Indische Miniatur: Der Tod Putanas (Abb. aus Cavendish, S. 24, a.a.O.)

Indische Miniatur: Krishna versteckt die Kleider der Dorfmädchen (Abb. aus Cavendish, S. 25, a.a.O.)

 

Sri Krishna Jayanti, hinduistisches Geburtsfest Krishnas (auch „Janamashtami")

 

Krishna („dunkel“) gilt vielen Hindus als die 8. Inkarnation (Avatara = „Herabstieg“) Vishnus [1] . Geboren wurde Krishna der Überlieferung nach in Mathura / Uttar Pradesh am Yamuna – Fluss gelegen, heute eine Stadt von ca. 500 000 Einwohnern.

In dem Purana Harivamsa und im Bhagavata – Purana (entstanden in der heutigen Form zwischen dem 5. und 11. Jhdt.) werden u.a. auch biographische Legenden von Krishna berichtet

König Kamsa in Mathura erfuhr danach eines Tages von dem Weisen Navada, dass er in Zukunft eines Tages von seinem Cousin, dem achten Sohn seiner Tante Devaki getötet werden würde. Deshalb trachtete der König danach, schon die Säuglinge zu töten. Sechs Kinder Devakis ließ Kamsa bereits ermorden, nun war sie mit einem siebenten schwanger: Es handelt sich um Rama, er wird wundersamerweise durch Verpflanzung in die Gebärmutter einer anderen Frau gerettet.

 

Als Devaki erneut schwanger wird, werden beide Eltern gefangen gesetzt. Das achte Kind, Krishna, wird gleich nach der Geburt mit der Tochter des Hirten Nanda, eines Freundes des Vaters, vertauscht, und - unsichtbar geworden - heimlich von dem Vater aus Gefängnis geschmuggelt - es überlebt.

Als Kamsa schließlich erfuhr, dass und wo Krishna überlebt hatte, sandte er allerlei Unhold aus, Krishna zu töten. So sollte z.B. die dämonische Riesin Putana mit ihrer vergifteten Milch Krishna stillen und töten. Krishna aber saugte aus den Brüsten Putanas ihren Lebensodem, so dass sie starb.

 

Der Gott wuchs unter dem einfachen Volk auf, seine Kindheitsstreiche und erotischen Abenteuer als Jüngling sind Thema vieler Legenden und bildlichen Darstellungen. Berichtet wird, dass der kleine Krishna gerne und oft z.B. Butter und Milch naschte.  Als Kind bereits überwand Krishna die Schlange Kaliya [2] und er hielt – als Jugendlicher – den Berg Govandhana schützend über sich und seine Mithirten. 

Der Jüngling versteckte den Dorfmädchen, während sie im Fluss badeten,  ihre Kleider.

 

Berühmt und in der indischen Kunst vielfach dargestellt ist der nächtliche Reigentanz (rasa oder rasa – lila) Krishnas mit den Hirtinnen: „Sie sind alle in ihn verliebt, er erwählt sich eine und läuft mit ihr ins Dickicht  davon. Alle Mädchen folgen; sie verlieren seine Spur, die Gefährtin finden sie wieder, aber auch ihrem Blick ist er entschwunden. Todtraurig flehen sie ihn mit Gesängen um Rückkehr an. Er erscheint tatsächlich wieder, und der Tanz beginnt von neuem; er vervielfacht sich und tanzt gleichzeitig mit jeder einzelnen zum Klang seiner Flöte. Sie schenken ihm Schmuck und Gewänder, Götter und Göttinnen tanzen mit, und der Reigen, samt einem gemeinsamen Bad in der Yamuna, dauert volle sechs Monate. Hinterher erweist sich, dass die Hirtinnen während dieser Zeit nirgends vermisst wurden; auf wunderbare Weise waren alle gleichzeitig auch zu Hause bei ihren Ehemännern“ (vgl. Jayadeva, Kommentar, S. 82, a.a.O.). 

 

Herangewachsen geht Krishna auf die Suche nach Abenteuern.

Später lud Kamsa den 8. Sohn, Krishna, nach Mathura ein, um ihn zu verderben. Krishna aber besiegt alle vom König ausgesandten Kämpfer und schleißlich auch Kamsa selbst. Er wird an seiner Statt König über das Yadana – Volk in Mathura.  

