Filippino Lippi : „L’Angelo libera San Pietro dal carcere“ – Der Engel befreit den Hl. Petrus aus dem Kerker; Fresko in Santa Maria del Carmine / Florenz (Abb. aus Procacci, S. 32,  a.a.O.)

 

1. August: katholisches„Petri Kettenfest" (zuvor römischer Feiertag des Augustus)

 

Der Überlieferung nach wurde Petrus nach dem Märtyrertod Jakobus d. Älteren durch Herodes Agrippa (Apg 12, 2) in Ketten gefesselt ins Gefängnis geworfen. Wunderbarerweise erschien im Gefängnis ein Engel, der Petrus aufforderte: "Gürte dich, ziehe deine Schuhe an, wirf den Mantel um und folge mit nach!" Die Ketten fielen von selbst und von den Wächtern ungehindert schritt Petrus aus dem Gefängnis, dem Martyrium entgegen.

In der christlichen Kunst ist diese Episode der Apostelgeschichte eine häufige Darstellung, z.B. von Filippino Lippi [1] 1480 – 85 in der Cappella Brancacci der Chiesa Santa Maria del Carmine zu Florenz (vgl. Abb.oben).

Während der bewaffnete Wächter schläft (links), geleitet ein Engel Petrus aus dem Gefängnis.

Der erste Teil des Freskenzyklus entstand bereits 1424 – 28 durch Masolino (ð Mariä Schnee, 5. August) und va. Masaccio (ð Petri Stuhlfeier). Erst  1838 erkannte man, dass dieses Fresko von Flippino Lippi stammte.

Innerhalb des Fresko „Petrus und Paulus im Disput mit dem Magier Simon vor Kaiser Nero“ bildete sich Filippino Lippi selbst ab (vgl. Abb. unten).

 

In seiner Autobiographie erwähnt der Bildhauer und Goldschmied Benvenuto Cellini (1500 - 1571) Petri Kettenfest, „… das große Fest, das man Rom am ersten August feiert“ (Cellini, S. 162, a.a.O.). Da Cellini zu dieser Zeit 1538 in einem römischen Gefängnis war, versuchte er sich durch Gebte zu trösten: „Ich sagte zu mir: Alle vergangenen jahre habe ich dieses angenehme Fest mit der vergänglichen Welt gefeiert, diesmal will ich es mit der Gottheit des Herrn zubringen“ (Cellini, S. 162, a.a.O.). Mit einem Stück Kohne zeichnete er Gottvater, die umgebenden Engel und einen triumpgirenden Christus an die Kerkerwand: „Da sang ich ein De profundis [2], ein Miserere, ein In te Domini [3] und feierte den ganzen ersten August mit Gott, und mein Herz jauchzte voll Hoffnung und Glauben“ (Cellini, S. 163, a.a.O.).

 

(unveränderlich, nach dem Gregorianischen Kalender)

© Christian Meyer


[1] Der Maler Filippino Lippi (1457 – 1504), Sohn des Malers und kemelitermönches Frau Filippo Lippi und der Nonne Lucrezia Buti, wurde in Prato geboren und war ein Schüler u.a. von Sandro Botticelli. Vasari berichtete dazu: „Dieser Künstler vollendete in seiner frühen Jugend die kapelle der Brancacci in der Kirche del Carmine zu Florenz, welche vordem von Masolino angefangen und sodann von Masaccio wegen dessen Tad nicht ganz beendigt worden war. Filippino nun legte die letzte Hand an ihrer Vollendung“ (Vasari, S. 261, a.a.O.).  

[2]De profundis“ (lat. „aus den Tiefen“) bezeichnet den  Psalm 130 (der Luther – Bibel, in der Vulgata ist es der Psalm 129). Er beginnt mit den Worten: „Aus der Tiefe rufe ich, Herr, zu Dir“ und wird wird auch „der sechste Bußpsalm“ genannt. In der katholischen Kirche gehört das traditionell „De profundis“ zu den Totengebeten der und wird z.B. in der Liturgie des im Begräbnisses rezitiert.

Die Kantate „Aus der Tiefen rufe ich, Herr, zu dir“ von Johann Sebastian Bach (BWV 131, komponiert in Mühhausen, ca. 1707/08) beruht textlich auf dem 130. Psalm.

