Beginn des islamischen Fastenmonats Ramadan (ar. Ramadhan [1], trk. Ramazan)

 

Das Fasten im Monat Ramadan ist eine der traditionellen „fünf Säulen“ des Islams, außerdem das Glaubensbekenntnis, die täglichen Gebete, die Wallfahrt nach Mekka und die Zahlung der Armensteuer.

Schon in vorislamischer Zeit gab es bei den Arabern eine göttlich bestimmte Fastenzeit, die tatsächliche Praxis, Verbreitung und Dauer (vielleicht 10 Tage wie bei den Juden) sind jedoch unklar. Sicher aber ist der Name Ramadan bereits vorislamisch.

Nach islamischer Überlieferung soll der Prophet Muhammad seinen Anhängern in Medina zunächst das Fasten am Aschura–Tag [2] (10. Tag des Mondmonats Muharram) vorgeschrieben haben. Dann erfolgten die koranischen Offenbarungen zum Ramadan:

„Der Monat Ramadan, in welchem der Koran herabgesandt wurde, als eine Leitung für die Menschen und als Zeugnis der Leitung und Unterscheidung – wer von euch den Mond sieht, der beginne das Fasten in ihm. Wer jedoch krank ist oder auf einer Reise, der (faste) eine (gleiche) Anzahl anderer Tage. Allah wünscht es euch leicht und nicht schwer zu machen, und dass ihr die Zahl (der Tage) erfüllt und Allah dafür, dass er euch leitet, preist; und vielleicht seid ihr dankbar. ... Erlaubt ist euch, zur Nacht des Fastens eure Weiber heimzusuchen ... Und esset und trinket, bis ihr einen weißen von einem schwarzen Faden in der Mörgenröte unterscheidet. Alsdann haltet streng das Fasten bis zur Nacht und ruhet nicht bei ihnen, sondern verweilet in den Moscheen“ (2. Sure, 181 – 183).

Im Fastenmonat dürfen also gläubige Muslime am Tage nichts essen, nichts trinken, nicht rauchen, keine sexullen Aktivitäten vollziehen, nicht einmal den Speichel darf man herunterschlucken. Aus diesem Grunde schwimmen bzw. duschen manche Muslime tagsüber in diesem Monat nicht, um nicht aus Versehen etwas Wasser herunterzuschlucken. Ähnliches gilt auch für Zähneputzen und Gurgeln. 

Der Fastenmonat gilt nicht für Kranke, schwangere und stillende Frauen, für Reisende und für Kinder vor der Pubertät.

Der gesamte Tagesablauf ändert sich während des Monats Ramadan. Noch in der nächtlichen Dunkelheit, vor Sonnenaufgang geht z.B. in der Türkei v.a. auf dem Lande bis heute oft eine Trommler (tr. davulcu) von Haus zu Haus und weckt gegen eine kleine Spende die Bewohner zum Sahur, dem letzten zulässigen Essen vom Beginn der Fastenstunden. Mit vollem Magen legen sich die Fastenden wieder ins Bett.

Vor allem wenn der Mondmonat Ramadan in die heißen Sommerwochen des Sonnenjahres mit seinen langen Tagesstunden fällt, ist der Verzicht auf das Trinken mühsam. Alle Arbeiten im Fastenmonat lassen sich ruhig an, die Arbeitsproduktivität im Ramadan sinkt in allen muslimisch geprägten Gesellschaften deutlich ab.

Habib Bourgiba (1903 – 2000), der erste, bis 1987 autoritär regierende Präsident Tunesiens hielt den Ramadan zwar für eine „schöne Tradition“, meinte aber er „paralysiere“ die Gesellschaft und bewirke Stagnation und Dekadenz. Deshalb bekämpfte er öffentlich das Ramadan-Fasten und trank während einer TV-Ansprache 1960 im Ramadan öffentlich und bewusst ein Glas Orangensaft – für viele tradionell fühlende Muslime ein Skandal.

Früher stiegen Geistliche [3] auf die Minaretts oder Anhöhen, um die genaue Zeit des Fastenbrechens bestimmen zu können und durch einen Kanonenschuß zum Beispiel der Allgmeinheit mitzuteilen.

Heute gibt es muslimsiche Kalender mit entsprechenden Angaben der Fastenzeiten für die jeweiligen Orte (nach ihrer geographischen Breite), auch werden durch Radio und Fernsehen die Nachrichten verbreitet: Jetzt ist Fastenbrechen (iftar) in Erzurum, nun in Erzincan, nun in Ankara etc. Oft ist es so, dass hunderte von Menschen gemeinsam in Restaurants vor den gefüllten Tellern sitzen und auf die Nachricht warten.

