neunzehn Jahre alte Sohn Imam Husseins, Ali ibn Al-Hussein

·         die beiden Söhne Sainabs, Aun ibn Abd-Allah ibn Dschafar ibn Abi Talib und Muhammad ibn Abd-Allah ibn Dschafar bin Abi Talib (der Überlieferung nach erst 8 bzw. 10 Jahre alt)

 

Bei Kerbala starben der schiitischen Überlieferung nach insgesamt 72 Märtyrer.

 Auch Details über das Los der überlebenden Frauen und Kinder wird in der Legende anschaulich beschrieben.

Zainab [8] - die Schwester Husseins und Tochter Alis - rettete ihren kranken Neffen, Ali Zain ul-Abedin, den zukünftigen  4. Imam,  aus seinem bereits brennenden Bett.

Als Zainab nun alle Kinder zusammenrief und zählte, stellte sie fest, dass  Sukeina, die dreijährige Tochter Husseins, fehlte.  Zainab fand sie - der Überlieferung nach – weinend am kopflosen Leichnam Husseins.

In der Nacht schließlich hatte Zainab – der frommen Legende nach – eine Vision: sie sah ihren Vater,  Ali, auf einem Rappen herbei reiten. Aber sie erkannte ihn zunächst nicht, sie dachte an einen verspäteten Plünderer aus dem feindlichen Lager. Mutig und unerschrocken wollte sie sich ihm entgegenstellen. Plötzlich aber erkannte Zainab im blassen Mondlicht das Gesicht  ihres Vaters. Bis jetzt hatte sie nicht geweint, aber schlang sie ihre  Arme um den tröstenden Vater und schluchzte.   

 

Mit der Zeit wurde Hussein zum Prototyp des Märtyrers; sein schiitischer Ehrenname lautet: „Saiyid aš-šuhadāʾ „Herr der Märtyrer“. Spätestens im 10. Jhdt. wurden „… die Bußzeremonien und die Passionsspiele in Erinnerung an al-Husain eingeführt“ (Schreiner, S. 4, a.a.O.).

 

Der Tod Husseins gilt der heutigen Schia als Beweis für den despotischen Charakter der großen sunnitischen Reiche. Darin beruht auch die politische Bedeutung (und Instrumentalisierung) des Märtyrerkultes v.a. innerhalb der Schia. So z.B. während der iranischen Revolution: „’Mach mich zum Märtyrer’, riefen die revolutionären Demonstranten und entblößten ihre Brust vor den Soldaten der kaiserlichen Armee“ (Richerd, S. 78, a.a.O.).

Die größten Massendemonstrationen während der iranischen Revolution fanden um Aschura (Dezember 1978) statt. In Teheran allein sollen damals ein bis zwei Millionen Menschen gegen die Schah – Herrschaft protestiert haben. Oft wurde damals der revolutionäre Kampf als ein Kampf gegen den „Yazid dieser Zeit“ (den Schah) gesehen.

Der Märtyrertod Husseins (bzw. auch anderer Imame) hat für die schiitischen Glaubensvorstellungen eine eschatologische Dimension: Sein Opfertod antizipiert „.. die letztendliche Befreiung, die die Ankunft des zwölften Imams verspricht, der die Ungerechtigkeit der Welt beseitigen und ein Reich der Gerechtigkeit und Wahrheit errichten wird“ (Richard, S. 78, a.a.O.). Den Gläubigen wird durch die Teilnahme an den Aschura – Prozessionen ermöglicht, an den Leiden Husseins teilzuhaben und sich so von einem Teil ihrer Sünden zu entledigen.

Nach traditioneller Auffassung sei der Todestag eines Märtyrers auch sein Hochzeitstag: diese Sentenz begründet sich auf Qasim, einem Neffen Husseins, der bei Kerbala vor seiner Hochzeit fiel.

 

In schiitischen Regionen finden besonders an den Tagen um Aschura [9] drei verschiedene beliebte rituelle Veranstaltungsarten statt:  große Trauerprozessionen („dastağat“, von „dasta“ = Straßenprozession), die Rezitation von Trauergedichten auf den Tod Husseins („rouza – hwani“) und die szenischen, passionsspielartigen Darstellungen („taziya“ = Trauerbekundung) der Ereignisse von Kerbala. Bis heute sind es vornehmlich die Basaris (die Basarhändler), die die Veranstaltungen organisieren und finanzieren. 

Die „taziye“ stellen fast immer den Märtyrertod der Imame szenisch dar, v.a. den Tod Husseins und der Seinen bei Kerbala. Zuweilen werden jedoch auch Inhalte wie Salomo und Belkis, die Königin von Saba, thematisiert, und seltener, außerhalb der Trauerzeiten, auch weltliche Themen.

Die Bühne befindet sich außerhalb der Moschee, im Sommer im Freien, im Winter in einem überdachten Raum, der „Husainya“ oder „takya-ye hoseyni“ genannt wird und oft Galerien für das Publikum enthält.