 

Der Bericht endet mit einem Liebesabenteuer. Krishna begehrt (schon in Dvaraka [3] ) die schöne Rukmini zur Frau, die aber ist einem anderen versprochen. Krishna raubt Rukmini und besiegt deren Bruder im Kampf. Schließlich heiratet er Rukmini, die ihm 10 Söhne gebiert. Allerdings heiratet Krishna noch 16007 weitere Frauen… (vgl. Mylius, 1983, S. 127 / 128, a.a.O.).

 

Die Figur Krishna scheint zumindest aus zwei mythischen Gestalten zusammengefasst worden zu sein, aus

  • ·       dem jugendlichen Hirtengott („Govinda“ [4] oder „Gopala“ = „Kuhhüter“)
  •         dem göttergleichen Krieger des Mahabharata

Hier bestimmt Krishna den Schlachtenverlauf und ist selbst ein furchtbarer Kämpfer.

 

Die Verbindung zwischen beiden Figuren, dem Hirtengott aus Mathura und dem Kriegers wurde geshaffen durch eine Erzählung: Krishna habe sich und sein Yadana – Volk wundersamerweise von Mathura nach Dvaraka / Gujarat versetzt, das seine neue Hauptstadt wird.

 

Bei einem Trinkgelage aber bringen sich schließlich alle Yadavas gegenseitig um, auch Krishnas Bruder Balama kam dabei ums Leben. Voll Trauer über den Untergang seines Stammes legt sich Krishna unter einem Ashvattha – Baum nieder. 

Im Schlaf (in Meditation?) wird er von einem vorbeikommenden Jäger namens Jara („Alter“) erschossen, der ihn für einen Hirsch (eine Gazelle) hielt. Der tödliche Pfeil traf Krishna an seiner einzigen verwundbaren Stelle, der Fußsohle.

Mit Krishnas Tod begann nach Vorstellung der Gläubigen das schlechteste Weltzeitalter, das Kali Yuga – Zeitalter (die „Streitzeit“), an dessen Ende die Welt untergeht (vgl. Jayadeva, Kommentar, S. 81, a.a.O.).  

Die enorme Popularität Krishnas [5] auch im heutigen Indien noch rührt vermutlich von seinen verschiedenen identifikationsträchtigen Aspekten her, dem Kind, dem Hirtenheros, dem Liebhaber und dem gttlichen Kriegsheld.

 

In Mathura befindet sich an der Stelle, an der Krishna geboren wurde, der Schrein Shri Krishna Janmasthan. Ein käfigartiger Innenraum soll daran erinnern, dass Krishna in Gefangenschaft geboren wurde; seine Eltern waren Gefangene des tyrannischen Königs Kamsa.

 

Im nahe gelegenen Potara Kund soll angeblich Krishnas Mutter seine Babykleidung gewaschen haben. Einst war Potara Kund nur ein beliebiger Teich, heute ist er von roten Sandsteintempeln eingefriedet und Stufen führen zum Wasser hinab. Das Wasser wird als heilig angesehen und das Eintauchen im Wasser soll für verschiedenste Aktivitäten günstig sein.

 

Am Yamuna – Ufer leigt die Vishram Ghat („Badestelle der Erholung“), an der Krishna nach der Tötung seines tyrannischen Onkels Kamsa ausgeruht haben soll.

Es soll allerdings darauf hingewiesen werden, dass alle diese Schauplätze von Krishnas (oder auch Radhas) Jugend erst im 15. /16. Jhdt. mit der Vishnu – Renaissance „wiederentdeckt“ wurden.

 

Hinsichtlich der Kindheit Krishnas wurden immer wieder auch christliche Quellen vermutet: „Die Geburt im Stalle, die Anbetung der Hirten und Weisen, die Flucht usw. deuten darauf hin“ (vgl. Hardy, S. 105, a.a.O.).

 

Krishna ist aber auch die Hauptperson des Bhagavatgita [6].  Das Lehrgedicht (ein kleiner Teil des umfangreichen Epos „Mahabharata“ setzt ein, als der Held Arjuna vor einer Schlacht unwillig ist, gegen seine Verwandten und Freunde in der gegnerischen Armee zu kämpfen, sie vielleicht sogar zu töten. Es beginnt ein Gespräch zwischen Arjuna und seinem Wagenlenker, der schließlich Arjunas Bedenken zerstreut. Der Wagenlenker aber ist niemand anders als Krishna.

