Der Hirtenjunge und das Webermädchen im Wandelgang des Neuen Sommerpalastes (18. Jhdt.) in Peking

 

Siebener Abend - Doppelte Sieben

 

Tag der Sieben Schwestern,  „chinesischer Valentinstag“;  Chinesisches „Jahresfest des Siebenerabends“, Doppelte Sieben ( Ji Qiao Tian, Chi Chi’ao T’ein) , auch „Fest der jungen Mädchen“:

 

Fest zur Erinnerung an den chinesischen Mythos von der Weberin [1] und dem Kuhhirten [2] der in verschiedenen Varianten überliefert ist. Beide, Weberin und Kuhhirt, lebten auf den entgegengesetzten Ufern des „himmlischen Flusses“ (der Milchstraße), der jedoch einst als „silberner Fluss“ auf der Erde geflossen sei. Östlich der Milchstraße lag das Land der Götter. Dort lebte das schöne, junge Webermädchen („chih nü“, symbolisiert durch den „Weberinstern“, die Wega) hatte die Aufgabe, Kleidung für die Götter herzustellen. Nach einer anderen Überlieferung flogen die von ihr gewebten Stoffe in den Himmel und verwandelten sich dort in schöne rosa Wölkchen.

Westlich der Milchstraße lag das Land der Menschen. Dort lebte am Ufer der Milchstraße ein junger Mann, der mit Hilfe eines alten Ochsen das Land bebaute. Er wurde der Kuhhüter („niu lang“, symbolisiert durch den „Kuhhirtenstern“, den Atair) genannt.

Es kam wie es - im Mythos - kommen musste: die Weberin und der Kuhhüter verliebten sich ineinander. Eines Tages watete die Weberin durch das seichte, saubere Wasser der Milchstraße und heiratete den Kuhhüter.

Beide waren sehr glücklich, sie hatten zwei Kinder, ein Mädchen und Junge: der Kuhhüter bebaute das Land, das Webermädchen webte. Jedoch fanden die Götter, dass die Weberin ihre Arbeit vernachlässige. Die Götter zwangen deshalb den Hirten wieder auf die andere Seite des Flusses zurückzukehren. Sie legten fest, dass beide sich nur noch einmal im Monat treffen können sollten. Die Elster , der Glücksvogel, sollte diese Entscheidung den Liebenden mitteilen. Jedoch vergaß die Elster den Zeitraum und machte daraus ein ganzes Jahr. Wegen der Vergesslichkeit der Elster [3] kam es so dazu, dass die beiden Liebenden sich nur einmal im Jahr treffen können (vgl. Franz, 1987, S. 79/80, a.a.O.). Nur einmal im Jahr, in der Nacht des 7. Tages des 7. Monats können beide sich treffen, auf einer Brücke über der Milchstraße. In dieser Nacht sollen alle Elstern der Erde verschwinden und zum Himmel fliegen. Dort bilden sie die „Elsternbrücke“ über die Milchstraße. So dass beide, Webermädchen und Kuhhüter zueinander kommen können. In dieser Nacht soll es immer regnen, so dass die Menschen nicht sehen können, was am Himmel geschieht.

 

Nach einer anderen Fassung des Mythos war die „„Königinmutter des Westens“ (Hsi wang mu), die große Feengöttin und Großmutter des Webermädchens, über deren Verbindung mit dem Kuhhüter erzürnt. Deshalb sandte sie Götter aus, die Weberin zurückzuholen.  Das Glück zerbrach, sogar das Wasser der Milchstraße weinte. Dennoch brachten die Götter die gefangene Weberin auf die göttliche Seite der Milchstraße zurück. Der Kuhhirte und die beiden Kinder liefen klagend hinter der gefangenen Weberin her. Als sie jedoch an das Ufer des silbernen Flusses kamen, verschwand dieser plötzlich vor ihren Augen. Die Königinmutter hatte die Milchstraße und das gegenüberliegende Ufer an den Himmel versetzt, wo sie sich ja auch heute noch befinden.