In dem Roman „Ali und Nino“ schildert der aserbaidschanische Schriftsteller Kurban Said ein Aschura – „Passionsspiel“ in Teheran zu Beginn des 20. Jhdts: „Eine ungeheure, blaue, steinerne Halle mit dem edlen Namenszug des Schah Nasreddin [10] über dem Eingang. In der Mitte eine viereckige Bühne, und im ganzen Saal, sitzend, stehend, liegend, würdige Männer, aufgeregte Kinder, schwärmerische Jünglinge andächtige Zuschauer beim Passionsspiel des heiligen Hussein. Der Saal ist spärlich beleuchtet. Auf der Bühne trösten bärtige Engel den Jüngling Hussein. Der grimmige Kalif Jesid schickt seine Reiter in die Wüste, um den Kopf des heiligen Jünglings zu holen. Klagelieder werden vom Geklirr der Degen unterbrochen. Ali, Fatima und Eva, die erste Frau, wandern über die Bühne und singen vielstrophige Rubayats. [11] Auf einer schweren Goldplatte wird dem gottlosen Kalifen der Kopf des Jünglings überreicht. Die Zuschauer zittern und weinen. Ein Mullah geht durch die Reihen und sammelt mit Watte die Tränen der Zuschauer in eine kleine Flasche. Magische Kräfte aller Art sind in diesen Tränen enthalten. Je tiefer der Glaube der Zuschauer, desto gewaltiger die Wirkung des Spieles. Ein Brett wird zur Wüste, ein Kasten zum diamantbelegten Thron des Kalifen, ein paar Holzpfähle zum Garten Eden und ein bärtiger Mann zur Tochter des Propheten [12] “ (Said, S. 77, a.a.O.). Kurban Said selbst vergleicht die „Passionsspiele“ mit dem Besuch einer westlichen Oper, - m. E. ein fragwürdiger Vergleich.

Der Schauspieler der Ibn Saad spielt, reitet bis heute oft ein schwarzes Pferd und er wird rituell verflucht.     

 

Bei den „dasta“ - Prozessionen kommt es oft – wie bei Flagellanten - zu blutigen Selbstgeißelungen  von Gläubigen. Vor allem diejenigen, die ein Gelübde getan haben, kasteien sich am Aschura – Tag bis aufs Blut. Häufig wird ein ungesatteltes Pferd bei den Prozessionen mitgeführt. Es erinnert an den verborgenen 12. Imam, des baldige Rückkunft ersehnt wird.

In dem Roman „Ali und Nino“ beschreibt Kurban Said eine Teheraner Aschura – Prozession zu Beginn des 20. Jhdts.: „In der Ferne ertönten die dumpfen Schläge eines Tamburins, drohend und rufend wie die Mahnung des Unsichtbaren. …. Die Trommelschläge kamen näher, ihr Rhythmus war begleitet von kurzen, tausendfach wiederholten Rufen:’Schah-ssé… Wah-ssé – Schah Hussein … Weh Hussein…’. An der Ecke erschien die Prozession. Drei ungeheure Fahnen, mit schwerem Gold bestickt, wurden von kräftigen Händen über die Menge getragen [13] . Mit großen goldenen Buchstaben war auf der einen der Name Alis geschrieben, des Freundes Allahs auf Erden. Auf der schwarzen Samtfläche der zweiten Fahne zeichneten sich, segnend und verstoßend zugleich, die breiten Linien einer linken Handfläche ab, der Hand Fatimas, der Tochter des Propheten. Und mit Lettern, die den Himmel zu überdecken schienen, stand auf der dritten Fahne nur ein einziges Wort geschrieben: ‚Hussein’, Enkel des Propheten, Märtyrer und Erlöser.

Langsam schritt die Menge durch die Straße. Voran, in schwarze Trauergewänder, mit entblößtem Rücken und schweren Ketten in der Hand, die frommen Büßer. Im Takt der Trommel hoben sie sie Hände, und die Ketten streiften die geröteten, blutenden Schultern. Hinter ihnen gingen in weitem Halbkreis – immer zwei Schritte vor, einen Schritt zurück – breitschultrige Männer. Heiser erscholl über die Straße ihr dumpfer Ruf: ‚Schah-ssé… Wah- ssé’, und bei jedem Schrei schlugen geballte Fäuste hart und dumpf gegen die nackte behaarte Brust. Nachkommen des Propheten folgten, gesenkten Hauptes, im grünen Gurt ihres Standes. Hinter ihnen, im weißen Gewand des Todes, Märtyrer des Moharrem mit geschorenen Häuptern und langen Dolchen in der Hand. Ihre Gesichter waren finster, verschlossen, in eine andere Welt getaucht. ‚Schah-ssé… Wah-ssé’. Die Dolche blitzten auf und sausten nieder auf die geschorenen Schädel. [14] Blut bedeckte die Gewänder der Märtyrer. Einer taumelte und wurde von herbeigeeilten Freunden aus der Menge getragen. Ein glückseliges Lächeln umspielte seinen Mund“ (vgl. Said, S. 212/213, a.a.O.).

 

Im Iran spielen bei den traditionellen Aschura – Prozessionen besondere Brüderschaften eine bedeutende Rolle. 

Männer binden sich zu Aschura ein grünes Band um.  Sie gestalten und tragen bei den Prozessionen „Alam[15], Tragegestelle, die mit Bildern der Imame und Versen aus dem Koran geschmückt sind, oder große leere, tragbare Holzstühle (pers. „nahl“): in der Regel sind sie mit geweihtem Stoff und Schleifen bespannt. Bedeutung und Herkunft dieser Sitte sind unklar. Zum Teil glaubt man, der Stuhl sei ursprünglich der Katafalk Husseins gewesen. Andere nehmen an, der „nahl“ sei ursprünglich das Kreuz bei christlichen Prozessionen gewesen (vgl. Richard, S. 178, a.a.O.).

 

Vor dem Aschura - Tag wird 12 Tage (wegen der 12 Imams) lang gefastet und getrauert. Das alevitische Aşure - Gericht aus - natürlich - 12 Bestandteilen; es wird als Sahur - Speise genutzt, wird zu Hause zubereitet, ins Cem evi mitgebracht und gemeinsam gegessen. Der Aschura - Tag selbst ist dann für Schiiten und Aleviten der Tag des Fastenbrechens.

 

Die Trauerrezitationen „rouza – hwani“ werde oft zu Hause veranstaltet (jedoch getrennt für Männer und Frauen), aber auch auf öffentlichen Plätzen oder in Moscheen. Der eigentlichen Rezitation folgt in der Regel noch eine Predigt, die sich oft auch mit aktuellen Fragestellungen beschäftigt. Der Verkauf von rouza – hwani – Kassetten ist im Iran ein regelrechtes Geschäft. 

