Abb.: „Statue des Wettergottes Hadad“; Basalt, um 775 v. Chr., aufgefunden bei Grabungen des Deutschen Orient-Comités 1895/96 in Zincirli/Pr. Gaziantep/Türkei; heute befindet sich die Statue im Berliner Vorderasiatischen Museum, VA 2882. Die Statue ist durch die Hörnerkrone, einem Attribut des Hadad, als solcher identifizierbar. Auf dem Gewand der Statue befindet sich eine aramäische Weiheinschrift des Stifters, des regionalen Königs Panamuwa.

Hadad (der Name bedeutet wahrscheinlich der „Donnerer“) erfreute sich im vorderasiatischen Gebiet des Regenfeldbaus großer Beliebtheit, denn er war für eine reiche Ernte verantwortlich. Seine Beinamen waren u.a „Deichgraf des Himmels“ und " Herr des Überflusses“ (vgl. Lurker, S. 4, a.a.O.).  Sicher wurde die Statue aus dieser Absicht auch von dem König gestiftet.

Aber auch nach dem Tode war in der Unterwelt der Beistand Hadads nützlich. Deshalb bat der König am Ende der Weiheinschrift: „Möge die Seele des Panamuwa essen mit Hadad, möge die Seele des Panamuwa trinken mit Hadad“.  

 Der syro-phönizische Gott wurde auch „Baal-Hadad“ ( "Herr des Donners“) genannt, in Mesopotamien entsprach ihm „Adad“.  

Hadad galt (ähnlich wie Osiris oder Jesus) als gestorbener und wiedergeborener Gott. Sein Kult war mit zahlreichen Trauerriten und Wehklagen im Winter, der als sein Tod betrachtet wurde, und Freudenfesten im Sommer, in dem er wiedergeboren wurde, verbunden. Zuständig war Hadad/Adad auch für Visionen, die Schau in die Zukunft (vgl. Guirand, S. 83, a.a.O.).  

In der hebräischen Bibel wird Hadad mehrfach als „heidnischer“ Gott genannt.

(Photo: Christian Meyer, Januar 2023)

Akitu - Fest, Babylonisches Neujahrsfest

 

Die Neujahrsfeierlichkeiten waren der bedeutendste Festtag im alten Babylon (Babylon wahrscheinlich vom akkad. „Bab - ilum“ = Tor der Götter“ ). Seit der sumerischen Zeit lassen sich ähnliche Feste in vielen mesopotamischen Städten, wie z.B. in Uruk nachweisen. Da alle mesopotamischen Kulturen in hohem Grade von der Landwirtschaft abhingen, waren die meisten ihrer Feste mit dem alljährlichen Naturzyklus verbunden.

Eine sumerische, vermutlich aus Uruk stammende, heute im Berliner Vorderasiatischen Museum aufbewahrte Kultvase zeigt die Liebes- und Kriegsgöttin Inanna (bei den Akkadern: Ischtar [1] ), der verschiedene Opfergaben vermutlich zum Neujahrsfest (s.u.) gebracht werden.

Nach traditioneller babylonischer Auffassung war es Aufgabe der Menschen, die Götter durch die Opfer mit Nahrung zu versorgen. Der Weisheitsgott Enki / Ea hatte die Idee, für die schwere Arbeit der Versorgung der Götter, gesonderte Wesen zu schaffen, die Menschen. 

In Babylon dauerte das Fest 11 bis 12 Tage und war von fröhlichem Treiben und prächtigen Prozessionen begleitet. Die Neujahrsfeierlichkeiten dienten der kultischen Reinigung, der Entsühnung, sollten die Fruchtbarkeit [2] fördern, eine günstige politische Entwicklung bewirken und die Weltschöpfung rituell wiederholen. Der König stand dabei für Marduk: Er ordnete den Kosmos neu. Die Akitu-Tage waren ein gesellschaftlicher Höhepunkt des Jahres in Babylon, an denen alle gesellschaftlichen Schichten mehr oder weniger Anteil hatten.

Ein Höhepunkt des Festes war am 6. Tag die Ankunft einer Prozession aus Borsippa [3] mit dem silbernen Standbild des Gottes Nabu, der im Esagila-Tempel [4] in Babylon seinen Vater Marduk besuchte.

Marduk (vom sum. „Amar - utak“ „Jungrind des Sonnengottes“) war in der Phase der neubabylonisch - chaldäischen Reiches der Hauptgott Babylons. Er wurde als der erstgeborene Sohn des Gottes Ea [5] angesehen.

