Chinesisches Frühlingsfest; „Qingming“; Beginn des Frühlings: ein Ochse, geführt von einem Jungen, galt als Symbol für den Beginn des Pflügens und der sonstigen Bodenbearbeitung; aber auch ein Fest der Totenverehrung und Tag des Bäumepflanzens.  

In China gab es bis zur Revolution von 1911 einen staatlich - offiziellen Landwirtschaftskult. Im Zentrum dieses Kults stand Shen nung (der „Heilige Ackermann“, angeblich 2700 v. Chr.), ein mythischer Kaiser, der als Entdecker der Landwirtschaft und Erfinder des Pflugs [1] galt. In Peking gab es einen besonderen Altar für Shen - nung, wo der Kaiser ihm feierliche Opfer brachte (vgl. Tokarev, S. 345, a.a.O.). 

Das „Frühlingsfest der reinen Klarheit“ („qing - ming“; qing = hell; ming = Licht; auch "Ching Ming") spielte im alten China eine ähnliche Rolle wie Ostern in Europa: am Tage zuvor mußte man fasten, kein Feuer anzünden; am Festtag selbst aß man bunte, gekochte Eier.  Heute macht man Frühlingsausflüge. An diesem Tag wird oft geheiratet. Der Tag ist auch dem Andenken an die Toten geweiht: Ähnlichkeiten hat das Fest von daher mit Allerseelen, Allerheiligen oder dem Totensonntag. Die Angehörigen besuchen die Friedhöfe, die Gräber der Ahnen werden vom Unkraut gesäubert, die Grabsteine gereinigt, die Gräber mit frischen  Blumen geschmückt. Blumenkränze werden auf die Gräber gelegt, ein Opferteller wird darauf gestellt. Opfergaben für die Toten werden mitgebracht, oftmals findet auch eine gemeinsame Mahlzeit auf dem Friedhof  statt ( wo eine Teil der Opfergaben aufgegessen werden).

Nach der Revolution von 1911 wurde ein Baumfest an diesem Tage initiiert: Schüler pflanzen an diesem Tag seither junge Bäumchen.

Bis 1911 führte der Kaiser an diesem Tag alljährlich ein als geheiligt angesehenes auf Shen Nung zurückgehende Fruchtbarkeitsritual [2] durch: er pflügte eigenhändig und in Begleitung des Hofstaats mit einem Rind die acht heiligen Furchen am Ackerbautempel in Peking und säte Reis sowie zwei Arten von Hirse, Weizen und Sojabohnen (vgl. Schwanitz, S. 124, a.a.O.).

Der chinesische Schriftsteller und Publizist Mao Dun (1896 – 1981) erwähnte in einer Erzählung aus dem Jahre 1932/33 ein Lied, in dem es u.a. hieß:

„Wenn üppig schon zum Qingming-Fest die Maulbeerblätter sprießen,

Dann kann die Seidenraupenzüchter nichts verdrießen“ (vgl. Mao Dun, S. 12, a.a.O.).  

 

Im Jahre 1747 - 56 erschien die deutsche Ausgabe von J.B. Du Haldes „Ausführliche Beschreibung des chinesischen Reiches“ und machte die kaiserliche Zeremonie auch in Europa bekannt. Verschiedene europäische Herrscher (Joseph II, Ludwig XV.) der Aufklärungszeit imitierten die Zeremonie.......

Der Berliner Maler und Kupferstecher Christian Bernhard Rode (1725 - 1797), ein Schüler Antoine Pesnes und Direktor der Berliner Akademie, malte um 1773 zwei Bilder für das Landhaus des preußischen Ministers Herzberg in Britz, „Der Kaiser von China am Pflug“ und „Die Kaiserin von China beim Pflücken der Maulbeerblätter“.  Beide Bilder hängen heute in der Dahlemer Gemäldegalerie (Nr. 2150 & 2151). 

Im Jahre 2003 blieben Tausende von Hongkongern, Singapuris und Taiwanesen anlässlich des „Totenfestes“ aus Angst vor SARS zu Hause, anstatt nach alter Tradition die Gräber der Vorfahren und Angehörigen in der alten Heimat in China zu besuchen (vgl. „Berliner Zeitung“, 7. April 2003, S.3). 

 

(variabel nach dem chinesischen Lunisolarkalender, am 17. Tag des 2. Mondmonats; der Tag ist einer der 23 Jahreseinteilungstage des chinesischen Mondkalenders)

 
© Christian Meyer


[1] Dem legendären Kaiser Shen nung wird in China auch der Ausspruch „Geld regiert die Welt“ zugeschrieben.

[2] Der Pflug gilt in vielen Kulturen als ein Symbol der Fruchtbarmachung: die Pflugschar dringe so in die Furche ein, wie das männliche Geschlechtsorgan in das weibliche. Die Ernte entspreche dann der Geburt (vgl. Chevalier, S. 212, a.a.O.). Zeremonielles Pflügen war und ist nicht nur in Asien eine weitverbreitete staatliche Tradition. Zum Beispiel wurde in die Legenden um Buddha beim „Schattenwunder“ ein zeremonielles Pflügen seines Vaters eingebaut, an dem 1000 Pflügende beteiligt gewesen sein sollen (vgl. Klimkeit, S. 62, a.a.O.).