 

Krishna rechtfertigt die Entfesselung der bevorstehenden blutigen Schlacht mit einer dualistischen Lehre von Körper und Seele: Der ewigen, unveränderlichen Seele geschehe ja nichts Schlimmes, wenn der Körper tötet oder getötet [7]wird:

                                             „Wie ein Mann die abgewetzten Kleider ablegt

                                             und andere, neue nimmt,

                                             so legt die Seele die verbrauchten Körper ab,

                                             und tritt in andere, neue ein“

 

                                                               (zit. n. Mylius, 1990 „Bhagavatgita“, II, 22, S. 27, a.a.O.). 

 

Nach Auffassung von Klaus Mylius war Krishna ursprünglich eine historiche Person, eine Art Stammesheros, ein Kriegsheld, der später zu einer Inkarnation Vishnus erhoben wurde (vgl. Mylius, 1990, Einleitung, S. 7/8, a.a.O.). 

Er gibt die Ratschläge und Lehren, die schließlich die Bereitschaft zu Krieg und Kampf  bewirken…

 

Darstellungen Krishnas sind sehr beliebt, oft wird er als Kuhhirte dargestellt, Flöte spielend, mit dunklem, blauen Gesicht, mit den Hirtenmädchen (gopi) spielend und tanzend, sie verführend.

 

 

(veränderlich nach dem hinduistischen Lunisolarkalender)

 


[1] In der „Gitagovinda“ werden 10 Gestalten („Avataras“), in denen Vishnu während des gegenwärtigen Weltzeitalters auf der Erde erschien, in chronologischer Reihenfolge angeführt:

1.       als Fisch („matsya“)

2.       als Schildkröte („kurma“) (vgl. Schildkrötentag)

3.       als Eber („varaha“): in Khajorahu…… Eber…..

4.       als Mannlöwe („navasimha“)

5.       als Gnom („vamana“)

6.       als Parasurana

7.       als Rama

8.       als Balarama

9.       als Buddha

10.    als Kalki. 

Kalijuga ist in der hinduistischen Tradition das 4. und letzte Welz(zeit)alter („juga“), es brächte einen letzten, allmählichen Niedergang mit sich.

Nach brahmanischer Vorstellung bildeten 1000 „jugas“ einen „kalpa“ (= 4320 000 000 Jahre), d.h. einen Tag im leben des Weltschöpfers Brahma. Nun erfolgte eine teilweise Weltzerstörung, gefolgt von einer Nacht Brahmas, einer Periode der Weltenruhe. Tage und Nächte Brahmas wechselten einander ab, bis nach 311 040 000 000 000 Jahren das Leben des Gottes zu Ende ginge undnach einem allgemeinen Weltuntergang ein neuer Brahma geboren würde und eine neue Weltenschöpfung erfolge.

[2] Am Yamuna – Fluss zeigt man Gläubigen und Touristen noch heute den Kadamba – Baum, von dem aus der achtjährige Krishna dem 101-köpfigen Schlangenkönig Kaliya solange auf die Köpfe sprang, bis dieser sich - entnervt – ins Meer zurückzog (vgl. Jayadeva, Kommentar, S. 172, a.a.O.).

[3] In Dvaraka / Gujarat befindet sich ein Rukmini – Tempel aus dem 12. Jhdt.

[4]Govinda“ ist ein Beiname Krishnas, vermutlich mit der Bedeutung „inda“ = „Bester“ und „gova“ = Kuhhirte, also „bester der Kuhhirten (vgl. Jayadeva, Kommentar, S. 1717, a.a.O.).

[5] Im Jahre 2006 wurde in Indien ein aufwändiger - und erfolgreicher - Zeichentrickfilm mit dem Titel „Krishna“ unter der Regie von Aman Khan gedreht. 

[6] Die Bhagavatgita („Bhagavat“ = skrt. „der Erhabene“, „gita“ = skrt. „der Gesang, das Buch“, d.h. „der Gesang des Erhabenen“) hat nach der Einschätzung von Klaus Mylius „…. von allen Werken der einheimischen Literatur …. nach Tiefe und Zeitdauer wohl den größten Einfluss ausgeübt, der sich bis in die Gegenwart hinein erstreckt“ (Mylius, 1990, Einleitung, S. 5, a.a.O.). Mahatma Gandhi verehrte die Bhagavatgita sehr, er las oft darin. Ein Exemplar des Werks gehörte zu seinem geringen Privatbesitz. 

[7] Noch in der indischen Unabhängigkeitsbewegung wurde diese dualistische Lehre zur Rechtfertigung von individuellem Terror benutzt.

 

© Christian Meyer

 

Krishna und Radha