Das abendliche Fastenbrechen–Essen (es heißt Iftar) wird oft gemeinsam und feierlich eingenommen. Traditionell wird das Fastenbrechen durch das Verzehren von drei Datteln eingeleitet, so soll es auch der Prophet Muhammad selbst gehalten haben

In Jordanien gilt es z.B. als hohe Ehre, zum Iftar an die königliche Tafel geladen zu werden. Vielfach organisieren wohlhabende Muslime Iftar für die Armen, was als besonders verdienstvoll gilt.

So ist es kein Wunder, dass im Ramadan die höchsten durchschnittlichen Monatsausgaben für Nahrungsmittel anfallen.

Eine Reihe von besonderen Gebeten sind im Ramadan verbreitet, so zum Fastenbrechen am Abend: „O Allah, um deinetwillen habe ich gefastet, an dich glaube ich, und mit deiner Nahrung breche ich mein Fasten, darum nimm es von mir an. Im Namen Allahs, des Gnädigen, des Barmherzigen“.

Zum Fastenbrechen als ein Gast eines anderen: „Mögen die Fastenden bei euch ihr Fasten brechen und die Rechtschaffenen eure Speise essen und die Engel um Segen für euch beten. O Allah, segne sie in dem, womit du sie versorgt hast, und vergib ihnen und erbarme dich ihrer“.

Nach dem Essen: „Lob sei Allah, der uns zu essen und zu trinken gibt und uns zu Gottergebenen gemacht hat“ (vgl. Sieg, S. 52, a.a.O.). 

Im Ramadan sind die Minarette der Moscheen festlich beleuchtet. Oft werden in den Moscheen im Fastenmonat Zikr-Rituale durchgeführt.

Da vielfach die Nacht zum Tage gemacht wird, ist der Ramadan auch die große Zeit der Seifenopern im Fernsehen, die Werbezeiten sind nun auch besonders teuer. In Ägypten gibt es für den Ramadan spezielle Laternen, die während der ganzen Zeit brennen. Heute kommen sie oft aus China, sie sind billiger.

 

Der Fastende soll sich im Ramadan besonders gut verhalten, für die Schule interessant ist es, dass der Gebrauch von Schimpfworten im Ramadan verboten ist und das Fasten entwertet.

Als Ziele des Fastens werden von islamischen Theologen angeführt:

·         die Übung der Selbstbeherrschung

·         die Entwicklung von Mitgefühl mit den Armen und Bedürftigen

·         Dankbarkeit für Gottes Gaben

·         Erfahrungen von Gemeinschaft beim Fasten und Fastenbrechen

·         das Sammeln von spirituellen Erfahrungen im Gebnet und bei vertiefter Koran – Lektüre.

 

Der Prophet Muhammad wusste anscheinend nicht, dass die Tage in den nördlichen Breiten im Sommer immer länger werden, so dass es mit dem Unterscheiden eines weißen und Schwarzen Fadens im Juni am Nordkap zum Beispiel auch Mitternachts kein Problem darstellt.

Im Jahre 1024 besuchte eine Gesandtschaft der Wolgabulgaren den Hof Mahmuds von Ghazna (im heutigen Afghanistan). Der Gesandte erzählte beiläufig vom fernen Norden, „... wo im Sommer die Sonne nicht untergeht. Mahmud brauste auf und erklärte dies für Lüge und Ketzerei“ (zit.n. al–Biruni, Vorwort, S. 21, a.a.O.).

Die Reaktion Mahmuds – eines gläubigen Muslims – wird verständlich, wenn man bedenkt, dass zwei der fünf täglichen Pflichtgebete an den Auf- bzw. Untergang der Sonne gebunden sind und im Ramadan Essen und Trinken nur nachts gestattet sind.

Al–Biruni (* 4. September 973 in Kath/Choresm, + am 9. Dezember 1048 in Ghazna), der aus Zentralasien stammende, arabisch schreibende und jahrelang am Hofe Mahmuds arbeitende muslimische Universalgelehrte soll damals interveniert haben, und mit geometrischen Argumenten die Richtigkeit des Berichts des Gesandten bestätigt haben.

In seiner „Geodäsie“ berichtet al–Biruni von den Anwohnern des „Meeres der Waräger“, der Ostsee, und dass sie „... ihre Fahrt in Richtung auf den Himmelsnordpol bis zu einer Stelle fortsetzen, wo die Sonne bei ihrer sommerlichen Wende über dem Horizont kreist. Sie beobachten das und brüsten sich damit bei ihren Leuten, dass sie den Ort erreicht haben, an dem es keine Nacht gibt“ (vgl. Al–Biruni, S. 68, a.a.O.).

