Beginn der christlichen Adventszeit

 

Der Name Advent kommt vom lat. advenire = ankommen, gemeint ist Jesu Ankunft auf Erden (lat. „adventus“ = Ankunft). Der Advent ist eine Vorbereitungszeit auf Weihnachten, für Gläubige eine Zeit der freudigen Erwartung. Es handelt sich um die letzten vier Wochen vor Weihnachten: das christlich-protestantische Kirchenjahr beginnt mit dem 1. Adventssonntag.

 

In Deutschland weit verbreitet ist bis heute der Adventskranz, ein aus Tannengrün gebundener Kranz. An jedem Sonntag der Adventszeit wird dann eine weitere der vier Kerzen des Adventskranzes angezündet.

Die Tradition des Adventskranzes geht zurück auf den Hamburger Theologen und Erzieher Johann Hinrich Wichern (1808 – 1881), den Begründer des Rauhen Hauses in Hamburg, des Ev. Johannesstiftes In Berlin – Spandau (gegr. 1858) und der Inneren Mission.

Im Rauhen Haus (damals nur ein altes Bauerhaus) erlebte Wichern, dass die Kinder und Jugendlichen immer wieder fragten, wann denn endlich Weihnachten sei. Deshalb soll er zu Beginn der Adventszeit 1839 einen großen Holzreifen (vielleicht ein altes Wagenrad) mit 19 kleinen und 4 großen Kerzen versehen und im Andachtsraum aufgehängt haben. An jedem Tag der Adventszeit ließ er dann bei der täglichen Andacht mit den Kindern und Jugendlichen eine Kerze entzünden, am Sonntag jeweils eine der großen Kerzen.

Seit ca. 1860 wurde in den Hansestädten der Kranz mit Tannengrün geschmückt. Der Kranz verbreitete sich in der 2. Hälfte des 19. Jhdts. im ganzen protestantischen Norddeutschland, erst um die Mitte des 20. Jhdts. auch in Süddeutschland und Österreich.

Die einfachere Form mit 4 (roten) Kerzen, die schon im 19. Jhdt. vorherrschend wurde ist unterdessen weltweit verbreitet. Angezündet werden die Kerzen traditionell entgegen dem Uhrzeigersinn.  

 

Seit dem 19. Jahrhundert wurde Weihnachten u.a. in Deutschland zu einem immer bedeutenderen Familienfest mit Bescherung für die Kinder am Heiligen Abend. So begann die Vorfreude und die Frage, wieviele Tage es noch bis Weihnachten seien, ab Bedeutung zuzunehmen. Individuelle Zählbräuche kamen auf, wie Kreidestriche an der Schranktür oder zu entfernende Strohhalme an der Krippe. 1902 erschien der erste gedruckte „Zeitmesser“ bis Weihnachten, die „Weihnachtsuhr für Kinder“ in Hamburg. 1903 wurde der Begriff „Adventskalender“ erstmals verwendet, für einen Klappkalender mit Adventssprüchen in Berlin (vgl. Peschel, a.a.O,).

Gerhard Lang (1881 – 1978) gilt mit seinem 1903 in München erschienenen „Im Lande des Christkinds“ vielfach als der eigentliche Erfinder des Adventskalenders, wenn auch noch ohne Türchen. Gerhard Lang – ein Pfarrerssohn aus Maulbronn – hatte schon  als Kind von seiner Mutter einen Karton mit 24 aufgenähten Wibeles (einem schwäbischen Gebäck) bekommen, um die Wartezeit bis Heilgabend zu verkürzen.

In den 20er Jahren wurden Adventskalender immer populärer, der Typus mit 24 Türchen setzte sich durch und wanderte auch v.a. nach Skandinavien und in die deutschsprachigen Länder.

Schon 1933 gab es zur „Deutschen Weihnacht“ Adventskalender mit Abbildungen von SA-Männern mit „Deutschem Gruß“ und Posaune spielenden Hitlerjungen.