Als ein Beispiel für die schiitischen Trauerlieder zum Aschura – Tag hier eine Elegie von Kaani  [16] :

                                     Elegie auf den Tod Husains

 

Was regnet? - Blut ! - Wer? - Augen! - Wann? – Bei Tag und Nacht! -

Warum? - Aus Gram! - Um wen? - Kerbelas Herrn voll Macht! -

Wie hieß er denn? - Husain. - Aus welchem Haus? – Ali ' s. -

Die Mutter? - Fatima. - Der Ahn? - Muhammad hieß. -­

Wie starb er? - Märtyrer. - Wo? - Marjas Steppen­hänge. -

Wann?  - Zehnten Muharram – Allein ?- Nein, in der Menge. -

Bei Nacht getötet? - Nein, bei Tag, - Wann ? -  Mittagsstund. -

Die Kehle abgetrennt ? - Nein, nein, der Nacken rund. -

Vor Durst getötet? - Nein. - Gab man ihm Wasser ? - Ja. -

Wer? – Schimr [17] . - Aus welchem Quell ? - Dem Quell des Nichtseins, ah! -­

Starb er als Märt'rer ? - Ja. - Verbrach er etwas? - Nein. -

­Sein Amt ? - Rechtleitung nur. - Sein Freund? - War Gott allein. -

Wer tat den Frevel denn ? - Jezid. - Wer ist denn der ? ­Ein Sohn der Hind [17]. –

Von wem? - Ein Bastardsproß ist er. ­Tat er es selbst? - Gesandt hat einen Brief er schon. -­

An wen ? - An Mardschanas verräterischen Sohn. - ­

Mardschanas Sohn, war das Zijad ? [18] - Ja, er allein. -­

Und widersprach er nicht Jezids Befehlen ? - Nein. -

Hat dieser Schuft erwürgt Husain mit eigner Hand ? ­O nein, er hat ein Heer nach Kerbela gesandt. -

Heerführer war ? - Der Omar ibn Saad. –

Und er schlug Fatmas edles Volk? - Nein, Schimr ohne Ehr !

­Schämt sich denn nicht der Dolch, den Hals ihm abzuschneiden ? - Doch. –

Warum tat ers ? - Nicht wollts Schicksal andres leiden! -

Warum ? - Fürsprecher sollt er für die Menschheit sein. -

Was muss man dafür tun? - O klage viel und wein ! -

Und fielen Söhne auch von ihm dabei ? - Ja, zwei. -

Noch mehr ? - Neun Brüder. – Mehr ? –Verwandte allerlei. -

Hatt er mehr Söhne noch ? - Ja, einen. - Wer war das ? ­Sadschad. –

Wie ging es dem ? -Von Leid gebeugt und blass. -

Blieb erin Kerbela ? - Nach Syrien ging er weit ! -

In Ruhm und Glanz ? - O nein, in Schmerz und Niedrigkeit. -

Allein ? - Mit seinen Fraun. - Wie hießen sie voll Harm? - Sakina, Fatima, Zainab, Kulthum so arm.-

­Hatt er ein Kleid am Leib ?- Der Wegstaub war sein Rock .­

Hatt einen Turban er ? - Ja, der Verbrecher Stock. -

­War krank er ? - Ja. - Welch Mittel hat er ? - Tränen heiß. -­

Und was für Nahrung sonst ? -Herzblut war seine Speis.­-

Und wer begleitet' ihn ? - Die Kinder vaterlos. ­–

Noch mehr ? - Das Fieber, ja, das niemals ihn ließ los. ­-

Was blieb vom Schmuck der Fraun denn übrig ? –

Nur zwei Dinge: Des Unrechts Kett am Hals, am Fuß des Grames Ringe. ­-

Tät dies ein Heide? – Nein ! - Ein Jude, Parse je

Ein Hindu? –Nein ! – Ein Götzendiener? –Nein ! - O weh! 

Ist denn zu solchem Vers Ka'ani  fähig ? - Ja. ­-

Was wünscht er ? - Huld. – Von ? - Gott. - Wann? ­Wenn Vergeltung nah !“

 

                         (Übertragung von Annemarie Schimmel,  vgl. Gundert, S. 110 – 112, a.a.O.).

 

Seit vielen Jahrhunderten wird natürlich in Kerbala selbst jährlich des Todestags Husseins gedacht. In den zehn Tagen von Aschura verwandelt sich Kerbala nach Jawad Al – Assadi samt Häusern, Plätzen, Moscheen und Bewohnern in eine große Bühne, auf der sich das Drama von Husseins Martyrium erneut abspielt. Die Anwohner bedecken die zentralen Straßen mit aus Palmwedeln geflochtenen Strohmatten für die männlichen Zuschauer [19] , z.B.  die breite Straße, die Husseins Mausoleum mit dem von al-Abbas verbindet.

 

Die Hauptpersonen der dramatischen Darbietungen sind natürlich Hussein und seine Umgebung, wie al-Hur ar-Rijahi, al-Qasim, Muslim bin Uqail, al-Abbas, Fatima, Zainab, Sakina, Schimr, Muawija, Jazid Ibn Muawija u.a.. Sie tragen mit ihren tradierten individuellen Zügen das gesamte Geschehen.

An den gegenwärtigen Darbietungen zum Aschura – Fest in Kerbala hat seit vielen Jahren auch der mehr oder weniger deutliche Protest gegen die politische Unterdrückung im Irak seinen Platz.

Die Rezitatoren, die die Funktion eines modernen Geschichtenerzählers innehaben, können innerhalb der irakischen Schia zu Starruhm gelangen, wie beliebte Schauspieler ziehen diejenigen, die für ihre kreative Erzählkunst und Improvisation bekannt sind, die Zuschauer in hellen Scharen an.