Ursprünglich personifizierte er vermutlich das Fruchtbarkeit bringende Wasser: Er ließ die Pflanzen wachsen und das Getreide reifen. Von diesem agrarischen Charakter zeugen auch seine Attribute, die Hacke (marru) und die Sichel.

Marduk war zunächst der Stadtgott von Babylon, später erlebte er einen Aufstieg zum babylonischen Reichsgott. Zu Hammurapis Zeit wurde Marduk als Stadtgott Babylons verehrt, der „persönliche Gott“ des Königs aber war vermutlich Schamasch (vgl. Klengel, S. 180, a.a.O.), an der Spitze der Reichsgötter standen noch Anu und Enlil.

Vermutlich im 12. Jhdt. v. Chr. entstand das babylonische Weltschöpfungsepos „Enuma Elisch“ [6] ( babylon. „Als droben ...“, die Anfangsworte der Erzählung). Das Epos ist auf sieben Tontafeln überliefert.

Nach babylonischer Vorstellung bestand das Universum am Anfang nur aus Salzwasser (der weiblichen Gottheit Tiamat) und Süßwasser (der männlichen Gottheit Apsu). In dem „Enuma Elisch“ heißt es: „Als droben der Himmel noch nicht benannt war und die Feste unten noch keinen Namen hatte, war nur Apsu da, der Anfang von allem, Mummu der Bote, und Tiamat, die Mutter alles Lebens, die ihre Wasser untereinander mischten.Damals gab es noch kein Festland, und es lebten weder Götter noch Menschen. Es herrschte das Chaos, und Ordnung und Schicksal waren unbekannt“ (zit. n. Beltz, 1986, S. 39, a.a.O.).

Diese älteren Götter schufen so neue Göttergenerationen, fühlten sich dann aber durch deren Unbotmäßigkeit und Ungehorsam gestört. In dem nun beginnenden Götterkampf wird Apsu getötet, die schreckliche riesenhafte Tiamat will nun Apsu rächen. Nur der junge Gott Marduk [7] wagt ihr entgegenzutreten: Er beherrscht die Stürme und Blitze. Im Entscheidungskampf stürzen sich die Winde in den geöffneten Mund Tiamats und Marduk konnte sie durch Pfeile töten. Marduk zerschnitt nun den riesigen Körper Tiamats in zwei Hälften und erschuf aus ihnen die Welt. 

Das akkadischsprachige Weltschöpfungsepos „Enuma Elisch“ wurde alljährlich während der Neujahrsfestes in Babylon zeremoniell rezitiert, und szenisch aufgeführt (vgl. Hahn, S. 64, a.a.O.). 

Als Lohn für den Kampf gegen und den Sieg über Tiamat wurde Marduk zum Himmelskönig, in Babylon wurde er zum höchsten Stadt- und Reichsgott. Durch seinen Sieg über Tiamat wurde er zum obersten Gott. Der Gott Bel übertrug Marduk nach dem Kampf seinen eigenen Titel „Herr der Länder“ und Ea soll, glücklich über den Sieg seines Sohnes gesagt haben: „... er (Marduk) heißt wie ich, Ea! Die Gänze meiner Befehlsgewalt ist in ihm ausgedrückt“ (zit. n. Guirand, S. 77, a.a.O.). Marduk absorbierte und ersetzte so viele der traditionellen mesopotamischen Gottheiten. Schon zu Beginn des 1. Jtsds. v. Chr. wurde der Name „Marduk“ als so heilig angesehen, dass er weitgehend durch den Ehrentitel „Bel“, „Herr“ ersetzt wurde. Viele heutige Forscher glauben in Babylon eine Art „Henotheismus“ erkennen zu können: Alle anderen Gottheiten wurden zu Aspekten Marduks. Unter Henotheismus (von gr. „hen“, Gen. „henos“ eins, einer) versteht man eine religiöse Haltung, die die Hingabe an nur einen Gott fordert, ohne jedoch – wie im Monotheismus – die Existenz anderer Götter zu leugnen oder den Verehrung zu verbieten. Es ist zu vermuten, dass der babylonische Henotheismus die assyrische und jüdische Theologie beeinflusste.

Marduk galt als Gott der Beschwörungskunst, der Krankenheilung und der Weisheit. Er errichtete die Behausungen der Götter und bestimmte den Lauf der Gestirne. Später hatte er auch Züge eines Richtergottes und Lichtbringers (Gott der Frühlingssonne) und wurde „Bel“ akkad. „Herr“ (der Götter) genannt [8]. Seine Gemahlin war Sarpanitu (akkad. „die Silberglänzende“), u.a. die Göttin der Schwangerschaft, sein Sohn Nabu war Gott der Schreibkunst.