Die Kinder weinten den ganzen Tag, das Herz des Kuhhüters war gebrochen. Was tun? Plötzlich öffnete der alte Ochse sein Maul und sprach: „Kuhhüter, Kuhhüter, ich werde bald sterben. Nimm nach meinem Tode meine Haut, hänge sie Dir um und Du wirst in den Himmel gelangen können“. Als der alte Ochse gestorben war, setzte der Kuhhüter die beiden Kinder in zwei Weidenkörbe, die er an einem Bügel über den Schultern trug. Da die Tochter leichter war, legte er eine Schöpfkelle zu ihr in den Weidenkorb. Der Kuhhirte legte sich nun die Ochsenhaut um und flog leicht wie eine Windbö empor in den Himmel. Als der Kuhhüter im Himmel an die Milchstraße kam, sah er die Weberin auf der gegenüberliegenden Seite. Die Kinder waren glücklich, richteten sich in den Körben auf und riefen laut nach ihrer Mutter.

Der Kuhhüter versuchte durch das Wasser er Milchstraße zu waten, aber die Königinmutter streckte ihre Hand aus und stach mit einer Haarnadel in die Milchstraße: plötzlich verwandelte sich ihr seichtes, flaches Wasser in stürmische, tiefe Wellen. Wie sollten nun der Kuhhüter und die Kinder die Milchstraße überqueren ? Guter Rat war teuer. Die Tochter aber sagte: „Wir haben eine Schöpfkelle mitgebracht. Lasst uns versuchen, die Milchstraße auszuschöpfen, um zur Mutter zu gelangen". Die Drei  begannen zu schöpfen und zu schöpfen - vergeblich.

Schließlich aber wurde doch das Herz der Königinmutter Königin gerührt: sie entschied, dass sich die Liebenden immer am 7. Tag des 7. Monats treffen dürften (vgl. Juvenile and Children Publishing House, o. S., a.a.O.). 

Eine andere Variante des Mythos ist sozusagen die Voyeur - Variante: der Hirte weidete seine Tiere m Ufer des Flusses. Einmal sah es durch die Büsche eine Gruppe schöner, badender Frauen, die ihre Kleider am Ufer zurückgelassen hatten. Er versteckte eines der seltsamen Kleidungsbündel und beobachtete weiter. Bald kamen die Frauen aus dem Wasser und kleideten sich mit einem Federkleide an, mit dem sie in den Himmel flogen. Die Frau, deren Kleider er versteckt hatte, musste deshalb zurückbleiben - und wurde seine Frau. Neun Monate später gebar sie einen Sohn. Sie arbeitete am Webstuhl, er hütete die Tiere auf der Weide.

Eines Tages jedoch fand der gemeinsame Sohn beim Spielen das einst vom Vater versteckte Federkleid und brachte es der Mutter.  Sie zog es über und entflog zum Himmel.

Eine Kuh gab dem ratlosen Hirten daraufhin einen Hinweis: „Schlachte mich und fliege mit meinem Fell hinterher“. So trafen sich Kuhhirte und Weberin im Himmel wieder und dachten nicht mehr ans Weben und Vieh hüten. Weil sie ihre Pflichten vernachlässigten entschied der Himmelsgott, dass beide sich wie oben nur noch einmal im Monat sehen dürften.

Das Fest wird v.a. von Frauen und jungen Mädchen gefeiert. Weihrauch wurde verbrannt, man betete zu dem Weberinstern und bat ihn um Glück in der Liebe, Geschick beim Nähen, in der Kalligraphie etc. Die Mädchen versuchen in der Nacht des Festtages, bei Mondenschein, die Nadeln richtig einzufädeln; gelingt es, bedeutet das Glück und Gelingen, Geschicklichkeit bei allen Handarbeiten. 

Im alten China dürften die Frauen in manchen südlichen Regionen nur an diesem Tage ihre Haare waschen.