Nach  Jawad Al – Assadi gelten zur Zeit Abd az-Zuhra al-Kaabi [20] und al-Waili als besonders populäre Rezitatoren.  „Zuweilen ist der Erzähler nicht in der Lage, die Geschichte von der blutigen Ermordung Husseins zu Ende zu bringen, weil ihn das Publikum wie der Chor in einer griechischen Tragödie ablöst. Unmittelbar setzen 3000 tief bewegte Stimmen die Geschichte singend, lamentierend und weinend fort. Die Interaktion verdichtet sich überwiegend in Momenten dramatischer Spannung. Wenn Abd az-Zuhra al-Kaabi zu den kritischen Passagen des Geschehens gelangt, wird der Gesang und die Klage von rhythmischem Schlagen auf die Brust begleitet“ (vgl. Jawad Al – Assadi, a.a.O.).

Die vielleicht interessanteste Figur innerhalb der Rezitationen um Hussein ist al-Hur ar-Rijahi, einer der wichtigen umayyadischen  Befehlshaber, den jedoch Zweifel an der Gerechtigkeit und dem Sinn des Krieges, an den ethischen und politischer Werten seiner Seite ergriffen haben. In dem Dilemma zwischen seiner persönlichen Loyalität den Umayyaden gegenüber und der Treue seinen Normen und Werten gegenüber, die er im Lager Husseins besser aufgehoben sieht, entscheidet er sich schließlich für die Aliden, - die jedoch dem Untergang geweiht sind. Dabei verständigen sich „….Al-Hur ar-Rijahi und sein Pferd …. in einer nicht wahrnehmbaren Geheimsprache. In kritischen Momenten sucht er das Gespräch mit seinem Pferd. Das Tier verwandelt sich in ein Gewissen, einen Spiegel, in einen wahren Freund. Und tatsächlich, beim ersten Morgenlicht ist am Ufer das laute Wiehern des Pferdes zu hören. In vollem Galopp erreicht es Husseins Zelt und erlöst al-Hur ar-Rijahi von seiner inneren Marter“ (vgl. Jawad Al – Assadi, a.a.O.). 

 

Kerbala war und ist für Schiiten ein hochangesehener Begräbnisplatz. Kurban Said beschreibt in seinem Roman „Ali und Nino“ eine besondere Karawane im Persien zu Beginn des 20. Jhdts.:“ Voran, mit dem Stab in der Hand, der Karawanenführer. Menschen in schwarzen Gewändern folgen ihm. Voll gespannter Kraft schreiten die Kamele. Langsam bimmeln an ihrem Hals die kleinen Glocken. Rechts und links hängen längliche, dunkle Säcke von den grauen Rücken. Stoffe aus Isphahan? Wolle aus Giljan? … Leichen hängen an den Rücken der Kamele. Hundert, zweihundert Leichen, in schwarze Tücher gehüllt. Durch Wüsten und Berge, durch die weiße Glut der Salzsteppe, durch grüne Oasen, vorbei an großen Seen trägt die Karawane ihre Last. Weit im Westen, an der türkischen Grenze, werden die Kamele niederknien. Beamte im roten Fes werden die Leichen betasten, und weiter zieht die Karawane bis zu den Kuppeln der heiligen Stadt Kerbala. An der Gruft des Märtyrers Hussein hält die Karawane. Behutsame Hände tragen die Leichen zu Grabe, damit sie im Sande von Kerbala ruhen, bis die Trompete des Erzengels sie aus dem Schlaf erwecken wird“ (Said, S. 180, a.a.O.).

Die Grabstätte von Imam Hussein in Kerbala - ein Schrien mit einer 25 m hohen goldenen Kuppel - ist für Nicht – Muslime nicht zugänglich. Es gilt als besondere Ehre, wenn nicht – muslimische Besuchergruppen in den Innenhof der Grabmoschee geführt werden (vgl. „Freitag“, Nr. 9/2003, S. 3).

Manche Historiker sehen in dem Hussein – Kult eine Fortsetzung des Kultes um den legendären, vorislamischen Helden Siyāwuš (aus dem „Schahnameh“ Firdausis, um 1010), von dessen Tod und Wiederauferstehung [21] (vgl. Richard, S. 89, a.a.O.).  

Am Tag nach Aschura herrscht in einigen Regionen des Iran der Brauch, in den Höfen mit angezündeten Wachskerzen nach dem verschwundenen Imam und seinen Überresten zu suchen.

 

Im Jahre 1801 eroberten und plünderten wahabitische Truppen des saudischen Emirs Abd al-Aziz (1765 – 1803) die den Schiiten heilige Stadt Kerbela, „… ein Fanal, denn der Wahabismus richtet sich vehement gegen den als ‚unislamisch‘ gegeißelten Schiismus“ (Fürtig, S. 3, a.a.O.).

 

Der syrische, aus einer armen ismailitischen Familie stammende Dichter Muhammad al-Maghut (1934-2006) schrieb:

                               „In meinem Blut rauschen Walzerklänge,

                               und in meinen Knochen liegt das Wehklagen von Kerbela“

                                                               (zit. n. Awwad, S. 61, a.a.O.).

 

Wiebke Walther sah in dieser Ambivalenz ein Beispiel für die „gespaltene Persönlichkeit” vieler arabischer Intellektueller (vgl. Walther, in Awwad, S. 291, a.a.O.).

 

In manchen Regionen des Iran und des Irak hat Aschura seinen religiösen Charakter heute allerdings weitgehend verloren; es wurde ein Fest der Geselligkeit, zum Treffen und Zusammensein mit Freunden (vgl. der Film „Fest des Blutes“, ARTE, 24. Januar 2009). .

 

Das Aschura-Fest des Jahres 2004 (1425 n. d. Hedschra) wurde im Irak völlig überschattet von den blutigen Attentaten in Kerbela und Bagdad, bei denen mindestens 182 Menschen umkamen und mehrere hundert zum Teil schwer verletzt wurden. Die Tat soll von der sunnitisch-jihadistischen „Ansar-e Islam“ geplant und durchgeführt worden sein, mit dem Ziel, den Irak vollends in Chaos und Bürgerkrieg zu stürzen.