Ein an Marduk gerichtetes auch zum babylonisches Neujahrsfest rezitiertes Gebet lautete zum Beispiel:

                               „Ich preise deinen Namen, Marduk, Gewaltigster der Götter,

                               Der du allein erhaben bist, Fürst im Himmel und auf Erden.

                               Du meisterst alle Weisheit. Du bist vollkommen an Kraft.

                               Vor dir beugen sich Igigi und Annunaki [9] , Götter und Göttinnen,

                               Städte und Heiligtümer, Königkammern, Regenten und Herrscher!

                               Hoch an Gestalt, Marduk, strahlende Sonne, leuchtende Fackel,

                               Die bei ihrem Erscheinen blinkt, die Unreinheit rein macht,

                               Die alle Finsternis entfinstert. Nimm entgegen meine Demut,

                               Nimm an mein Flehen, inbrünstige Gebete und heiße Bitten“

                                                                                              (zit. n.  Dobraczynski, S. 181, a.a.O).

 

Marduk trug in der chaldäischen Zeit 50 ehrende Beinamen, so

·         der, der das Getreide und die Pflanzen wachsen läßt und den Frühling hervorbringt

·         das Licht des Vaters, das er zeugt

·         der Erneuerer der Götter

·         der Herr der Zaubersprüche, der die Toten lebendig macht

·         der, der die Herzen der Götter kennt

·         der Hüter von Recht und Gerechtigkeit

·         der Schöpfer aller Dinge

·         der Herr des Lebens

·         der Hirte der Götter.

 

Marduks Emblemtier war der Schlangendrache (Muschuschschu) [10], sein Stern war der Planet Jupiter. 

Alljährlich kam der Gott Nabu (als Statue, Kultbild [10a]) von Borsippa per Schiff auf dem Euphrat nach Babylon zum Neujahrsfest gefahren. Nabu erhielt dann - nach babylonischer Vorstellung - von seinem Vater Marduk die jeweiligen  Bestimmungen für das neue Jahr und zeichnete sie dann in den „Schickalstafeln“ auf. Nabu führte auch das „Buch des Lebens“ und konnte so das Leben aller Menschen verlängern oder verkürzen.

 

 

Beim babylonischen Neujahrsfest Akitu wurde auch die Statue des Kriegsgottes Nergal aus seinem Tempel in Kuta (ca. 40 km nordöstlich von Babylon) nach Babylon gebracht, so wie die des Gott Nabu aus Borsippa. Während des Festes wurde der Planet Mars als „Bringer des wilden Feuers“ angerufen  (Pedde, Teil 3, S.7, a.a.O.).

 

 

Der babylonische König pflegte alljährlich während des Neujahrsfestes in der Kapelle Ekur , dem Allerheiligsten im Marduk - Tempel einen jahrhundertealten Ritus zu vollziehen. Zu „Füßen des Gottes“ (d.h. seines Standbildes) legte der König seine Königsinsignien ab und vollzog vor dem Oberpriester Marduks eine Ritualbeichte, in der es u.a. hieß: „Ich habe Babylon weder zerstört noch irgendetwas befohlen, was der Stadt zum Nachteil gereichen könnte“. Der Oberpriester vollzog als Vertreter Marduks eine rituelle Bestrafung, indem er den symbolisch ins Gesicht schlug und an den Ohren zog [11] . Anschließend erhielt der König seine Insignien zurück, „ergriff die Hand“ Marduks und geleitete ihn aus dem Tempel hinaus zu einer feierlichen Prozession. Der König wurde zum Mittler zwischen Volk und Gott, er wurde als „guter Hirte“ betrachtet, der das Volk behütete.

Auch zum Beispiel der bedeutende assyrische König Tiglatpileser III. (744 - 727) ergriff im Jahre 729 „die Hand Marduks“ in der Neujahrszeremonie, als Babylon unter assyrischer Verwaltung stand.

 

Am 6. - 8. Tag des Festes erfolgte der „Götterzug“ vom Tempel zum Akitu - Haus. Er führte über die Prozessionsstraße [12], die „Straße, die nie ein Feind betreten möge“. Sie begann am Ziqqurat und führte nach Norden , durch das Ischtar - Tor bis zu dem außerhalb der Stadtmauern gelegenen Neujahrsfesthaus [13], vermutlich nordöstlich des Ischtar - Tores. Die Prozession berührte sieben Stationen, die die Rückkehr des über Tiamat triumphierenden Marduk darstellen sollten. Die 4. Station war das „Gemach des Schicksals“, wo Marduk die Schicksale für das nächste Jahr bestimmte: Einer der Höhepunkte des Fests. 

