Ar. Id al-Fitr; trk. Ramazan bayramı, Küçük bayramı oder auch şeker bayramı;  kurd. cêjnî ramazan; Fest des Fastenbrechens nach dem Ramadan (3-4 Tage)

 

Das Fest beginnt, wenn der Neumond den Beginn des zehnten Mondmonats Schawwal anzeigt.

Am ersten Tag des Festes (u.U. auch schon am vorhergehenden Tag) schenken fromme Muslime Armen und Bedürftigen Geld oder Lebensmittel, damit auch sie das Fastenbrechen feiern können. Man wünscht sich „Aitek embarak“ (Gesegnetes Fest) oder „Saha Aitek“ (Gesundheit). Man besucht Freunde und Verwandte, macht ein Picknick (wenn die Jahreszeit es erlaubt), Kinder erhalten kleine Geschenke, Geld oder Süßigkeiten. Deshalb wird das Fest in der Türkei auch Şeker bayramı, Zuckerfest genannt. 

 

In vielen kurdischen Familien wird zum Cêjnî ramazan morgens zum Frühstück traditionell ein besonderes Gericht, warmer Reis mit Aprikosenkompott gegessen.

 

Der deutsche Schriftsteller (sowie Ethnologe und Spieleforscher) Michael Roes (* 1960) beschreibt in seinem lesenswerten Roman „Leeres Viertel – Rub’ Al–Khali“ [1] das Spiel „kabsch a’am“ ( blindes Schaf), das im Jemen am Ramadan–Ende gespielt wird: „Nur am ende des fastenmonats, zu ’aid, wird As–S’alijah (das gespenst) gespielt, oder besser: aufgeführt. Einem ausgelosten spieler binden die mitspieler das kopffell des zu diesem festtag geschlachteten schafs vor das gesicht. (Liegt an dieser maskierung auch der ursprung des namens kabsch a’am, blindes schaf, für das entsprechende spiel?) Der in dieser weise geblendete versucht, seine mitspieler zu fangen. Jeder von ihm berührte musz sich durch eine geldsumme auslösen. Das gespenst wird nur von erwachsenen männern gespielt“ (vgl. Roes, S. 494, a.a.O., in Kleinschreibung).

 

Die beiden bedeutendsten muslimischen Feste Aid-es-Seghir (« kleines Fest », Fastenbrechen) und Aid-el-Kebir („Großes Fest“, Opferfest) sind auch in Aïn-el-Hout bei Tlemcen/Algerien die populären Ereignisse, die große Mengen von Pilgern anziehen. Am dritten Tage dieser Feiertage ziehen die religiösen Bruderschaften mit ihren Anhängern aus Tlemcen und Umgebung, mit ihren Bannern, Tamburinen, Kastagnetten und ihren Familien in langen Prozessionszügen zu den Gräbern ihrer Heiligen, so auch zu dem Grab von Sidi Abdallah Ben Mansour.  

Bemerkenswert an diesem Gebäude aus dem 16. Jhdt. ist sein doppelter Zweck, dass es zugleich Moschee mit Kuppel, Mihrab und Gebetssaal und Grabanlage ist. Den Katafalk können Gläubige umrunden. Diese Bauform könnte für ländliche Regionen mit geringer Bevölkerungsdichte gewählt worden sein. Die Osmanen ließen um 1803 das Grab restaurieren.   

Bei Tlemcen  liegt 8 km nördlich das Dorf Ain el-Hout ( Quelle der Fische), in dem sich zahlreihe Heiligengräber (Marabouts) befinden, diese Kubbas bestimmen dort z.T. die Landschaft.

Noch heute sollen in dem Dorf „Benmansour“ leben, Nachkommen des Heiligen, die den Baraka (Segen) geerbt haben sollen und stolz darauf sind. Heute liegt das Dorf nahe der algerischen A1, der Ost-West-Autobahn

 

Dawiya al-Wassila [2] , eine weitgereiste, hochgelehrte islamische Mystikerin, die ca. um 1200 nach Tlemcen kam. Sie fand hier viele Verehrer*innen, die ihr den berberischen Ehrennamen „Lalla Setti“ gaben, was ungefähr „meine Liebe“ bedeutet. Gegen 1220 starb sie in Tlemcen, ihr Grab – Kubba - wurde am Rande des hohen Felsmassivs errichtet, das bis heute Lalla Setti heißt.

Der ca. 1000m hohe Felsberg , heute mit einer Touristenanlage, ist per Seilbahn erreichbar. Nahebei unterhielt während des Algerienkriegs die Fremdenlegion ein berüchtigtes Gefangenenlager.

Unfruchtbare Frauen begeben sich - vielfach bis heute – zu der als heilig angesehene Quelle im Osten des Dorfes Ain el-Hout. Sieben Mittwoche in Folge trinken sie das dortige Wasser, nach dem sie ihren Gürtel in der Kubba von Lalla Setti deponiert haben. Wie häufig dieses Ritual hilft, wird in den Quellen nicht angegeben.  

 

In der äthiopischen Kaiserzeit (bis 1974) war der Islam – sunnitische Muslime bilden heute ca. die Hälfte der etwa 100 Mio. Äthiopier – eine der Staatsreligion Orthodoxes Christentum nicht gleichrangige Religion. Es gab relative wenige und nicht besonders repräsentative Moscheen. Muslime waren zu höheren Stellungen in Verwaltung und Armee nicht zugelassen. 

Nach der Absetzung Kaiser Haile Selassies verlor das Christentum seine privilegierte Position, der Islam wurde staatlicherseits gleichrangig; es wurden viele Moscheen gebaut, z.T. gestiftet von Saudi-Arabien und der Türkei.

