Chinesisches „Fest des doppelten yang“, Chongyang, Fest der Doppelten Neun 

 

Das chinesische Chóng yang - Fest (der „Doppel - Neunte“, oder „Fest des doppelten yang“), fällt in die Zeit, wenn bereits kalter Tau fällt. Da die Neun eine chinesische Glückszahl ist, war der  9. Tag des 9. Mondmonats besonders symbolträchtig.  

 

In Süd - China und Hongkong gedenkt man an diesem Tag eines mythischen Ereignisses während der Han - Dynastie. Ein berühmter Wahrsager prophezeite damals für diesen Tag einem seiner Schüler großes Unheil: er riet ihm, deshalb mit den Seinen einen hohen Berg zu besteigen. Zurückgekehrt fand die Familie an ihrer Statt, als „Sündenbock“, alle ihre Haustiere getötet vor.

Eine sehr alte Festtradition legt deshalb die Besteigung eines Berges, eines Aussichtshügels etc. nahe.

In Hongkong besteigen deshalb an diesem Tage viele (nicht nur junge) Menschen die höchsten Erhebungen; eigentlich ein Tag, der zu Einkehr und Buße mahnen soll.

 

Früher war es in ganz China weit verbreitet, daß man am 9. 9. zusammen mit Freunden und Verwandten einen Berg, einen Hügel, einen möglichst schönen Aussichtspunkt besteigt, dort gemeinsam feiert, ißt und trinkt.

Von Wang We (Wang Wei, 699 - 759), dem zeitweise verbannten buddhistischen Lyriker und Maler der Tang - Zeit ist dazu ein Gedicht überliefert:                 

 

                                „Am Feiertag im neunten Mond der Brüder daheim gedenkend

 

                                                               Allein an fremdem Ort

                                                               Bin ich ein Fremdling geblieben.

                                                               Ach, an festlichen Tagen                 

                                                               Denke der Lieben ich doppelt.

 

                                                               Heute steigen die Brüder

                                                               daheim die Höhe hinauf,

                                                               Kornelkirschen [1] im Haar.

                                                               Einer ist nicht dabei“.

 

                                                                                (Übersetzung von Eiche, vgl. Gundert, S. 291, a.a.O.).

 

Die Chrysantheme (chin. „ ju hua“) ist die ostasiatische Symbolblume des Herbstes, des 9. Monats und besonders auch des „Festes des doppelten yang“. Die Chrysantheme, die lebensfroh leuchtende Herbstblume gilt in Ostasien als Symbol des Lebens, der Ewigkeit des Seienden, die dem Verfall trotzt und sich gegen Kälte und Gefühllosigkeit behauptet. Auch ist die Chrysantheme ein chinesisches Sinnbild der Dauer und des langen Verweilens. Die Bezeichnung für Chrysantheme (chin. „ju“) ist gleichlautend mit „verweilen“ (chin. „ju“) und auch die Neun (chin. „jiu“) des 9. Monats ist lautgleich mit „jiu“ = „lange Zeit“ (vgl. Eberhard, S. 52, a.a.O.).

 

Zum „Fest des doppelten yang“ werden oft Chrysanthemen gepflückt, oder es wird aus bereits getrockneten Blüten ein Tee zubereitet und getrunken. Auch wird Reiswein des Vorjahres mit Chrysanthemenblüten angesetzt und zum Fest getrunken.

Du Mu (Tu Mu, 803 - 852) der bedeutende aus Chang’an stammende Lyriker der späten Tang - Zeit, besang das Fest so:

 

                                „Zum Fest im Neunten Mond droben auf dem Tsi - schan [2]

 

                                                  Der Strom benetzt am herbstlichen Gebirg

                                                  den Schattenhang. Die wilden Gänse fliegen.

                                                  Da bin mit Freunden ich, den Krug zur Hand,

                                                  hoch auf den Luginsland gestiegen.

 

                                                  Wir treffen doch so wenig in der Welt,

                                                  was uns den Mund zu lautem Lachen weitet.

                                                  Steckt Chrysanthemen euch ins Haar! Ihr  müßt

                                                  voll Blüten sein, wenn ihr mich heimbegleitet!