An demselben Tag wurde früher in Japan das  Sternenfest „Tanabata - matsuri gefeiert. Seit der Einführung des Gregorianischen Kalenders wird das Fest meist [4] am 7. 7. dieses Kalenders, also am 7. Juli gefeiert.

 

Außerdem ist der 7. 7.  ein Ahnenfest  In der Regel  kommen möglichst alle Familienmitglieder zusammen, um die Ahnen zu ehren. In verschiedenen Regionen  Chinas werden an diesem Tag die Gräber gereinigt; auch wird ein „Pfad“ vom Grab zur Wohnung der Familie des Verstorbenen angelegt, um den Geistern die Rückkehr zu erleichtern: Laternen und lange weiße Textil- oder Papierstreifen sollen den Weg weisen. Der  nwunsch wird gesprochen: „Dem Verstorbenen möge ewiger Friede beschieden sein“.

Die Angehörigen gehen (oft) weiß gekleidet (in der Trauerfarbe) auf den Friedhof, man bringt den Toten Kleidung, Schuhe, Goldbarren etc.  aus Papier mit, auch Papiergeld, damit die Toten im Jenseits keinen Mangel leiden. Alle diese Objekte werden an einer bestimmten Verbrennungsstelle vor den Gräbern verbrannt, denn nur verbrannte Gebrauchsgegenstände können nach traditioneller Vorstellung von den Verstorbenen genutzt werden.  Nahrung wird vor den Gräbern aufgestellt, desgleichen Räucherstäbchen, Reiswein wird ausgeschüttet und Feuerwerk gezündet. Die toten Ahnen werden nach Hause eingeladen, ihnen wird dort Essen angeboten. Die Familie darf erst essen, wenn die Ahnen gegessen haben.

Das Fest ähnelt  Allerseelen: für die Verstorbenen werden Laternen entzündet, die als Wegweiser für die Seelen gelten.

Von dem japanischen Dichter Fujiwara Okikaze (9./10. Jhdt) stammt ein Gedicht, das in der deutschen Übersetzung „Wega und Atair“ überschrieben ist:

                                                               „Wega und Atair

                                                               Starke Herzen sinds,

                                                               die den Liebesbund schlossen

                                                               am Himmel oben:

                                                               als ob einmal im Jahre

                                                               Eins sein – Einssein wäre“ (zit. n. Gundert, S. 435, a.a.O.). 

 

Zudem ist der Tag als der Sieben Schwestern ein Feiertag für unverheiratete junge Frauen, die einen Partner suchen. Das Fest hat als Wurzel eine weitere Variante der obigen Legende, in diesem Fall von dem himmlischen Kaiser Yuk Wong (angeblich um 740 v. Chr. ), der sieben Töchter hatte. Die jüngste war Weberin und heiratete den Kuhhirten jenseits der Milchstraße, vernachlässigte nun ihre Pflichten und durfte ihren Mann dann n ur noch jeweils am 7. Tag des 7. Monats treffen.   

 

Der Siebener Abend als heutiges “Sieben-Schwestern-Fest” wird begangen mit Feuerwerk, Festessen, Räucherstäbchen, Löwen- und Drachen-Tänzen, Märchen-Erzählern, Opern und Musik, Verkleidungen und lautstarken, farbigen Paraden (vgl. auch http://aglobalworld.com/holidays-around-the-world/seven-sisters-festival-chinese-lunar-calendar/#sthash.ojrQgqDu.dpuf)

Auf dem sog. Felsen der Liebenden (so Wan Chai/Hongkong) finden bis heute Wettbewerbe junger Frauen statt, die selbst hergestellte Kunsthandwerksobjekte ausstellen, um ihre Talente zu verdeutlichen.