In dem Roman „Der letzte Ort“ der deutsch-kurdischen Romanciers Sherko Fatah (*1964) phantasiert in dem Kapitel „Tag des Shahid“ ( Tag des Märtyrers) einer der Protagonisten, Osama, ein Selbstmordattentat auf das Aschura-Fest in Kerbala (S. 271 ff., a.a.O.). Dem jungen sunnitisch-islamistischen Attentäter wird wird der Sprengstoffgürtel angelegt und er fährt als Taxifahrer mit seinem Wagen so dicht wie möglich an den – in seinen Augen“ „Tempel der Häretiker“ heran, der zwar aussehe, wie eine Moschee, aber „… ein Haus der Lüge“ sei (Fatah, S. 274, a.a.O.). Er beobachtet dabei die „… jungen Männer, (die).. auf große Trommeln schlagen … und andere, die ein gewaltiges, mit eisernen Vögeln, Löwen und Symbolen verziertes Metallgestell tragen. Weit werden sie es schleppen…, schwere Arbeit zur Erinnerung an die Leiden eines anderen, ihres falschen Propheten“ (Fatah, S. 274, a.a.O.).

Und weiter: „Weinende Männer mit grünen Bauchbinden wirst du sehen, die sich die Fäuste an die Köpfe und in die Gesichter schlagen, Blut wirst du sehen, denn Ashura ist der Häretiker barbarisches Fest des Blutes. Vielleicht wirst du auch den Tanz sehen, den die Halbwüchsigen aufführen, in Gruppen, im Gleichschritt. Sich um selbst drehend, werden sie ihre aus vielen eisernen Ketten bestehenden Peitschen schwingen und und damit die eigenen nackten Rücken schlagen, bis ihnen das Blut auf die Füße tropft. So viele, … so viele Irregeleitete. Man kann sie nicht zurückholen …, zu tief sitzt der Irrtum, ihre Tränen bezeugen es“ (Fatah, S. 275/276, a.a.O.).

Der Attentäter lenkt schließlich seinen Wagen in die Menge der schiitischen Gläubigen und löst die mörderische Explosion aus.

 

Im Muharram des (gregorianischen) Jahres 2014 waren die Mauern des „… Innenministeriums in Bagdad … voller Bilder und Sprüche zur Feier des Märtyrers Imam Husain, ebenso die Fahrzeuge der Polizei. Überall prangte rote Schrift auf schwarzen Bannern, dazu warfen Husain-Portäts lodernde Blicke auf die Gläubigen … Man dachte schon, im Irak sei der schiitische Islam Staatsreligion wie im benachbarten Iran…“ (Aikins, S. 5, a.a.O.).

 

Die Ereignisse von Kerbala waren ein „… Vorfall, der ungeheure, bis auf den heutigen Tag spürbare Nachwirkungen hatte“ , zum „schiitischen Schisma“ führte (Fück, S. 179 f. & 239, a.a.O.).  

Nach dem Tode Husseins bildeten sich vor allem im südirakischen Kufa Gruppen, die zur theologischen und politischen Keimzelle der Schia wurden, ohne aber einen Imam zu proklamieren.

Eine dieser Gruppen, die „Büßer“ (oder auch die „Bußfertigen“, ar. „at-tauwabun“), wollten „… ihr Versagen, al-Husain nicht zu Hilfe gekommen zu sein, dadurch büßen, dass sie sich im Kampf opferten“ (Schreiner, S. 4, a.a.O.), eine Art von kollektivem Selbstmord für die begangene Sünde vollzogen. 

Im Jahre 684 zog eine Gruppe dieser „Büßer“ von Kufa nach Norden, in Richtung Syrien, um sich selbst zu opfern, weil sie Hussein im Stich gelassen hatten. Wirklich wurden sie 685 von umayyadischen Truppen nahezu vollständig niedergemetzelt.

Vorstellungen von Schuld, Reue, Leiden und Opfer sind für einige Richtungen des schiitischen Islam (insbesondere die Imamiten) konstitutiv. Sie wurden auch zur Grundlage der Aschura-Rituale. Sie sind also nicht etwa Ausdruck von Trauer um den getöteten Imam, sondern eigentlichAusdruck der Buße und Reue wegen der unterlassenen Hilfe.

Weitere Besonderheiten der Schia entwickelten sich in dieser frühen Zeit.

Einer dieser Faktoren wurde es, dass sich das Imamat sich bei ihnen nicht in direkter Linie vom Vater auf den Sohn in der Nachkommenschaft Husseins vererbt, sondern Imam wird man durch Designation, durch Bestimmung, Bezeichnung (arab. „naṣṣ“, wörtlich „Text“), wobei grundsätzlich alle Nachkommen ʿAlīs in Frage kommen. So wurde auch Ali selbst in der Sicht der Schia von dem Propheten Muhammad designiert (vgl. Id al-Gadir Humm).

 

Weitere schiitische Besonderheiten entwickelten sich während der Aufstände des al-Muḫtār und der Kaisaniya (683-5), bei denen Hussein durch militärische Gewalt gerächt werden sollte.

Als ein wichtiger Vertreter dieser aktionistischen Richtung trat in Kufa al-Muḫtār auf, der zwar Araber, aber kein Quraisch und so - nach allgemeiner Auffassung - für das Kalifat ungeeignet. Prätendent der Aufstandsbewegung war Muḥammad ibn al-Ḥanafīya, zwar ein Sohn Alis, aber nicht von Fatima, sondern von einer anderen Frau aus dem Stamme Hanifa. Er war somit kein Nachkomme des Propheten und mit diesem in direkter Linie nicht verwandt. Sein Anspruch gründete sich auf die Nachfolge ʿAlis, nicht die des Propheten.