Mit dem Kriegsbeginn 1939 durften die traditionellen Adventskalender als „kriegsunwichtig“ wegen Papiermangels nicht mehr erscheinen, außer dem NS- orientierten „Vorweihnachten“.

In dem Kalenderheft „Vorweihnachten“ (hrsg. vom Zentralverlag der NSDAP Franz Eher, München 1943) waren die christliche Symbolik und die Geburt Jesu völlig aus dem „Adventskalender“ verschwunden, statt dessen fanden sich „germanische“ Jul- und Fruchtbarkeitssymbole. Zudem bauten Jungen Schneebunker und Soldaten umstanden sinnend einen Weihnachtsbaum.

Auf den Seiten „17 Tage vor Weihnachten“ fanden sich die Hinweise „Kinder malen“: Deutsche Panzer schießen dort sowjetische in Brand, ein U-Boot torpediert eine britisches Schiff (vgl. Abb. unten). 

 

Auf den Seiten „1 Tag vor Weihnachten“ findet sich in der „Vorweihnachten“ Ausgabe von 1943 der „Lichterspruch“:

„Mein hellstes Licht sei dem Führer geschenkt,

der immer an uns und an Deutschland denkt“. 

 

„Vorweihnachten“ war einer der ersten Bastel- und Mitmachkalender, er wurde „entnazifiziert“ aber nicht rechristianisiert in der frühen Bundesrepublik erneut herausgegeben. Zum Beispiel blieb das NS-Weihnachtslied „Hohe Nacht der klaren Sterne“ von Hans Baumann (1914 – 1988) in dem Kalender erhalten.  

Generell aber rüsteten die Adventskalender nach 1945 ab, sie spiegelten die Sehnsucht nach Frieden und heiler welt wieder.

Sewit den 50er Jahren setzte eine Art von Internationalisierung der Adventskalenderproduktion ein, z.B. mit Micky-Maus- und entchristlichten Weihnachtsmann-Motiven, vielfach mit Süßigkeiten und Schokolade hinter den Türchen.

In der DDR produzierten die staatlichen Verlage Adventskalender ohne alle christlichen Bezüge, sogar ohne Engel, vielfach mit Märchen- und Sagenmotiven, mit Spielzeug, Abbildungen aus dem Kinderalltag, Sport, mit dem Weihnachtsmann, Weihanchtsgebäck, Weihnachtspyramiden etc.

Nur die wenigen und produktionsschwachen christlichen Verlage konnten  bei ihren Kalendern weiterhin religiöse Motive und Symbole verwenden    

  Heute sind Adventskalender in vielen Ländern der Welt verbreitet, oft mit regionalen Ausprägungen bei der Gestaltung.  

Vom November 2015 bis zum Januar 2016 zeigte das Berliner  Museum für Europäische Kulturen die Ausstellung „Vorfreude – Adventskalender in Europa“ mit einem ausführlichen Begleitband und Katalog (vgl. Peschel, a.a.O.).

Besonders interessant ist, dass es in jüngster Zeit kulturelle Übertragungen vom Adventskalender hin zu einem muslimischen Ramadan-Kalender gibt, der „Iftar takvimi“ mit 30 Türchen und türkischen Bildmotiven von Melanie Wericke (Kandil Marketing, Florsstadt, 2005).  

 

Ebenfalls seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts wurden die ursprünglich aus Herrnhut kommenden Weihnachtssterne (ein aus Stern Pappe, Folie oder Plastik mit einem Licht innen) immer populärer.

 

Sie dürfen nicht verwechselt werden mit den pflanzlichen Weihnachtssternen. Der Weihnachtsstern (auch Adventsstern, bot. „Euphorbia pulcherrrima“, die schönste Euphorbie) ist eine leicht giftige Pflanze aus der Familie der Wolfsmilchgewächse.

Ursprünglich beheimatet ist der Weihnachtsstern in den Laubwäldern Mexikos und Mittelamerikas- Dort wird die immergrüne Pflanze bis zu 4m hoch und hat an ihrer Spitze die typischen gefärbten (roten, weißen oder rosanen) Hochblätter.