 

Auch die Verlesung der Geschichte vom Kampf Marduks gegen Tiamat und die auf den Sieg folgende Schöpfung war fester Bestandteil der Liturgie am babylonischen Neujahrsfest (vgl. Beltz, 1986, S. 85 - 88, a.a.O.). So wurde auch alljährlich der Wiederkehr des Sieg und der Thronbesteigung Marduks gedacht. 

Während des babylonischen Neujahrsfests hatte ein spezieller Reinigungspriester den Marduk - Tempel Esangila mit dem Blut eines geopferten Schafes zu reinigen. Den Kadaver des Opfertieres mußte er anschließend als „Sündenbock“ in den Euphrat werfen. Der Priester selbst hatte sich anschließend während der Festtage außerhalb des Tempels und der Stadt in der Steppe aufzuhalten, um nicht durch seine Person selbst eine Verunreinigung zu bewirken“ (vgl. Klengel - Brandt, S. 14, a.a.O.). 

 

Im 10. Jhdt. v. Chr. kam es durch lange Invasionen in Babylon und der Region zu  z.T. chaotischen politischen Situationen. So konnte das Neujahrsfest mehrfach teilweise jahrelang nicht abgehalten werden, denn auch in unmittelbarer Nachbarschaft der Stadt war es zu gefährlich, als daß der Gottessohn Nabu hätte von Borsippa nach Babylon kommen können (vgl. Oates, S. 131, a.a.O.).

Viele Babylonier mußten das als schmerzlich und riskant empfinden, denn das Fest galt als wichtige Voraussetzung für das Wohlergehen des Landes.

Großen Wert scheinen viele Babylonier der körperlichen Anwesenheit der Götter (in der entsprechenden Statue) beigemessen zu haben. Der mehrmalige Verlust des großen Marduk - Standbildes galt von daher als Katastrophe.

 

Charakteristisch für das Akitu – Fest waren auch gutes Essen und Trinken. Im Gilgamesch – Epos (Elfte Tafel, 70ff.) beschreibt Utnapischtim, der altbabylonische Sintflutheld, den für die „Arche“ benötigten Proviant mit dem Verzehr zum Neujahrsfest:

                                               „Rinder schlachtete ich für den Proviant,

                                               Schafe tötete ich Tag für Tag;

                                               Most, Feinbier, Öl und Wein,

                                               Dazu Suppen tranken sie (die Arbeiter, C.M.), als ob’s Flußwasser wäre,

                                               Daß sie ein Fest begingen als wie am Neujahrstag“

                                                                                                                             (Gilgamesch – Epos, S. 96, a.a.O.).

 

Alfred Döblin erzählt in seiner „Babylonischen Wandrung“ auch die Geschichte vom babylonischen „Tauschkönig“: „Es war aber zu Beginn des neuen Jahres üblich, daß man einen Mann, der zum Tode verurteilt war, aus dem Gefängnis entließ und dem Volk gab. Sie wählten ihn zum Tauschkönig, in Babylon. Sie bekleideten ihn mit dem Königsmantel, setzten ihm eine Krone auf, gaben ihm ein Szepter in die Hand, legten ihm ein Schwert um und führten ihn feierlich auf den Marktplatz, damit er da sein Königsamt übe und feierlich Recht spreche über alle, die von ihm aufgefordert wurden. Sogar der König mußte kommen oder einen Vertreter schicken. In einem Schloß durfte er drei Tage wohnen, das Volk umlagerte das Schloß, stellte Wachen, eine Ehrentruppe jubelte ihm zu, sobald er erschien. Wie aber die Neujahrstage um waren, erschienen Boten des Königs und teilten ihm seine Stunde mit. Sie nahmen ihm Mantel, Krone, Szepter und Schwert ab. Sie geißelten ihn auf demselben Platz, wo er Recht gesprochen hatte. Der Henker führte ihn zum Galgen“ (zit. n. Döblin, S. 660 / 661, a.a.O.).

Auch in Mika Waltaris historischem Roman „Sinuhe der Ägypter“ wird ein  „Tag des falschen Königs“ in Babylon beschrieben, wobei allerdings jeweils „... der dümmste, verrückteste Mann“ für einen Tag zum König gemacht wurde (vgl. Waltari, S. 211 ff., a.a.O.).