In diesem Aufstand spielten zum ersten Mal in der islamischen Geschichte die Mawali – die wachsende Zahl nicht-arabischer Konvertiten - eine große Rolle. Einer der wichtigsten Vertreter war Kaisan, ein mawali von al-Muḫtār.

Die rasch zunehmenden „Neumuslime“ erhielten anfangs den Status von Klienten, von freigelassenen Sklaven: „Denn alter Gepflogenheit gemäß war der Übertritt eines Nichtarabers zum Islam nur möglich, wenn er durch ein Klientenverhältnis einem arabischen Herrn oder Stamm affiliert wurde“ (Fück, S. 238, a.a.O.).

Viele „Neumuslime“ gingen in das Lager der Aliden, der Schia über, „… die ein Sammelbecken all derer war, welche eine Änderung der politischen Verhältnisse herbeiwünschten“ (Fück, S. 239, a.a.O.). Viele mawali erstrebten und erlangten schließlich die volle Gleichbehandlung mit dem Hinweis auf die Lehre von der Brüderlichkeit aller Muslime.

Des weiteren wurde der Prätendent Muḥammad b. al-Ḥanafīya (obwohl er im Hedschas blieb, nie nach Kufa kam und sich an dem Aufstand nicht beteiligte) erstmals als „Mahdī“ bezeichnet, ein Wort, das „der Rechtgeleitete“ bedeutete. In dieser frühen Zeit hatte der Begriff Mahdi noch nicht die eschatologische Bedeutung, die er später auch für Sunniten erhielt. Mahdi bezeichnete damals nur den rechtgeleiteten, im Gegensatz zu den irregeleiteten umaiyadischen Herrscher und dem Gegenkalifen Ibn az-Zubair in Mekka. 

Schließlich kann man während des Aufstandes erstmals die „Übertreiber“ (ġulāt) nachweisen. Sie sollen für ihren Mahdi einen geschmückten Thron aufgestellt haben, an dem sie in freudiger Erwartung schmückten feierten. Nach der Auffassung der „Übertreiber“ sind die Imame menschliche Hüllen, in denen die Gottheit Wohnung nimmt, dies „Einwohnen“, arab. „hulul“, entspricht in etwa der Vorstellung der Inkarnation. Die Gottheit wandert so von einer menschlichen Hülle zur nächsten; diese Sonderform der Seelenwanderung wird als „tanasuh“ bezeichnet. Vielfach wird vermutet, dass bei diesen „Übertreibern“ der frühen Schia vor-islamische Vorstellungen, insbesondere spätantike gnostische Ideen eine Rolle spielten.

Nach anfänglichen Erfolgen wurden die Aufständischen 687 von Truppen aus Basra besiegt, Muhtar wurde getötet.

Der alidische Prätendent, Muḥammad b. al-Hanafiya blieb unbehelligt, soll später sogar dem umayyadischen Kalifen gehuldigt haben und um 700 in Medina eines natürlichen Todes gestorben sein.

Nach dem Tode Muḥammad b. al-Hanafiyas jedoch kam es – wiederum wohl erstmala – zu einer Erscheinung, das die Geschichte der Schia jahrhundertelang prägen sollte: Viele seiner Anhänger glaubten nicht, dass ihr Imam sei tatsächlich gestorben sei. Sie glaubten vielmahr, er halte sich auf einem Berg oder einer Insel verborgen um zu gegebener Zeit erlösend wiederzukehren.

Bei diesem ersten Auftreten der Vorstellung von einer „Verborgenheit“ (gaiba) des Imams glaubte bis in die Mitte des 8. Jhdts. eine Gruppe an die Wiederkehr (raǧʿa) des Muḥammad b. al-Hanafiya.

Diese schiitische Gruppe wird auch Kaisānīya - nach dem erwähnten Hauptmann und mawlā des Muḫtār - genannt oder „Vierer-Schia“, weil sie vier Imame (Alī, Ḥasan, Ḥusain und eben Muḥammad b. al-Ḥanafīya) anerkannte. Heute existiert diese historisch bedeutsame Strömung nicht mehr.

 

Hussein Sohn und damit ein Urenkel des Propheten Muhammad, Ali ibn Hussein Zain al-Abidin (der 4. Imam der Zwölfer Schia) überlebte wegen einer Erkrankung die Schlacht von Kerbala. Er starb nach einem zurückgezogenen Leben in Askese und Gebet ca. im Jahre 712 und wurde in Medina bestattet[22]. Nach seinem Tode kam es zu einer ersten Spaltung in der entstehenden Schia. Ein Teil (wohl die Minderheit) erkannte Zaid ibn Ali als rechtmäßigen Nachfolger an, ein anderer Zweig seinen Bruder Muhammad al-Baqir (den 5. Imam der Imamiten, der Zwölfer-Schia und 4. Imam der Siebener-Schia).

Zweierlei Tendenzen traten unter der frühen Schia auf, eine aktionistische und eine eher quietistische.

Für die aktionistische Gruppe gab es für den „richtigen“ Imam das Kriterium des ḫurūǧ, (das „Heraustretens“). Gemeint war das Heraustreten aus dem Abwarten im Kampf um das Recht. Nach dem ḫurūǧ kann nur derjenige von den Nachkommen ʿAlīs und Fāṭimas der wahre Imam sein, der seinen Anspruch mit dem Schwert durchsetzt. Zaid ibn Ali vertrat – im Gegensatz zu seinem Bruder - die aktionistische Position.