Weitere Vertonungen des 130. Psalms „De profundis“ stammen z.B.

  • von Christoph Willibald  Gluck (dem „Ritter Gluck“), seine Fassung wurde auch bei seiner eigenen Beerdigung im Jahre 1787 aufgeführt
  •  von Krzysztof Penderecki, in seinem seinen „Seven Gates of Jerusalem“ aus dem Jahre 1998
  • von Carlo Pedini, „De Profundis“, für Chor und vier Posaunen, im Jahre 1999.

[3] Bei dem „In te, Domine“ handelt es sich um den  Psalm 31. In seiner lateinsichen Fassung lauten seine ersten Zeilen:  „In te, Domine, speravi, non confundar in aeternum: in justitia tua libera me“.

In der Übertragung von Martin Buber heißen diese Zeilen: „An dir, DU, berge ich mich, in Weltzeit möge ich nimmer zuschanden werden!“

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Selbstporträt von Filippino Lippi, im Jahre 1485 in der Brancacci – Kapelle von Santa Maria del Carmine / Florenz (Abb. aus Procacci, S. 28, a.a.O.).

 

 

Das Triptychon von Otto Dix „Madonna vor Stacheldraht und Trümmern mit Paulus und Petrus“ (aab. oben nach einer Postkarte) entstand  1945; es handelt sich vermutlich um das einzige Madonnenbild mit Stacheldraht und Ruinen. Heute ist das Gemälde als Dauerleihgabe und Wallfahrtsbild ausgestellt in der Marienkapelle der katholischen Kirche „Maria Frieden“ (12105 Berlin-Mariendorf, Kaiserstraße 28).

 

Dort wird es an jedem ersten Donnerstag im Monat Zie1 der Monatswallfahrt ab 17 Uhr, mit u. a. einem Rosenkranzgebet und einem Wallfahrtshochamt.

 

 

 

Am 15. März 1945 wurde Otto Dix (1871 – 1969) zum Volkssturm eingezogen und geriet am 18. April 1945 wahrscheinlich im Schwarzwald in französische Kriegsgefangenschaft; er kam in das Lager Logelbach beim elsässischen Colmar (heute ein Ortsteil von Colmar). Die Bedingungen für die Kriegsgefangenen waren auch dort katastrophal. Keine Betten, keine Decken und keine Heizung, die Gefangenen schliefen auf dem Eichenholzboden. Die hygienischen Umstände waren völlig unzureichend, denn das Gebäude war nicht auf so viele Menschen eingerichtet. Täglich sollen zwischen vier und fünf der ca. 7000 Gefangenen gestorben sein, oft verhungerten sie. Überliefert ist, dass ein hungernder Gefangener, der beim Brotstehlen erwischt wurde, Spießruten laufen musste, bis er blutüberströmt zusammenbrach. Dix hat dies Erlebnis später in dem Gemälde „Ecce Homo II mit Selbstbildnis hinter Stacheldraht 1948 verarbeitet.

 

Dix musste im Lager wochenlang u. a. Kartoffelschälen, aber auch z.B. Minen räumen, eine lebensgefährliche Tätigkeit. Die Situation besserte sich erst, nachdem durch eine von Dix angefertigte
Zeichnung, die an das Internationale Rote Kreuz in Genf geschickt worden war, dieses das Lager mit
Nahrung versorgte. Die Zeichnung gilt als verloren (vgl. http://wintzenheim3945.free.fr/D42F_Otto-Dix/D42F_Otto-Dix.pdf).

 

Otto Dix aber hatte Glück im Unglück: Von dem französischen Offizier und Kunstliebhaber, dem Lagerkommandanten Aloyse Ruff (1908 – 1982, im zivilen Leben Lehrer in Colmar) wurde er erkannt. Der Lagerkommandant soll Dix mithilfe eines Bandes der Propyläen-Kunstgeschichte erkannt haben. Der Kommandant gab dem tief deprimiert Dix (wie auch anderen Künstler-Gefangenen) u. a. im Juni 1945 den Auftrag, ein Triptychon für die katholische Lager-Kapelle zu malen.