 

Marduk kam das Privileg zu, das Schicksal von Menschen und Göttern festzulegen. Nach babylonischer Vorstellung geschah dies am Zagmuk – Tag, in dem Dulazag (der den alten Ost – Berg ersetzte), zu Beginn jedes Jahres: dazu nahmen die Götter in der Schicksalshalle Upshukina Platz. Marduk (oder Bel) nahm auf seinem Thron Platz. Aus seiner Brust zog er die Schicksalstafeln hervor und übergab sie Nabu, seinem Sohn und Gott der Schreibkunst. Nun berieten und entschieden die Götter über das Schicksal jedes einzelnen Menschen und Nabu schrieb es auf die Tontafeln nieder.  

 

Im Louvre zu Paris wird eine Tontafel mit einem Ritualtext zur babylonischen Kultpraxis (Ende des 1. Jtsds. v. Chr.) aufbewahrt. Berichtet wird von täglichen Gebeten sowie den Opfergaben zu, Akitu–Fest.  

 

In Babylon wurde zuerst von den deutschen Archäologen und Architekten Robert Koldewey (1855 - 1925) und Walter Andrae (1875 - 1956) zwischen 1899 und 1917 ausgegraben. Große Teile der Prozessionsstraße und des Ischtar-Tores wurden nach Berlin geschickt, dort restauriert, im Vorderasiatischen Museum auf der Mueumsinsel wiederaufgebaut und 1930 der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Der Irak fordert seit Jahren die Rückgabe des Ischtar - Tores und der Prozessionsstraße. In Babylon selbst, am historischen Ort, wurden in den letzten Jahrzehnten einige Bauten rekonstruiert, leider zum Teil auf recht fragwürdige Art und Weise.    

 

„Unter dem Einfluss der babylonischen Vorstellungen über das Neujahr ist auch die jüdische Auffassung über das Neujahr als Zeitpunkt der Rückbesinnung auf die Weltschöpfung und des Gerichts über die Taten der Menschen entstanden“ (Hahn, S. 64, a.a.O.). 

 

 

(Im sumerischen Uruk gab es  ursprünglich zwei Neujahrsfeste, das „Fest der Gerstenaussaat“ im Herbst-Monat Tašritu und zusätzlich eine weitere Neujahrsfeier mit dem „Fest des Gerstenschneidens“ im Frühjahrsmonat Nisannu. In neubabylonischer Zeit wurde Akitu nur noch im Frühjahr gefeiert (vgl. Hahn, S. 61-63, a.a.O.). Es lag variabel nach dem babylonischen gebundenen Mondkalender , am Tag nach dem Neumond um die Frühlingstagundnachtgleiche, am 1. Tag des 1. Mondmonats Nisanu)

 

Es gab zudem noch einen Zusammenhang mit den Plejaden: „Wenn die Plejaden aus ihrem ‚Exil‘ zurückkehrten, wurde das Neujahrsfest gefeiert“ (Endres/Schimmel, S. 260, a.a.O.). 

 
© Christian Meyer


[1] In der Bibliothek Assurbanipals in Ninive wurden Texte gefunden, die den Mythos von Ischtars Abstieg in die Unterwelt schilderten, wo ihre Schwester Ereschkigal herrschte. Während des Abstiegs der Liebes- und Fruchtbarkeitsgöttin in die Unterwelt kam es zu einer weltweiten Katastrophe, denn es gab keine Fruchtbarkeit mehr. Die Erzählung könnte ein Versuch sein, die zeitweise Nicht–Sichtbarkeit des Venus, des Stern der Ischtar und die saisonale Vegetationspause zu erklären Die Tontafeln mit dem Ischtar–Mythos befinden sich heute im Britischen Museum in London. Der Planet Venus war eine Art astrale Manifestation der Göttin Inanna/Ischtar (vgl. Abb. unten).

Das griechische Wort für Stern, „aster“, ist sehr wahrscheinlich von der Göttin Ischtar abgeleitet. Auch die Griechen nannten später den Planeten Venus nach der Göttin Aphrodite (vgl. Freely 2019. a.a.O.).  

[2] Es ist m.E. umstritten, inwieweit das babylonische Neujahrsfest auch den Charakter einer „Heiligen Hochzeit“ trug. Der Begriff „Heilige Hochzeit“ wurde ursprünglich nur auf die Hochzeit zwischen Zeus und Hera bezogen. Der bedeutende britische Ethnologe James George Frazer (1854-1941) übertrug den Begriff auf verwandte Erscheinungen religionsgeschichtlicher und ethnographischer Art. Er unterschied dabei

a.) symbolische Hochzeiten von Bäumen

b.) sexuelle Riten, um die Fruchtbarkeit zu sichern (so die geschlechtliche Vereinigung eines Menschenpaares z.B. in den Feldern)

c.) rituell nachvollzogene göttliche Hochzeiten (symbolisch oder faktisch nachvollzogen).