 

                                                  Ein Riesenstrauß soll notabene

                                                  der Stunde danken, die uns freundlich glüht!

                                                  Was nützt das ganze Hoch - am - Berge - Lehnen,

                                                  dies Zierlich - Gramsein einem Tag der flieht?

 

                                                 Es war doch stets das alte Lied

                                                 und bleibt es ferner, will mir scheinen:

                                                 Du brauchst nicht unbedingt der Herzog Ging [3] zu sein,

                                                 um dir das Kleid mit Tränen naß zu weinen“

 

                                              (Übersetzung: Debon, vgl. Gundert, S. 345 /346, a.a.O.)                                                                                                                                                                                     

In Japan wird der Tag als Chrysanthemen - Fest gefeiert: auch hier ist die Chrysantheme die Blüte des Herbstes, die Pflaume eine des Frühlings. Zudem ist eine stilisierte sechzehnblättrige Chrysantheme das kaiserliche Wappen in Japan.

 

Der chinesische Film von 2006 „Der Fluch der goldenen Blume“ („Man cheng jin dai huang jin jia“, Regie: Zhang Yimou, * 1950; Kosten: 45 Mio. US - $) schildert eine (vorgebliche) Episode der mittelalterlichen Geschichte Chinas. Tatsächlich basiert die Geschichte des Films auf dem populären chinesischen Theaterstück „Das Gewitter“ von Cao Yu aus dem Jahre 1933. Zhang Yimou hat die für seinen Film ins 10. Jahrhundert zurück verlegt, an den Kaiserhof der Tang-Dynastie. Kaiser Ping und seine Familie sind in ein mörderisches Ränkespiel von Rache, Eifersucht und Machtkampf verstrickt. Im Zentrum steht der Tag eines Chóng yang – Festes, für den von der Kaiserin eine Revolte geplant wurde: Die Feiernden tragen Kornelkirschen im Haar, der Innenhof des prächtigen Kaiserpalastes ist mit Chrysanthemen bedeckt.

 

„Eine Fassade aus Gold und Jade, aber drinnen krabbeln die Spinnen“, heißt ein altes chinesisches Sprichwort.

 

 

(variabel nach dem chinesischen Lunisolarkalender , am 9. Tag des 9. Monats)

 

© Christian Meyer

[1] Die Kornelkirsche (bot. Cornus mas, auch Herlitze) gehört zu den Hartriegelgewächsen (Cornaceae). Die Blütezeit liegt in Deutschland im März/April, meist noch vor der Forsythie. Die Kornelkirschen heißen nur Kirschen, sie sind botanisch mit der Kirsche nicht nah verwandt. Sie sind zwar wie diese eine Steinfrucht, gehören aber unterschiedlichen Ordnungen an: Die Kornelkirsche den Cornales, die Kirsche (bot. Prunus) den Rosales und dort der Familie der Rosengewächse. Die Frucht, die eigentliche Kornelkirsche (auch Kornelle genannt), ist eine elliptische rot-glänzende Steinfrucht, die etwas kleiner als eine Kirsche ist. Die Früchte werden gern von Vögeln verzehrt und schmecken sauer. Die Kornelkirsche hat keine giftigen Pflanzenteile und Inhaltsstoffe.

[2] Dieser Berg lag wahrscheinlich im heutigen Huang - shan. Der Huang - schan (chin. „Gelbes Gebirge“) ist eine Gebirgsregion südlich des Jang - tse  - kiang, zwischen Hangzhou und Jingdezhen (Jiangxi) im Süden der Provinz Anhui. Es handelt sich um eine der schönsten und faszinierendsten Landschaften Chinas, mit steilen, bizarren Felsformationen, Thermalquellen, knorrigen, alten Kiefern, malerischen Wasserfällen und nebelverhangenen Gipfeln bis über 1800 m Höhe). 

[3] Herzog Ging (Djing) von Tsi soll, als er von einem Berge aus eine besonders schöne Landschaft erblickte, derart geweint haben, daß seine Kleidung gänzlich naß wurde.