Reliquien

 

Der Begriff Reliquien entstammt dem Lateinischen, von "reliquus" = übrig, zurückgelassen. Man versteht unter Reliquien die Überreste berühmter oder als heilig angesehener Personen oder Gegenstände, die mit ihnen in naher Berührung, in enger Beziehung standen. Insbesondere sind es Gebeine, Kleidungsstücke, Geräte, Marterwerkzeuge der Heiligen. Schon früh versuchten z.B. Christen - auch unter Lebensgefahr - in den Besitz von (angeblichen) Reliquien zu gelangen, verehrten sie und setzten sie in Kirchen bei. Oft wurden für die Aufnahme der Reliquien kostbare Reliquienschreine geschaffen. In der Vorstellung  vieler mittelalterlichen Menschen war die Verehrung von oder eine Pilgerfahrt zu Reliquien mit einer Vergebung von Sünden verbunden.

 

Es gab im Mittelalter recht kuriose Reliquien, so z.B.  den Daumen Johannes des Täufers, Milch und Haare von Maria, der Mutter Jesu (sie hatte anscheinend gleichzeitig rote, blonde, braune und schwarze Haare!), Heu von der Krippe, in der Jesus geboren worden sein soll, Federn vom Flügel des Erzengels Gabriel, sogar der Misthaufen, auf dem Hiob gesessen haben soll wurde verehrt.

 

Vor allem im Zeitalter der Kreuzzüge, die nach Schätzungen circa 7 Mio. Menschen  das Leben kosteten,  gab es einen schwunghaften, für die Verkäufer und Händler höchst gewinnträchtigen Handel mit angeblichen Überresten verschiedenster Heiliger. Europa wurde regelrecht mit Reliquien überschwemmt: wurde im Orient  eine Stadt erobert, so suchte man zuallererst  nach Reliquien,  denn sie wurden oft teurer bezahlt als Gold oder  Edelsteine .  Heinrich der Löwe ( 1129 - 1195) brachte von seiner Kreuzfahrt  1172 u.a. viele Reliquien zurück nach Braunschweig. Für seinen angeblichen "Daumen des heiligen Markus" boten ihm venezianische  Aufkäufer 100 000 Dukaten - vergeblich!

 

Der französische König Karl V. („der Weise“, reg. 1364 – 1380) sammelte Reliquien, er besaß u.a. eine Flasche mit der Milch der Jungfrau Maria, eine Windel Jesu, die Dornenkrone Jesu sowie Splitter des wahren Kreuzes (vgl. Tuchman 984, S. 221, a.a.O.).

 

In den evangelischen Ländern Nordeuropas wurde die Reliquienverehrung nach der Reformation im 16. Jhdt. weitgehend abgeschafft. In katholischen Ländern ist sie noch heute weit verbreitet.

Reliquien oder reliquienähnliche Gegenstände gibt es  bei allen Menschen, in jeder Kultur und bei allen Völkern: im Istanbuler Topkapi - Museum werden u.a. Barthaare des Propheten Mohammed aufbewahrt, in Indien z.B. ein Zahn des Buddha. 

 

© Christian Meyer