(variabel nach dem islamischen  Mondkalender, am 10. Tag des 1. Monats Muharram)

 

© Christian Meyer



[1] Der Name „Aschura“ (عاشوراء  arab.: aschara = "zehn") ist die arabische Wiedergabe des aramäisierten Wortes „ āssōr“  („רשצ“ ) = zehn, nach den zehn Tagen der Versöhnung mit dem Höhepunkt des Jom Kippur – Festes.  (عاشوراء  arab.: aschara "zehn")

[1a] Der Assyrologe Friedrich Delitzsch (1850 – 1922) wies – als Erster ? – 1903 in einem Vortrag im Babe. - Bibel – Disput darauf hin, dass von einem Mitgefühl Noahs mit den ertrinkenden Menschen nichts überliefert ist. 

[2] Im Gregorianischen Jahre 2017 wird der 30. September gleichzeitig Jom Kippur 5778 und Aschura 1439 sein. Auch in den (Gregorianischen) Jahren 1985 und 1953 war das der Fall.

[3] Die Schiiten sehen Ali (Kalif 656 – 661) als den 1. Imam, den älteren Bruder Husseins, Hassan (624/25 – 669) , als 2. Imam an. Alle alevitischen Dedes sollen von Hassan und Hussein abstammen.

[4] Bereits unter dem Kalifen Umar (Omar) war 639 Yazid, der Bruder Muawiyas, als Statthalter in Syrien eingesetzt worden. Muawiya und Yazid waren Söhne von Abu Sufyan, des omajadischen Stadtoberhauptes von Mekka und politischen Gegenspielers des Propheten Muhammad.  

[5] Der Hass auf den Kalifen Yezid spiegelt sich bis heute in dem alevitischen Spruch aus Anatolien: „Ay doğa simit gibi, Yezid öle it gibi“ = So wie der runde Mond scheint, so wird Yezid wie ein Hund sterben“.

[6] Im schiitischen Milieu sollen noch heute kleine Jungen, ".... die sich etwas haben zuschulden kommen lassen, mit den Worten: 'Du bist 'Umar' gescholten...." werden (vgl. Khoury et al., Bd. III, S. 728, a.a.O.).

[7] Hussein wurde in Kerbala begraben, sein dortiger Mausoleumsschrein wird von Schiiten hochverehrt.

Der Kopf Husseins soll als Siegestrophäe nach Damaskus gebracht worden sein. Später soll er dort in der Omajaden-Moschee beerdigt worden sein. Die Fatimiden, die ihre Abstammung auf Hussein zurückführten, ließen den (angeblichen) Kopf Husseins während der Kreuzzugskriege 1153 nach Kairo überführen, wo sie ihm ein prächtiges Grabmal errichteten. Ibn Battuta beschrieb es während seines Aufenthaltes in Kairo: „Zu den berühmtesten Stätten gehört das heilige und prachtvolle Grabmal, in dem der Kopf Husains, des Sohnes Alis, ruht“ (Battuta, Bd. I, S. 39, a.a.O.). Ob der Kopf wirklich in dem bis heute erhaltenen und verehrten Mausoleum bei der Hussein-Moschee in Kairo begraben liegt, ist umstritten (vgl. Geburt Husseins). 

[8] Drei Zainabs (trk. Zeynep) spielen in der frühen Geschichte des Islams eine Rolle.

Die früheste ist Zainab Bint Ğahš (auch: bint Dschahsch), die achte Frau des Propheten Muhammad. Zainab hatte – auf Veranlassung des Propheten – zunächst dessen Freigelassenen und Adoptivsohn Zaid geheiratet.

Zaid jedoch verstieß Zainab, damit der Prophet sie selbst heiraten könnte, was im Jahre 627 geschah, als Zainab bereits 38 Jahre als war. Sie wurde eine enge Freundin Aischas.

In einer Hadith al – Buharis heißt es: „Aiša … berichtet: Der Prophet … wurde von einigen seiner Ehefrauen gefragt: ‚Wer wird die erste von uns sein, die dir nach deinem Tod ins Grab folgt?’. Er erwiderte: ’Es wird die mit den längsten Händen sein!’. Da nahmen die Frauen einen Stock, um ihre Hände auszumessen. Sauda hatte die längsten Hände.

Später erst wurde klar, dass er mit der ‚langen Hand’ das Geben von Almosen gemeint ahtte. Denn die Frau, die als erste starb (Zainab Bint Ğahš), gab sehr gern und oft Almosen“ (al – Buhari, S. 193, a.a.O.). Zainab Bint Ğahš starb – neun jahre nach dem Propheten - im Jahre 641.   

Auch die älteste Tochter des Propheten Muhammad trug den Namen Zainab; sie lebte auch nach der Hedschra mit ihrem „heidnisch“ gebliebenen Ehemann Abu l’As in Taif. Zweimal wurde ihr Mann von Muslimen gefangen genommen, jedoch auf Fürsprache Zainabs wieder freigelassen. Auf dem Wege nach Medina wurde Zainab schwer misshandelt und starb um 630 vermutlich an den Folgen.

[9] Der Tassua –  und der Aschura - Tag  (9. und 10. Muharram) sind die iranischen Haupttrauertage anlässlich des Todes von Hussein.

[10] Nasr ed – Din Schah, aus der Dynastie der Kadscharen, herrschte von 1847 – 1896. Die kadscharische Dynastie war turkstämmig. Sie stammte aus der (damals laubwaldreichen) Region Masanderan. Bis zum 18. Jhdt. galt das Wort „Kadschare“ vielen Persern als Schimpfwort. Dann aber wurden die Kadscharen „… eine persische Dynastie, so wie die Deutschen eine russische Dynastie waren, die Franzosen eine schwedische, die Schweden eine polnische und die Hannoveraner eine englische“ (Tynjanow, S. 390, a.a.O.).

[11] Rubayat = „Ruba – iyat“, (vom ar. „rubā’i“ = „Vierfaches“,„Vierzeiler“), eine aus der arabischen Metrik abgeleitete Gedichtform, die sich zur berühmtesten, als spezifisch persisch angesehenen Form der Poesie entwickelte. Das Reimschema lautet: a - a; b – a, d.h. die Verse reimen sich mitAusnahme des dritten miteinander. In der vierten Zeile wurde oft die Lösung eines Problems angeführt, sie galt als „scharfsinnig“ oder „epigrammatisch“ (vgl. in Sa’di, S. 373, a.a.O.).  

