Miradsch - ar.  Lailat al-miradj, trk. Miraç gecesi [1] , Himmelfahrt des Propheten Muhammad

 

Nach der islamischen Geschichtsschreibung fallen in die mekkanische Periode der  Biographie des Propheten Muhammad zwei wichtige Ereignisse an, die die theologische Bedeutung des Propheten hervorhoben:

  • ·       Die Reise (al-mirādj) des Propheten von der Kaaba in Mekka in den Himmel, am 27. Ramadan, 18 Monate vor der Auswanderung (Hedschra) nach Yathrib, dem späteren Medina, und…
  • ·       die „nächtliche Reise“ (al-isrā) nach Jerusalem, die am 17. Rabi al-Awwal, nur 17 Tage vor der Hedschra stattgefunden haben soll.

Die islamische Historiographie tendierte allerdings dazu, beide beide Ereignisse in der nächtlichen Reise Mohammeds nach Jerusalem zusammenzufassen.

 

Muhammeds Himmelfahrt bzw. nächtliche Reise ist nach muslimischer Vorstellung vielleicht die theologisch wichtigste Begebenheit im Leben des Propheten: Der Tradition nach wurde der Prophet Muhammad in dieser Nacht des Jahres 620 aus Mekka mit dem geflügelten Reittier mit Menschenkopf al-Buraq [1] nach Jerusalem, zu derMasdjid al-Aqsa“ (dem ferneren Heiligtum) entrückt.Nach muslimischer Tradition soll der Prophet das Reittier Buraq in Jerusalem an der herodianischen Westmauer, der jüdischen Klagemauer angebunden haben. In arabisch-muslimischer Terminologie wird der Platz vor der Klagemauer bis heute Buraq-Plaza genannt (vgl. FAZ, 29. Oktober 2016, S. 14). Von dem Felsen auf dem Tempelplatz in Jerusalem aus soll er dann bis in den siebenten Himmel aufgefahren sein (vgl. Koran, 17, 1 f.; 53, 19 - 25; 81, 19 - 25).

 

Dort habe der Prophet Muhammad, einer Legende zufolge, ein Gebet mit allen biblischen Propheten einschließlich Jesus geleitet. In den verschiedenen Himmeln sollen der Prophet Muhammad und der Engel Gabriel mit früheren Propheten zusammengetroffen sein, so mit Adam im 1. Himmel, mit Yahya [2] und Isa im 2. Himmel, mit Yusuf im dritten, Idris im vierten, mit Harun (Aaron) im fünften, mit Musa im sechsten und mit Ibrahim im siebenten Himmel. Schiiten betonen, dass der Prophet im Himmel Ali und seine „kırklar“ habe tanzen sehen. In verschiedenen Überlieferungen wird die Reihenfolge auch anders tradiert.

Auch soll der Prophet Muhammad während der nächtlichen Himmelsreise mit Gott selbst die Zahl der täglichen Pflichtgebete der Muslime festgelegt haben. Nach der kurzen – ermahnenden - Begegnung mit Gott soll der Prophet zusammen mit dem Erzengel Gabriel zurück nach Mekka gereist sein.

Während seiner nächtlichen Himmelsreise soll der Prophet Muhammad der mittelasiatischen Legende nach vom Himmel aus ein helles Licht auf der Erde erblickt haben: auf Nachfrage erfuhr er, das das die Stadt Samarkand sei, - wo so viele berühmte Künstler und Wissenschaftler lebten.

 

Die muslimischen Vorstellungen zu Miradj knüpfen an jüdischen Traditionen an und identifizieren den Ort der „nächtlichen Reise“ („isra“) des Propheten mit dem als heilig angesehen en Felsen auf dem Tempelberg. Es handelt sich der Überlieferung nach um den gleichen Felsen, auf dem Ibrahim / Abraham seinen Sohn opfern wollte [3].

Jerusalem spielte in der Vorstellungswelt der mekkanischen Suren eine bedeutende Rolle, was sich auch in der weiteren Geschichte deutlich machen lässt.

So ranken sich um die Eroberung Jerusalems durch die Muslime eine Reihe von Legenden, v.a. wegen der Schutzverträge zwischen Muslimen und Christen. Schon das Jahr der Eroberung ist unklar, 635 oder 638. Der berühmteste dieser Verträge ist der sog. Vertrag des Omar, der 638 zwischen dem zweiten Kalifen Omar und dem Jerusalemer Patriarchen Sophronios geschlossen worden sein soll. Er garantierte den Christen freie Religionsausübung, eine gewisse Selbstverwaltung, Kopfsteuerpflicht und Schutz durch die Muslime. Allerdings ist die Historizität des Vertrages, dessen Text bei Tabari (9. Jhdt.) am vollständigsten wiedergegeben ist, z. T. umstritten: Es ist sehr zweifelhaft, ob Omar überhaupt anwesend war. Es kann vermutet werden, dass mit der Zeit der einschränkende Schutzvertrag durch den Bezug zum Kalifen Omar aufgewertet werden sollte und so eine entsprechende einschränkende Politik gerechtfertigt werden sollte.   

Einige Berichte über die Eroberung sind sicher von den Interessen der Auftraggeber geprägt. Die christlichen Historiker Theophanes (8. Jhdt.) und Eutychius (10. Jhdt.) berichten auch über den Vertrag, den Kalif Omar bereits vor der Übergabe mit den Christen abschloss. In dem Vertrag hätte er ihnen nicht nur das Recht der freien Religionsausübung sondern auch den Besitz ihrer heiligen Stätten garantiert. Omar habe sein Gebet bewusst nicht in der Grabeskirche verrichtet (sondern sei auf der Eingangstreppe geblieben), damit später nicht Muslime auf die Grabeskirche (Anastasis, vgl. 18. August, Tag der Hl. Helena) Ansprüche erhöben und sie in eine Moschee umwandelten. Berichte dieser Art wollten vermutlich die Rechte der Christen absichern helfen.  