 

Dafür erhielt er Privilegien, dürfte z.B. in Zivilkleidern in die Stadt Colmar, dort auch mehrfach das Musée Unterlinden besuchen mit dem von Dix hochverehrten Isenheimer Altar. Zudem bekam er vielleicht lebensrettende Sonderrationen an Nahrung und Kleidung. Zeitweise war das Atelier von Dix in einer der Lager-Baracken.

 

Später, ab Juni 1945 durfte Dix das Colmarer Atelier des dortigen Malers Robert Gall benutzen, Gall wurde ein enger lebenslanger Freund von Dix und half ihm bei der Arbeit und bei der Versorgung.

 

Dort in Colmar malte Dix das obige Bild; eigentlich war es bestimmt für die Kapelle des von Stacheldraht umgebenen Lagers Logelbach bei Colmar. Nach 6 -8 Wochen Arbeit war das Triptychon fertig, wurde aber nie aufgestellt es verschwand, der Lagerkommandant eignete es sich an, zur Enttäuschung von Dix.   

 

Mehrere weitere Werke von Dix entstanden in der Zeit der Colmarer Kriegsgefangenschaft und wurden von ihr inspiriert. So schuf Otto Dix ein zweites Altarbild, eine einfache Replik, die „Madonna von Colmar“. Dieses
wurde 1945 tatsächlich in der Kapelle aufgestellt.

 

Das originale Madonnenbild blieb lange 42 Jahre verschwunden, bis es 1987 zum Verkauf angeboten wurde (Provenienz: Kommandant des Gefangenen Lagers Colmar; Privatsammlung Colmar)

 

Angekauft wurde das Bild vom Senat von (West-) Berlin, aus Mitteln der Klassenlotterie Berlin und gab es als Dauerleihgabe an die katholische Kirche „Maria Frieden“.

 

Die Madonna mit Stacheldraht und Ruinen ist das einzige Bild von Dix, dass für einen religiösen Ort und zu liturgischen Zwecken geschaffen wurde. Auf dem Hintergrund des Bildes sind die Vogesen (zwei Bergkuppen, der Große und der Kleine Hoheneck; der Große Hoheneck ist mit 1363 m der dritthöchste Berg der Vogesen), ein zerstörtes Dorf und der Kirchturm der weißen Betonkirche Notre-dame-de-l'Assomption von Logelbach zu erkennen.

 

Auf dem linken Seitenflügel trägt Paulus als Greis, die Arme in Ketten zum Himmel hebend,  Handschellen und sitzt vor einer Schar von Gefangenen unter denen sich Dix selbst und seine Mitgefangenen Malerkollegen befinden. Auf der rechten Seiten Tafel wird Petrus als junger Mann an den Füßen angekettet, von einem Engel befreit (vgl. Apg 12), Sowie 1945 der der hungrige und Gefangene Dix seine Freiheit ersehnte.

 

Das Kind auf dem Schoß Marias hält in der linken Hand eine blau schimmernde Kristallkugel (die Erdkugel?), die rechte Hand ist grüßend erhoben .

 

 

 

Die Wallfahrt in der Kirche Maria Frieden geht auf den einstigen Berliner Erzbischof Joachim Kardinal Meisner (1939 - 2017) zurück; das Bild ist Ziel der Wallfahrt für die Einheit des Bistums und für geistliche Berufungen.  

 

 

 

Im Februar 1946 konnte Dix in sein Haus nach Hemmenhofen am Bodensee zurückkehren.

 

 

Details von Otto Dix' Triptychon: Links Paulus und die Kriegegefangenen; Rechts der Stachendraht, die Ruinen und die Vogesen im Hintergrund; 

Photos: Christian Meyer, April 2022 

 

 

 

 

Otto Dix: "Selbstbildnis als Krieggefangenen", heute 

im Kunstmuseum Stuttgart (Abb. aus: https://www.ottodix.org/catalog-item/156.001/)

Das nebenstehende Bild, 1947 gemalt, zeigt Dix als Kriegsgefangenen. Es zeigt die Einsamkeit, Unfreiheit  und die Leiden, die Dix in seiner Gefangenschaft empfand. Er malte sich vor Stacheldraht, der seinen Kopf wie Dornen umgibt.