Die vielleicht  berühmtesten Rubayat sind die von Omar Khajjam (dem Zeltmacher, ca. 1030 – 1123):

                               „Ich pilgre durch Berge weit und Wüstesand,

                               zum Guten hat sich dadurch nicht mein Los gewandt.

                               Mein Leben ging darüber hin. – Denk ich zurück,

                               dünkt dieses mich das einzige Glück, dass es entschwand“

                                                                                              (zit. n. Sundermann, S. 54, a.a.O.) 

[12] Bei den „taziye“ werden alle Frauenrollen immer von Männern gespielt.

[13] Diese Standarten (pers. „alam “) sind oft aus Metall und zuweilen sehr lang. Die „alam“ waren ursprünglich Kriegsstandarten, die wie Fahnen vorausgetragen wurden, wenn das Heer in die Schlacht zog (vgl. MacGregor, S. 603, a.a.O.). Der Alamdar war der Standartenträger, eine gleichnamige Straße führt in Istanbul hinauf nach Sultanahmet. Im Britischen Museum in London befindet sich eine ca. 1m lange schiitische Prozessionsstandarte aus vergoldetem Messing, hergestellt im Iran um 1650 – 1700 (vgl. Abb. unten). 

 Sie wurde einst auf einer Stange befestigt den Gläubigen auf Aschura-Prozessionen vorangetragen. Sie hat die Form eines Schwertes (Alis Schwert), Griff und Klinge sind durch eine Scheibe getrennt. Auf der Klinge und der Scheibe wurden religiöse Texte und die Namen der Ahl-ul-Bait, der Familie des Propheten Muhammad und der Imame eingraviert (vgl. MacGregor, S. 604, a.a.O.).

[14] Die Tradition, sich mit einem Dolch oder Säbel während der Prozession den Schädel blutig zu schlagen, bis das Blut über den Körper rann, ist heute im Iran verboten (vgl. Richard, S. 87, a.a.O.). 

[14] In den ersten Jahren nach der „islamischen Revolution“ wurden die „Alam“ von der orthodoxen schiitischen Geistlichkeit z.T. heftig attackiert, sie erinnerten zu sehr an Kreuze.

[15] Kaani (ca. 1808 – 1854) entstammte einer Dichterfamilie in Schiras und war später Hofdichter in Teheran. Er gilt als der bedeutendste persische Dichter des 19. Jhdts.

[16] Schimr stachelte ibn Ziyad zur Unnachgiebigkeit Huessein gegenüber an.

[17] Umm Hind war die Ehefrau von Abu Sufyan und Mutter von Yazid und Muawiya.

[18] Ziyad ibn Abihi war Sohn einer Sklavin und eines unbekannten Vaters aus Taif. Die Omajaden adoptierten ihn offiziell als Bruder des Herrschers und verpflichteten ihn so der herrschenden Dynastie. Er regierte als Statthalter den alidisch – oppositionellen Irak „..... mit Zuckerbrot und Peitsche“. Von Ziyad soll die Empfehlung an seine Beamten stammen: „Behandelt die Bauern gut, denn solange sie dick sind, seid auch ihr dick“ (vgl. Rathmann, Bd. I, S. 111/112). Sein Sohn und Nachfolger als Staathalter im Irak war Ubaidallah; er ergriff die Abwehrmaßnahmen gegen Hussein.

[19] Frauen und Männer vollziehen die Trauerrituale zum Aschura – Fest weitgehend getrennt, wobei sich die Frauen, in schwarze Gewänder gehüllt und die Köpfe bedeckt, vor allem innerhalb der Häuser, aber auch in den Nebenstraßen treffen. Dennoch bedeuten die Aschura - Nächte – wie Jawad Al – Assadi betont - für viele Frauen die größte Freiheit, wenn sie sich während des Fests öffentlich zusammenfinden, Husseins Grab besuchen oder den Trauerprozessionen zuschauen.

[20] Der Rezitator Abd az-Zuhra al-Kaabi ist im Irak für seinen mutigen Oppositionsgeist und seine häufigen Verhaftungen während der Aschura - Aktivitäten vergangener Jahre bekannt. Immer wieder stellte er Verbindungen zwischen der tradierten Geschichte vom Leben und Sterben Husseins und aktuellen politischen Themen her, so fügte er z.B. Forderungen nach Freilassung von Häftlingen aus Gefängnissen Kerbalas in den Originaltext ein.

[21] Siyāwuš, der Sohn Schah Kai Kawas, wurde nach der Überlieferung (wie Josef) von seiner Stiefmutter verleumdet, und floh zu den Türken, wo er durch Intrigen ums Leben kam. In seinem Sohn Kai Chorus entstand ihm jedoch ein furchtbarer Rächer.  

[22] Das Grabesmausoleum von Zain al-Abidin auf dem al-Baqi Friedhof (südöstlich von der Propheten-Moschee in Medina) wurde im April 1926 von den wahabitischen Saudis zerstört, wie alle anderen dortigen Mausoleen.

Muhammad ibn Abd el-Wahab (1703 – 1787) hatte jede Heiligenverehrung und jeden Gräberkult verworfen. Er erklärte „… jeden für einen Ungläubigen, der einen Heiligen anruft, um seine Fürsprache bittet, sein Vertrauen in ihn setzt, sich vor ihm niederwirft oder irgend eine andere Handlung ausführt, auf die Allah allein ein Anrecht hat“ (Fück, S. 206/207, a.a.O.).

 

Aschura-Prozession
Aschura-Prozession

Alam, iranische Prozessionsstandarte, heute im Britischen Museum In London (Abb. aus MacGregor, S. 602, a.a.O.)