An der Stelle des angeblichen Opfer Abrahams wurde 691 der „Felsendom“ (arab. Kubbet es-Sakhra, auch Omar - Moschee) errichtet. Man zeigt sich dort einen angeblichen Fußabdruck des Propheten.

 

Die Stadt Jerusalem gilt Muslimen nach Mekka und Medina als der drittheiligste Ort überhaupt. Ein Gebet in Jerusalem verrichtet wiegt nach traditioneller muslimischer Vorstellung 25 000 Gebete in einer gewöhnlichen Moschee auf, ein Gebet in Medina freilich 50 000 und in Mekka 100 000 (vgl. Brandt, 1981, S. 37).

Nach einer alten Übereinkunft mit dem Waqf, der muslimischen Stiftung, die den Haram al-Scharif, den Tempelberg verwaltet, ist dort für Nicht-Muslime das Beten verboten. Allerdings mißachten seit 2014 immer wieder militante Juden dieses Verbot. 

Umgekehrt geht der Waqf davon aus, dass die israelischen Behörden oft unter dem Verweis auf die Sicherheit Muslimen den Zugang verweigert (vgl. FAZ, 29. Oktober 2016, S. 14).

 

Selma Lagerlöf (1858 - 1940) schildert in ihrem 1901/ 02 geschriebenen Roman „Jerusalem“ (a.a.O.) einen traumhaften, unentschieden ausgehenden Streit zwischen dem Tempelberg Moria mit dem Felsendom einerseits, und Golgatha mit der Grabeskirche andererseits, welches der „heiligere Ort“ sei (vgl. dazu auch das Fest der Heiligen Helena, 18. August). Für den Tempelberg und Felsendom führt sie in dem Roman folgende Faktoren an:

·       sein Fels sei das erste, was Gott von der Welt erschaffen habe, er sei sozusagen der Grundstein der Welt und deshalb ein uraltes Heiligtum

·       der Opferversuch Abrahams an seinem Sohn habe hier stattgefunden

·       der Priesterkönig Melchisedek habe bereits auf dem Tempelberg regelmäßige Opferzeremonien gestiftet

·       auf dem Tempelberg hätten Abraham und David gebetet, Salomo und Herodes den Tempel errichtet

·       vom Tempelberg aus habe der Prophet Muhammad seine wunderbare Himmelfahrt angetreten.  

 

Die Identifizierung „des ferneren Heiligtums“ in Sure 17, Vers 1 mit Jerusalem ist jedoch in der Koranauslegung erst nachweisbar, als der omajadische Kalif Abd al-Malik ibn Marwān sich für den von Christen als auch Juden als heilig angesehenen Ort interessierte und gemäß Bauinschrift im Jahre 691-692 (d. i. das Jahr 72 n.d.H.) mit dem Bau des Felsendoms begann.

Auffällig ist zudem, dass unter den aus Koranzitaten bestehenden Bauinschriften des Felsendoms Sure 17, Vers 1 nicht erscheint.  

 

Burak / Buraq ist als männlicher Vorname in vielen muslimisch geprägten Ländern populaär.

 

(variabel nach dem islamischen Mondkalender am 27. Tag des 7. Monats Redjeb; gefeiert wird am Abend zum nächsten Tag; nach anderer Tradition fand die nächtliche Reise am 17. Rabi al – Awwal statt)

 
© Christian Meyer



[1] Nach Ibn Hisham hätten sich vor Muhammad auch andere Propheten der Buraq als Reittiere bedient, so z.B. Ibrahim.

[2] Yahya, Johannes der Täufer (vgl.  auch 24. Juni Johannestag), spielt als Prophet im Koran mehrfach eine Rolle. Er wird zusammen mit u.a. Jesus und Elias zu den „Rechtschaffenen" gezählt (6, 85). Die Geschichte von Yahyas wundersamere Geburt wird im Koran zweimal erzählt (3, 33f. und 19, 1ff.). Trotz ihres hohen Alters wird Yahya seinen Eltern Zacharias und Elisabeth geschenkt: „O Zacharias, siehe, wir verkünden dir einen Knaben namens Johannes, wie wir zuvor noch keinen benannten" (19, 7-8). Yahya spricht bereits in der Wiege und besaß schon in seiner Kindheit große Weisheit. Er gilt als keusch und milde. Auch nach arabisch-orientalischen Legenden wurde Johannes auf Verlangen der Herodias hingerichtet. Bei Tabari wird vom Sieden des Blutes des enthaupteten Yahya berichtet: erst nach gewaltigen Schicksalsschlägen kommt das siedende Blut zur Ruhe (vgl. den Kult um das Blut des neapolitanischen Heiligen Januarius). In der Großen Omajaden-Moschee zu Damaskus zeigt man sich heute die angeblichen Gräber von Yahya und Zacharias. 

[3] Die koranische Überlieferung ließ das Beinahe-Opfer Ibrahims an Ismail jedoch in Mekka, nicht in Jerusalem stattfinden. An solche Vorstellungen anknüpfend kam der palästinensische Historiker Kemal Salibi zu der umstrittenen These, dass sich die frühe, vorexilische Geschichte des Volkes Israel im Hedschas, nicht in Palästina, im Lande Kanaan abgespielt habe. 

 

 


 

Buraq - islamische Miniatur