In der Praxis lösen fromme Muslime die hier angedeutete Fragestellung pragmatisch durch späteres Nachholen der Fastentage. Ähnliches gilt auch für alle anderen nicht geleisteten Fastentage.

Früher wurden - um das Fasten im Ramadan erträglicher zu gestalten - zur Nachtzeit verschiedene Vorführungen zur Ablenkung veranstaltet, so z.B. in der Türkei Schattenspiele mit Karagöz und Hacivad.

In den letzten Jahren ist in den allermeisten muslimisch geprägten Ländern eine Zunahme der Beachtung des Fastengebote im Ramadan zu bemerken. Auch ist die soziale Kontrolle in dieser Hinsicht immer größer geworden. Auch innerhalb der islamischen Diaspora-Gemeinden in der Bundesrepublik nimmt die Beachtung des Ramadanfastens anscheinend zu. Allerdings wächste auch die soziale Kontrolle innerhalb der Gemeinden.

Von allen religiösen islamischen Praktiken erreichte das Fasten im Ramadan bei der Fundamentalismus–Studie von Wilhelm Heitmeyer u.a. deutlich die höchsten Werte (nach der Beschneidung wurde nicht gefragt). Auf die Frage, „Fasten Sie im Ramadan?“ wurde folgendermaßen geantwortet:

 

  die ganze Fastenzeit

       mehrere Tage

                nie

       keine Angaben

            61,4 %

             25, 1 %

              12, 0 %

                1, 6 %

                                                                                              (vgl. Heitmeyer, S. 116, a.a.O.).

 

Heitmeyer resümiert: „Es ist ... nebensächlich, ob es sich um Jüngere oder Ältere, um Jungen oder Mädchen oder um Jugendliche aus niedrigen oder gehobenen Sozialschichten handelt – für sie alle hat die religiöse Tradition der Fastenregeln eine außerordentlich hohe Bedeutung“ (vgl. Heitmeyer, S. 117, a.a.O.). 

 

Immer wieder kommt es zu Abweichungen bei der Errechnung der Fastenzeittermine.

Das “Islamic Crescent Observation Project” (Islamisches Halbmond – Beobachtungsprojekt, ICOP; vgl. www.icoproject.org) wurde 1998 organisiert von „Arab Union for Astronomy and Space Sciences“ (AUASS) und „Jordanian Astronomical Society“ (JAS) als ein weltweites Vorhaben gegründet, in dem mehr als 400 muslimische Gelehrte, Physiker, Mathematiker und Astronomen die Mondphasen beobachten und über die Angelegenheiten des islamischen Ritualkalenders beraten und publizieren. 

Die ICOP errechnete auf der Grundlage ihrer Beobachtungen den 10. September 2010 als ersten Tag des Festes des Fastenbrechens und des 10. Monats. 

Je nach Mondphase dauert der Ramadan 29 oder 30 Tage. In den meisten muslimischen Ländern begann der Ramadan offizell am 11. August 2010. Deshalb fiel der 29. Fastentag auf den Mittwoch, den 8. September 2010. Zu dieser Zeit ist der Mond in Afrika, Asien und Europa aber noch nicht zu sehen, da er noch vor der Abenddämmerung untergeht. Erst am 9. September sei - nach der ICOP -  die Mondsichel im überwiegenden Teil der Welt beobachtbar und markiere damit den letzten Ramadantag. Eid al Fitr begönne damit am Freitag, dem 10. September.

Dagegen legte eine Fatwa des „European Council for Fatwa and Research“ (ECFR) den ersten Fastenbrechentag Eid-al-Fitr auf den Donnerstag den 9. September fest und sind damit in Übereinstimmung mit dem schiitischen Klerus die (außer für Neuseeland und Australien) ebenfalls den 9. September auswählten. 

Dagegen bestimmte der „Fiqh Council of North America“ (FCNA) für Nordamerika Freitag, den 10. September als Eid-al-Fitr. Es schien so, dass die meisten Ländern weltweit dem Vorschlag des FCNA als Feiertag folgen.

Im Ramadan 2013 / 1434 war im Irak eine ganze Anschlagserie mit vielen Toten zu beklagen. V.A. in schiitischen Wohngebieten explodierten an Abenden, während des Iftar, wenn besonders viele Menschen in Restaurants und Geschäften sind, immer wieder Bomben. Im Juli 2013 sollen ca. 600 Menschen dabei umgekommen sein (vgl. „Freitag“, Nr. 30/2013, S. 12). 