Erscheinungen dieser Art sollten vermutlich die Fruchtbarkeit des Landes, der Herden etc. sichern und lassen sich in vielen Kulturen zu vielen Zeiten feststellen: In Griechenland zum Beispiel die rituell vollzogene Heilige Hochzeit des Dionysos mit der Frau des Archon - Basileus im Bukoleion (dem alten Amtssitz des Königs) während des Anthesterien-Festes in Athen.

In Mesopotamien gab es eine alte Tradition der Heiligen Hochzeit, z.B. zwischen Tammuz und Ischtar. Bei dem alljährlich stattfindenden Ischtar-Fest wurde des Sterbens und Auferstehens des Tammuz gedacht und vermutlich rituell nachvollzogen. Ähnliches gilt wahrscheinlich auch für Nabu und Taschmetu bzw. Marduk und Sarpanitu.

Gesichert ist eine Heilige Hochzeit schon in sumerischer Zeit zwischen Dumuzi und Inanna (den sumerischen Vorläufern, Urbildern von Tammuz und Ischtar) bei den sumerischen Neujahrsfestlichkeiten in Uruk. Das dortige Ritual vollzog sich wie folgt: Gaukler und Musikanten traten vor Inanna auf, Opfergaben für das Festmahl wurden herbeigebracht. Der Thronsitz wurde aufgebaut und das Lager bereitet, Inanna wurde gebadet und gesalbt. Dann folgte das „Beilager“ (vgl. Edzard, Bd. 4, S. 255, a.a.O.). 

Grundsätzlich jedoch bleibt es für die neubabylonische Zeit ungesichert, ob eine Heilige Hochzeit zwischen Marduk und Sarpanitu fester Bestandteil des Akitu-Festes war.                                                                     

[3] Borsippa war die nächste größere Stadt südlich von Babylon. Der Tempel Esida ( „Haus der Nacht“) in der Stadt war das Kultzentrum des Gottes Nabu (oder Nebo; das hebräische Wort „nabi“ für „Prophet“ ist damit verwandt; gleichermaßen arab. „an - nabi Prophet ). König Nebukadnezar II. ließ den Esida - Tempel großzügig wieder aufbauen. Eine aufgefundenen Inschrift über dem Tempeltor besagte: „Nebukadnezar, der König von Babylon, der Ehrfurcht hat vor dem Herrn der Herren, der Versorger von Esagila und Esida bin ich. Esida, das seit fernen Tagen Trümmerhügeln gleich geworden war, baute ich wieder auf. Seine alte Grundsteinurkunde fand ich, las ich und streute reine Erde darüber. Seinen Ziegelbau machte ich fest. Mögen mich Nebu, Schamasch, Ischtar und alle Götter freundlich anschauen! Leben für ferne Tage, Festigkeit des Thrones, lange Dauer meiner Regierung mögen ihre Lippen bewirken! Das Werk meiner frommen Hände mögen sie gnädig anschauen! Esida mag meinen frommen Sinn ohne Unterlass als ewiges Bild meines Königtums verkünden“ (zit. n. Dobraczynski, S. 246, a.a.O.).    

[4] Der Esagila - Tempel ( „Haus des Tages“) lag im Zentrum der Stadt Babylon, südlich des 91m hohen  Ziqqurat (des „Turmes zu Babel“), des siebenstufigen Hochtempels Etemenanki. Das sumerische Wort „E – temen – an – ki“ bedeutete „Haus, das das Fundament von Himmel und Erde ist“. Beide Tempel bildeten das Hauptheiligtum Marduks. In ihm befand sich auch das berühmte goldene Standbild des Gottes.

Nach babylonischer Vorstellung hatte der Esagila - Tempel ein mythisches Alter. In einer Legende hieß es: „Noch war kein Gras auf der Erde gewachsen, kein Baum aus dem Boden geschossen, keine Stadt erbaut worden und kein Volk entstanden; da war schon mitten im Ozean und auf einem Floß, das Marduk aus Schilfrohr geflochten hatte, Esagila errichtet worden“ (zit. n. Dobraczynski, S. 210, a.a.O.).