 

(variabel nach dem chinesischen Lunisolarkalender, zur doppelten Sieben, am 7. Tag des 7. Monats) 

 

© Christian Meyer


[1] Das Weben und Spinnen symbolisiert in vielen Kulturen weithin  Schöpfung und Schicksal. Insbesondere Prädestinationsvorstellungen sind oft mit dem Spinnen und  Weben verbunden. Beide Techniken schaffen neue Formen und sind sehr alt. Aus der neolithischen Zeit um 4000 v. Chr. sind Handspindeln aus Holz, Knochen und Ton überliefert. V.a. durch Funde von Webstuhlgewichten weiß man, daß bereits seit dem 4. Jtsd. vor Christus Webstühle bekannt waren. Im Indusgebiet (in den Ausgrabungen von Mohendscho Daro und Harappa) stellte man schon zu Beginn des 3. vorchristlichen Jtsd. feine Baumwollgewebe her. Baumwolle einer anderen Art versponn man im weit vor - inkaischen Nordperu schon in der Mitte des 3. vorchristlichen Jtsd. 

Claude Lévi - Strauss zeigt in „Die eifersüchtige Töpferin“, daß im indianischen Mythos das Weben für Kultur steht, und die totemistische „Faultierfrau“ die beste Weberin überhaupt ist (vgl. Lévi - Strauss, S. 152 f., a.a.O.).

Eine Reihe von z.B.  altorientalischen Mutter- und Schicksalsgöttinnen bis hinab um 2000 v. Chr. tragen als Attribut eine Spindel in der Hand: sie beherrschen nicht nur das Gebären, sondern auch das Lebensschicksal. Das gilt nicht nur für individuelle Lebenszyklen, sondern auch für historische und kosmische Zyklen. Oftmals haben die Göttinnen auch einen harten, mitleidslosen Aspekt.

Die alt - kleinasiatischen (protohattischen) Schicksalsgöttinen Ischduschtaja und Papaja bestimmten mit Spindel und Spiegel  des Menschen Schicksal. Mit Kamm und Spindel beherrschte die akkadische Lamaschtu Geburt und Kindbettfieber.

Die lunaren Moirai (vom gr. „moira“ = Anteil) der alten Griechen waren drei Schicksalsgöttinnen (bei den Römern die „Parzen“): Klotho („die Spinnerin“) sponn die Lebensfäden, Lachesis verknüpfte und erhielt sie durch mancherlei Widrigkeiten und Atropos („die Unabwendbare“) schnitt den Lebensfaden durch und führte so den Tod herbei.  

[2] Der Mythos von der Weberin und dem Kuhhirten ist in den letzten Jahrzehnten in China mehrfach verfilmt worden.

[3] Im chinesischen Volksmund wird die Elster „hsi ch’iao“ = Freudenelster genannt, da sie als Freudenbringerin gilt. Der Ruf der Elster soll gute Nachrichten, das Kommen eines Gastes und speziell eheliches Glück ankündigen. Nach traditioneller chinesischer Vorstellung kennt die Elster auch alle eheliche Untreue. In der taoistischen Tradition ist die Elster eine Fee (chen - niu), die Tochter von Yen - ti, dem König des Feuers. Sie verwandelte sich in eine Elster und stieg in den Himmel auf, nachdem ihr Nest verbrannte: eine Art Apotheose zu den taoistischen Unsterblichen.

Die Asche des Elsternnestes dient übrigens zur Vorbereitung eines Bades für die Eier des Seidenraupe, eine Sitte, die das Ausschlüpfen symbolisieren soll (vgl. Chevalier, S. 748, a.a.O.). 

[4] Anders ist es in Sendai, der Hauptstadt der japanischen Provinz Miyagi, der wichtigsten Stadt auf Nord - Honchu. Dort förderte bereits der mächtige Feudalherr Date Masamune (1566 - 1636) die Tanabata - Feierlichkeiten in allen Schichten der Bevölkerung. Bis heute wird es dort am 6. - 8 August nach dem Gregorianischen Kalender in besonders großem Rahmen begangen, - zur Zeit allerdings als Teil der Tohuku - (Nord-Honchu) - Industriemesse.