Heute ist das Ramadan-Fest (wie das Opferfest und Mevlid) in Äthiopien ein gesetzlicher Feiertag.

In vielen Regionen des Landes ziehen  schon morgens zum Ramadan-Fest abertausende Gläubige prozessionsartig durch die teilweise für den Verkehr abgesperrten Straßen zu Festtagsgebeten in die Moscheen, z.T. aber auch der Menschenmassen wegen in die Sportstadien.

Viele Gläubige tragen – der Sonnenstrahlung wegen – ihre Gebetsteppiche auf dem Kopf. Vielfach wird frisch geschnittenes, grünes Gras verkauft, das – aber nicht nur zu dieser Gelegenheit – den Eingangsbereich der Häuser, Moscheen, Restaurants etc. schmückt.

 

Zum Zuckerfest des Jahres 2019 verteilte die AfD unter anderem in Görlitz an Geflüchtete Postkarten mit dem Text „Syrien vermisst euch“ (vgl. Freitag, 20. Juni 2019, S.1). 

 

Muslime feiern 1442/2021 weltweit das Fastenbrechen nun bereits zum zweiten Mal in Folge unter den Erschwerungen der Corona-Pandemie. Da es traditionell ein geselliges Fest ist, stieg z.B. in Indonesien, dem Land mit der größten muslimischen Bevölkerung der Welt, zum Eid al-Fitr 2020 stieg die Zahl der Neuinfektionen drei Wochen nach dem Fest um 37 %. Deshalb wurden dort, wie im benachbarten Malaysia, alle Familienbesuche verboten. Moscheen durften nur in Gebieten öffnen, die nicht als Corona-Risikoregionen galten.  

 

In Israel und Palästina kam es in den Tagen vor dem Fastenbrechen auch durch die diesjährige kalendarische Nähe zum israelischen Gedenktag Jom Jeruschalajim zu blutigen, in ihren Auswirkungen noch nicht abschätzbaren Konflikten. Die jüngsten Auseinandersetzungen entzündeten sich an geplanten Zwangsräumungen [3] der Wohnungen von rund 30 Palästinensern im Ostjerusalemer Viertel Scheich Jarrah [4]. In der Folge kam es nach Protesten zu schweren Zusammenstößen auch auf dem Tempelberg [5] . Unterdessen eskalierten die Konflikte weiter, wechselseitige Raketen- bzw. Luftangriffe, bürgerkriegsähnliche Szenen  wie seit 2014 nicht mehr.

 

In Deutschland gratulierte Bundespräsident Steinmeier den Muslimen zum Fastenbrechen gratuliert und bedankte sich für den pandemiebedingten bitteren Verzicht auf gesellige Feierlichkeiten. Der Zentralrat der Muslime in Deutschland rief dazu auf,  die Gebete wie im Vorjahr zuhause zu verrichten. Neben den Moscheen würden „… nun unsere Wohnungen zu den Orten der Anbetung Gottes“, meinte der Vorsitzende Aiman Mazyek.

 

 

(variabel nach dem muslimischen Mondkalender, an den ersten drei Tagen des zehnten Mondmonats, des Schawwal)

 

 © Christian Meyer


[1] Michael Roes erhielt für diesen Roman 1997 den Bremer Literaturpreis.

[2] Dawiya arab. strahlend, glänzend; Wassila arab. Band, Verbindung

[3] Nach israelischem Gesetz können (jüdische) Israelis gerichtlich Besitzanspruch auf Häuser im annektierten Ost-Jerusalem  anmelden, wenn ihre Vorfahren vor dem Krieg 1948/49 dort Grundstücke besaßen. Für Palästinenser gibt es kein entsprechendes Gesetz. Durch die israelische Siedlungspolitik lebten 2020 in Ost-Jerusalem über 210.000 israelische Siedler und mehr als 300.000 Palästinenser.
[4] Der Name des Ost-Jerusalemer Stadtteils rührt her von dem dortigen Grab des Scheichs Hussam al-Din al-Jarrahi (gest. 1202), eines bis heute verehrten Gelehrten und Arztes von Saladin. Der Titel Jarrah“  (جراح) bedeutet im Arabischen so viel wie „Heiler".

[5] Der Tempelberg wird von Juden, Muslime und Christen als heilig angesehen. Bis zum Jahre 70 stand dort  der jüdische Tempel,  das zentrales Heiligtum, von dem nur die Klagemauer erhalten blieb. Zahlreiche biblische und koranische Überlieferungen (so die Erschaffung Adams und Evas, die Opferung Isaaks/Ismails oder die Himmelsreise des Propheten Muhammed) sind mit dem Berg verbunden. Der Felsendom und die al-Aksa-Moschee gelten nach Mekka und Medina als das drittheiligste muslimische Wallfahrtsziel.

 

 

Abb. André Suréda : „La fête arabe dans la campagne de Tlemcen“, entstanden zwischen 1920 und 1930; Ölgemälde (190 x 230 cm), zurzeit im Musée du quai Branly. (Abb. aus  „Le monde“, 6. Februar 2018, S. 21).André Suréda (1872 – 1930) war ein französischer Maler, der sich lange Jahre im westlichen Algerien (insbesondere in Tlemcen, dem « Medina des Maghreb») aufhielt, wurde als orientalisierender Maler bezeichnet. Er stellte auch  mehrfach auf Pariser Kolonialausstellungen aus. André Suréda nannte im Titel urprünglich „fête marocaine. Die lange Reihe der Wallfahrer zieht hinauf zum Marabut de Sidi Abdallah Ben Mançour von Aït-el-Hout (in der Gmeinde Chetouane), das Grabmal des Heiligen erscheint im Hintergrund des Gemäldes auf dem Gipfel des Berges.