[5] Ea (akkad. „Haus des Wassers“) war der babylonische Gott der Weisheit (sumer. Enki), der Beschwörungskunst und ein großer Künstler. Ea hatte mit Zauberwaffen den männlichen Ursprungsgott Apsu besiegt. „Apsu“ war im Akkadischen der Name für die unermesslichen Süßwasser der Tiefe, die die Quellen speisten und sich nach alt–mesopotamischer Vorstellung unter der Erde befänden. Apsu hatte sich in der Urzeit mit Tiamat, dem weiblichen Salzwasser, dem Meer vereint. Ea hatte nach der Legende Apsu erobert und die göttliche Personifikation getötet. Nach einem alten sumerischen Mythos soll Apsu auch die Stätte gewesen sein, an der die Göttin Nammu aus Lehm die ersten Menschen formte. 

[6] Das Epos „Enuma Elisch“ ist der modernen Altertumswissenschaft seit 1872 bekannt, als der bedeutende britische Assyrologe George Smith (* 1840 in Chelsea bei London , + 1876 in Aleppo, an der Pest) in London zum ersten Mal von diesbezüglichen Textfragmenten berichtete („The Chaldean account of Genesis“, London 1875, deutsch von Delitzsch, Leipzig, 1876). Aus den seither aufgefundenen assyrischen und babylonischen Textfragmenten gelang es, den Ursprungstext annähernd zu rekonstruieren. 

[7] Gegenüber der älteren sumerischen Fassung des Epos hat in der babylonischen Variante Marduk den sumerischen Gott Enlil aus seiner Rolle als Demiurg, Schöpfergott und Sieger über Tiamat verdrängt.  

[8] Im Alten Testament erscheint Marduk als „Merodach“  : „... Babel ist gewonnen, Bel steht mit Schanden, Merodach ist zerschmettert; ihre Götzen stehen mit Schanden, und ihre Götter sind zerschmettert“; Jer. 50,2; vgl. Jes. 39, 1). Alfred Döblin lässt – in seinem 1932/33 geschriebenen und 1934 im Querido – Verlag Amsterdam veröffentlichten surrealistischen Roman „Babylonische Wandrung“ – den Gott Marduk (unter dem Namen „Konrad“) und zwei seiner göttlichen Kumpane als Menschen büßend auf die Erde kommen. Wegen des Fluchs des Jeremias über Babylon muß Marduk – Konrad am eigenen Leibe erfahren, was aus seiner Herrlichkeit geworden sei. Die irdischen Stationen der „Wandrung“ sind Bagdad, Konstantinopel, Zürich und Paris, die Ex – Götter lernen allmählich Essen und Trinken, die Sprachen, die Liebe oder das Stehlen kennen.

[9] Igigi war die akkadische Bezeichnung für die großen Götter des Himmels im Gegensatz zu den unterirdischen Annunaki.

[10] Der Schlangendrache „Muschuschschu“ (akkad./sumer. ca. „rote Schlange“) war ein schlangenköpfiges Mischwesen mit geschupptem Leib, den Vorderfüßen eines Löwen und Adlerklauen als Hinterfüßen, dem Schwanz einer Schlange und einem Skorpionsstachel. Religionswissenschaftler interpretieren heute die Gestalt Muschuschschus mit ihrem Bezug auf die vier Elemente als Anspruch auf Universalität: die züngelnden Flammen am Maul bezögen sich auf das Feuer, die Fischschuppen auf das Wasser, die Löwentatzen auf die Erde und die Adlerkrallen auf die Luft.

Der Überlieferung nach wurde Muschuschschu eigentlich von Tiamat geschaffen, um gegen Marduk zu kämpfen. Später aber wurde der Schlangendrache zum Symboltier Marduks. Die Prozessionsstraße und das Ischtar - Tor zu Babylon sind auch mit vielen Schlangendrachen geschmückt.  

[10a] Nach altmesopotamischer Vorstellung existierten die Götter in den Kultbildern und astral, in Planeten oder Sternen. Himmelszeichen wurden als Botschaften der Götter betrachtet. Die Zeit wurde im antiken Babylon linear und auch zyklische betrachtet: Aus sich zyklisch wiederholenden Himmelserscheinungen glaubte man viele Ereignisse voraussagen zu können, vom Wetter bis zum Getreidepreis.

[11] Die rituelle Bestrafung wurde jahrhundertelang nur symbolisch angedeutet. Anders soll es bei dem allerletzten Zeremoniell dieser Art gewesen sein. Als der persische Achämenidenkönig Xerxes I. nach seinem Regierungsantritt 486 v. Chr. während der Neujahrsfeierlichkeiten auch den Titel „König von Babylon“ annahm, soll der Marduk - Priester den König tatsächlich geohrfeigt haben, wohl um das Ranggefälle anzudeuten: Ein politischer Skandal, der schließlich in einen vergeblichen Aufstand Babylons gegen die Perser mündete.