 

Schon bei der Ebola-Epidemie 2016 in Westafrika hatten die allermeisten islamischen Religionsgelehrten die Impfung für zulässig erklärt, die Akzeptanz bei der muslimischen Bevölkerung lag jedoch nur bei 40 %. 

Der Ramadan 2021/1442 fällt in vielen überwiegend muslimischen Ländern in die drtitte Welle der Corona-Pandemie

Vielfach fragen sich verunsicherte Gläubige, ob etwa die Impfung gegen das Fastengebot verstößt. Jedoch sind dabei die Urteile der muslimischen Theologen eindeutig. So meinte z.B. Scheich Abdulaziz al-Ascheiki (*1943), der Großmufti von Saudi-Arabien und Chef der saudischen Religionspolizei, dass die Corona-Impfungen kein religiöses Problem seien: Impfstoffe seien keine Nahrungsmittel und sie werden intramuskulär aufgenommen (vgl. Tagesspiegel, 13. April 2021, S. 26).  

Ganz ähnlich urteilten DIYANET in der Türkei und vergleichbare Institutionen in den VAE und Indonedien. Verboten ("haram") seien nur die Einnahmen von Substanzen durch den Mund und die Nase sowie intravenöse Spritzen führten die Religionsbehörden in Dubai aus. 

Da in der Türkei zur Zeit (April 2021) täglich mehr als 50 000 Menschen neu an Covid 19 erkranken, wurden nun alle Cafés und Restaurants geschlossen, die großen gemeinsamen Iftar - Fastenbrechen-Essen werden wohl in diesem Ramadan ausfallen, genauso wie die gemeinsamen Nachtgebete in den Moscheen.

Saudi-Arabien lässt gegenwärtig zur Kleinen Wallfahrt nur Geimpfte und Corona-Genesene ins Lnad.

Dennoch wird erwartet, dass der Fastenmonat zu vielen Neuansteckungen führen wird, denn - wie Thomas Seibert im Tagesspiegel zusammenfasste: "Die Macht der Tradition ist stärker als die Angst vor dem Virus" (Tagesspiegel, 13. April 2021, S. 26).      

 

(variabel, nach dem muslimischen Mondkalender, 1. Tag des 9.  Monats)

 
© Christian Meyer


[1] Im Arabischen Ramadhan; die ar. Wurzel „r-m-d" bedeutet „sommerliche Hitze“; dieser Monat muss daher in dem vorislamischen Sonnenjahr in den Sommer gefallen sein. Der Ramadhan kommt als einziger Monat namentlich im Koran vor, in der Bakara-Sure („Die Kuh", 2. Sure).

[2] Einige Forscher glauben heute den Aschura-Tag als Fastentag mit dem jüdischen Jom–Kippu–Tag (Versöhnungstag) vom Ursprung her gleichsetzen zu können. Nach jüdischer Tradition ist Jom Kippur der letzte der 10 Fastentage und erinnert daran, dass die Juden – nach dem Tanz uns Goldene Kalb –  bereuten und fasteten, bis Moses zum zweiten Mal die Zehn Gebote brachte.   

[3] Sa’di übte in seinem „Rosengarten“ deutliche Kritik an der oft auch von islamischen Geistlichen geforderten Weltentsagung. Er wies darauf hin, dass ihre Worte oft nicht mit ihren Handlungen übereinstimmen:

                               „Die Leute lehren sie der Weltentsagen,

                               indes sie Geld und Korn zusammentragen“ (Sa’di, S. 132, a.a.O.)

Schon seit längerem gibt es in Deutschland – in der muslimischen Diaspora - Ramazan takvimi – Ramadan-Kalender, mit täglich zu öffnenden Fenstern, analog zum Adventskalender. Dargestellt ist Nasreddin-Hodscha, eine im ganzen Orient beliebte legendäre Figur, die nach verschiedenen Überlieferungen im 13. Jhdt. im türkischen Akşehir (und anderswo) gelebt haben soll. Nasreddin Hodscha wird dargestellt mit einem langen weißen Bart, Turban und umgekehrt auf einem Esel reitend.

Die obere Abb stammt aus der Weihnachtsausstellung der Dahlemer Museen in Berlin (Photo: Karoline Schulz, Dezember 2016)

Die untere Abb. stammt von einem Ramadan-Kalender (mit u.a. Süßigkeiten, einem Quiz und Gewinnspiel), der im Frühjahr 2018 im Berliner Einzelhandel erhältlich war.