Alexander von Humboldt brachte die Pflanze 1804 aus Mexiko nach Berlin mit, wo sie auch 1833 von dem Botaniker Carl Ludwig Wildenow katalogisiert wurde und ihren wissenschaftlichen Namen erhielt.

Seit den 50er Jahren des 20. Jhdts. wurde die Pflanze va. zur Weihnachtszeit als Zierpflanze verkauft- Ende der 90er Jahre sollen allein in Deutschland um die 40 Mio. Weihnachtssterne verkauft worden sein (vgl. „Tagesspiegel“, 19. Dezember 2013, S. 32). Weihnachtssterne werden seit jüngerer Zeit vielfach in Europa  gezüchtet. Tausende von ihnen wachsen zum Beispiel in der Gärtnerei des Berliner Johannesstifts heran und werden v. a. in der Adventszeit verkauft.

 

Die Adventszeit ist auch die Zeit der Weihnachtsmärkte. Als ältester deutscher Weihnachtsmarkt gilt der „Strietzelmarkt[1] in Dresden, gegründet im Jhare 1434, der im Jahre 2000 zum 566. Mal in Dresden wie alljährlich auf dem Altmarkt nahe der Kreuzkirche stattfand. Neben den üblichen Jahrmarktsständen, Würfelbuden, Karussells, Weihnachtsschmuckständen, Lebkuchen und viel, viel Glühwein etc. findet man auf dem Strietzelmarkt als besondere Attraktionen eine besonders große und schöne Pyramide, viele erzgebirgische Volkskunst (Schwibbögen, Pyramiden, Nussknacker, Räuchermänner und - kerzen, Adventssterne, Holzspielzeug, Keramik, Kerzen etc.).   

 In den Jahren 1999 und 2000 wurde  jeweils ein dreiwöchiger „Strietzelmarkt“ auch in der US – amerikanischen Partnerstadt Dresdens, in Columbus / Ohio veranstaltet, mit vielen Dresdner und erzgebirgischen Spezialitätenständen. 

 

Eine alte (katholische) Tradition in der Adventszeit ist das Rorate–Amt, ursprünglich eine Votivmesse zu Ehren Mariens. Der Name kommt von den lateinischen Anfangsworten des einleitenden Gebets: „Rorate coeli desuper“ (= „Tauet, ihr Himmel, von Oben“). Die liturgische Farbe der Roratemesse war weiß.

 

In seinem „Orgelbüchlein“ ordnete Johann Sebastian Bach (vgl.  Gregorianisches „Neujahr“) der Advents- und Weihnachtszeit u.a. folgende Orgelchoral – Durchführungen zu: „Nun komm der Heiden Heiland“ (BWV 599),

„Gottes Sohn ist kommen“(BWV 600), „Puer natus in Bethelehem“ (BWV 603), „Vom Himmel hoch, da komm ich her“ (BWV 606), „In dulci jubilo“ (BWV 608) und „Jesu meine Freude“ (BWV 610).

 

Die Kantate „Nun komm der Heiden Heiland“ (BWV 61) wird auch als Adentskantate bezeichnet. Bch komponierte die Kantate 1714 in Weimar, sie wurde am 2. Dezember 1714 – dem 1. Advent - in der Weimarer Schloßkirche uraufgeführt.  Der 3. Satz der Kantate enthält die Bitte um ein „selig neues Jahr“, da mit dem 1. Adventssonntag das protestantische neue Kirchenjahr beginnt.

 

 

(veränderlich, nach dem Gregorianischen Kalender, die letzten vier Sonntage vor Weihnachten

 
© Christian Meyer


[1] Unter dem Begriff „Strietzel“ (auch „Striezel“) versteht man in Bayern „Hefegebäck“, „Hefezopf“, in Sachsen wird mit Strietzel der (Christ-) Stollen bezeichnet,

Abb. aus "Vorweihnachten" 1943; 17 Tage vor Weihnachten