[12] Unter König Nebukadnezar II. (605 - 562 v. Chr.) wurde in Babylon die 16m breite Prozessionsstraße errichtet bzw. erweitert. Sie diente für kultische Umzüge und den festlichen Transport von Götterbildern. Die Seitenwände der Straße und des Ischtar - Tores mit Friesen schreitender Tiere verziert: Löwen, dem Symbol der Ischtar, Stieren, dem Symbol des Wettergottes Hadad  (vgl. Abb. oben) und Schlangendrachen, dem Symbol des Götterkönigs Marduk.

Die Wände und die Darstellungen selbst sind aus blaugrünen, gelben und weißen glasierten und z.T. reliefierten Ziegeln erstellt. Die Straße ist mit importierten Steinen gepflastert, ein im antiken Babylon unerhörter Luxus. Auf einer Länge von ca. 180m ist die Prozessionsstraße auf diese Art ausgestaltet.

König Nebukadnezar berichtet in Bauinschriften über die Straße: „Aibur – schabu, die Straße von Babylon, füllte ich für die Prozession des großen Herrn Marduk mit einer hohen Aufschüttung auf, und mit Turminabanda – Steinen und Schadu – Steinen machte ich Aibur – schabu vom Illu – Tore bis Ischtar – sakipat – tebischa (dem Ischtar – Tor) für die Prozession seiner Gottheit passend, verband sie mit demjenigen Teile, den mein Vater gebaut hatte, und machte glänzend den Weg“ (zit. n. Ceram, S. 410 /411, a.a.O.). C.W. Seram hielt die Prozessionsstraße für „... die wohl prächtigste Straße der Welt“ (Ceram, S. 410, a.a.O.).      

[13] Das Neujahrsfesthaus (akkad. „bit akiti“) war im antiken Mesopotamien ein außerhalb bestimmter Städte gelegener Tempel. Anläßlich des Neujahrsfestes brachte man die Statue der führenden lokalen Gottheit unter großer Anteilnahme der Priesterschaft und der Bevölkerung in das Neujahrsfesthaus. In einigen Städten (z.B. in Babylon) geschah dies auf einer besonderen Prozessionsstraße. In Babylon lag das Akitu - Haus inmitten eines Zedernhains (vgl. Edzard, Bd. 2, S. 50, a.a.O.). Bisher wurden die Festhäuser in Assur und Uruk ausgegraben. 

Im Gilgamesch-Epos spielen Zedern als Symbol für die Unsterblichkeit eine Rolle. Gilgamesch und Enkidu beschlossen um des Ruhmes willen im Libanon Zedern zu fällen, die von dem mächtigen Riesen Humbaba bewacht wurden. Beide töten den Riesen mit einer List und bringen gefällte Zedern nach Uruk. Der Kampf beider gegen Humbaba wird auf einem Terrakottarelief aus dem Irak (Anfang des 2. Jtds. V. Chr.) gezeigt, das sich heute im Vorderasiatischen Museum Berlin befindet (vgl. Abb. unten, nach einer Postkarte des Museums). 

Abb.: Bis heute spielt Ischtar (kurmanci: „Heshtar“) in der nordirakischen und anatolischen Mythologie und Teppichknüpferei eine symbolische Rolle. Die Abb. oben zeigt eine Knüpfarbeit, ein kurdisches Aussteuerobjekt, Ende des 19. Jhdts, mit einer Darstellung Ischtars,.als Shahmaran, halb Frau, halb Schlange (persisch: Şah „König“ und Mar „Schlange“; auch Schachmeran). Teppiche dieser Art wurden oft im ehelichen Schlafzimmer aufgehängt, zur Förderung der Fruchtbarkeit.Die Legende von Shahmaran wurde 1994 von Zülfü Livaneli (*1946) verfilmt. Regie, Musik und Drehbuch sind von Livaneli. 

Unten: „Hesht“ bedeutet auf Kurmanci „Acht“ und so wird ein achteckiger Stern, eine achtblättrige Blüte etc. auf Teppichen mit Ischtar assoziiert, als Symbol der Liebe. Detail eines kurdischen Teppichs des einst nomadischen Herki- (auch: Harki-) Stammes (um 1900) mit Ischtar – Symbol. Beide Teppiche befinden sich heute im Teppich-Museum in der Zitadelle von Erbil/Nordirak (Photo: Christian Meyer, Oktober 2019).